-Kapitel 8- ÜBERARBEITET Du wirst entführt wegen Fähigkeiten, die dir nichts geringeres als den Tod bringen.Verraten von dem Menschen, den du geliebt und dem du vertraut hast. Seltsame Visionen lassen dich an allem zweifeln, an das du je geglaubt hast. Was tust du? (Das ist die neue Vision von FIA IIX, es ist nicht alles komplett neu geschrieben sondern nur manche Szenen verändert, gelöscht und überarbeitet)
Es wäre soviel bequemer in diesem weichen Bett liegen zu bleiben und nicht nachdenken zu müssen. Aber ich weiß, dass ich das nicht machen kann. Die anderen würden sich Sorgen machen. Cathy und Jay. Moment mal – Bett? Schlagartig mache ich die Augen auf und setze mich auf. Überraschenderweise sehe ich Jay auf einem Stuhl neben mir – er schläft. Und Cathy, die zu meiner anderen Seite sitzt. Sie schaut mich an und fragt: „Schon wieder auf, Schlafmütze?“ Statt ihr zu antworten stelle ich eine Gegenfrage: „Was ist passiert?“
„Du bist, naja, wie soll man das sagen? Sozusagen in Jay’s Armen ohnmächtig geworden. Und er hat dich den ganzen Weg hierher getragen und ist seit dem nicht mehr von deiner Seite gewichen“, erzählt sie mir. Er hat mich hierher getragen?
„Wo sind wir denn eigentlich?“
„Bei mir zu Hause. Ich wohne hier mit meiner Tante.“ Ich will schon aufspringen und mich an die Flucht machen, als mir einfällt dass FIA ja doch die Guten sind.
„Und wo wohnt Jay?“
„Er hat eine eigene Wohnung in der Stadtmitte.“
„Cathy, kannst du mir sagen was mit Jay passiert ist, als wir, naja, als er bei mir in dieser Kammer war und dann zusammengebrochen ist?“ will ich vorsichtig wissen.
„Es gibt jemanden mit einer unglaublichen Gabe. Er kann Leute, die gerade nicht aufpassen, einfach vorübergehend in Ohnmacht fallen lassen. Und da Jay dir damals eigentlich nicht mehr erzählen durfte als nötig, da es ja nur darum ging hinter dein Geheimnis zu kommen…“
„Was für ein Geheimnis denn?“
„Deine Fähigkeiten. Du warst unglaublich lange Zeit ein totales Rätsel für uns. Normalerweise witmen wir Leuten mit Fähigkeiten, die normal da draußen rumlaufen nicht besonders viel Zeit, schließlich kann jeder selbst entscheiden ob er seine Gaben nutzen will oder nicht, aber irgendwann als du immer wieder auf unseren Bildschirmen aufgetaucht bist, haben wir uns schon gewundert. Weil normalerweise die, die sich gegen die FIA entscheiden, ohne Übersinnliches leben. Unsere Technik ist leider noch nicht so weit fortgeschitten um genaueres über Personen herauszufinden und deshalb hat es ziemlich lange gedauert dich zu finden“, erklärt Cathy in Rekordzeit. Mir schwirrt schon der Kopf, aber eine Frage kann ich nicht zurückhalten: „Wie lange habt ihr nach mir gesucht?“ Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort so genau wissen will.
„Fast fünf Jahre. Als du dann Jay begegnet bist, hatten die meisten die Suche aufgegeben, aber nachdem er dich getroffen hat, war er sich total sicher, dass du es bist.“
„Woher wusste er das?“ Ich werfe immer wieder kurze Blicke hinüber zu Jay und kann nicht anders als ihn anzustarren. Wenn sie so viel Zeit damit verbracht haben mich zu suchen, was hatte ich dann getan?
„Du hast versucht im einzureden dich zu vergessen“, meint sie schlicht. Ich hatte…was? Dann erinnere ich mich daran, wie ich gehofft hatte, er würde einfach weitergehen und mich nicht beachten. Kann so ein kleiner Gedanke wirklich so viel bewirken?
„Aber es hat doch noch nicht mal funktioniert“, sage ich irritiert.
„Natürlich nicht. Dazu müsste er abgelenkt gewesen sein und seine Konzentration völlig weg. Bei normalen Menschen geht das ziemlich einfach aber wenn ein Anderer seine Abwehr aktiviert hat, hat man kaum eine Chance.“ Anscheinend ist das alles viel komplexer, als ich bisher angenommen hatte.
„Auf alle Fälle kam es so, dass wir dich sozusagen entführt haben um herauszufinden, wer du bist. Und tatsächlich hatte Jay recht mit dem, was er über deine Mutter sagte. Allerdings sind deine Fähigkeiten noch recht fraglich. Wie wir wissen bist du teils Appropriation begabt. Aber theoretisch könntest du auch noch einen Teil von anderen Gaben haben, die sind oft ein wenig gemischt.“ Also bin ich doch tatsächlich ein übernatürlich begabter Mischling. Ich bin begeistert.
„Das Gebäude hat ursprünglich Jay’s und meiner Familie gehört, aber nachdem unsere Eltern gestorben sind und wir nicht wussten, was wir damit anfangen sollen ist unsere Tante Teresa mit eingezogen“, fährt Cathy fort. In der letzen halben Stunde hat sie mir ihre Familiengeschichte erzählt, von ihrem Ur-Ur-Ur-Opa, der schon ausergewöhnliche Fähigkeiten hatte bis zu ihren Eltern, die bei einem Anschag von gegenerischen Übermenschlichen gestorben waren, als sie gerade mal zwei Jahre alt war und ihr Brunder sechs. Vielleicht höre ich nur die ganze Zeit zu, um selbst nicht nachdenken zu müssen. Ich will es nicht. Will mich nicht an die Wahrheit erinnern. Die ganze Zeit über komme ich mir vor wie in einem Traum oder auch einem Albtraum, denn ehrlich gesagt kann ich das alles nur schwer glauben. Die Welt der Vampire, Werwölfe, Hexen, Zauberer, Engel und so weiter ist mir bisher immer so fantastisch vorgekommen, so unfassbar. Doch jetzt soll das alles zu meiner Realität werden. Nur ohne die Märchen-Elemente, denn schließlich gibt es für meine Familie kein „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“. Haben sie mich wirklich völlig vergessen? Alles, was wir zusammen erlebt haben? Die guten und die schlechten Zeiten, einfach alles? Und wieso muss das alles überhaupt mir passieren? Wieso ich, warum war meine Mutter bei der FIA? Weshalb gibt es überhaupt diese verdammten Gaben und dieses beschissene Kontrolle hin und her und all die andere Mistkacke?! Was zum Teufel will ich mit sowas? Ich will meine Familie, mein altes Leben, unsichtbar in der Schule sein. Und ich will das alles einfach nur vergessen. Dass ich hier eingesperrt wurde, dass ich für diesen dummen FIA Kram verflucht worden bin und überhaupt meine Begegnung mit Jay. Kaum habe ich das aus lauter Wut gedacht, laufen die Erinnerungen plötzlich durch mein Gehirn wie ein Kopfkino. Im Pizzacentre, die Spaghetti-Pizza-Schlacht, das Band-Zeug. Bevor all das schlechte Zeug mit Will kommen kann, drücke ich auf die imaginäre Stopp-Taste und beschließe, dass ich Jay nicht in die Mein-altes-Leben-ist-vorbei-vergiss-einfach-alles-das-ist-einfacher-Kiste stopfen kann. Aber wenigstens mit meinen Eltern kann ich abschließen. Ja. Vielleicht. Okay. Nein.
„Ich muss sie sehen. Cathy, kannst du mich irgendwie nach Hause bringen? Ich meine, ist es einfach so als wäre ich tot?“ will ich wissen.
„Naja, da gibt’s noch ein paar Probleme. Also im Moment haben sie dich noch nicht vergessen, aber irgendwann in der nächsten Zeit werden deine übernatürlichen Kräfte sich plötzlich enorm verstärken, vermutlich mit einem Emotionalen Augenblick verbunden, sozusagen der Anfang deiner FIA-Karierre. Ab dem Moment wird es so sein, als hätte es dich nie gegeben. Alle Leute, die in deinem alten Leben von dir wissen, werden dich vergessen. Alles, woran du jemals beteiligt warst, wird sich so verändern, dass du nichts damit zu tun hattest“, versucht sie mir das auszureden.
„Das heißt, ich kann ein letztes Mal mit ihnen reden?“ Und dann kann ich sehen, ob sie auch ohne mich glücklich sind. Denn wenn sie es sind, dann kann ich wenigstens davon ausgehen, dass ich nicht ihr Leben zerstört habe. Cathy nickt und fügt hinzu: „Dann wecke ich nur kurz Jay, damit er mitkommt, wir müssen deine Sachen holen. Außerdem ich glaube er ist der Einzige, der dich von einem deiner verrückten Vorhaben abhalten könnte.“ Ob sie damit recht hat?
Langsam fahren wir die Straßen des Vororts meiner Heimat entlang. Ich kann mich nicht daran erinnern das jemals ohne meine Eltern und Dad’s Schrottkarre gemacht zu haben. Es ist seltsam zu wissen, dass ich nie wieder werde sagen können, dass fast alle meine Vorfahren hier gelebt haben, dass meine Eltern niemals einen Gedanken daran verschwendet haben wegzuziehen, denn das enspricht nicht der Wahrheit. Nicht mehr.
„Sicher, dass du das tun willst?“ Diese Frage höre ich sicher zum dreißigsten Mal heute.
„Ja“ seuftze ich und werde immer besser darin, es nach einem festen Enschluss klingen zu lassen. Eigentlich fällt es mir schwer. Was wird mich erwarten? Werde ich aus allen Fotos verschwunden sein, wie bei Hermines Familie im siebten Harry-Potter-Teil?
„Du brauchst dir übrigens keine Sorgen machen, was sie darüber sagen, dass du mehrere Tage nicht da warst. Das hat einer von Will’s Leuten sie vergessen lassen, tu einfach so, als würdest du von der Schule heim kommen.“ Das sind ja tolle Aussichten. Ich hasse Will und seine kranke Gruppe von Leuten, die Leute in Gummizellen einsperren und beeinflussen.
Das Schild mit dem Straßennamen sehe ich schon aus weiter Ferne. Wie oft habe ich diese Angaben auf semptliche Personalblätter geschrieben? Und wie sehr hat mich das jedes Mal wieder genervt? Jetzt würde ich einiges dafür geben, das ein letztes Mal tun zu können.
„Stopp, kannst du bitte dadrüben parken?“ frage ich Jay und deute auf den Parkplatz vor dem benachbarten Wohnungsblock.
„Klar.“ Er steuert einen Platz zwischen den Autos einer in die Jahre gekommenen möchtegern-Künstlerin und des schwulen Sportlehrers der Junior-Highschool an. Als ich ausgestiegen bin, mache ich mich darauf gefasst mich zu verabschieden. Von allem, dass ich je gekannt und geliebt habe. Dann straffe ich die Schultern und mache mich auf den Weg in Richtung meines ehemaligen zu Hauses.
„Mum? Dad? Bin wieder da!“ rufe ich, während ich heimlich Cathy und Jay durch die Terassentür reinlasse und mich mit ihnen auf den Weg in mein Zimmer mache, um meine Sachen zu packen.
„Alles klar, Schatz. In einer halben Stunde fange ich an zu kochen. Mal wieder Chinesisch, hast du Lust mir zu helfen?“ antwortet Mum. Ich muss mich beherrschen, nicht zu weinen. Das ist so typisch meine Mutter. Wie zum Teufel habe ich es verdient, sie zu verlieren?
Dann schnappe ich mir einen Rucksack, Dads alten Koffer und einen Karton mit Bananenaufdruck und erkläre den Beiden was ich einpacken will. Laptop, Anlage, die wichtigsten Klamotten, jede Menge Bücher, CDs und DVDs. Mein Fotoalbum. Darin sind Fotos, von denen meine Eltern keine Ahnung haben, weil ich sie heimlich gemacht habe. Fotos von uns als Familie, nicht gestellt, wo jeder in die Kamera lächelt. Fotos, wo wir alle so drauf sind, wie wir sind. Mum mit einer Schürze in der Küche, einem schwarz verbrannten Kuchen und Teig resten überall verteilt, inklusive auf ihrer Nase. Dad in einem riesigen Pulli und seiner vergammelten Jogginghose, wie er vor dem PC eingeschlafen ist. Wir alle bei der Renovierung des Wohnzimmers, gerade als Mum mit Dad darüber lacht, dass er die falsche Wandfarbe gekauft hat und die Wand jetzt Lachsfarben ist.
„Ich kann das nicht. Mich von ihnen verabschieden“, flüstere ich, während Jay und Cathy meine Sachen nach draußen tragen.
„Du schaffst das. Wir warten hier draußen auf dich“, sagt Jay. Ich hole tief Luft, reiße mich zusammen und mache mich auf den Weg um mich von den einzigsten Personen zu verabschieden, die mich immer unterstützt haben.
„Dad?“ fange ich zögernd an, „Kann ich noch mal kurz mit einem Freund weg gehen?“ Er schaut mich teils entsetzt und erfreut an und sagt dann: „Teresa, hast du das gehört? Sie will mit einem Freund raus.“
„Oh Gott, lass mich raten, es ist Jay?“ fragt sie begeistert.
„Ja“, seuftze ich. Zum ersten Mal nervt mich dieses Gesprächsthema nicht. Im Moment ist es mir vollkommen egal, über was ich mit ihnen rede.
„Ich habe doch gesagt, du sollst ihn dir warm halten! Er ist so ein netter Junge, geh ruhig. Ihr werdet bestimmt viel Spaß haben. Geh schon. Und erzähl mir alles!“ lacht sie.
„Danke, Mum“, sage ich und plötzlich ist es, als würde ein riesen Stein auf meinem Herz liegen. Irgendwie habe ich das Gefühl, wenn ich dieses Mal das Haus verlasse, werde ich nicht mehr zurückkommen. Nie wieder. In der Tür drehe ich mich nochmal um und sage zum ersten Mal ganz bewusst: „Ihr wisst, dass ich euch liebe, oder?“ Meine Eltern wechseln einen überraschten Blick. Mum kommen die Tränen, als wüsste sie, dass das hier ein Abschied ist. Ein richtiger. Für immer. Dad lächelt mich an und antwortet:
„Du wirst immer unser kleines Mädchen bleiben, Keira. Wir lieben dich.“
Dad’s Worte hängen noch im Raum, genauso wie der Geruch von verbranntem,chinesischem Essen. Ich sehe meine Eltern Arm in Arm dastehen, zum ersten Mal seit Langem vereint, glücklich.
Und dann scheint sich die Welt zu verändern. Plötzlich stehe ich auf der Straße, neben Cathy und Jay und sehe durch die Fenster des Hauses, in dem zwei Menschen wohnen, die ein normales Leben führen, ohne eine Tochter. Cathy hatte recht, es ist dieser eine Moment, in dem sie mich vergessen, dieser Augenblick in dem ich ganz Teil der FIA werde.
Mum steht in der Küche, summt zu einem 80er-Jahre-Hit aus dem Radio und versucht sich an einer der Spezialitäten, die sie im Lauf der Zeit aus Frauenzeitschriften ausgeschnitten und in ihr überfülltes Kochbuch geklebt hat. Dad sitzt auf der Coach und starrt auf den Fernsehbildschirm, springt aber alle fünf Minuten auf um entweder seinen seltsamen Freudentanz zu vollführen, den er durchaus mit einigen Tutorials aus Youtube verbessern könnte oder sich laut fluchend über den dämliche neuen Football-Trainer seiner Lieblingsmannschaft zu beschweren, der eigentlich seit vielen Jahren derselbe ist, doch das hat ihn noch nie gestört. Es scheint alles zu sein wie immer. Fast. Statt dem Foto von meinem ersten Schultag steht ein Bild meiner Eltern vor dem Eifelturm in Paris auf der Anrichte im Esszimmer. Die Pinnwand, die früher mit meinen Kinderzeichungen und Geburtstagskarten vollgehängt war, ist durch ganz normale Dekoration ersetzt worden. Leider kann ich durch die Fenster nicht mehr erkennen, aber als Mum ruft, sie sei kurz im Hobbyzimmer und Dad solle doch kurz auf den Herd achten, fällt mir wieder ein, dass meine Eltern ja immerschon ein Hobbyzimmer haben wollten, indem alte Cheerleader-Trophäen, ein kaum verwendetes Schachbrett, eine Golf-Ausrüstung und jede Menge solcher Gegenstände vor sich hin gammeln können. Früher war im Haus nie Platz für soetwas gewesen, aber da keine Kinder mehr da waren, hatten sie natürlich ein Raum frei. Plötzlich fällt mir etwas ein, dass meine Vorstellungen von meinem Zimmer mit pinken Wänden oder mit Wandteppichen oder voller Gerümpel verdrängt.
„Nein, die Nudeln werden anbrennen“, flüstere ich endsetzt und merke erst jetzt, dass mir Tränen über die Wange laufen.
„Was?“ Cathy sieht mich verwundert an.
„Dad hat Mum nicht gehört. Die Nudeln werden zum Brennen anfangen. Wir müssen irgendwas tun“, erwidere ich eindringlich. Keine Ahnung woher ich plötzlich weiß, dass das passieren wird, ich bin mir jedoch zu hundert Prozent sicher, dass es verhindert werden muss.
„Wir können nichts tun. Wenn du darein gehst und deinem Vater das erzählst wird er dich für verrückt halten“, erklärt Jay, aber ich sehe wie nah er daran ist, es mich tun zu lassen.
„Aber was wenn etwas schlimmes passiert? Das Haus könnte abbrennen oder meine Eltern könnten verletzt werden. Wir können doch nicht einfach zusehen wie…“ In heller Panik sehe ich wie das schmorende Gericht in der Pfanne zu qualmen beginnt. Bitte, denke ich, Mum, komm zurück. Komm schon lass ein Wunder passieren und der Ofen soll sich von selbst ausschalten. Aber natürlich funktioniert es nicht. Wie konnte ich auch erwarten, dass sich plötzlich meine Superkräfte einschalten und die anstehende Katastrophe verhindern. Wenn ich in der Küche vor dem Herd stehen würde könnte ich einfach den Knopf auf Null drehen und die Pfanne wegschieben. Meine Hände ein paar Zentimeter bewegen und alles wäre in Ordnung. Wie automatisch mache ich die Bewegung und meiner Einbildung zufolge dreht sich der Knopf ein kleines Stück. Ich greife nach dem Pfannengriff und stoße ihn auf eine andere Herdplatte, weg von mir, raus aus der Gefahr.
„K? Hast du das gesehen? Die Pfanne ist gerutscht...und der Ofen…“, Cathy deutet wie wild in der Gegend herum und versucht damit mir zu zeigen, was sie ihrer Meinung nach gesehen hat. Mum kommt die Treppe herunter, geht dann ins Wohnzimmer und fragt: „Sag mal, hast du den Ofen ausgeschalten?“ Wie in Trance sehe ich Dad den Kopf schütteln und anschließend wieder dem Footballspiel zugewandt rufen: „Komm schon du Vollpfosten, lauf!“ Jay fuchtelt mit einer Hand vor meinem Gesicht herum, aber ich kann ihm nur schwer meine vollkommene Aufmerksamkeit schenken.
„Ist dir eigentlich klar, was du gerade getan hast?“ Ich schüttle den Kopf und überlege, was er damit gemeint haben könnte.
„Aus dieser Entfernung Gegenstände bewegen zu lassen ist wirklich nicht einfach. Fühlst du dich irgendwie komisch, ist dir schlecht oder hast du Kopfweh?“ will Jay wissen, doch mich interessiert nicht wie es mir geht. Was, wenn soetwas wie gerade öfter geschieht? Wenn meine Eltern in Lebensgefahr geraten, aber niemand da ist, der sie rettet? Wieder kommen mir die Tränen. Jay nimmt mich in die Arme und ich weiß ganz genau, was ich jetzt am liebsten hätte. Die Gelegenheit, diese ganze Sache zu vergessen, so wie Mum, zurück zu meiner Familie gehen zu können und einfach ein normales Leben zu leben. Aber, wie Cathy mir vorher erklärt hat, ist das nicht möglich, weil es die Erinnerungen meiner Eltern nicht wieder herstellen würde. Es würde mich nicht wieder zu ihnen zurückbringen. Dann hätte ich noch weniger, als ich ohnehin habe. Denn die Wahrheit ist, dass ich eh nichts mehr habe. Keine Vergangenheit, keine Familie, kein zu Hause. Das einzige, dass mir noch bleibt, sind zwei Freunde und ein Haufen übernatürlicher Kräfte, mit denen ich in einem aussichtslosen Leben festsitze.
„Jay?“
„Ja“, antwortet er.
„Verzeihst du mir, dass ich sauer auf dich war, weil Will’s Vater mich eingesperrt hat?“ Verwirrrt sieht er mich an und antwortet schließlich: „Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mir verzeihst.“ Natürlich würde ich das.
„Fangen wir von vorne an?“ schlage ich vor. Er weiß, was ich meine, da bin ich mir sicher. In stummen Einverständnis hält er mir die Hand hin, ich nehme sie und schaue ihm in die Augen. Würde es wehtun? Hoffentlich würde ich dann noch wissen, wer ich selbst bin. Obwohl ich mir darüber im Moment selbst noch nicht ganz klar bin. Hoffentlich bin ich nicht kurz davor denselben Fehler wie meine Mutter zu begehen. Wahrscheinlich würde sich einfach keiner mehr daran erinnern, dass Jay und ich uns je begegnet sind.
Ich werfe einen letzten Blick auf meine Eltern und die vertraute Gegend. Hier wird sich nichts verändern. Meine Familie würde glücklich sein, mit ihrem neuen Hobbyzimmer, Dad’s Freundentänzen beim Footballschauen und Mum’s chaotischer Ordnung, die sogar die der Ikea-Menschen übertrifft. Es wird sein als hätte es mich nie gegeben. Und wenn es mit dem Löschen von Jay aus meinen Erinnerungen beginnen sollte, ich würde das Beste aus meinem neuen Leben machen.