Das Christkind, der liebe Gott und der Wunschzettel
Hoch oben, über den allerletzten Wolken, dort wo auch der Regenbogen zuhause ist, dort und nirgends anders wohnen der liebe Gott und das Christkind. Und weil nun bald Weihnachten ist, sitzen das Christkind und der liebe Gott dicht nebeneinander und machen sich so ihre Gedanken.
“ Weißt du, liebes Christkind“ sagt der liebe Gott „irgendwie macht mir Weihnachten schon seit vielen Jahren keinen Spaß mehr. Die Wünsche der Kinder werden immer größer und größer. Manche Eltern verschulden sich so sehr für die Wünsche ihrer Kinder, dass sie nicht einmal mehr wissen, wie sie ihre Stube heizen sollen. Es kann doch nicht sein, dass die Kinder immer mehr und mehr Geschenke wollen.“
„Lieber Gott, ich weiß genau was du meinst und wenn ich mir meine Säcke mit den Wunschzettel so ansehe, dann kommen mir die Tränen. Ja wirklich, ich muss wirklich manchmal weinen, weil die Wünsche eigentlich gar keine Wünsche, sondern eher Forderungen sind, die kein normaler Mensch mehr erfüllen kann und wir beide auch nicht“.
Während das Christkind mit beiden Armen in dem alten Jutesack nach dem größten und längsten Wunschzettel sucht, fallen lauter kleine goldene Sternchen vom Himmel und setzen sich auf die dicke watteweiche Wolke. „Na ihr Goldsternchen, was wollt ihr denn hier, wollt ihr mir etwa bei meinen Wunschzetteln helfen? Schaut euch nur einmal an was da alles drauf steht. Bitte ihr kleinen Sternchen, wer soll solche Wünsche erfüllen und lest nur, jeder Brief ist an den lieben Gott oder an mich, das Christkind, gerichtet. Es kommt mir so vor, als würden die Kinder denken, die Geschenke fallen vom Himmel“.
Eines der kleinen Goldsternchen lacht laut:“ Dann musst du mit deinem Kollegen dem Weihnachtsmann eine Konferenz abhalten, was man machen kann, damit die Kinder wieder wissen warum wir Weihnachten feiern und dass Geschenke nicht wirklich vom Himmel fallen, sonder hart erarbeitet werden müssen“.
„Ach bitte kleines Sternchen“ jammert das Christkind leise, „das wissen die Kinder doch. Sie reden in der Schule und im Kindergarten darüber oder gehen am Heiligen Abend mit ihren Eltern in die Kirche und lauschen ganz gespannt der Weihnachtsgeschichte. Dort sitzen sie wie die kleinen Engel und hören sich die Geschichte von Maria und Josef und dem kleinen Jesuskind an. In vielen Häusern steht sogar eine Krippe. Glaub mir liebes Goldsternchen das ist nicht das Problem. Das WISSEN ist es nicht, es ist eher, dass sie glauben, man muss nur wünschen und zack, ist alles da. Sie wollen zu viel, sie wollen einfach Alles, diese kleinen und großen Kinder“.
„Soll ich euch etwas sagen, liebes Christkind, liebes Sternchen, die Kinder sind es nicht allein. Die Eltern sind ja auch nicht vernünftiger. Die meisten wissen ja um die vielen Wünsche ihrer Kinder. Wäre es nicht einfach, man würde sich an einem gemütlichen Adventsabend bei Kerzenlicht und ein paar Keksen gemeinsam an den Tisch setzen und über die Wünsche reden? Dann könnte man beratschlagen, welche Wünsche realistisch sind und welche nicht“.
„Schau dir nur einmal den Wunschzettel der kleinen Lisa an, der ist so lang, dass er bis auf die Erde reicht und wenn du mit dem großen Fernrohr schaust, dann siehst du, dass die kleine Lisa immer noch am Schreiben ist. Wie kann ein so kleines Mädchen nur so viele Wünsche haben?“
„Lass mal sehen was da alles drauf steht“ mit einer flinken Bewegungen hat sich das kleine Sternchen die Wunschliste von Lisa geschnappt und zieht sie ganz schnell hoch in den Himmel. Das hat so einen Ruck gemacht, dass die kleine Lisa, unten auf der Erde, einen Riesenschreck bekommen hat und nach hinten in den Schnee gepurzelt ist. „Mama, Mama, mein Wunschzettel ist in den Himmel geflogen, ganz rasch, so schnell konnte ich gar nicht schauen. Ich habe noch geschrieben und hatte noch so viele Wünsche, ich war noch lange nicht fertig. Mama, liebste Mama, was machen wir denn nun. Du hast gesagt ich darf einen Wunschzettel schreiben, nur einen und nun ist er weg. Mamilein, bitte wir müssen etwas machen“.
„Liebe Lisa, weißt du was, ich koche uns jetzt einen schönen Kakao, dann machen wir uns die Kerzen am Adventskranz an und dann reden wir über alles. Ich glaube nämlich, dass deine Wunschliste nun beim Christkind liegt und auf seine Wichtigkeit geprüft wird“.
Das kleine Mädchen stellt die Tassen und ein paar Weihnachtskekse auf die roten Platzdeckchen und die Mutter zündet die Kerzen an. Lisa kuschelt sich auf den Schoß ihrer Mama und hört ihr ganz andächtig zu. „Bedenke, mein Schatz, wie viele Kinder Wünsche haben. Jedes Kind durfte einen Wunschzettel schreiben, aber wenn das Christkind dir all das bringt, was du aufgeschrieben hast, dann bekommen die anderen Kinder nichts mehr. Es hat vom lieben Gott einen Tag zum Geschenke verteilen bekommen. Natürlich hat es den Weihnachtsmann als Gehilfen, aber der kümmert sich vorwiegend um die Rentiere, den Schlitten und die Christbäume. Die Beiden reisen durch das ganze Land und haben sehr viel zu tun. Schließlich möchten sie alle Kinder glücklich machen. Weißt du Lisa, es ist nicht einfach, jedem Kind die Wünsche zu erfüllen, die es hat. Die Eltern müssen ja an das Christkind bezahlen und manche Eltern haben einfach kein Geld für große Geschenke. Manche Eltern habe gar kein Geld.“
„Mami du meinst es gibt wirklich Kinder, die Weihnachten keine Geschenke bekommen? Vielleicht waren sie ja nicht artig, das kann doch auch sein, oder? Du hast gesagt, man muss besonders brav sein, damit das Christkind kommt und etwas bringt“.
„Schätzchen es gibt auch brave Kinder die kein Geschenk bekommen können, weil die Eltern so arm sind und dann gibt es auch Kinder, die so viele Geschenke bekommen, dass sie sich gar nicht dran freuen können, weil es viel zu viel ist. Sie schauen die Sachen nur kurz an und dann liegen sie unbeachtet in den Ecken herum“.
„Du meinst mich, Mama, habe ich recht? Ich bin so ein Kind, was viel zu viel wünscht und auch viel zu viel bekommt. Meinst du, mein Zettel war zu lang und ist deshalb in den Himmel geflogen? Meinst du ich habe zu viele Wünsche?“
Oben auf der dicken Wolke sitzt der liebe Gott mit seinem Fernrohr und schaut sich die kleine Lisa und ihre Mutter ganz genau an „sagt Christkind und liebes Sternchen, was ist denn da passiert, das ist doch nicht die Lisa, die eben noch so fleißig am Schreiben war?“
„Doch das ist sie. Hast du denn nicht gesehen, wie meine Sternenfreunde den Goldstaub verteilt haben, als die kleine Lisa in den Schnee gefallen ist, da war das kleine Vernunftsternchen neben ihr und hat ihr den Sternenstaub ins Gesicht gepustet. Ja und da hat das kleine Mädchen nachgedacht und festgestellt, dass es viel zu viele Wünsche hat. Aber pass auf, was weiter geschieht!“
Das Christkind und der liebe Gott beugen sich ganz weit über den Wolkenrand und dann sehen sie, wie die kleine Lisa in ihr Kinderzimmer stürmt und ganz viele Spielsachen zusammensucht. „Aber Lisa, du hast ja auch den Teddy Brummel und deine Puppe Mona mit eingepackt“ sagt die Mutti „das sind doch deine Lieblingsspielsachen. Sind das denn nicht deine allerbesten Freunde?“
„Doch Mami, das sind sie und weil ich weiß wie gute Freunde Brummel und Mona sind, sollen sie jetzt einem armen Kind Freude machen und es beschützen. Mami, selbst wenn ich fast alles verschenke, habe ich bestimmt immer noch mehr, als die armen Kinder und ich möchte doch so gern, dass alle Kinder glücklich sind“.
„Ach meine kleine Lisa, weißt du wie stolz ich auf dich bin. Ich bin sicher nicht ganz unschuldig daran, dass du so verwöhnt bist und alles bekommst, was du möchtest. Ich glaube meine Große, du bist viel klüger als deine Mama und weißt du was wir morgen machen? Wir reden mit dem Christkind, ob es so lieb ist und alle Spielsachen, die du nicht mehr brauchst, abholt und in das Kinderheim bringt. Die Kinder werden sich bestimmt riesig freuen“.
Am späten Heiligabend, Lisa und ihre Eltern sind gerade aus der Kirche gekommen, da rumpelt es an der Tür. „Ich geh schon“ ruft Lisa in das Wohnzimmer und dann flitzt sie zur Haustür. Vor der Tür steht ein großer Mann in einem langen roten Mantel und einem dicken Wattebart „Hohoho wohnt hier die kleine Lisa?“ „Ja sicher!! Das bin ich und wenn ich dich so anschaue, dann bist du bestimmt der Weihnachtsmann, aber sag mal, wo ist denn das Christkind? Ich hoffe es hat meinen neuen Wunschzettel noch rechtzeitig bekommen. Weißt du, mein alter Zettel war nicht so ganz richtig ausgefüllt, da waren ein paar kleine Fehler drin, du verstehst sicher“.
„Das Christkind hat mir den Auftrag gegeben, dir dieses Paket zu überreichen und dir ganz herzlich Danke zu sagen. Es ist der Meinung, dass dies hier genau das ist, was du ganz nötig brauchst. Es wäre sehr gern selbst vorbei gekommen, aber im Kinderheim sind so viele brave Kinder, die es beschenken darf, weil du so großzügig deine Spielsachen hergegeben hast, dass es dort die Bescherung übernommen hat und so bin ich nun als Vertretung zu dir gekommen. “ Vorsichtig gibt der Weihnachtsmann Lisa das in Goldpapier eingepackte Paket. Neugierig und ganz vorsichtig löst sie die dicke rote Schleife und öffnet dann den goldenen Karton. Als sie den Deckel hebt, liegen Mona und Brummel direkt vor ihr. Ohne zu überlegen fällt sie dem Weihnachtsmann um den Hals „ich hatte die zwei doch verschenkt, ganz ehrlich, ich wollte sie doch den armen Kindern geben, die sollten sie doch haben“. „Hohoho“, dröhnt die tiefe Stimme des Weihnachtsmannes „kleine brave Kinder, hat das Christkind gesagt, sollen das was sie am liebsten haben, für immer behalten. Brummel und Mona, gehören zu dir und was sich lieb hat, soll man nicht trennen“.
„Sag lieber Gott, hättest du gedacht, dass ein kleines Mädchen so vernünftig werden kann, irgendwie erscheint mir das doch alles ein bisschen unwirklich!“ „Liebes Christkind, da gebe ich dir recht, aber sag, könnte es nicht so sein? Wäre es denn wirklich so schlimm, wenn sich Großeltern und Eltern, ja auch Onkel und Tanten mit den Kindern zusammen setzen und so wie früher am späten Nachmittag, dann wenn die Kerzen ihre Schatten an die Wand werfen, über die Wünsche sprechen, die in den Kindern schlummern? Nein, nein, denk jetzt nicht ich will den Kindern ihre Wünsche wegnehmen, die sollen sie behalten und auch aufschreiben, aber eben auch begreifen, dass manches einfach nicht bezahlbar ist!
Siehst Du nun liebes Christkind wie wichtig meine kleinen Vernunft- und Nächstenliebe-Sternchen sind, ohne sie und die vielen anderen guten Geister wäre ich aufgeschmissen, Denn auch der liebe Gott und ein Christkind können nicht alle großen und kleinen Kinder auf einmal glücklich machen…..
(C) Ute AnneMarie Schuster Dez.2010/2011