In die Welt
In die Welt
Zu schreiten, hinein, erfüllt mich mit nichts. Vor mir ein Weg, steinig gepflastert, vorgefertigt, entstanden aus der Leere. Er erscheint nur für mich und ich folge ihm in die Welt hinein, denn er zeigt mir die einzige Richtung, der ich folgen kann. Zurückschauend erkenne ich, dass die Steine bröckeln, sobald sich mein Fuß zum nächsten Schritt anhebt. Nur die letzten wackligen Reste bleiben noch in Sicht, während mich der Weg in die Welt hinein führt und mir doch nichts zeigt.
Ich sehe, schmecke und fühle. Handle. Wo liegt der Sinn? Nicht des Lebens, sondern der Handlung. Die Welt ist so klein, wo ist da noch Platz für mich? Das Chaos der Entscheidungen aller verschluckt die einzige kleine Tat ohne Gnade und was bleibt ist nichts.
Ein flüchtiger Hauch der Erinnerung weht mir von vorne ins Gesicht. Gierig sauge ich sie auf, will die Bedeutung des Dufts erfassen und ihn nie wieder vergessen. Kurze Euphorie keimt und beschleunigt die Schritte auf meinem Weg, treibt mich weiter in die leere Welt. Ich suche und finde. Verliere, gewöhne und begehre nach mehr. Doch am Ende bleibe ich leer. Wie kann ich mich in einer leeren Welt mit etwas anderem als Nichts füllen? Leere Versprechungen, leere Ländern, leere Menschen, leere Währungen. Sie alle umkreisen mich. Nicht wie die Geier, sondern wie die Jäger, die mich selbst des kurzen Aufatmens berauben wollen. Und doch muss ich weiter auf dem Weg ins Nichts.
Irgendwann, nach Jahren, in denen ich immer erwachsener und leerer werde, stelle ich mir schließlich die Wahl. Darf ich von meinem Weg springen? Soll ich den einen Schritt in die absolute Dunkelheit wagen? Ich stoppe. Hinter mir bröckeln die Steine. Darf ich mich das überhaupt fragen? Würde ich nicht auf eine unsichtbare Schranke stoßen? Doch was hätte ich zu verlieren? Die Leere? Das Nichts? Die Unfähigkeit aus einer Handlung Freude zu gewinnen? Ich schließe die Augen und will den Schritt wagen.
In diesem Moment erscheint neben mir eine Gestalt, die meine Hand ergreift. Ein süßer Puls der Wärme geht von ihr aus. Langsam schaue ich auf und sehe in das gesichtlose Gesicht. ‚Das kann doch nicht sein‘ denke ich. Dort ist nichts. Verwundert taste ich nach der Hand. Wärme, die nicht verschwindet. Sie ist da. Etwas ist da. Jemand, der den gleichen Weg beschreiten muss, ist hier. Sogleich wandert die Wärme und bildet einen pochenden Klumpen in meiner Brust. Erinnerungen blühen, Bilder von kindlichem Gelächter sprießen, Gedanken verfliegen.
Ich atme einmal tief durch und schreite vorwärts, ohne die Hand des Wärmespenders loszulassen. Um zu suchen. Zu finden, das Kind in mir. Zu geben. Zu nehmen. Zu leben, nicht um zu denken.