Neue Folgen immer Freitags ab 19:00 auf http:/s-hilgert.blogspot.com || Als eigentlich wieder relative Ruhe auf Inistra einkehren sollte, verschwinden plötzlich Laura und Abby spurlos. Auf der Suche nach den beiden, macht das Expeditionsteam eine gefährliche Entdeckung...
Jan sah von dem geöffneten Steuerungskasten des Albagans auf. Ein durchdringendes Piepen hallte durch den kleinen Raum oberhalb der Portalhalle. Jan stand auf und klopfte sich den Staub vom Knie. Nachdem sie erfolglos versucht hatten über die Computersysteme eine Lösung zu finden um Abby und Laura wieder zurückzuholen, war Jan hinunter in den Sublevel gegangen, um manuell nach einer Lösung zu suchen – erfolglos zwar, aber dafür hatte er wahrscheinlich den Fehler gefunden, warum das Albagan nicht mehr funktionierte. Inzwischen war er an der Konsole angekommen, von der das Piepen stammte. Eine Systemmitteilung, in höchster Dringlichkeitsstufe. Jan runzelte die Stirn und öffnete die Nachricht – und erstarrte. Sie war von Abby und Laura. Geistesabwesend holte er sein Funkgerät hervor.
„Sgt. Charleston? Ich hab hier was, was sie sich ansehen sollten. Bringen Sie den Captain mit, und Mary Lu auch. Wir haben ein Lebenszeichen.“
Fünf Minuten später standen sie zu viert in dem kleinen Raum und lasen ungläubig, was dort auf dem Schirm stand:
Abby Hedgefield und Laura Craig rufen die Inistra-Expedition. Wir sind aufgrund eines uns unbekannten Fehlers in der Vergangenheit gelandet. Es geht uns gut, wir befinden uns bei der ursprünglichen Bevölkerung der Stadt. Wir brauchen Hilfe, um wieder zurückzukehren, denn wir wissen nicht, wie weit in die Vergangenheit wir gereist sind. Laut den Wissenschaftlern auf Inistra gibt es eine Möglichkeit über Subspace ein auf diese Dimensionsblase begrenztes Ortungssignal in die Vergangenheit zu senden. Samek, der leitende Wissenschaftler hat gesagt, dass das Albagan dazu in der Lage sei.
Es folgten einige technische Ausführungen, wie das Signal exakt aussehen sollte, welche Feldstärken nötig seien und so weiter.
„Ich hoffe, ihr habt euch nicht allzu viele Sorgen gemacht. Abby und Laura.“, las Jan das Ende des Textes laut vor.
„Die sind gut“, murmelte der Captain und erntete zustimmendes Nicken, obgleich allen die Erleichterung fast körperlich anzusehen war.
„Kriegen Sie das hin, Ferden?“, fragte Charleston, der offiziell nach wie vor das Kommando innehatte. Jan nickte.
„Die Anleitung ist sehr umfassend, und da ich glaube auch das technische Problem unseres Albagans gefunden zu haben, sollte es funktionieren.“
Der Captain lächelte.
„Worauf warten Sie dann noch“, rief er.
‚Darauf, dass du deinen dicken Hintern hier weg bewegst…‘, dachte Jan, sagte aber nichts.
Mary Lu dreht den Kopf und sah in kurz an – offenbar hatte sie gehört, was er gedacht hatte. Die beiden grinsten sich an, froh, dass es Abby und Laura gut ging. Dann machten sie sich an die Arbeit die beiden wieder zurückzuholen.
Laura Craig nahm ihr Schweißgerät zur Hand. Nachdem sie inzwischen die meisten Schäden in der Stadt behoben hatten, war Laura damit beauftragt worden, eine Gedenktafel für die Gefallenen der Schlacht um Inistra herzustellen. Eine schlichte Metalltafel mit den Namen der Opfer, die an der Wand neben dem Eingang in die Stadt angebracht werden sollte. Der Captain hatte ihr seine Tochter zur Seite gestellt, offiziell, damit sie etwas zu tun hatte, aber Laura war klar, dass sie für Abby den Babysitter geben sollte, nachdem das Mädchen sich während der Invasion aus dem Bunker geschlichen hatte um selbst gegen die Fuetron zu kämpfen. Ein mutiger Akt, der den meisten Mitgliedern der Expedition imponierte, nur eben ihrem Vater nicht, der vor lauter Angst um seine Tochter diese bald zurück auf die Erde geschickt hatte.
Laura seufzte und klappte ihre Schutzmaske wieder vor das Gesicht. In Kombination mit den unter einer blauen Baseball-Cap versteckten Haaren war sie so kaum zu identifizieren – ein Umstand der in manch anderer Situation dafür gesorgt hatte, dass sie von anderen als Mann angesehen wurde, nicht zuletzt bei ihrer ersten Begegnung mit Captain Hedgefield.
Zur selben Zeit stand Jan Ferden gerade missmutig mit einem seiner Assistenten vor einem der Computerterminals im physikalischen Labor.
„Haben Sie so etwas schon mal gesehen?“, fragte er den jungen Schotten.
Der schüttelte den Kopf.
„In meinem ganzen Leben noch nicht. Aber hier muss das ja nichts heißen.“
Jan brummte eine Zustimmung. Seit gestern früh versuchten sie vergeblich das Albagan wieder zum Laufen zu bringen, aber durch ihre vielfältigen Bastellösungen um den Planeten zu retten war eine Vielzahl an Systemen gestört, und bisher war jeder Versuch eine Verbindung zur Erde oder sonst wo hin herzustellen gescheitert.
„Wenn Sie mir den Kommentar erlauben, Sir, ich glaube wir könnten Dr. Craigs Hilfe gebrauchen“, gab der schüchterne Schotte zum Besten. Sein Akzent erinnerte Jan dabei immer die Aussprache des Hausmeister Willy aus den Simpsons.
„Erstens können Sie sich fast jeden Kommentar erlauben, ich bin ja weder Diktator noch Militär, auch wenn der Unterschied manchmal problematisch zu sein scheint und zweitens glaube ich, dass Laura etwas dagegen hat, wenn man sie Dr. Craig nennt – die steht nicht so auf hochgestochenes und Titel und so. Und davon abgesehen haben Sie völlig Recht, aber unser guter Captain ist ja davon überzeugt, dass diese Gedenktafel genauso wichtig ist, wie unsere Verbindung zur Erde.“
Jan seufzte.
„Aber was hilft’s. Also, schauen wir mal, was wir da für eine seltsame Energiesignatur haben.“
Mit diesen Worten zog er seinen Laptop zu sich herüber und sah sich die Kurve an, die mitten auf dem Bildschirm prangte.
„Erinnert mich ein bisschen an die Kurve eines Albagan-Verbindungsvorgangs“, kommentierte der Schotte nachdenklich. Jan nickte. Deutlich sah man fünf Spitzen in der stetig anwachsenden Kurve.
„Eine fehlt“, kommentierte Jan leise.
„Eine Spitze?“
Jan nickte.
„Irgendwas stimmt aber trotzdem nicht. Hier, die ersten beiden Spitzen sind viel zu heftig. Und davon abgesehen fließt der Strom gar nicht zum Albagan hin.“
Der Schott nickte, als Jan einen Verteilungsmonitor aufrief, der anzeigte wie viel Strom durch welche Leitung floss.
„Der Strom fließt in die Werkstatt“, murmelte Jan, „aber so viel Strom können die da unmöglich für ihre Gedenktafel verbrauchen. Das ist mehr Energie als die Serverfarm von Google braucht.“
In diesem Moment zeigte sich eine weitere Spitze.
„Doch ein Albagan?“, fragte der Schotte. Jan wollte gerade antworten, als ein ohrenbetäubender Knall sie beide erstarren ließ.
Zur selben Zeit erbebte in der Werkstatt der Boden, Lauras Arbeitslampe zerbarst in tausend Stücke und ein gleißend hellblaues Licht erfüllte den Raum. Abby schrie vor Schreck auf, dann gab es einen Ohrenbetäubenden Knall und Abby und Laura wurde schwarz vor den Augen.
Als Jan und sein Assistent nur wenige Momente später in den Raum stürzten, fehlte von den beiden jegliche Spur.
„Was soll das heißen, verschwunden!? Wollen Sie mir sagen, Ferden, sie haben eine seltsame Linie auf ihrem Computer, es knallt und dann ist meine Tochter verschwunden!? Schon wieder!? Ist es das, was Sie mir sagen wollen?“
Hedgefield brüllte so laut, dass man ihn noch vor der Tür des Konferenzraums gut hören konnte. Der Captain hatte sich vor Jan aufgebaut und versuchte furchteinflößend zu wirken, doch Jan wusste, dass er einfach von Sorge um seine Tochter angetrieben war, was ihn zwar weniger berechenbar machte, aber auch weniger angsteinflößend. Er wusste, dass er den Physiker brauchte, also würde er ihn hoffentlich halbwegs in Ruhe lassen. Ferden blieb also erstaunlich ruhig, als er antwortete,
„Ja, genau das ist was ich sagen möchte.“
„Und wohin ist sie verschwunden?“ brüllte der Captain.
„Das wissen wir noch nicht. Aber wir arbeiten dran. Und da die Energiesignatur ähnlich der eines Albagan ist, welches gerade eine Verbindung aufbaut, sind wir ziemlich überzeugt davon, dass sie sich nicht einfach in Luft aufgelöst hat.“
Jan wusste, dass dieser Zusatz Öl auf das Feuer des Captains war, aber er konnte einfach nicht widerstehen. Auch wenn sie inzwischen halbwegs miteinander klarkamen hegte Jan gerade in solchen Situationen eine gepflegte Antipathie gegen den Expeditionsleiter.
„In Luft aufgelöst-“
Der Captain lief dunkelrot an.
„Wir haben bereits alle verfügbaren Kräfte an das Problem gesetzt. Keine Sorge wir werden die beiden schon wieder herholen.“
Der Captain atmete ein paar Mal schwer ein und aus, während er seine Hände zu Fäusten ballte. Dann quetschte er einen lästerlichen Fluch zwischen seinen Zähnen hervor und sah Jan in die Augen.
„Beeilen Sie sich“, flüsterte er.
Jan nickte und drehte sich um. Vor der Tür stieß er auf Rosenthal.
„Und?“, fragte sie.
„Ich hab eine Idee, aber ich fürchte diesmal ist es etwas ausgefallener als sonst.“
„Jan, wir haben einen verdammten Mond in ein anderes Sonnensystem versetzt.“
Ferden legte den Kopf schief.
„Da ist was dran. Also hör zu…“
Als Abby aufwachte, lag sie auf einem viel zu weichen Bett und starrte an eine hellgraue Felsdecke. Sie drehte den Kopf zur Seite und sah Laura in einem Bett neben sich liegen. Dumpf pochten Kopfschmerzen durch ihren Schädel. Sie schloss die Augen wieder und holte ein paar Mal tief Luft. Als sie die Augen wieder öffnete, blickte sie in das Gesicht einer jungen Frau. Abby zuckte vor Schreck zusammen, doch die Frau lächelte nur und legte ihr eine Hand auf die Stirn. Dabei fiel ihr das lange, schwarze Haar weit ins Gesicht. Die Frau sagte etwas, doch Abby verstand kein Wort, und überhaupt – die Frau war ihr gänzlich unbekannt obwohl sie auf der Basis eigentlich zumindest jedes Gesicht wiedererkannt hätte. Sie sah sich um. Der Raum erinnerte sie an das Hauptkrankenzimmer Medizinische Station, aber es schien, als hätte man sämtliche Einrichtungsgegenstände ausgetauscht. Mit Ausnahme des riesigen Strahlers, der an der Decke hing, und der ein furchtbares weißes Licht ausstrahlte.
„Wo ist Dr. Carabezzoni?“, fragte sie die seltsame Frau, die sie nach wie vor studierte. Dabei musste sie mehrfach schlucken, und ihre Kehle fühlte sich an wie Sandpapier. Die Frau runzelte die Stirn, und obwohl Abby kein Wort von dem was sie sagte verstanden hatte, konnte sie in ihren Augen lesen, dass auch die Frau verwirrt war. Vermutlich war Abbys Reaktion anders ausgefallen als erwartet. Die Frau stand auf, besah sich kurz Laura, die nach wie vor schlief und ging dann zur Tür. Kurz bevor sie diese erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal um. Und sagte etwas, dass in Abby Ohren wie aluawritgoß. Totaler Nonsens. Was war nur passiert? Sie erinnerte sich nur an einen Blitz, einen Knall – und dann war sie hier aufgewacht. War die Stadt wieder angegriffen worden? Ein Anschlag, eine Bombe vielleicht? In Ihr stiegen Bilder von Anschlägen aus dem Irak und aus Afghanistan hoch, die sie immer Bange verfolgt hatte, aus Angst ihr Vater könnte betroffen sein. Auch wenn sie es nach außen hin ungern zugab, aber sie war in Sorge gewesen, und nach jedem Heimaturlaub hatte sie sich darauf vorbereitet ihn nie wieder zu sehen.
Abby seufzte und schloss die Augen. Langsam massierte sie sich mit den Fingerspitzen die Schläfen, und tatsächlich wurde das Brummen in ihrem Schädel weniger. Dabei ging ihr immer wieder der Kauderwelsch durch den Kopf, den die Frau vorhin gesprochen hatte. Irgendwas daran kam ihr bekannt vor. Sie öffnete die Augen und blickte auf ihr Handgelenk, während Daumen und Zeigefinger nach wie vor auf ihren Schläfen lagen. Sie erstarrte. An ihrem Handgelenk baumelte ein Schildchen, wie in manchen Krankenhäusern üblich. So etwas gab es auf Inistra aber nicht, dafür war die Besatzung der Basis zu klein, als dass man solche Schildchen gebraucht hätte. Als sie das Schildchen mit dem Finger drehte, fiel es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen: Das Schildchen war in Chibigo beschriftet, und das war es auch gewesen, was die seltsame Frau gesprochen hatte. Alwa vyirt groth, hatte sie gesagt, ‚alles wird gut‘. Und da die Chibigo eine dem Englischen nicht unähnliche Aussprache hatten – ‚w‘ wie in water, ‚v‘ wie in ‚Victor‘ und th mit der Zunge zwischen den Zähnen[1] – war dieser seltsame Kauderwelsch in Abbys noch nicht ganz funktionsfähigen Kopf entstanden. Nur jetzt, wo sie wieder halbwegs klar denken konnte, warf das noch mehr Fragen auf, als es beantwortete.
[1] Die Korrekte Aussprache und Übersetzung der Sprache der Chibigo findet sich in Mary Lu Rosenthals „Leitfaden zur Sprache der Chibigo“, abrufbar als Special [Sx01] unter http://s-hilgert.blogspot.com/p/project-albagan.html (ganz unten unter Specials)
„Das Signal, es kommt tatsächlich durch!“
Abby schrak hoch. Während Laura einem der Wissenschaftler gefolgt war, um sich irgendein technisches Prinzip erklären zu lassen, hatte sich Abby sich in eine Ecke gelegt und versucht zu schlafen, während die Techniker der Chibigo ein Programm schrieben, welches die Nachricht einige Stunden nach dem Zeitsprung anzeigen würde.
„Es hat funktioniert!“
Laura sprintete auf Abby zu, die sich gerade aus ihrer Embryonalhaltung löste und aufstand.
„Heißt das wir können wieder nach Hause?“, fragte Abby, während sie sich die Augen rieb. Laura nickte.
„Jetzt müsste es eigentlich gehen, ja!“
Gemeinsam gingen sie zurück zu Samek und seinem Team, welches um eine Konsole mit großem Bildschirm herum stand.
„Also das Signal ist da,“ erklärte der Wissenschaftler, als die beiden an die Konsole herantraten, „aber eure Zeit liegt fast sechshundert Jahre in der Zukunft… unsere Projektoren sind nicht dafür gebaut eine solche Menge an Energie zu kanalisieren…“
„Und wir können uns einen Schaden am Albagan im Moment nicht leisten“, fuhr ein Chibigo dazwischen, den sie bisher noch nicht gesehen hatten. Er war groß, überragte alle anderen Anwesenden um mindestens Haupteslänge, und flößte den anderen offenbar gehörigen Respekt ein.
„Tedan Misen, Vorsitzender des Militärs“, stellte er sich militärisch zackig vor, „wir müssen jeden Moment mit einem Angriff der Fuetron rechnen. Dabei ist das Albagan von höchstem taktischen Wert, wir können es nicht opfern, nur um zwei Fremden zu helfen, noch dazu wo der Erfolg dieser Mission überhaupt nicht garantiert ist.“
Abby und Laura sackte die Kinnlade herunter.
„Aber Tedan, sie sagen, dass sie ebenfalls gegen die Fuetron kämpfen. Sie sind also Rebellen wie wir, Brüder und Schwestern im Geiste. Der Kodex gebietet uns ihnen zu helfen!“, hielt Samek entgegen.
„Wissen wir das gesichert? Nein. Wir haben nur dass, was sie uns gesagt haben. Wer sagt denn, dass sie nicht Fuetron-Agenten sind, die nur wollen, dass wir das Albagan opfern. Nein, sie sollen dankbar sein, dass wir sie nicht im Berg verrotten lassen und damit Ende der Diskussion.“
Sprach’s drehte sich um und ging wieder seines Weges. Samek sah die beiden traurig an.
„Es tut mir leid, aber bei allem was die Sicherheit der Stadt betrifft, hat er das letzte Wort. So leid es mir tut, aber ich kann euch nicht helfen…“
Abby fühlte wie sich Verzweiflung in ihr breit machte. Sie waren so weit gekommen, und jetzt sollte alles umsonst gewesen sein?
„Kann man den Energieverbrauch nicht irgendwie… verringern?“, fragte sie.
Samek schüttelte den Kopf.
„Nein, das ist unmöglich… Die Energie die benötigt wird errechnet sich aus der Strecke und der Größe der, nennen wir sie mal Blase. Aber die ist beim Albagan fest vorgegeben…“
Für einen Moment standen sie unschlüssig da, Abby kämpfte einige Tränen runter, während Laura mit kalkbleichem Gesicht völlig regungslos dastand. Samek spielte nervös an seinen Fingerkuppen, nicht recht wissend, was er tun sollte, trösten oder irgendwas anderes.
Plötzlich schnippte Laura mit den Fingern.
„Kann man nicht eine Relaisschaltung verwenden? Die Strecke in Etappen aufteilen, die nur so weit reichen, dass die Projektoren nicht beschädigt werden?“
Sameks Gesicht hellte sich auf.
„Ja, in der Tat, das müsste funktionieren! Und ich glaube ich kann sogar ein Programm schreiben, dass euch direkt weiterbefördert, ohne dass ihr zwischendurch neu anwählen müsst!“
Abbys Gesicht hellte sich mit einem Schlag wieder auf.
„Und das funktioniert?“ rief sie ungläubig.
Samek nickte. Und versprach sich sofort darum zu kümmern.
„Irgendetwas nützliches?“, fragte Lukas, als er Jan und Mary Lu ein Tablett mit Essen ins physikalische Labor brachte.
Jan schüttelte resigniert den Kopf.
„Ich fürchte wir müssen uns mit dem Gedanken abfinden die beiden verloren zu haben. Das System ist voll und ganz als Fluchtmechanismus ausgelegt, und dazu zählt, dass nicht nachweisbar ist wohin die Verbindung geführt hat.“
„All diese Technologie. Und trotzdem können wir es nicht nachprüfen. Dieser Teonas hat ganze Arbeit geleistet.“
Lukas seufzte.
„Verfluchte Scheiße.“
Jan nahm einen Bissen von den exotischen Früchten, die Lukas gebracht hatte.
„Ich fühle mich furchtbar,“ sagte Jan leise, „ich meine, im Endeffekt bin ich dafür verantwortlich, ich habe den Captain und den General davon überzeugt Abby auf die Basis zu lassen, und jetzt habe ich so lange an den Kontrollelementen herumgebastelt, bis sich dieser beschissene Fluchtmechanismus in Gang gesetzt hat, und jetzt sind Abby und Laura irgendwo und keiner weiß wo und wann und ob sie überhaupt noch existieren.“
Mary Lu und Lukas sahen sich betreten an. Dann legte Mary Lu Jan ihre Hand auf die Schulter.
„Es ist nicht deine Schuld. Der Captain wusste, worauf er sich einlässt. Davon abgesehen arbeiten wir hier nicht nur mit Technologie, die uns im wahrsten Sinne des Wortes fremd ist, sondern häufig auch noch weit über unseren Stand der Technik hinausgeht. Und irgendetwas muss ja getan werden, wenn wir je wieder Kontakt mit der Erde oder anderen Planeten aufnehmen wollen. Und darauf sind wir nach wie vor angewiesen. Nein, ich glaube du kannst dir keine Vorwürfe machen.“
Lukas nickte.
„Mary Lu hat Recht, Jan. Unfälle passieren, und so tragisch sie auch sind, sie passieren und gehen meist mit großen Fortschritten einher. Und so unschön das auch ist, aber es zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Wissenschaft.“
Jan blickte den beiden nacheinander in die Augen. Ein Moment der Stille entstand.
„Danke, Leute. Manchmal vergisst man doch, wie gefährlich die Arbeit ist, die wir hier machen. Nichtsdestotrotz können wir noch nicht aufgeben. Wenigstens das schulden wir den beiden.“
Hysterisch. Das war wohl am ehesten wie man die Reaktion des Wissenschaftlers bezeichnen konnte, der Abby und Laura immer wieder nach den Details ihrer Zeitreise fragte. Abby war sich noch nicht ganz sicher, ob dieser Typ wirklich so viel besser war, als der Bleiche, der sie verhört hatte. Aber immerhin hatte Samek, der Wissenschaftler, anhand diverser Energiesignaturen ihre Geschichte bestätigen konnten. Das Problem war, das half ihnen immer noch nicht viel um wieder nach Hause zu kommen.
„Es ist erstaunlich, wirklich, wirklich erstaunlich, dass es tatsächlich funktioniert hat“, erklärte Samek und stellte ein wirres Gemisch aus Begeisterung über die Zeitreisenden und Trauer darüber, dass er ihnen nicht helfen konnte zur Schau.
„Sehr erstaunlich, ja, aber das Problem ist, die Projektoren sind eigentlich nicht dafür gebaut. Und dann müsste man ja noch herausfinden wo ihr überhaupt hin müsst!“
„Geht das nicht über die Albagan-Adresse?“, fragte Abby, die sich von Jan mal die Grundzüge der Adressenaufteilung hatte erklären lassen.
Samek schüttelte den Kopf.
„Nein, sonst müsste sich die Adresse ja konstant ändern… nein, die Zeitkoordinate benötigt diverse spezielle Zusatzeinstellungen, und das ist eine sehr heikle Sache…“
Abby seufzte.
„Also sitzen wir hier fest?“
„Ja, doch, ich fürchte schon.“
Der Wissenschaftler sah höchst bekümmert in die Runde.
„Und es gibt nichts was man tun kann?“
Samek schüttelte den Kopf.
Plötzlich schnippte Laura mit den Fingern.
„Und wenn wir dafür sorgen könnten, dass die anderen aus unserer Zeit uns das mitteilen?“
Sowohl Abby als auch Samek blickten sie stirnrunzelnd an.
„Wie stellst du dir das vor?“, fragte Samek skeptisch. Laura dachte nach.
„Wäre es nicht möglich, dass sie ein Signal aussenden, was wir empfangen können? Wenn man sich beliebig in der Zeit bewegen kann, müsste das doch auch für ein Signal gelten, was man dann von hier orten kann!“
Laura musste sich eingestehen, dass das ganze ziemlich an den Haaren herbeigezogen klang, aber einen Versuch war es vielleicht wert.
„Und wieso sollten die anderen ein Signal senden? Selbst wenn es technisch möglich wäre, wir haben doch keine Möglichkeit denen Zuhause irgendwas mitzuteilen!“, warf Abby ein.
„Nun, ja… äh, eigentlich gäbe es vielleicht sogar eine Möglichkeit…“
Abby sah den Wissenschaftler ungeduldig an.
„Und die wäre?“
„Wenn das was ihr sagt stimmt, müsste man nur eine Nachricht platzieren, die in der Zukunft noch existiert, damit eure Gefährten sie lesen können.“
Abby schnippte mit den Fingern.
„Natürlich!“, rief sie aus, „Wir können ihnen ja eine Nachricht schreiben!“
Laura legte ihre Stirn in Falten.
„Und wie willst du dafür sorgen, dass die Nachricht nach x-Jahren noch existiert und vor allem, dass auch die richtigen Leute die Nachricht erhalten?“
Abby ließ die Schultern hängen.
„Verdammt, daran habe ich nicht gedacht…“
Einen Moment lang sahen sie sich betreten an. Dann aber hellte sich Sameks Gesicht auf.
„Sagtet ihr nicht, dass ihr weiterhin unsere Datenverarbeitungstechnik verwendet? Die Anwählgeräte und so?“
Abby nickte.
„Dann könnten wir die Nachricht doch dort auftauchen lassen!“
„Aber wir wissen doch nicht wann, also zu welchem Zeitpunkt sie auftauchen sollte!“
Samek grinste begeistert.
„Das nicht, aber wir wissen, was passiert ist, bevor ihr hier aufgetaucht seid. Unsere Instrumente zeigten eine Albagan Verbindung mit einer einzigartigen Energiesignatur an, und es steht zu vermuten, dass diese Energiesignatur auch auf der anderen Seite messbar war. Also können wir den Computer so programmieren, dass er die Nachricht anzeigt, sobald diese Energiesignatur gemessen wird!“
Plötzlich hatte er gar nichts mehr von dem wirren zerstreuten Professorencharme, sondern lief offensichtlich zu erstaunlichen Höchstformen auf.
„Und das geht?“, vergewisserte sich Laura. Samek nickte.
„Dann nichts wie an die Arbeit!“, rief Abby, von Sameks Begeisterung angesteckt.
„Reicht das?“, fragte Mary Lu. Jan nickte.
„Das sollte es sein, ja.“
Sie hatten das Signal für etwa zehn Minuten gesendet, was schon einen erheblichen Energieaufwand bedeutete. Aber hier war der Aufwand ziemlich egal, das hatte der Captain deutlich gemacht. Verständlicherweise.
„Und jetzt?“, fragte Hedgefield ungeduldig.
Jan sah von der Konsole hoch.
„Wir warten“, erklärte er und blickte durch die Glasscheibe hinunter auf das Albagan, welches sie inzwischen repariert hatte. Ein unscheinbarer Kabelfehler war das Problem gewesen, allerdings so versteckt, dass man ihn selbst bei einer gründlichen Prüfung kaum hatte erkennen können.
„Sie werden einen Punkt wählen der ein bisschen später liegt als das Signal“, fügte er hinzu.
„Warum das?“, fragte der Captain ungeduldig.
„Damit das sie nicht ankommen bevor das Signal fertig gesendet ist. Denn sonst könnte es passieren, dass wir das Signal nicht weit genug senden, sie es damit nicht bekämen und wir ein Zeitparadoxon verursachen würden.“
Der Captain drehte sich zu Sergeant Charleston, der ihm inzwischen das Kommando wieder übergeben hatte. Stillschweigend.
„Haben Sie das verstanden?“, fragte er seinen Sicherheitschef.
„Nein, Sir, aber ich glaube nicht, dass wir die Erklärung besonders hilfreich fänden. Belassen wir es lieber dabei, dass es so ist.“
Jan wollte gerade etwas erwidern, als sie durch ein feines Sirren unterbrochen wurden.
„Da, das Albagan wird angewählt!“ rief Rosenthal aus. Die Nervosität der Anwesenden ließ die Luft fast erbeben. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich die blaue Kugel geformt, und darin wurden zwei Silhouetten sichtbar. Alle stürmten in die Portalhalle, in der Dr. Carabezzoni bereits bereitstand. Sie kamen gerade rechtzeitig, um Abby und Laura aus der Kugel stürzen zu sehen. Carabezzoni war bereits bei ihnen, noch bevor die Kugel erloschen war, ebenso der Captain. Die beiden stolperten mehr vorwärts, als das sie gingen, aber sie waren am Leben. Abby grinste schwach.
„Ein hoch auf die Technik“, flüsterte sie, dann sank sie in die Arme ihres Vaters.
„Haben Sie schon was rausgefunden?“
Captain Hedgefield hatte sich inzwischen wieder beruhigt, jedenfalls äußerlich. So hatten Jan und sein Team in Ruhe arbeiten können, und auch wenn sie nicht viel herausgefunden hatten, so war es doch zumindest ein Hoffnungsschimmer.
„Wir sind zumindest ein bisschen weitergekommen,“ sagte Jan also. „Wir sind immer noch nicht zu hundert Prozent sicher, wie das Albagan funktioniert. Bisher hatten wir vermutet, dass eine Wurmloch-Technik dahintersteckt – was auch stimmt – aber das Ganze ist viel komplizierter als wir ursprünglich dachten.“
Der Captain hob eine Augenbraue.
„Mir wäre es lieber, wenn Sie erst meine Tochter zurückbringen, und dann theorisieren wie dieses Ding funktioniert.“
„Leider geht es so herum nicht. Sehen Sie, das System der Albagane fußt darauf, von einer Realität in die nächste zu reisen.“
„Moment, sagten Sie nicht immer, es handle sich um Dimensionen? Haben wir das Ding nicht immer als Dimensionsportal bezeichnet?“, hakte der Captain ein.
Jan seufzte.
„Ja, obwohl das eigentlich nicht korrekt ist. Dazu muss man wissen, dass unser Verständnis des Universums auf der sogenannten String-Theorie fußt. Die zu erklären würde jetzt ein abendfüllender Vortrag werden, für uns ist interessant, dass diese Theorie unter anderem von 11 verschiedenen Dimensionen spricht. Die ersten vier sind bekannt, der ersten drei stellen über die x1, x2 und x3 Achse die räumliche Darstellung des Universums wieder. Die vierte ist die Zeit. Soweit verstanden?“
Der Captain runzelte die Stirn, nickte aber. Vielleicht wollte er auch nur, dass Ferden endlich auf den Punkt kam, der seine Tochter wieder herholen würde, String-Theorie hin oder her.
„Seit wir das Albagan kennen, haben wir hier theorisiert, dass die sieben verbliebenen Dimensionen wie Vektoren auf einen Punkt deuten könnten. Wäre das der Fall, könnte man damit mithilfe dieser Dimensionen durch Raum und Zeit springen wie es einem beliebt.“
„Raum und Zeit?“
„Theoretisch ja. Daher jedenfalls der Name Dimensionsportal. Wir vermuten, dass die Fuetron diese Dimensionen als Koordinaten und Vektoren nutzbar machten, um andere, alternative Realitäten zu besuchen. Dazu passt die Angabe der 7 Dimensionen – 6 um einen Punkt in einem wiederum dreidimensionalen Raster zu finden, und eine als Startpunkt. Damit wären die verbliebenen Dimensionen nicht nur vorstellbar sondern auch nutzbar. Daraus setzt sich das Koordinatensystem für die Albagan-Verbindung zusammen, jedenfalls zum Teil. Wenn man jetzt mit genügend Energie ein Wurmloch mit erzeugt, welches durch einen Körper mit extremer Masse – eine Sonne oder gar ein schwarzes Loch – vorbeiführt, sorgt das bei den richtigen Bedingungen dafür, dass das Wurmloch von einer Realität in die nächste springt, nämlich durch einen winzigen, temporären Riss im Raum-Zeit-Gefüge, und schon hat man eine Albagan-Verbindung zwischen zwei Punkten, die in unterschiedlichen Realitäten liegen.“
Der Captain schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Das war jetzt doch ein bisschen viel. Und wenig hilfreich bei der Suche nach seiner Tochter, fand er.
„Auf den ersten Blick ja,“ gab Jan ihm Recht, „aber es kommt noch besser: Dr. Ian McLane, der Schotte mit dem ich versucht habe das Albagan zu reparieren hat kurz vor dem Verschwinden eine Energiesignatur gefunden, die exakt dem Verbindungsvorgang eines Albagans gleicht – bis darauf, dass der Energieverbrauch der ersten zwei Projektoren viel höher war als normal.“
„Ja und?“ So langsam wurde der Captain gereizt. Ferden hatte ihm versprochen eine Lösung gefunden zu haben, aber davon sah er im Moment noch rein gar nichts.
„Also, das Albagan hat 6 Projektoren, 3 Paare. Eine Albaganadresse hat 18 Zeichen, das sind 3 mal 6 Zeichen. Wir gehen davon aus, dass die ersten 6 Zeichen die Realität festlegen, in die eine Verbindung hergestellt wird, und die zweiten 6 den exakten Punkt innerhalb dieser Realität.“
„Und die letzten sechs Zeichen? Kommen Sie endlich zum Punkt, Ferden!“
„Aufgrund der Tatsache, dass sich das Universum ausdehnt handelt es sich vermutlich um eine Drift-Berechnung, die dafür sorgt, dass man nicht an der Stelle materialisiert, an der sich das Albagan vor 800 Jahren befand. Aber das ist nicht so wichtig, der Punkt ist, dass wir vermuten, dass jeweils ein Projektorpaar für die Realität, eins für den Ort und eins für die Driftkalkulation zuständig ist. Und je aufwändiger die Verbindung ist, desto mehr Energie wird benötigt. Und aufgrund der Leitungsmonitore vermuten wir, dass sich in der Werkstatt ein Albagan gebildet hat.“
„Sie meinen also, dass meine Tochter von einem Albagan irgendwohin transportiert wurde?“
Jan nickte.
„Wohin?“ Das Gesicht des Captains begann geradezu zu leuchten vor Hoffnung. Umso mehr hasste Jan das, was er nun sagen musste.
„Wissen wir nicht. Aber aufgrund des enormen Energieverbrauchs der ersten beiden Projektoren dürfte es sie in eine Realität verschlagen haben, die von dieser sehr weit Entfernt liegt.“
Die Gesichtszüge des Captains entglitten ihm.
„Was wollen Sie mir damit sagen?“
„Ich weiß nicht, ob wir eine solche Verbindung überhaupt wieder herstellen können. Die Projektoren sind für diese Leistung eigentlich nicht gebaut. Da wir um den Mond verschieben zu können eine Menge Sicherheitsfeatures abschalten mussten konnte diese Verbindung zwar zustande kommen, aber ob wir sie wieder öffnen können, ohne dass uns die ganze Stadt um die Ohren fliegt.“
Jan sah, dass der Captain mit seiner Fassung rang. Er seufzte und legte ihm, trotz aller Differenzen die Hand auf die Schulter.
„Wir tun, was wir können. Ich dachte nur, Sie sollten wissen, dass wir für nichts garantieren können.“
Manchmal musste man eben über Antipathien hinwegsehen.
„Bringen Sie mir meine Tochter wieder“, flüsterte Hedgefield heiser.
Was zur Hölle war hier passiert? Die Frau hatte Chibigo gesprochen, also war es unwahrscheinlich, dass sie noch auf Inistra waren. Aber wo zur Hölle waren sie dann? Abby schwang sich aus dem Bett. Man hatte sie in ein leichtes Überzugkleid gesteckt, das sie vom Material her an Leinen erinnerte. Immerhin musste sie sich so keine Gedanken darum machen, wo ihre Klamotten hingekommen waren. Laura schlief immer noch. Als Abby sich zu ihr hinabbeugte, sah sie unter einem Verband eine Wunde an Lauras Kopf. Waren sie doch angegriffen worden? Fragen über Fragen.
Leise schlich sie aus dem Raum. Aus dem Krankenzimmer kam sie in einen kleinen Vorraum, der ihr ebenfalls gespenstisch bekannt vorkam. Der Raum war leer, also ging sie zügig auf die Tür zu, an der in ihrer Erinnerung ein kleines Metallschild mit der Aufschrift Exit hing. Das Schild fehlte jedoch, und es schien auch nicht so als ob dort bis vor kurzem noch eins gehangen hatte.
Abby öffnete die Tür – und erstarrte. Vor ihr breitete sich zu beiden Seiten der Ringgang Inistras aus, da war sie sich absolut sicher. Selbst die Ornamentmeißelungen an der Decke stimmten mit ihrer Erinnerung überein, obgleich sie sich sicher war, dass sie noch nie so sauber und klar ausgesehen hatten. Hatte sie etwa im Koma gelegen und hatten die Chibigo die Stadt wieder übernommen, und man hatte sie hier vergessen? Unmöglich. Ein Mann trat auf sie zu und redete in einem Affenzahn auf sie ein. Abby verstand kein Wort, entschuldigte sich und fragte mit leicht zitternder Stimme, wo sie sei.
„Vor der Krankenstelle“, antwortete der Mann auf Chibigo.
„Ja, aber auf welchem Planeten?“, fragte Abby nach. Vielleicht gab es ja einfach noch eine zweite Stadt irgendwo.
Der Mann runzelte die Stirn.
„Auf Inistra natürlich, wo sonst?“, fragte er. Abby wurde schwindelig.
„Ich glaub, ich hab was“, rief Mary Lu vom Türrahmen herein.
„Ah, ja?“ Jan war niedergeschlagen. Vier Stunden lang hatte er die verschiedenen Logprogramme, Verbindungssequenzer und Energiemonitore Stück für Stück durchgearbeitet ohne auch nur den kleinsten Hinweis zu erhalten wo Abby und Laura geblieben sein könnten.
„Ich hab in der Datenbank die Aufzeichnungen eines Chibigo namens Teonas gefunden.“
„Nie gehört.“
„Muss man auch nicht. Teonas war ein Physiker der zweiten Reihe, der hauptsächlich für eine Erfindung in der Datenbank steht, nämlich für das Tyidä-Flid-Degind.“
Jan runzelte die Stirn.
„Moment mal. Tyidä bedeutet Zeit, Flid ist die Flucht. Und Degind?“
„Ein veralteter Begriff für ein Gerät. Wahrscheinlich verwandt mit den Begriffen Device und Thing.“
„Ein Zeit-Flucht-Ding? Was soll denn das bitte sein?“
Rosenthal erlaubte sich ein Lächeln.
„Genau das was der Name sagt. Ein Gerät zur Flucht in die Zeit.“
„Moment mal – willst du mir etwa sagen der Kerl hat eine Zeitmaschine gebaut?“
Rosenthal nickte.
„Ganz genau. Aus Angst davor bei einem Überfall oder Angriff zu sterben hat Teonas ein Gerät gebaut, mit dem er in der Zeit zurückreisen konnte um sich selbst zu warnen. Dazu hat er die Albagan Technologie verwendet, mit der es, das wussten wir ja schon vorher, zumindest theoretisch möglich ist sich in der vierten Dimension, sprich in der Zeit zu Bewegen. Und weil er wusste, dass der Portalraum unter Umständen nicht erreichbar sein könnte –“
„So, wie als uns die Piraten angegriffen haben“
„- hat er mithilfe der Waffentechnologie mit der wir den Mond versetzt haben eine Möglichkeit gefunden sich aus einem bestimmten Raum heraus in der Zeit zurückzuversetzen.“
„Der Werkstatt.“
Rosenthal nickte abermals.
„Vermutlich war es mal sein Labor.“
„Und durch unsere Reparaturarbeiten haben wir dieses Fluchtgerät aktiviert?“
Rosenthal legte den Kopf schief.
„Es passt jedenfalls logisch alles zusammen: Der enorme Energieverbrauch der ersten zwei Projektoren, der Energiefluss zur Werkstatt… Ich bin überzeugt, die beiden sind Zeitreisende geworden, wenn auch unfreiwillig.“
Jan seufzte.
„Und wie finden wir heraus, wo, oder besser wann, sie gelandet sind?“
„Dazu steht nichts in der Datenbank, jedenfalls hab ich noch nichts dazu gefunden.“
„Sollten wir den Captain informieren?“
Rosenthal schüttelte den Kopf.
„Carabezzoni hat ihm ein Beruhigungsmittel verpasst. Charleston hat das Kommando übernommen. Die letzten Wochen waren verdammt hart für uns alle, aber dann noch die Sorge um seine Tochter… beinahe erstaunlich, dass er überhaupt so lange durchgehalten hat.“
„Also noch mal von vorne: Wer bist du, woher kommst du, und wer schickt dich?“
Abby saß in einem kleinen Nebenzimmer des Raumes, den sie immer als Sheriffs-Office bezeichneten. Ein bleichhäutiger Chibigo saß ihr gegenüber und befragte sie schon seit einer guten Stunde immer wieder danach, wer sie war, und was sie wollte. Ihre Geschichte, dass sie einfach so hier aufgewacht war, und die Stadt nur von den Menschen des Blauen Planeten bewohnt wurde, nicht aber den Chibigo, hatte ihr niemand abgenommen. Und sie musste zugeben, dass sie tatsächlich ziemlich unglaublich klang. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass Laura kurz zuvor aufgewacht war und die Geschichte bestätigt hatte.
Immerhin war Abby jetzt froh, dass Mary Lu darauf bestanden hatte, dass sie die Sprache der Chibigo lernte – sonst wäre sie wohl vollends verloren gegangen.
„Mein Name ist Abby,“ sagte sie also zum wiederholten Male, „und ich komme ursprünglich von der Blou Aiwa.“ Blou Aiwa, wörtlich blaue Insel, war der Chibigo Name der Erde.
„Das Albagan dort ist zerstört“, konterte ihr Befrager.
„Wir haben ein neues gebaut.“ Da fiel ihr plötzlich ein, was ihr die vorigen Male auf der Zunge gelegen hatte:
„Wir sind gekommen um auf den großen Hilferuf zu antworten.“
Der Bleiche stockte.
„Woher weißt du davon?“
„Hab ich doch gerade gesagt! Wir haben euer… Gerät-dings bekommen und daraus unser Albagan gebaut und sind gekommen um euch zu helfen!“
Der Bleiche schüttelte den Kopf.
„Das ist unmöglich“, sagte er, und sein Ton war um Nuancen schärfer geworden.
„Aber es ist die verdammte Wahrheit!“ Abby verlor langsam die Geduld. Viel hatte sie eh nicht mehr zu verlieren.
Der Andere schüttelte den Kopf.
„Das Projekt Harrata ist nicht nur streng geheim, sondern noch nicht gestartet! Der einzige Grund, warum du davon wissen würdest, wäre indem du uns ausspioniert hast. Also: Wer schickt dich!?“
Abby fühlte sich, als habe man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Noch nicht gestartet? War es etwa möglich, dass sie in der Zeit zurück gereist war? Sie war so in diese Gedanken versunken, dass sie den Bleichen gar nicht mehr wahrnahm. Bis der sich mit einer Ohrfeige wieder bemerkbar machte.
„Ich rede mit dir, verdammt noch mal! Also antworte mir gefälligst!“
Abby rieb sich die rot glühende Wange. Es war nicht die erste Ohrfeige, obgleich ihre Eltern sie nie geschlagen hatten, und bei ihrem Lebensstil würde es wohl auch nicht die letzte sein. Und auch wenn sie völlig unerwartet gekommen war, zwang sich Abby innerlich zur Ruhe. Sie sah dem Bleichen in die Augen und sagte,
„Ich stamme vom Blauen Planeten. Ich bin mit einer Expedition hergekommen, die dem großen Hilferuf gefolgt ist. Und wenn er noch nicht ausgesandt wurde, dann muss ich durch einen Unfall in der Zeit zurück gereist sein.“
Ihr Gegenüber gab ein schnaubendes Lachen von sich.
„Zeitreise! Ganz bestimmt. Sag mir endlich die Wahrheit!“
Er hatte die letzten Worte gebrüllt und teilte eine weitere Ohrfeige aus. Doch diesmal war Abby gewappnet und hielt seine Hand auf der Hälfte der Strecke auf.
„Hör zu,“ flüsterte sie, „ich kenne diese verdammte Stadt wie die Rückseite meiner Westentasche, vom Konferenzraum am Talgrund über die Schutzbunker im Sublevel bis hin zur Nekropole hinter dem Albagan. Frag einen deiner Wissenschaftler wie es möglich ist, dass ich hier bin, jedenfalls bin ich es.“
Ihr Auftritt schien jedenfalls ein bisschen Eindruck auf den Chibigo gemacht zu haben, jedenfalls ließ er seine Hand sinken und lehnte sich zurück.
„Nehmen wir mal für einen völlig irrsinnigen Moment an, dass du Recht hast, und tatsächlich in der Zeit zurück gereist bist, was stellst du dir vor, was wir jetzt tun sollen?“
„Mir helfen wieder in meine Zeit zurückzukehren. Also uns. Laura und mir.“
„Und wie soll das funktionieren?“
Abby seufzte.
„Ich habe keine Ahnung! Fragen Sie Ihre Wissenschaftler. Davon dürften hier doch genügend rumrennen.“
Der Bleiche zögerte einen Moment.
„Ich werde mit dem Vorsitzenden der Wissenschaften konferieren. Aber ich kann nichts versprechen. Du stehst weiterhin unter Arrest, bis wir deine Geschichte beweisen können.“
Abby seufzte erleichtert. Sie war ihrem Ziel nach Hause zu kommen ein Stück näher gekommen.