Der 4. Teil
„Wie lange dauert es noch?“, fragte mich mein Sohn. „Ich schätze wie sind in ungefähr 20 Minuten in Mou-lang.“, antwortete ich ihm, „ich habe meine zwei Brüder schon lange nicht mehr gesehen. Ich bin ein wenig aufgeregt.“, sagte ich mit zittriger Stimme. Ich schloss meine Hände fester an das Lenkrad und konzentrierte mich aufs Fahren. Immer wenn ich an meine Zeit in Mou-lang nachdachte, vergaß ich alles andere um mich herum. Vielleicht freute ich mich aber einfach nur tierisch Pain und Gato wiederzusehen. „Wie lange denn noch?“... „Hast du was gesagt?“, fragte ich geistesabwesend. „Ja. Wie lange denn noch!“, brüllte er durchs Auto. „Du brauchst nicht gleich zu schreien“, mahnte ich ihn, „Ich habe es dir doch vorhin schon gesagt. Ungefähr 20 Minuten noch.“ „Oh man. So lange.“, stöhnte er gelangweilt. „Seinen 7-jährigen Sohn überall mit hinnehmen zu müssen ist echt ätzend.“, schoss es mir durch denn Kopf.
Ich versuchte klare Gedanken zu bekommen und konzentrierte mich auf die Straße und den Verkehr. Eigentlich mehr auf die Straße, denn seit 5 Minuten habe ich kein Auto mehr gesehen. In dieser ländlichen Gegend, wo man nur Wiesen, Felder und Wälder sieht, ist es normal so wenige Autos zu Gesicht zu bekommen. Da ich aber aus Peking komme, ist es für mich ziemlich ungewohnt auf einer verlassenen Straße, als einzigstes Auto irgendwo im nirgendwo zu fahren.
Zehn Minuten später kamen wir an einer Tankstelle an. Ich fuhr nach rechts und blieb auf dem Parkplatz stehen. „Ich gehe nur mal kurz auf die Toilette.“, sagte ich zu Soul. Dann öffnete ich die Autotür und stieg aus.
Als ich den Laden betrat kam eine Erinnerung in mir wieder hoch. Ich weiß nicht wieso aber mir fiel ein, dass ich schon einmal bei dieser Tankstelle rast gemacht hatte. Ich erinnerte mich aber nicht mehr wann. Oder mit wem? Vielleicht war ich ja auch alleine gewesen. Keine Ahnung.
Ich ging an der Kassen vorbei. Niemand. Kein Mensch außer mir war in der Tankstelle. Hatten sie geschlossen? Keine Ahnung. Während ich nachdachte bemerkte ich meine Blase nicht, die schon am platzten war. „Oh mein Gott“, fiel es mir noch in der letzten Sekunde ein. Schnell rannte ich weiter zu den Toiletten.
„Ah“, was für eine Erleichterung. Ich öffnete die Kabinentür und stellte mich vor dem Spiegel. Drei Tage sind wir schon unterwegs und ich habe erst einmal geschlafen. Ich hatte dicke schwarze Augenringe. „Bevor ich meine Brüder treffe, muss ich dringend diese fürchterlichen Ringe loswerden.“, befahl ich mir. Ich beugte meinen Kopf dicht über das Waschbecken, drehte den Wasserhahn auf und wusch mein Gesicht einmal ausgiebig. Ich schloss meine Augen und warf meinen Kopf nach hinten, um ein bisschen frischen Wind zu bekommen. Ich lies den Kopf wieder in die normale Position fallen und öffnete die Augen.
Ein Riesen Schock umgab mich. Ich war wie Gelähmt. Ich konnte nicht mal um Hilfe schreien. Nein. Ich konnte nichts machen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich blickte in den Spiegel und ich konnte nicht weg schauen. „Ino“, sprach ich mit leiser und überraschten Stimme. „Hör mir gut zu“, sagte die Gestalt, „ Wenn dir dein Leben und das Leben deines Sohnes wichtig ist, dann kehrst du um und fährst zurück nach Peking.“ „Was soll das heißen? Was meinst du?“, fragte ich sie. „Das ist eine Warnung!“, schrie sie mich in einem ernsten Ton an, „und wenn du nicht bereit bist ihr zu folgen, wirst du es bereuen.“ Das waren ihr letzten Worte. Dann verschwand sie, und ich erkannte mein Gesicht im Spiegel wieder.
Immer noch geschockt ging ich aus dem Laden Richtung Auto. Vor meiner Tür blieb ich stehen und dachte an Inos Worte „Wenn dir dein Leben und das Leben deines Sohnes wichtig ist, dann kehrst du um und fährst zurück nach Peking.“ Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich habe mich die ganze Zeit gefreut meine Brüder wiederzusehen und jetzt sagt sie ich soll umkehren. Was ist richtig, was ist falsch? Ich weiß es nicht. Alles was ich je wollte ist, meine Heimatstadt wiederzusehen. Nicht mehr und nicht weniger. Die Autotür sprang auf und Soul sagte mit freudiger Stimme zu mir „Da bist du ja endlich. Na komm. Ich kann es kaum noch erwarten alle unsere Verwandten zu treffen. Also beeil dich.“ Ich war verwirrt. Die ganze Zeit hat er gemeckert das wir nach Mou-lang fahren und jetzt kann es gar nicht schnell genug gehen. Ich hatte noch einmal darüber nachgedacht und wollte schon umkehren, da ich wusste das er keine Lust auf den Besuch hatte, aber jetzt. Ich konnte ihm die Freude nicht nehmen. Ich stieg ins Auto und fuhr los. Weiter Richtung Mou-lang.
Wir fuhren an einem Ortsschild vorbei und Soul rief voller Freude „Mou-land noch 2km. Wir sind endlich da.“ Ich sah die Freude deutlich in seinen Augen. Im Gegensatz zu ihm war ich überhaupt nicht mehr froh. Leider bemerkte mein Shon dass und fragte mich natürlich sofort „Was ist los Mutter? Wieso bist du so traurig?“ „Ich bin nicht traurig. Ich...“ „Aber du weinst“, unterbrach er mich „Bist du etwa nicht froh deine Verwandten zu sehen?“ „Das sind nur Freudentränen“, log ich. Sein Blick wand sich wider der Straße zu.
Meine Händen begannen zu zittern als ich die ersten Häuser des Dorfes sah. Es sah ruhig und alt aus, dennoch hatte es einen ungemütlichen Ausdruck. Wir fuhren die Hauptstraße entlang und bogen dann nach links. Nach ein paar weiteren Straßen erreichten wir die Titanstreet. Dort wohnte mein Bruder Gato. Ich blieb am Rand der Straße stehen und ging mit Soul klingeln. Sofort machte ein Mann mittleren Alters die Tür auf. Er war schlicht gekleidet und hielt eine Tasse Kaffee in der Hand. „Gato. Schon dich zu sehen.“, sagte ich als ich ihm in die Augen sah. „Rin. Schön Dich zu sehen.Endlich bist du da.“ bekam ich als Antwort. „Und Soul“, sagte er und wand sich ihm zu, „ Du siehst aufgeregt aus. Außerdem bist du ganz schon gewachsen seitdem ich dich das letzte mal gesehen habe. Jetzt bist du sechs, oder?“ „Ich bin sieben“, korrigierte Soul ihn. „Kommt doch rein.“ Gato bat uns rein zu sich und wir betraten sein Haus. Wir gingen in die Küche und setzten uns um zu reden.
„Wo ist den Kin?“ begann ich. „Sie ist auf der Arbeit.“ „So früh schon?“ fragte ich überrascht. „Ja“, sagte er, „leider. Ihr Chef besteht auf Überstunden. Er meint, wenn sie das Geld wirklich möchte muss sie mehr dafür tun. Unser Dorf ist sehr arm geworden.schon seit 2 Jahren.“ „Warum arbeitest du dann nicht“ wollte ich wissen. „Mou-lang ist sehr klein und es ist nicht für jeden ein Arbeitsplatz da.“ antwortete er mir traurig. „Ihr könntet umziehen. Nach Peking. Dort gibt es genug Arbeitsplätze.“ schlug ich ihm vor. „Das würde ich ja gerne“, begann er und lies dabei den Kopf sinken, „aber wir haben das Geld nicht“, sagte er schließlich. „Das tut mir leid. Das hätte ich nicht sagen sollen.“, mir kamen Schuldgefühle auf. „Lass uns einfach das Thema wechseln, okay?“ bat er, schon mit Tränen in den Augen. Einige Minuten kehrte ruhe in den Raum. „Wart ihr schon bei Pain?“, fragte Gato mit gebrechlicher Stimme. „Nein noch nicht. Aber wir haben vor später bei ihm vorbei zu schauen.“ erklärte ich ihm. „Da ist nicht nötig.“ brach er heraus vorbei ihm einige Tränen über die Wangen liefen. „Was meinst du?“, fragte ich ängstlich. „Er...“, die Worte lagen wie Steine auf seinem Herzen, „... ist tot!“ Meine Augen wurden größer und Tränen stiegen in sie. Ich war geschockt, dann dachte ich an Ino und ihre Warnung. Ich traute mich nicht meinem Bruder davon etwas zu erzählen. „Wie..“, sagte ich weinend, „... ist das möglich?“ „Es war etwas goldenes. Mehr darf ich dir nicht erzählen.“ Nun begann auch mein Sohn zu weinen „Onkel Pain ist tot?“, fragte er nach, da er es nicht wahr haben wollte. „Ja. So ist es. Schockierend nicht wahr?“ „Ja. In der Tat.“, antwortete ich ihm.“ Ich blickte zu Soul, der sich auf einmal in seiner Haut nicht wohl zu fühlen schien. Dann sagte ich zu Gato „Wir werden ins Gasthaus fahren und erst einmal eine Runde schlafen.“ Er blickte mich überrascht und immer noch traurig an, sagte aber dann „Tu was du für richtig hältst, Rin.“
Gato begleitete mich und Soul noch zur Tür. Dann verabschiedeten wir uns. Er schloss die Haustür und wir fuhren los.
„Wieso fahren wir in ein Gasthaus und schlafen nicht bei deinem Bruder?“, fragte Soul und ich war nicht froh darüber. Dennoch antwortete ich ihm „Wir fahren zu Pains Haus!“ „Was! Was willst du da?“ schrie er schockiert. „Ich will wissen ob es wahr ist das Pain tot ist. Ich glaube Gato nicht. Das habe ich noch nie.“ „Wieso kannst du deinem eigenen Bruder nicht trauen?“ „Als wir noch klein waren hat er mich immer belogen. Mehr brauchst du nicht zu wissen, und ich würde es echt zu schätzten wissen wenn du jetzt ruhig bist.“ Das waren meine letzten Worte bevor wir an dem Haus ankamen.
Da waren wir nun. An dem alten kleinen Holzhaus. „Wenn du nicht mit hinein gehen möchtest, kannst du auch im Auto warten.“, bot ich Soul an und hoffte er würde auf mich hören. Stattdessen sagte er „Ich komme mit. Immerhin ist oder war er mein Onkel.“ Er hatte einen fest entschlossenen Ausdruck in den Augen.
Wir stiegen aus und gingen zur Tür. Zu meiner Überraschung ging sie fast von selbst auf. Wir betraten den Flur. Es roch seltsam und Unruhe lag in der Luft. „Ich bleibe hier und du gehst nach oben.“, sagte Soul fest entschlossen.
Ich stieg die knarrenden Stufen der Treppe hinauf. Ich begab mich gleich in das erste Zimmer. Es war das Badezimmer. Der Spiegel an der Wand war voller Staub, sodass ich mich darin nicht sehen konnte. „Gut“, dachte ich, „dann sehe ich nicht noch einmal eine Person darin.“ Ich schaute hinüber zur Badewanne. Zu meiner Überraschung war diese gegenüber dem Spiegel blitzblank sauber.
Ich ging aus dem Badezimmer. „Ahhhh!“, hörte ich es von unten rufen. So schnell ich konnte rannte ich die Treppe hinunter und sofort in die Küche. Mein Sohn lag keuchend auf dem Boden. Ich kniete mich neben ihn und nach ihn in meinen Arm. „Was ist los?“, frage ich panisch. „Lauf! Sie kommt!“. Das waren seine letzten Worten, dann starb er in meinen Armen. Ich weinte. Eine Träne nach der anderen rannte über meine Wangen. „Was meinte es mit `sie kommt´?“, ich überlegte. Er sagte, ich sollte laufen, doch ich konnte meinen Sohn doch nicht einfach hier liegen lassen. Nach einiger Zeit sah ich Souls Körper genauer an und bemerkte etwas sehr beunruhigendes. Es hatte keine einzige Wunde oder Verletzung! „Wie konnte das sein? Was ist nur passiert während ich ober war?“ Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich wollte weg von hier, aber ich brachte es nicht ums Herz ihn zu verlassen. Was sollte sein Vater sagen.
Ich weinte ohne Unterlass. Aber ich bemerkte nicht, das nicht alles was an meinen Wangen hinunter lief Tränen waren. Ich berührte sie mit meinen Händen und sah Blut auf ihnen. Meine Augen weiteten sich und ich bemerkte endlich den Schmerz in meinem Hinterkopf. Als ich hin faste spürte ich eine Art Delle. Als ich meine Hand wieder ansah, war das Blut nicht rot sondern überraschenderweise lila. Ich hörte eine Stimme „Ich habe dich gewarnt, aber du hast nicht auf mich gehört.“ Dann verschwand das Bild vor meinen Augen.
Ich öffnete die Augen. Es sah aus als wäre ich unter Wasser. Um mich schwammen Schwärme von Fischen. Der Boden war von schneeweißen Sand bedeckt. Korallen und andere Sträucher verteilten sich auf der großen Fläche. Ich war von diesem Anblick einfach nur begeistert.
Erst nach ein paar Minuten bemerkte ich, das ich atmen konnte. Es war seltsam aber es war wahr. Dann erinnerte ich mich an das was mein Großvater einmal zu mir gesagt hat „Dein Sternzeichen ist Fisch, das bedeutet das du dem Element Wasser angehörst. Wer weiß, eines Tages rettet dir das vielleicht dein Leben.“ Damals hielt ich ihn für verrückt, aber jetzt glaube ich er hatte recht. „War ich also nicht tot? Lebe ich noch immer“, überlegte ich. Ich beschloss dem auf den Grund zu gehen und schwamm nach oben. Ein paar Meter über der Oberflächen konnte ich nicht mehr weiter. Es fühlte sich an, als würde jemand mein Bein festhalten und mich nicht gehen lassen wollen. „Bleib bei mir“, hörte ich jemanden rufen. Ich spürte eine plötzliche Kälte hinter mir. Ich drehte mich um und erschrak bei dem was vor mir war. „Wie kann das sein?“, fragte ich mit gebrechlicher Stimme. „Ich habe dich gerettet. Du solltest mir dankbar sein.“, sagte er. „Was meinst du mit gerettet? Hast du meinen Sohn auf dem Gewissen?“, wollte ich wissen „Ich habe versucht Soul zu helfen aber ich war zu langsam. Eine Frau war im Haus und wollte dich gerade erstechen, als ich dazwischen gegangen bin. Ich habe dich betäubt und hierher in Sicherheit gebracht.“ „Also bin ich nicht tot?“,fragte ich verwundert. „Nein. Du nicht. Ich schon.“ „Aber wie kannst du dann hier sein?“
„Ich habe eine besondere Macht bekommen. Wie auch du gehöre ich dem Wasserelement an.“
Er führte mich zu einer Höhle. Sie war eingerichtet wie ein Haus. Sie hatte ein Bad, eine Küche und ein Schlafzimmer. „Hier wirst du wohnen.“, sagte er. „Wenn das dein Wunsch ist.“ Ich hatte nicht vor ihm zu widersprechen, wieso auch. Ich bekam ein neues Haus, besser gesagt eine neue Höhle, aber egal und ich war froh das ist noch am Leben war. „Ich komme gleich wieder. Du bleibst hier.“
„Natürlich, Pain.“