Beschreibung
Jule dachte, dass sie ein normales Mädchen ist, doch durch einen schrecklichen Vorfall in der Schule ändert sich das Schlagartig. Nun sucht sie danach, wofür sie in Wirklichkeit bestimmt ist und stößt auf ein Geheimnis, dass lieber unentdeckt bleiben sollte.
Zweiter Teil.
Kapitel 2
Wie habe ich mich bloß in diesen äußerst peinlichen Moment reingeritten? Aber die wichtigere Frage ist: Warum sträubt sich mein ganzer Körper dagegen, dass meine Lehrerin die Klassentür öffnet?
Leider weiß ich die Antwort nicht.
In den Sekunden der Stille war mir auch keine gute Ausrede für meinen hysterischen Ausbruch eingefallen. Daher benutze ich die Erste die mir in den Sinn kommt:
„Sorry, ich war gerade nur der Meinung, dass irgend ein Käfer meinen Arm hochgekrabbelt ist", blöffe ich und Zupfe mir meinen rechten Ärmel zurecht,„Naja, anscheinend hab ich mich getäuscht“
„Immer schön Pokerface aufsetzten", denke ich mir und grinse meine Klassenkameraden verlegen an, die mich zweifelnd mustern. Anna, die immer noch neben mir steht fragt mich schockiert, ob ich mich nicht gut fühle und ich nicht lieber zur Krankenschwester gehen wolle. Ich schüttle den Kopf.
„Mir geht’s gut, bin gerade nur nen bisschen arg erschrocken“, beteuere ich, wobei ich ihr fest in die Augen sehe.
Sie weiß genau, dass ich Lüge. Später wird es wohl erst einmal eine lange Diskussion mit ihr geben.
Na toll, darauf freue ich mich ja jetzt schon. Als ich den Gedanken verstreichen lasse, spüre ich auf einmal ein Gewicht auf meinen Schultern. Leon! Er hat seinen Arm auf um mich gelegt und grinst mich verstohlen von der Seite an.
„Sag einfach nichts“, weise ich ihn genervt an und verdrehe die Augen.
„Ich wusste gar nicht, dass du eine Käferphobie hast“, raunt er mir ins Ohr. Klasse, jetzt macht er sich über mich lustig, wahrscheinlich genauso, wie der Rest meiner Klasse.
Inzwischen ist meine Deutschlehrerin, die mich immer noch besorgt mustert, zu mir herüber gekommen.
„Jule, sonst ist aber bei dir alles okay, oder?“, fragt sie mich behutsam, wobei sie darauf achtet mir nicht in die Augen zu sehen, als hätte sie Angst, dass ich ihr gleich an die Gurgel springen würde.
Komische Frau, wirklich. Ich habe sie noch nie so zurückhaltend erlebt.
„Ja, bei mir ist alles klar!“ Ich nicke ihr dabei zu, wobei sie einen Schritt zurückweicht und mit einem „Gut“, wieder in Richtung Tür läuft.
Mein Körper reagiert sofort, Adrenalin schießt mir ungehemmt ins Blut, ohne das ich weiß wieso.
„Nicht öffnen, nicht öffnen!“, denke ich mir immer wieder. Doch es ist zu spät.
In der geöffneten Tür erscheint ein großer schwarzhaariger Mann, den eine angsteinflößende Aura umgibt. Ich bin wie gelähmt. Irgendetwas sagt mir, dass ich ihn kenne, aber von wo? Wer ist das?
Der Mann drückt die erstarrte Frau Huber, die ihm gerade Mal bis zum Bauchnabel reicht, zur Seite und kommt mit schweren Schritten auf mich zu, dann passiert es.
Mein Gehirn zeichnet alles mit einer erschreckend hohen Geschwindigkeit auf. Wie als hätte ich es gewusst, packe ich Leon am Arm und ziehe ihn zwei Schritte zur Seite. In diesem Moment ertönt ein Schuss, dessen Kugel mich haarscharf streift und das Fenster hinter Leon und mir zum zersplittern bringt.
Ohne darüber nach zu denken, schieße ich in Richtung des Mannes, fasse ihn am Hals und schleudere ihn gegen die Klassenzimmerwand. Es gibt einen Lauten knall, als er an der Wand aufprallt und mit sich Stücke aus der Mauser zu Boden reist. Fassungslos von meiner eigenen Kraft und Geschwindigkeit, blicke ich auf den zusammen gefallenen Körper.
„Oh mein Gott! Du hast ihn umgebracht!“, schreit mich mein Verstand an. Aber ohne näher darüber nach zu denken, gehe ich zu dem Mann und zerre ihm die Pistole aus der Hand, die er immer noch fest umklammert hat. Seine Finger zucken. Er ist also doch noch nicht Tod, stelle ich erleichtert fest. Dieses Gefühl hält aber nur für kurze Dauer, denn in Sekunden schnelle, hat sich der Fremde aufgerichtet und eine weitere Pistole gezückt, die er genau auf mich richtet. Erschrocken starre ich die Waffe an. Ein tiefes und zufriedenes Lachen ertönt, dass bei mir Gänsehaut hervorruft.
„So meine Liebe, du wirst jetzt schön mit mir mitkommen!“, knurrt der Mann mich an. Es trifft mich wie ein Blitz. Diese Stimme!
Ich habe sie schon mal gehört! Meine Augen weiten sich, als ein Schauer aus Angst mir den Rücken hinunter läuft.
„Jule, denk nach!“, versuche ich mich zu besinnen, doch es klappt nicht. Meine Gedanken sind wie gelähmt, ich bekomme kein Wort her raus.
„Oh, du kannst dich wohl an mich erinnern!“, stellt der Mann überrascht fest. Auf seinem Gesicht erscheint ein verrücktes Grinsen, während er sich zu mir herunter beugt und mir etwas ins Ohr flüstert:
„Wenn du nicht mit mir mitkommst, werde ich hier alle umbringen“, beteuert er mir und packt mich am Arm, so fest, dass es mir das Blut abschnürt.
Erschrocken ringe ich nach Luft. Nach der ersten Schockwelle der Angst, überfällt mich eine ungehemmte Wut, die sich überall in meinem Körper ausbreitet. Meine Fingerspitzen fangen an zu bitzeln und mein Gehirn läuft auf Hochtouren, mein Verstand setzt aus und das letzte bisschen Angstgefühl verschwindet, als ich meine Augen schließe und einmal tief durchatme.
Ein Strom aus Energie fließt durch mich hindurch und verleiht mir eine Kraft, die ich noch nie zuvor gespürt habe. Jetzt bin ich fest entschlossen. „Ich muss die anderen beschützen!“ Ist mein letzter klarer Gedanke, bevor ich blitzartig meine Augen öffne.