Romane & Erzählungen
Die falsche Liebe (08)

0
"Die falsche Liebe (08)"
Veröffentlicht am 22. November 2011, 14 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

untypisch für ein Mädchen (wird mir auch oft gesagt) teilzeit Kummerkasten unordentlich Nachtmensch
Die falsche Liebe (08)

Die falsche Liebe (08)

Ein grelles Leuchten umgab mich, als ich aufwachte. Das war nicht mein Zimmer. Mein Zimmer war in rot bis gelb-orange gestrichen, aber hier war alles weiß. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf zur Seite. Ich hatte höllische Kopfschmerzen. Neben meinem Bett saß Karl. Er war eingeschlafen und ich wollte ihn nicht wecken. Doch kurz darauf riss jemand die Tür auf. Es war Julia. Ich hatte sie noch nie so aufgeregt gesehen. Auf ihren Wangen zeichneten sich deutliche Tränenspuren ab. Sie hatte geweint. Aber warum? So langsam dämmerte es mir. Sie hatte meinetwegen geweint. Doch noch ehe ich lange nachdenken konnte, fiel sie mir bereits um den Hals. „Ach Friedi, ich hatte ja solche Angst um dich und Karl macht sich lauter Vorwürfe. Wie geht es dir?“ Ich war gerührt. Meine kleine Schwester hatte tatsächlich Angst um mich gehabt. Sonst tat sie doch immer so cool und jetzt das. „Naja, den Umständen entsprechend. Mein Schädel brummt und es tut höllisch weh, wenn ich mich bewege. Was ist denn passiert, Julchen?“ Sie wusste es selber nicht so genau. Karl war die ganze Zeit bei mir gewesen. „Wie lange war ich denn weg?“, fragte ich erstaunt. „Fast zwei ganze Tage.“ „Was ist mit Mama und Papa?“ „Karl hatte Papa angerufen und der meinte, dass wir Mama vorerst nichts erzählen sollen. Er ist auf dem Weg hierher. Du hast uns ganz schön geschockt, aber jetzt ist ja wieder alles in Ordnung. Darf ich auf deinem Gips unterschreiben?“ Gips? Ich hatte mich noch nicht genau betrachtet, schaute aber jetzt an mir runter. Mein rechtes Bein und mein rechter Arm waren eingegipst, um Kopf und linker Hand hatte ich einen einfachen Verband und um den Brustkorb war eine Art Bandage gewickelt. Na toll! Ausgerechnet jetzt passierte mir so etwas! „Also darf ich jetzt?“, fragte Julia, den Stift bereits in der Hand „Klar!“ Nachdem sie auf beiden Gipsen unterschrieben hatte, bat ich sie mir ein Glas Wasser zu holen. Als sie weg war, betrachtete ich meinen Bruder. Dunkle Schatten waren unter seinen Augen zu sehen. Er hatte anscheinend so gut wie nie geschlafen. Ich lächelte. Wie besorgt er doch immer um mich ist! Immer wenn ich krank war, saß er stundenlang bei mir und hat mir vorgelesen, mir etwas zu trinken oder zu essen gebracht, mich zu gedeckt oder einfach nur neben mir gesessen.

Gerade als ich die Augen wieder zu machen wollte, wachte er auf. Als er bemerkte, dass ich wach war, richtete er sich gerade auf und hielt meine Hand. „Friedi, es tut mir so leid. Es ist alles meine Schuld.“ „Karl, jetzt komm mal wieder runter! Wieso bist du daran schuld, wenn Mareike den Eimer mitten auf der Treppe stehen lässt, sodass ich falle? Dafür kannst du überhaupt nichts und außerdem geht es mir gut. Also hör auf dir Vorwürfe zu machen!“ Behutsam strich ich ihm mit meiner verbundenen Hand über sein zerzaustes Haar. Ich sah, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Ich versuchte ihn bestmöglich zu trösten, aber ich konnte so etwas noch nie wirklich. Es war immer Karl gewesen, der die Rolle übernommen hatte. Es klopfte und eine Schwester kam herein mit einem Tablett. „Ihre Schwester sagte mir, dass Sie wach sind. Es ist Mittagszeit. Heute gibt es Tomatencremesuppe. Guten Appetit!“ Und weg war sie ohne dass ich sie nach Kopfschmerztabletten fragen konnte. Tomatensuppe. Sofort fiel mir der Abend wieder ein. Vorsichtig aß ich einen Löffel. „Bäh…ist der Koch verliebt oder warum ist die Suppe versalzen. Ich esse keinen Löffel davon, denn kalt ist sie außerdem. Willst du?“, fragte ich meinen Bruder und hielt ihm die Suppe entgegen. Doch er schüttelte nur den Kopf. „Friedi, du isst das jetzt! Sofort!“ „Nein, das werde ich nicht!“ Ich verhielt mich wie ein kleines trotziges Kind, das man nicht so richtig ernst nimmt. Mein Bruder stand auf. „Hey, wieso gehst du?“, fragte ich ihn traurig. „Weil du nichts isst.“, erwiderte er nur knapp. Schon war er draußen. Na toll, aber sollte er die Suppe doch selber essen. Doch ich wollte meinen Bruder nicht noch trauriger machen, aß die Suppe Löffel um Löffel. Gerade als ich den letzten Löffel gegessen hatte, kam mein Bruder mit einer Tüte meiner Lieblingsgummibärchen ins Zimmer. „Wusste ich doch, dass du vernünftig bist.“ „Geschmeckt hat sie trotzdem nicht. Nur das du’s weißt, noch einmal esse ich dir zuliebe keine solche Suppe mehr.“ Mein Bruder reichte mir die Tüte und setzte sich wieder neben mein Bett. „Das musst du auch nicht.“, meinte er mit einem breiten, selbstgefälligen Grinsen. Ich sah ihn fragend an. „Ab morgen werde ich dir jeden Tag etwas frisch Gekochtes mitbringen. Ich habe das alles schon mit der Schwester abgesprochen. Aber ich muss jetzt leider los. Mareike wartet auf ihren Nachhilfelehrer. Ich würde lieber bei dir bleiben, aber ich komme morgen Mittag wieder. Versprochen!“ Er drückte mir noch schnell einen Schmatzer auf die Stirn und ging hinaus. Leise schloss er die Tür. Da ich alleine war, konnte ich endlich mein Zimmer genau betrachten. Wie in allen Krankenhäusern waren die Wände und die Decke weiß gestrichen. Auch die Möbel und die Bettwäsche waren weiß. Aber wieso eigentlich nicht in einem hellen gelb oder rot oder orange? Klar, nicht jeder Patient mag diese Farben, aber weiß ist doch noch blöder. Auf dem Tisch standen allerhand Blumensträuße. Ich zählte zehn. Ich war doch gerade mal zwei Tage im Krankenhaus. Als ich nachgucken wollte, wer mir die Blumen geschenkt hatte, fiel ich bei dem Versuch aufzustehen aus dem Bett. Ich hatte mich aber zum Glück nicht weiter verletzt. Der Gips verhinderte das. Mühsam stand ich auf. Endlich war ich beim Tisch und setzte mich erschöpft auf einen der Stühle. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen, aber dann trieb mich die Neugier an. Der erste Strauß war von Anna, der Zweite von Karl, der Dritte von Mareike, der Vierte von Bernd und die anderen von Max. Als ich mich umdrehte, fiel mein Blick auf meinen Nachttisch. Dort lagen Geschenke und Süßigkeiten. Mühsam machte ich wieder auf den Weg dorthin. Allerhand Bücher und CDs. Ich nahm mir eine Tüte Gummibärchen, meinen Laptop, der unter meinen Geschenken gelegen hatte, und eine neue CD. Gerade als ich die eingeschoben hatte, klopfte es. „Ja?“, rief ich etwas genervt Richtung Tür. Langsam öffnete sich die Tür, aber sehr, sehr langsam und erst nach einer halben Ewigkeit steckte Max seinen Kopf herein. „Kann ich reinkommen?“, fragte er leise. „Klar, aber das bist du ja sowieso schon.“ Es stimmte, er hatte ohne auf meine Antwort zu warten die Tür hinter sich geschlossen. „Tut…mir echt leid, dass mit deinem Bein und so. Soll ich wieder gehen?“ Ergeben seufzte ich. „Nein, bleib ruhig da, wenn du einmal da bist. Setz dich doch. Willst du irgendwas trinken oder Süßigkeiten?“ Er schüttelte nur stumm den Kopf und setzte sich schweigend in den Stuhl mir gegenüber. „Friedi, ich muss dir etwas sagen!“ Neugierig setzte ich mich aufrecht hin, was ziemlich schwierig war und so legte ich mich doch lieber wieder hin. Da er nicht weiter sprach, entgegnete ich jetzt ungeduldig: „Ich höre!“ Er schaute mir tief in die Augen, so dass ich schnell aus dem Fenster guckte und er begann mit seiner Erzählung. Er erzählte mir das, was er auch Anna erzählt hatte und noch mehr. Er sank immer mehr in sich zusammen. Mit jedem Satz der an die Gegenwart heran kam, fiel es ihm schwerer zu erzählen. Als er geendet hatte, brach er zusammen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und daher drückte ich auf die Notfallklingel (oder wie auch immer dieses Ding heißt) und sofort kam eine Krankenschwester. Sie schaute mich fragend an, da mit mir alles in Ordnung zu sein schien. Ich konnte nur mit dem Finger auf Max zeigen, denn wenn ich etwas gesagt hätte, wäre meine Stimme sicher gebrochen. Sie verließ das Zimmer und kam kurzdarauf mit dem Arzt wieder. Mittlerweile hatte ich meine Tränen nicht mehr zurück halten können. Die Tränen liefen ungehindert meine Wangen hinunter. Sie brachten ihn in ein anderes Zimmer. Später teilte man mir mit, dass er an einem seelischen Zusammenbruch litt. Diese „Schmerzen“ waren am Ende so groß, dass sich auch sein körperlicher Zustand immer schlechter wurde und am Ende einfach zusammengebrochen ist. Jetzt war ich diejenige, die Schuldgefühle hatte. Er hatte nur meinetwegen so gelitten. Ich fragte den Arzt, wann ich ihn besuchen konnte. Doch der winkte ab und meinte, dass Max die nächste Zeit viel Ruhe brauche und keinen Besuch empfangen dürfe. Ich war wütend auf den Arzt. Es war eine sich plötzlich explosiv ausbreitende Wut. Ich atmete tief ein und versuchte mich zu beherrschen bevor ich dem Arzt alles erzählte. Am Ende war ich kraftlos und ließ mich in mein Kissen sinken. „Sobald Sie ohne Schmerzen laufen können, dürfen Sie ihn besuchen.“ Er wandte sich ab und verließ eilig mein Zimmer. Ich schaute auf die Uhr. 18:03 Uhr. Abendbrotzeit. Wo blieb nur die Schwester mit diesem ekelhaften Krankenhausessen? Wie aufs Wort kam sie ohne zu klopfen herein, setzte mir das Tablett vor und knallte die Tür hinter sich wieder zu. Man, die hatte ja echt eine bomben Laune! „Also wenn die hier alle immer so sind, dann hau ich ab.“, sagte ich zu mir selbst. „Oh Gott! Jetzt fange ich auch noch an Selbstgespräche zu führen. Ich gehe nie wieder in ein Krankenhaus!“ Es gab durchgeweichtes Brot mit ausgetrocknetem, altem Ekelkäse und uralte Wurst, die wahrscheinlich noch vom letzten Jahr stammte. „Ist billiger!“, spottete ich. Zum Nachtisch gab es verhältnismäßig guten Obstsalat. Leider war die Butter keine normale Butter, sondern Salzbutter und ich verspürte ein unangenehmes, rasch zunehmendes Trockengefühl im Rachenbereich. Ich schaute mich genau im Zimmer um, fand aber kein Trinken. Aus Verzweiflung drückte ich wieder auf den Knopf und die Schwester mit der bomben Laune riss die Tür auf. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte sie energisch. Doch ich ließ mich nicht einschüchtern und sagte ihr meinen Begehren.  In gehobener Sprache meinte ich nur: „Es gelüstet mich nach einem Gläschen H2O. Besitzen Sie die Güte mir diesen kleinen Wunsch zu erfüllen?“ Ich musste all meine Kraft zusammen nehmen, um nicht zu grinsen. „Glauben Sie ja nicht, Sie sind was besseres, aber ich bin dazu verpflichtet Ihnen den Wunsch zu erfüllen. Das nächste Mal gehen Sie aber selber, denn der Knopf ist nur für äußerste Notfälle.“ Ich hatte mich wohl verhört, die war ja echt witzig und empört sagte ich ihr direkt ins Gesicht: „Na, ha, Sie sind ja echt lustig. Erstens: Wie bitte soll ich laufen, wenn ich nicht mal Krücken habe und die noch nicht mal halten könnte? Zweitens: Das ist ein Notfall. Oder soll ich verdursten, wegen ihrer salzigen Butter, die meinem Körper das Wasser entzieht? Drittens: Das nächste Mal beschwere ich mich beim Doktor und dann werden wir ja sehen, wer mehr zu sagen hat. Und jetzt wäre ich ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir endlich mein Wasser bringen!“ Die Schwester schnappte nach Luft, fand aber keine Worte und hastete stattdessen aus dem Zimmer. „Die sollte mal Bücher lesen, um ihren Wortschatz aufzubessern oder an einem Sprachlernkurs teilnehmen.“, dachte ich so bei mir. Das würde ein Nachspiel haben, dass wusste ich. Genauso wie ich wusste, dass ich Friederike Kressmann war. Oder vielleicht doch nicht? Naja, das war jetzt auch egal, denn was geschehen war, war geschehen und ich konnte nur noch versuchen das Beste daraus zu  machen. Diesmal klopfte die Schwester. Ich tat so, als ob ich schlief, damit ich nicht erneut mit ihr reden musste und sie stellte das Glas auf meinen Nachttischchen ab. Leider blieb sie noch eine Weil an meinem Bett stehen, so dass ich wirklich fast eingeschlafen wäre. Doch endlich hörte ich ihre schmatzenden Schritte auf dem Ekelboden. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Ich wartete noch eine Weil und trank dann gierig das ganze Glas aus. Daneben hatte sie noch eine Tasse Tee gestellt. Auch den trank ich hastig, bereute es aber gleich, denn sofort spürte ich ein eigenartiges Kratzen im Hals. Ich bekam kaum noch Luft. Mein Hals schwoll an. Ich drückte schon wieder auf den Notfallknopf. Doch nicht nur einmal, sondern mehrmals. Nach einer langen Weile kam endlich jemand und es war mal wieder diese nette Krankenschwester. Doch sie erkannte gleich, dass es diesmal ein echtes, großes Problem gab und rief den Doktor. Der stellte eine allergische Reaktion fest und sofort kam ich in den OP-Saal. Um mich herum verschwamm alles. Doch mir war das alles egal. Ich wollte nur wieder richtig Luft bekommen. Doch dann wurde mir zum zweiten Mal schwarz vor Augen.

http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558504.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558505.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558506.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558507.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558508.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558509.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558510.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558511.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558512.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558513.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558514.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558515.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_558516.png
0

Hörbuch

Über den Autor

Zwiebelchen
untypisch für ein Mädchen (wird mir auch oft gesagt)
teilzeit Kummerkasten
unordentlich
Nachtmensch

Leser-Statistik
3

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

63084
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung