Weihnachtsshopping
Genervt gestresst und letztlich nicht unerheblich angepisst, letzteres sogar wortwörtlich da ich beim Windeln wechseln nicht aufgepasst hatte, versuchte ich das Chaos was meine Kleinen veranstaltet hatten unter Kontrolle zu bringen.
Man, wie konnte ein Trupp von 5 Kindern nebst Säugling die Prinzessinnen-Wohlfühl-Oase die einst Hannas Kinderzimmer war in etwas das stark an das erinnerte was nach dem dritten Weltkrieg noch stehen könnte verwandeln?
Immerhin waren nun nur noch Hanna, meine älteste und ihr gerade frisch aus dem Ei geschlüpfter Bruder Jonas der erst wenige Tage alt war, da, die anderen Kinder wurden wieder abgeholt und das Chaos wurde überschaubar
"Junge, was hast Du Dir da nur aufgehalst" murmelte ich während ich Jonas in warme Klamotten zwängte, nebenbei mit dem Fuß noch ein paar Spielsachen unter das Bett schob und inständig hoffte das Hanna bereits angezogen war.
Weihnachtseinkauf mit Kindern? Das war genauso sinnvoll wie Mitte Dezember ins Freibad gehen!
Aber es half nichts, das war der letzte lange Samstag, einen Tag später und es war Heiligabend und längst waren nicht alle Geschenke besorgt.
Dann musste Heidi, meine Frau, auch noch zurück in die Klinik weil sie Nachblutungen hatte... kurzum ich war völlig überfordert.
Der Weg mit dem Auto ins Kaufhaus erwies sich mit quengelnden Kleinkind und schreienden Säugling auch als schwieriger als geplant.
Zweimal habe ich eine rote Ampel überfahren und hätte den schönsten Unfall gebaut wäre nicht wie durch ein Wunder immer genug platz gewesen meinen alten Ford noch über die Kreuzung schlingern zu lassen.
Die Parkplatzsuche gestaltete sich auch nicht unbedingt einfach, schließlich gelang es mir nach zwanzig Minuten Schlange stehen einen Einstellplatz im Parkhaus zu bekommen.
"Wow 3,50 € pro angefangene Stunde! Na die nehmen es von den Lebenden!"
Diese Shopping-Oase nach amerikanischen Vorbild, die man im Neudeutsch "Plazza, Center oder Galerie" nannte erschien mir am sinnvollsten um die restlichen Einkäufe zu erledigen. "Über 200 Geschäfte + Gastronomie" stand über der Eingangstür die man über Rolltreppen nach einer gefühlten Ewigkeit vom Parkhaus aus erreichen konnte.
An so etwas wie freien Willen bei der Auswahl seines Weges war nicht zu denken, man musste nur zusehen irgendwie mit der Masse mitzuschwimmen und im richtigen Moment anzuhalten ohne das einem etliche Leute in den Hacken treten oder einen einfach umrennen. Es war schon schwer genug dafür zu sorgen das die Kinder nicht untergingen.
Jonas hatte ich in der Tragetasche des Kinderwagens und Hanna die lauthals protestierte fest an der Hand.
"Papa! Ich kann schon alleine gehen!" quengelte sie
"Ja normalerweise schon! Aber hier wirst Du mit den Massen mitgerissen wenn ich Dich loslasse!"
Ich versuchte nach passieren des Eingangs eine halbwegs leere Stelle auszumachen um mich zu orientieren. Faszinierender Weise waren abseits des undurchdringlichen Stroms aus Menschen kleine Flächen auf denen man so wie ich, erst einmal anhalten konnte ohne weiter mitgerissen zu werden, durchatmen und Kräfte sammeln für den weiteren Weg.
Kurz die imaginäre Checkliste durchgehen und weiter!
Jonas Flasche? Verdammt im Auto gelassen
Hannas Trinkflasche? Verdammt zu Hause gelassen
Windeln? Kann ich hier sicher irgendwo kaufen
Wechselklamotten falls etwas schief geht? Es geht nichts schief!!!
Geld? Wozu gibt es Plastikgeld?
Bevor ich mir gänzlich eingestehen musste vollkommen blauäugig los gerannt zu sein setzte ich mich in Bewegung und zog Hanna mit sanfter Gewalt mit, die ihre Aufmerksamkeit einem Stand gewidmet hatte an dem es Zuckerwatte gab.
"Nein ich kaufe keine Zuckerwatte!" beugte ich der Frage vor die bereit war jeden Moment aus ihrem Mund zu purzeln und innerhalb kürzester Zeit in einen Singsang überzugehen drohte.
Den Ansatz "Papa ka..." den sie trotzdem ansetze erstickte ich mit einem entschlossenen "Nein!"
Sie zog zwar ein Gesicht, zog es jedoch vor zu schweigen.
Das nächste zu erreichende Geschäft war eines dieser aus der Werbung bekannten "Elektronik-Geiz" Geschäfte, hier war erfreulicher Weise ein Türsteher damit beschäftigt die Menschenmassen halbwegs moderat ins innere zu lotzen.
Jonas schlief, nur langsam merkte ich das es keine Gute Idee war ihn in der Tragetasche zu transportieren, mein Arm wurde immer länger.
Drinnen war das reinste Chaos! Mensch an Mensch gedrängt und hier oder da dachte ich wäre ich nicht verheiratet dann würde ich die Kleine mitnehmen an die ich so dicht gedrückt wurde das wäre kein Stoff dazwischen locker hätte ein Geschlechtsakt hätte stattfinden können!
"Papa! Der Pirat hat Titten!" riss mich Hannas Geschrei aus meinen Gedanken.
"Der Pirat hat was?" zischte ich teilweise erstaunt und bestürzt, da nicht nur ich diesen Ausruf gehört hatte.
"Welcher Pirat?"
"Na der da!" gab sie ungeduldig zurück und deutete mit ihrem Finger hinüber zur CD-Abteilung.
So sehr ich mich anstrengte ich konnte außer der zur erahnenden Auslage in den Regalen und den an der Decke befestigten Schildern wo ich was finden würde keinen Pirat mit Titten entdecken.
"So etwas sagt man nicht, und ich habe auch keine Zeit für solche Mätzchen!" rief ich sie zur Ordnung.
"Ich habe den aber wirklich gesehen!"
"Wie willst Du etwas sehen wenn Du da unten auf Gürtelhöhe bist und ich hier oben nicht mal wirklich sehe wo wir hin laufen?"
Das gequengel ging noch eine Weile so weiter aber wie ist das mit kleinen Mädchen? Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben sind sie gänzlich beratungsresistent!
Nach einer gefühlten Ewigkeit stand ich endlich in der angestrebten Abteilung! Elektrorasierer
Der Verkäufer der irgendwie mit der Masse mit schwamm und eigentlich mehr zufällig als geplant an uns vorbei kam konnte mir auch nicht wirklich helfen.
"Entschuldigen Sie? Ich suche einen Barttrimmer"
"Haarschneidemaschienen finden sie bei den Kleinteilen!"
"Nein ich suche einen Barttrimmer!" erwiderte ich erbost.
Eine Antwort bekam ich jedoch nicht mehr da er bereits einige Meter weit weg dabei war andere Fragen zu beantworten.
Jonas schrie wie am Spieß und Hanna die nach wie vor von Piraten mit Titten sprach tat ihr übrigens dazu das ich einfach den nächstbesten Karton schnappte der mir unterkam und damit den Weg zur Kasse anstrebte.
Gedanklich hakte ich das Geschenk ab das sich nun zwar nicht als das Gewünschte aber dafür als Intimrasur Set mit Enthaarungscrme entpuppte und mit 79 € einen stolzen Preis hatte.
Gerade als ich meine Geheimzahl zum zweiten mal falsch eintippte schrie Hanna "Guck mal Papa da ist der Pirat mit Titten!"
"Nerv mich nicht!" schrie ich sie an und hatte es tatsächlich geschafft die richtige Geheimnummer einzutippern.
"Ihre Tochter hat recht, wir haben heute Promotion zu dem Piratenepos "Piraten der KIaribik", einige unserer Mitarbeiter sind entsprechend verkleidet" sagte die Kassiererin mit nasaler Stimme.
Und tatsächlich, nachdem ich bei Jonas den Schnuller als Waffe gegen phonetische Belästigung zum Einsatz brachte, meine Tüte mit dem Weihnachtsgeschenk Hanna in die Hand drückte sah ich den Pirat, streng genommen die Piratin auch und ja sie hatte mächtige Titten die das Rüschenhemd kaum zu halten vermochte.
Beim hinaus gedrängt werden gab eben diese uns noch einen Flyer in die Hand den ich aber bevor er den Weg in meine Tasche finden konnte wieder verloren hatte.
Der Schnuller erwies sich indes als wenig nützliche Waffe im Kampf gegen Säuglingsgeschrei und auch Hanna wurde immer quengliger.
Was sollte ich doch gleich noch besorgen? Einen Maniküre-Gutschein, einen Barttrimmer...achnee den hatte ich schon, so was in der Art zumindest, einen Schal, Socken Größe 36 und was war das noch zur Hölle...
"Hanna hast Du Blähungen?" fragte ich gegen die immer lauter erscheinende Dauerbeschallung von Weihnachtsliedern an.
"Nein Papa! Du vielleicht"
"Nein ganz sicher nicht..."
Woher der beißende Geruch kam der mir plötzlich in die Nase stieg vermochte ich nicht zu sagen aber bevor ich mich weiter um den Gedanken kümmern konnte standen wir bei einem angesagten Frisör vor der Tür. Schnell hinein den Gutschein für einmal Waschen, Schneiden, legen kaufen und weiter.
Konnte mich zwar düster daran entsinnen das dies wenig mit Maniküre zu tun hatte aber Oma Bertha würde den Unterschied schon nicht merken, außerdem sah sie ohnehin immer aus als hätte irgendein Vogel ein warmes Nest aus dem gebaut was sie Frisur nannte.
Der Gestank der um uns herum wehte wurde immer stärker was zumindest den positiven Nebeneffekt hatte das kaum jemand näher kam als eine Handbreit zumindest soweit das in dem Gedränge möglich war. Hanna nörgelte irgendwas von "Mir tun die Füße weh" Jonas schrie nach wie vor...man man warum wird der denn nicht Müde davon?
Nächste Station ein Bekleidungsgeschäft!
Am Eingang stand ein ziemlich gelangweilt aussehender Bursche von höchstens 16 Jahren in einem Weihnachtsmannkostüm und verteilte kleine Süßigkeiten an die Kinder, Hanna die irgendwie plötzlich schüchtern wurde bekam nichts. Also drückte ich mich mit den Kindern gegen den Einfall der Massen zurück zum Eingang
"Haben sie nicht ein Kind vergessen?" wollte ich von ihm wissen.
"Nein habe ich nicht, woher soll ich wissen ob sie nicht schon mal hier waren?"
"Arschloch" zischte ich und belies es dabei
Der Umstand das er Puterrot wurde und mich böse anfunkelte lies mir die Genugtuung das er mich gehört hatte
Pauschal kaufte ich eine Krawatte, ein Stück Wellnesseife das es zusammen mit einigen Waschlappen gab und Socken, welche Größe wusste ich nicht mehr ich nahm einfach welche in den Größen 34, 45 und 54 nebst einem schönen Paar Lederhandschuhe, Angora Unterwäsche in 38 und einigen Stofftaschentüchern.
Die knapp 300 Euro die der Spaß kostete würde sicherlich das Limit meiner Karte sprengen bzw. mein Konto in ungeahnte Minusstände treiben, aber schließlich war ja nur einmal im Jahr Weihnachten.
Damit Hanna nicht leer ausging; verdammt woher kam der bestialische Gestank bloß?; suchte ich mit Ihr noch einen Restpostenmarkt auf in dem laut Reklame jedes Teil 1 Euro kostete, in der Realität gab es jedoch und das waren gerade die Interessanten Sachen nahezu jeden Preis im inneren.
Ich traute meinen Augen nicht, hier war nichts Weihnachtliches! Es war aufgemacht wie auf dem Frühlingsfest und überall Osterhasen, Küken und Osternester!
Die billig Spielwaren waren auch allesamt auf Ostern getrimmt und nur in einer Kiste im Kassenbereich stapelten sich Weihnachtsutensilien zum halben Preis.
"Hanna! Mach hinne!" nörgelte ich sie an die sehr genau ein jedes Teil das in ihrer Reichweite stand prüfen musste.
"Es stinkt erbärmlich hier! Sicherlich etwas mit der Belüftungsanlage nicht in Ordnung"
Nach zähen Verhandlungen entschied sie sich dafür einen Osterhase mitzunehmen.
Gefühlt waren es sicherlich 3-4 Stunden die allein der Weg gegen den Strom zurück ins Parkhaus dauerte, letztlich wenn man dem Parkticket glauben durfte waren wir gerade mal zwei Stunden lang nicht am Wagen.
Der Gestank war noch immer allgegenwärtig, dafür hatte es Jonas vorgezogen einzuschlafen und auch Hanna spielte ruhig mit dem Hasen.
Wenn ich nun noch wüsste was ich vergessen hatte dann wäre mir sicherlich wohler, so jedoch fuhr ich Richtung Krankenhaus um Heidi meine Schätze zu zeigen, sie würde sicherlich wenig erbaut sein das ich soviel Geld ausgegeben hatte aber naja es war ja nur einmal im Jahr Weihnachten!
Auf dem Parkplatz des Krankenhauses schliefen beide Kinder und schnarchten um die Wette. Nur der Gestank schien uns aus dem Kaufhaus gefolgt zu sein?
Na schön, dann kann ich ja schon mal die Tüten aus dem Kofferraum nehmen und...."VERFICKTE SCHEIßE! WO SIND DIE VERDAMMTEN TÜTEN?"
