In der Zwischenzeit hatten Steffan und Anna Julia so weit, dass sie wieder unbeschwert lachen konnte, wie mir Anna später erzählte. Die Beiden hatten sogar das Gefühl, dass sie Felix und die Auseinandersetzung zwischen ihr und Lisa vergessen hatte. Zumindest erwähnte sie beides mit keiner Silbe. Da Max sie ja zum Kochen eingeladen hatte, machten sie das jetzt eben zu dritt. Rücksichtsvoll wie nur mein Julchen zu mir ist, fragte sie nicht nach mir und Max. Wahrscheinlich hatte aber auch sie den Streit mitbekommen und so waren Fragen überflüssig. Stattdessen redeten Steffan und Anna über den bevorstehenden Zelturlaub. Am Ende stellten die drei aber fest, dass es gar keinen Termin gab in den Sommerferien, an dem alle da waren. Das hieß also, dass der Zelturlaub noch weiter nach hinten hinausgeschoben werden musste. Mir sollte das nur recht sein, da Max wahrscheinlich nicht mitkommen würde und ich ja nur mitfahren wollte, wenn er auch mitkam. So hatte ich es Anna gesagt und dabei würde es auch bleiben, egal was sich jetzt zwischen Max und mir ergab.
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Ich stand unterdessen die ganze Zeit vor dem Gartentor der Familie Schuster und überlegte hin und her, ob ich reingehen sollte. Ich wog das Für und Wider ab. Betrachtete alles von allen Seiten. Einerseits, so hatte ich zumindest das Gefühl, war es meine Aufgabe mich bei ihm zu entschuldigen. Er war nicht schuld gewesen an meinem plötzlichen Wutanfall und er hatte in keinster Weise etwas falsch gemacht.  Andererseits fand ich es nicht richtig gleich zu ihm zu gehen, denn wenn er wirklich etwas an mir finden würde, hätte er mich verstanden oder wäre zumindest nicht gleich davon gestapft wie ein kleines Kind, dass seinen Willen nicht durchsetzen kann. Das war für mich komischer Weise das entscheidendste, denn ich entschuldigte mich nicht gerne. Ich verabscheute Entschuldigungen aus Gründen, die keiner nachvollziehen konnte. Das ist wahrscheinlich auch die Ursache, warum ich jeglichen Streitereien aus dem Weg ging. Die bedeutendsten und schwerwiegendsten Ursachen warum ich Streits aus dem Weg ging, waren wahrscheinlich Streitereien meiner Eltern gewesen in denen sie sogar von Scheidung gesprochen hatten. Ich hatte jede ihrer Auseinandersetzungen mitbekommen und bei so ziemlich jedem Streit kommen diese Erinnerungen wieder hoch. Seitdem habe ich eine Art Streitphobie. Aber das war mir in diesem Augenblick egal. Ich wollte mich unbedingt wieder mit Max vertragen. Wohl oder übel musste ich mich also entschuldigen, denn was ich ihm an den Kopf geworfen hatte, war echt unfair gewesen und meine Schuld. Zudem war es solch ein Schwachsinn. Ich brauchte ihn. Gerade als ich mich dazu entschlossen hatte zu klingeln, öffnete eine große, gertenschlanke und echt gutaussehende Blondine die Tür. Hinter ihr stand, mein Herzschlag stockte, Max und er hatte die Hand auf ihre Schulter gelegt (vermutlich um sie vom Gehen abzuhalten oder sie zu sich umzudrehen). Im selben Augenblick hatte er mich auch entdeckt und stieß die blonde Schönheit unsanft zur Seite um mich am Arm packen zu können. Doch ich hatte mich bereits umgedreht und war mit Tränen in den Augen davon gelaufen. Ich wollte einfach nur noch weg von diesem…diesem…dieser Blödbommel. Ich war so entrüstet, dass mir noch nicht mal die richtige Bezeichnung für sein Verhalten einfiel.
Ich rannte und rannte, schaute nur geradeaus und beachtete meine Umgebung nicht. Ich konnte sie durch meinen Tränenschleier sowieso nicht richtig erkennen. Trotz meines Versuches sie krampfhaft zurückzuhalten, liefen sie einfach meine Wangen hinunter und nahmen mir die Sicht. Irgendwann, als ich keine Luft mehr bekam und so gut wie nichts mehr sah, ließ ich mich ins Gras fallen und ließ den Tränen freien Lauf ohne den kleinsten Versuch mich zu wehren. Ich gab auf.
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Während ich rannte, rief Max völlig aufgelöst bei mir zu Hause an. Er hoffte, dass ich geradewegs nach Hause zu Anna gerannt war, aber er hoffte vergebens. An das Haustelefon ging nur Anna. Er fragte höflich, aber diskret, ob sie wisse, wo ich war. Natürlich wusste sie das nicht. Wie auch? Jedenfalls wurde Anna jetzt misstrauisch und wollte den Grund für seinen Anruf wissen. Maximilian Schuster tat erst so, als wüsste er nicht Bescheid, aber entschied sich dann doch ihr alles zu berichten. Nach der Erzählung meinte Anna in einem leicht säuerlichen Tonfall nur sachlich: „Und da wunderst du dich, warum sie sauer auf dich ist? Geschieht dir doch recht.“ Gerade als sie auflegen wollte, wandte Max ein: „Das ist alles nur ein Missverständnis. Hör mir doch bitte noch zu.“ Er hielt inne. Eine ganze Zeit lang sagte keiner der Beiden ein Wort, doch dann unterbrach Anna das Schweigen mit zwei Wörtern, für die ich ihr ewig danken werde: „Fang an!“ Und dann begann Max zu erzählen: „Ich war sauer auf mich, naja, am Anfang auch ein wenig auf Friedi, weil sie mich so unfair behandelt hatte. Ich wollte ja nur helfen. Dann dachte ich mir, dass sie mir garantiert nicht so schnell wieder vergeben würde. Ich dachte mir also einen Plan aus, um sie zurückzugewinnen. Da erschien mir Eifersucht am einfachsten. Gerade als ich eine meiner Ex-Freundinnen anrufen wollte, klingelte es an der Haustür. Ich rannte also nach unten, um zu gucken wer das denn sein könnte. Vorsichtshalber lugte ich erst durch den Briefschlitz, sah aber nur Friedi, die zögernd vor unserem Gartentor stand. Ich wollte schon die Tür öffnen, weil ich dachte sie hatte geklingelt, als es erneut klingelte. Da erst fiel mir auf, dass das gar nicht Friedi war die geklingelt hatte, sondern jemand an unserer Hintertür. Ich rannte also zu unserer Hintertür. Da stand dann Mandy, die beste Freundin von einer meiner großen Schwestern. Allerdings war diese zu meinem Glück oder später Pech nicht da. Trotzdem wollte sie unbedingt in Carlas Zimmer. Ich ließ sie ein und dann brachte sie mich auf die Idee, Friedi mit ihr eifersüchtig zu machen. Sie war hübsch, intelligent und praktisch DIE Traumfrau, wenn auch nicht meine. Ich erzählte ihr alles, da ich sie auch schon sehr lange kannte und sie auch wie eine Schwester für mich war. Sie fand meine Idee zwar doof, aber sie würde mich unbedingt unterstützen, da sie mich nie im Stich lassen könnte. Als sie dann los musste, hatte ich Friedi draußen ganz vergessen. Es hatte nicht sehr lange gedauert mit Mandy zu reden. Ich öffnete also fast ahnungslos die Tür und Friedi stand genau davor. Ihre Hand war in Richtung Klingelknopf ausgestreckt und in der Bewegung dorthin erstarrt. Wahrscheinlich hatte sie gedacht, dass ich etwas mit Mandy am Laufen habe. Naja, eigentlich sollte sie das ja auch ursprünglich denken, aber sie sollte es nicht SO erfahren. Jedenfalls weiß ich jetzt nicht, was ich machen soll. Ich dachte mir, wo du doch ihre beste Freundin bist, könntest du vielleicht mit ihr reden?!?“ Anna brauchte eine Weile, um alles genau zu überdenken und kam zu folgenden Schluss: „Okay, ich rede mit ihr, aber dafür musst du folgendes über dich ergehen lassen….“ Anna erzählte ihm unseren ganzen Plan mit Felix. Er war zwar nicht gerade begeistert, dass seine Freundin jemand anderen küssen sollte, jemand anderen lieben sollte, mit jemand anderen zusammen alleine Zeit verbringen sollte, aber er wollte, dass wir uns wieder vertrugen. Eine andere Möglichkeit, dass Anna mit mir reden würde, gab es angeblich nicht, aber ich kenne sie gut genug um zu wissen, dass sie es so oder so getan hätte. Missmutig, aber auch irgendwie erleichtert willigte er ein.