Kapitel 9 - Neu
Also um eines klar zu stellen: Ich werde nicht zu einem dieser Mädchen werden, die in Selbstmitleid zerfliesen, weil sie ihre Eltern verloren haben und dauernd heulen und blablabla. Ihr wisst was ich meine. Denn jetzt steht erstmal ein Neuanfang an. Jawohl. Cathy hat mich ihrer Tante vorgestellt, die sozusagen ein wandelndes FIA Lexikon ist. Und ich dachte mir davor nur so WTF, was kommt jetzt? Aber sie hat nicht irgendwie angefangen mir irgendwelche Regeln oder so zu eklären, die es zu beachten gibt. Eigentlich was sie total nett. Mum hätte sich gut mit ihr verstanden, vielleicht hätte sie sie zu ihrem wöchentlichen Kaffeékränzchen eingeladen. Jedenfalls hat Teresa (Cathy’s Tante) vorgeschlagen ich solle doch zu ihnen nach Boston kommen, bei ihnen wohnen (zumindest für eine Weile) und so tun als wären sie meine Verwandten oder so. Dass ich die Beiden erst seit ein paar Tagen kenne, muss ja keiner wissen. Und eigentlich habe ich ja nichts, was mich noch hier hält, also habe ich ihr Angebot angenommen. Außerdem haben wir mich in einer neuen Schule angemeldet, die näher an ihrem Haus ist. Meine angebliche Cousine und Tante waren mit mir ewig shoppen, damit es wenigstens so aussieht, als wäre alles normal und meine Eltern wären „nur“ in Europa, um irgendwelche eigentlich nicht existierenden Verwandten zu besuchen. Und nun bin ich hier. In einer neuen Schule, einer neuen Stadt und einer neuen Familie. Yey.
Und gerade in diesem Moment lenke ich das Auto von Cathy’s Tante in eine Parklücke auf dem Schülerparkplatz der High School, deren Namen ich schon wieder vergessen habe. Mitten im Schuljahr die Neue zu sein ist natürlich nicht gerade von Vorteil wenn man nicht auffallen will. Den Beobachtungen an meiner alten Schule nach zu folgen, dürfte sich das aber bald wieder gelegt haben, denn schließlich gehöre ich eigentlich zu den Unsichtbaren. Als ich aussteige, mir meinen Rucksack schnappe, das Auto absperre und in Richtung Verwaltungsgebäude gehe, fühle ich mich jedoch nicht gerade unbeachtet. Die Schüler, die auf den Weg über den Campus sind, bleiben stehen und glotzen mich an, einer ist sogar unter dem Kauen seines Schokoriegels erstarrt. „Wenn ihr mit eurem Gestarre fertig seit, könnt ihr die mysteriöse Neue dann vielleicht mal durchlassen?“, sage ich zu einer Gruppe Leuten, die sofort beschämt den Blick abwenden, Platz machen und ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. Das kann ja noch lustig werden.
Nach einer Diskussion mit der Sekretärin, die meine Enschreibungspapieren oder wie man das nennt aus Versehen in den Mülleimer befördert hat, kriege ich endlich meinen zerknitterten Stundenplan und mache mich auf den Weg in den Unterricht. Dritte Stunde, Geschichte bei Mr. Miller. Als ich endlich den richtigen Raum im richtigen Teil im richtigen Stockwerk dieser riesigen Schule gefunden habe, platze ich auch noch mitten in den Vortrag einer Schülerin. Und nachdem ich mich umständlich bei Gott und der Welt entschuldigt und erklärt habe wieso ich hier bin, denke ich gerade, dass der Lehrer mich sicher jetzt schon nicht leiden kann, als Jemand aufgeregt plötzlich meinen Namen sagt:„Keira? Keira O‘Brien?“
„Ja?“ sage ich verwirrt, sehe mich in dem hellen Raum um und erkenne die Stimme als die des dunkelhäutigen Mädchens mit leicht lockigen, dunkelbraunen Haaren und braunen Rehaugen, die vorne an der Tafel irgendwas über die Boston Tea Party erzählt hat, bis ich den Raum betreten habe.
„Sara?“ frage ich erstaunt, sie nickt, und ich kann es nicht fassen. Sara Hamilton und ich waren wirklich ewig lange die besten Freundinnen, seit ich vier Jahre alt war und dann als sie umgezogen ist, hatte ich nie wieder eine andere beste Freundin. Sara lässt ihr Referat und das Gelaber von Mr. Miller von wegen ich solle mich hinhocken und die Klappe halten links liegen, läuft auf mich zu und umarmt mich.
„Oh mein Gott…das ist ja so ewig her…was machst du denn hier?“ will sie wissen.
„Jedenfalls nicht weiter meinen Unterricht stören, sonst kann sie gleich wieder gehen!“ unterbricht der Lehrer unser Wiedersehen und Sara macht die ganze Zeit über grinsend weiter mit ihrem Vortrag.
Also erzähle ich ihr die ganze Geschichte nach der Stunde. Natürlich nicht die GANZE, also ohne den Teil dass ich irgendwelche übernatürlichen Fähigkeiten habe und meine Eltern mich vergessen haben und so weiter. Ich hasse mich jetzt schon dafür, sie anlügen zu müssen. All das, was wir damals angestellt haben, sehe ich deutlich vor mir. Einmal sind wir beide aus dem Kunstunterricht geflogen und dann weggelaufen, wofür wir fast einen Verweiß bekommen hätten. Und damals, im Kindergarten, haben wir Spielzeug aus dem Fenster geschmissen. Als wir zusammen im Urlaub waren, war ich zum ersten Mal betrunken. Natürlich nicht so richtig, aber immerhin. Die ganzen verrückten Aktionen kommen mir in den Sinn und ich freue mich wirklich, Sara hier zu treffen. Soweit ich weiß war sie die einzige richtige Freundin, die ich jemals hatte. Manche Leute würden jetzt sagen, „Ich mag sie. Sie ist genauso gestört wie ich“, aber seien wir mal ehrlich, die Hälfte derer tut so als wären sie dumm und verrückt und würden lauter verbotene Sachen anstellen um Aufmerksamkeit zu kriegen. Im Prinzip gibt es nur wenige, die dann auch wirklich anders sind, und die schreien das nicht so einfach herum. Anderssein hat nichts, aber auch gar nichts, mit irgendwelchen illegalen Aktionen zu tun. Sara ist einer dieser Menschen. Sie ist so wie sie ist und kann sich gar nicht verstellen. Deshalb war sie auch immer schon das Gegenteil von mir. Wo sie aufgetaucht ist, haben sie Leute sie umarmt, es gab das zur allgemeinen Überraschung ehrlich gemeite „Wie geht’s dir so?“ und sie war einfach der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Sara ist nicht eines dieser total beliebten Mädchen, die so die „Highschoolqueen“ genannt, auf Schulbällen zur Königin gekrönt werden und Headcheerleader sind. Es ist irgendwie…anders. Sie redet den ganzen Tag und größtenteils unlogisches Zeug und ist total abgedreht, aber wirklich alle mögen sie dafür. Außer möglicherweise ein paar Zicken.
Vielleicht wird mein neues Leben doch nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte.
Die Schule ist größer als meine Alte. Früher hatten wir ein alte und eine neue Aula, einen Alt- und einen Neubau, die Beide nur eine Haupttreppe hatten. Jetzt gibt es einen Alt-, einen Neu-, einen Erweiterungsbau, den neuen Altbau, ein Theater, mehrere, auf das ganze Schulgelände verteilte Turnhallen, ein Foyer mit einem Kronleuchter, mindestens zwei duzend Ausgänge, einen Container, drei Sportplätze, zwei Pausenhallen, einen Pausenhof und viel zu viele verwirrende Treppen. Um nicht dauernd zu spät zu kommen, latsche ich einfach den anderen aus meinem Kurs hinterher, denn wo welcher Raum ist kann ich mir einfach nicht merken. Doch entweder haben die Leute hier extrem viel Ahnung von Geschichte und geben das auch zum Besten, oder ich leide neuerdings unter Wahnvorstellungen. Ich hätte schwören können, dass vorher jemand in einem Outfit aus dem 19. Jahrhundert an mir vorbei gelaufen ist und gerade eben dachte ich, irgendjemand hätte Shakespeare zitiert. Aber da ich weder „Die Leiden des jungen Werther“, „Romeo und Julia“ oder ähnliches gelesen habe, kann ich nicht mit Sicherheit sagen dass es dasselbe melodramatische Geschafel war.
Auch das gesamte System unter den Schülern hier ist anders. An meiner alten Schule gab es eine Art Rangordnung und kein Unbeliebter wäre je auf die Idee gekommen mit einem Streber abzuhängen.
Als ich mir in der Mittagspause einen ruhigen Fleck suchen will, während Sara mit irgendeinem Lehrer redet, merke ich jedoch, dass Rauchen hier genauso In ist.
Im Gebüsch zwischen Hauptschulgebäude und Container lungert eine Gruppe von Jungs herum, die sich sicherlich megacool vorkommen, weil die Hälfte von ihnen sicher noch nicht so alt ist, dass sie rauchen dürften und es außerdem auf dem Gelände verboten ist.
„Willst ne‘ Kippe?“ fragt einer davon, anstatt ihm die Geschichte meiner ersten Zigarette erzählen, an der ich fast erstickt wäre, sie dann fallengelassen hatte und daraufhin der Vorhang meines Zimmers angebrannt war, ignoriere ich das Angebot.
„Es ist mir eine Freude sie hier anzutreffen, Miss Keira.“ Die Stimme lässt mich erstarren. Ich weiß nicht wo sie her kommt, doch im nächsten Moment sehe ich einen jungen Mann vor mir stehen. Er ist groß, hat blonde, sorgfältig zerwuschelte Haare, graue, freundliche Augen und ein Lächeln, das einen geradezu dahinschmelzen lässt. Obwohl ich schwören könnte, ihn noch nie in meinem Leben gesehen zu haben, scheint er mir in diesem Augenblick seltsam vertraut.
„Lord William“, antworte ich mit einem schüchteren Lächeln und einem kleinen Knicks. Mir ist sehrwohl bewusst, welche Besonderheit es ist, dass er sich für mich zu interessieren scheint.
Dann bin ich verwirrt. What the -? Seit wann weiß ich wie ein Knicks geht? Und wieso habe ich eben einen Lord vor mir gesehen? Warum zum Teufel fühle ich mich in Anwesenheit gut aussehender Illusionen geschmeichelt?
Daraufhin fällt mir wieder ein, dass ich heute nicht gefrühstück hatte, weil ich verschlafen habe. Ich sollte wohl nicht mit leerem Magen aus dem Haus gehen.
„Ach, da bist du, ich hab dich schon gesucht“, kommt es von der gerade eben erst auf der Bildfläche erschienenen Sara. Wenn man vom Teufel denkt. Nicht böse gemeint.
„Hast du Hunger? Ich könnte was zu futtern vertragen“, frage ich sie und denke dabei, dass ich wirklich gerne einen Hamburger oder so hätte, bevor ich noch einen ein Quallenfischnetz schwenkenden Spongebob vor mir sehe.
„Klar, die Schulcafeteria ist wirklich gut. Außerdem muss ich dir noch ein paar Freunde vorstellen.“ So ein kleines bisschen nervös bin ich ja schon, nicht weil ich irgendwie Angst hätte, dass Sara’s Freunde mich nicht mögen oder so. Eigentlich nur, weil ich so Leute-Vorstellungs-Runden extremst peinlich finde, wahrscheinlich werden alle wieder in der Gegend rumstehen und niemand wird sich trauen was zu sagen. Ich schiele also gerade nicht ganz unauffällig zum Essen rüber und mein Magen macht sich nicht die Mühe, einmal still zu sein und gibt ständig ein unzufriedenes Brummen von sich, dass sich anhört wie wenn ein Grizzlybär schnurrt, als zwei Leute auf uns zukommen. Lecker essen. Was zum Teufel ist das denn? Meine Gedanken sind auf einen Schlag befreit vom Geruch der Spaghetti, Pizza und so weiter. Größer könnte der Unterschied zwischen Sara’s beiden Freundinnen wirklich nicht sein. Und damit meine ich nicht nur in der Größe. Nummer eins ist einen halben Kopf größer als ich und hat zur Hälfte einen Emo/Punk/Gothic-Style. Nieten, schwarzer Kajal, dunkle Klamotten, schwarze Haare. Mein erster Eindruck: Ich würde mich NIE trauen so rumzulaufen, allein aus Angst für einen Terroristen gehalten zu werden, aber ich finde, sie hat Style. Numero deux (mein Französisch gehört wirklich geölt, aber das ist schon seit Jahren so…genau genommen seit meiner ersten Französischstunde): hellbraune Haare, Smiley-T-Shirt, neongrüne Converse, halb durch den Gang hüpfend, klein, wirklich, echt krass klein…jaaa…ich finde sie lustig. Nachdem die Zwei bei uns angekommen sind, räuspert sich Sara vorsorglich und stellt uns vor: „Also…ähm…das sind Hayley (sie deutet auf die Kleine) und Evelyn.“
„Bitte nennt mich Evy, Leute. Ich weiß echt nicht, was sich meine Eltern bei dem Namen gedacht haben“, stöhnt ähm, Evy (?!) und verdreht dabei die Augen.
„Oder Lynniii!“ quietscht Hayley und erregt dabei das Aufsehen semptlicher Umstehender mitunter einer böse dreinblickender Lehrerin, die einem Gnom nicht unähnlich sieht.
„Nur für kleine nervende Zwerge“, erwiedert sie stichelnd in Richtung ihrer Freundin.
„Meine Mum hat gesagt, wenn ich groß bin, muss ich arbeiten“, bemerkt Hayley zu mir und grinst frech. So ein kleines bisschen glaube ich ja, dass ihre Mutter das irgendwie anders gemeint hat, aber ich will ihr den Spaß nicht verderben. In diesem Moment fällt Sara jedoch auf, dass sie bisher vergessen hat mich den anderen ebenfalls vorzustellen.
„Keira stellst du dich selbst vor?“ Also echt, die anderen mussten sich nicht die Mühe machen. Pfff. Echt nett.
„Klar, ähm, eigentlich hast du schon alles gesagt. Ich bin Keira.“ Das ist nun wirklich äußerst peinlich.
„Knightley“, kichert Hayley.
„Nein, ohne Knightley“, antworte ich streng. Obwohl ich die Schauspielerin eigentlich mag, hasse ich es mit Keira Knightley verglichen zu werden. Nur habe ich wirklich keinen Plan wieso. Aber sowasvon keinen.
Jedenfalls wird meine Schulkarriere mit den Dreien sicher nicht langweilig.
Nachdem unser Mittagessen genüsslich verspeißt ist (die Unterhaltung währenddessen bestand größtenteils aus Mampfgeräuschen und irgendwie sind wir zum Thema gekommen, dass mir von zu viel Butter schlecht wird und ich kotzen muss, jaaa, wirklich appetitlich), schlägt Sara vor, dass wir unsere Stundenpläne vergleichen, um herauszufinden, welche Kurse wir zusammen haben.
„Stress doch nicht so“, nuschelt Hayley hinter dem letzten Bissen ihres Muffins hervor, der irgendeine schwindelerregende Farbe hat (und mehr oder weniger danach aussieht, als wäre er in einen übergroßen Topf voller zusammengemixter Lebensmittelfarbe mit katastrophalen Ergebnis gefallen.)
„Aber die Mittagspause ist gleich aus“, meint Sara und reicht ihr vorsorglich eine Serviette.
„Chill doch mal n‘ bissl, mann. Auch wenn sie gleich aus ist, wir werden dann schon sehen ob wir was zusammen ham‘ oder?“ erwidert sie kauend daraufhin.
„Oh, Oh. Barbies im Anflug“, flüstert Evy, sodass ich es kaum hören kann. Doch in dem Moment betreten vier Mächen den Raum und mir wird klar, was sie damit meint. Eine der drei hat blonde Haare, so arschglatt, dass es mich definitiv an eine Barbie erinnert, die ich vor sehr langer Zeit mal gehabt hatte. Ich glaube ich habe ihr eine neue Haarfarbe verpasst – irgendwas zwischen grün und rot – und sie den mit-einer-Schere-schneid-Künsten meiner Nachbarin überlassen, die mich wohl nicht leiden konnte.
„Ich weiß genau, was du denkst“, sagt Sara zu mir, „Es heißt sie würde ihre Haare jeden Tag glätten seit sie zehn Jahre alt ist.“ Die anderen drei sind brünett, aber bei mindestens einer könnte ich schwören, dass sie erst kürzlich beim nachfärben war.
„Ich frage mich immer wieder, wie ihre Haare das aushalten“, murmelt Hayley geistesabwesend, während sie den Blick unverwandt auf die gerade erschienen Truppe geheftet hat.
„Wer sind die überhaupt?“ will ich wissen und kann nicht ganz verhindern, dass ich mich relativ unbegeistert angesichts dieser ähm, ein wenig abgewandter Versionen einer hundertmal verschlimmerten Caroline (mein erster Eindruck, nein ich habe keine Vorurteile…) anhöre.
„Stell dir vor diese Schule wäre Ägypten, dann wären sie sowas wie Kleopatra. Liederliche Frauenzimmer“, erzählt Evy und ich verstehe im wahrsten Sinne des Wortes noch weniger als Bahnhof.
„Lass doch mal diesen Fachwortschrott sein. Für dein Vokabular braucht man ja mehr als Google Übersetzer“, steht mir Hayley mit einem fetten Grinsen zur Seite, „Die für uns Sterbliche passende Übersetzung lautet: Das sind die Mistschlampen. Stell dir vor das wäre McDonals – Dann ist die ein Big Mac.“ Bei dem Ausdruck zuckt Evy kurz zusammen, aber ich bin begeistert. Denn genau sowas wollte ich hören. Endlich spricht mal jemand die Wahrheit aus, die ich schon damals bei Caroline brauchen hätte können.
„Und ich glaube wir haben ein Problem“, bemerkt Sara vorsichtig.
„Wieso, hast du irgendwas Totes in deinem Essen gefunden?“ Das kann ja nur von Hayley kommen. „Was denkst denn du, soll ihr Hackfleisch noch leben oder was?“ Ich muss über Evy’s Kommentar lachen, die Beiden sind einfach zu komisch.
„Weiß nicht. Wenn’s davon läuft werd‘ ich’s jedenfalls nich einfangen“, kommt es zurück.
„Was haben wir denn jetzt für ein Problem?“ beende ich die Diskussion an Sara gewandt. „Ich will nicht Barbie spielen“, erklärt diese und nachdem Hayley und ich losgeprustet haben, weil dieser Satz so zweideutig ist, deutet sie auf die Vier, die geradewegs auf uns zugestöckelt kommen.
„Wenn mich mein überragender Verstand nicht täuscht, bist du Keira“, beginnt die Blondine, ihr Lächeln ist so falsch wie meine Aufmerksamkeit in Mathe, und fährt dann fort, ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten, „Ich bin Santana, Cheerleadercapitain, erste Schülersprecherin. Wir sind zuständig für die Einweißung neuer Schüler. Also wenn du irgendwas brauchst oder einfach mal mit ein paar coolen Leuten (sie wirft einen bezweifelnden und fast schon angeekelten Blick auf meine Freunde, die sie alle hasserfüllt anstarren) reden willst, komm zu uns.“ Wenn Blicke töten könnten, wäre sie wohl gerade explodiert, erstochen, verbrannt, in Säure getränkt und von Bullen überfallen worden. Nur leider ist das nicht der Fall.
„HDF, du miese Schla-!“ schreit Hayley vor Wut kochend und will sich fast auf Santana stürzen, hätten Sara und Lynn sie nicht zurückgehalten. Diese sagt jedoch nur: „Habe ich mit dir gesprochen, Zwerg? Nein, habe ich nicht. Also, Keira, ich würde mir Freunde suchen, die nicht so aggressiv sind.“ Mir ist sehrwohl bewusst, dass sie eine nette Antwort erwartet, eine, mit der ich klarmache dass ich viel lieber mit den eingebildeten beliebten Tussies rumhängen würde, asl mit meinen Freunden. Ich hebe den Blick zum ersten Mal im kompletten Gespräch von der Tischplatte, auf der ich ganz langsam und gemächlich meine weiße Serviette (eigentlich könnten sie da doch auch mal eine andere Farbe nehmen…oder wenigstens Punkte draufmachen) zerpfrimelt habe und schaue Santana an. Spöttisch drein schauend und abwartend erwidert sie meinen Blick.
„Danke, aber ich glaube ich komme hier ganz gut klar. Außerdem, wenn ich euch so ansehe würde ich sagen dass es eindeutig schlimmeres als Aggressivität gibt“, antworte ich kühl.
„Yeah, gedisst!“ ruft Sara grinsend und hält mir ihre Hand zu einem High Five entgegen.