Kurzgeschichte
Unter Kirschblüten - wo es begann... und endete

Unter Kirschblüten

Stille hatte sich wieder über den Kirschhain gelegt, der Wind strich als sanfter Hauch zwischen Blättern und Blüten durch die Bäume und kühlte die schweißbedeckte Haut des schweratmenden Paares, das am Stamm des größten Baumes langsam wieder zur Ruhe kam. Nur widerstrebend lösten sich die die Glieder aus der leidenschaftlichen Verstrickung, zärtlich strichen dabei Hände rot-weiße Kirschblüten von der Haut des anderen Leibes, während Augen ihren Blick nicht vom Gesicht des anderen lösen wollten.

Seine kräftigen Finger strichen über ihren Rücken, ihr Gesäß und ihren Oberschenkel und auf seinen Lippen lag ein Lächeln, als er das wohlige Erschauern ihres Körpers unter seinen Fingern spürte, die samtene Wärme ihrer Haut und das Spiel der darunter liegenden Muskeln. Wie von selbst folgten seine Fingerkuppen dabei den Linien des grün-roten Drachens, der in die Haut der Frau gebannt worden war und sich durch ihre Bewegungen schlangenartig, wie es seine Gestalt nahelegte, zu winden schien, befreiten Haut und Bildnis dabei von den Blättern der Kirschblüten, die auf sie beide gefallen waren. Doch dies konnte er nur fühlen, war sein Blick doch von den dunklen Augen seines Gegenübers gefangen, die im Nachklang der Leidenschaft halb geschlossen waren und doch ebenso gefangen von ihm waren, wie er von ihnen. Er konnte schon an den Augenwinkeln das Lächeln sehen, welches die weichen, roten Lippen zierte, deren Berührung und Geschmack ihn immer wieder aufs Neue sprachlos machen konnten. Und nicht nur ihm schien es so zu gehen, denn ohne ein weiteres Zeichen als diesen Gedanken zu benötigen, reckten sich ihre Münder einander entgegen und verschmolzen mit Lippen und Zungen zu einem leidenschaftlich und doch zärtlichen Kuss, der einmal wieder die Welt für beide auslöschte und nur die Gefühle für einander brennend bestehen ließ.

Ihr Bein legte sich um seine Hüften und er konnte spüren, wie sie so ihre vermischen, klebrigen Flüssigkeiten von ihrem Oberschenkel an seine Hüfte und an seinen Bauch rieb, als starken Kontrast zu ihrer warmen Haut, deren Hitze noch nicht nachgelassen hatte, als sie versuchte nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit dem Rest ihres Körpers mit dem seinen zu verschmelzen. Wieder saß sie nun auf ihm, ihre halblangen, schwarzen Haare fielen wie ein Vorhang über die, im Kuss, vereinigten Gesichter. Durch die Bewegungen rieben sich ihre weichen Brüste an seinem Brustkorb, ihre haarlose, nasse Scham glitt über seinen Bauch und wieder Erwarten, nach dem langen vorangegangenen Liebesspiel, reagierte sein Körper auf diese vertrauten und erregenden Reize ihres Körpers. Beide grinsten in den Kuss hinein, bevor sich die Lippen wieder lösten und sich die ihre Blicke wieder trafen. Für einen Moment wünschte er sich in diesem Blick, in ihren blitzenden Augen zu ertrinken und bis zum Ende aller Tage genau in diesem Moment gefangen bleiben zu können.

„Ich liebe dich, mein Mond“ flüsterte sie ihm mit rauer Stimme leise zu, ein leichtes Zittern lag darin verborgen, als glaube sie, dass dies die letzte Gelegenheit sein würde diese Worte zu äußern. Trotz aller Leidenschaft entging ihm diese kleine Veränderung ihrer Stimme und Gefühlswelt nicht, sein Herz begann schneller zu schlagen, als er erkennen musste, dass er ihr nichts verheimlicht hatte und sie alles wusste. In seinem Magen schienen heiße Steine zu liegen und mit einem Mal spürte er den eigenen Herzschlag, wie ein starkes Trommeln in seiner Brust. Er hatte sie nicht verdient.

„Ich liebe dich auch, meine Sonne“ antwortete er mit ebenfalls rauer Stimme, seine Lippen waren kaum noch fähig das Lächeln aufrecht zu erhalten, welches sie immer noch zeigten. Trotz ihres Wissens war sie mit offenen Armen zu ihm gekommen, mit ihm an den Ort gegangen, wo alles angefangen hatte. Die Gedanken begannen sich zu überschlagen, als eine stärkere Böe durch den einsamen Hain fuhr und einen wahren Sturm von Blütenblättern entfachte, gegen deren helle Oberfläche ihre dunklen Haare in starken Kontrast standen, beinahe sah es so aus, als befänden sie sich in einem Schneesturm. Er wollte etwas sagen, sich erklären, um Verzeihung, Verständnis oder was auch immer bitten, sie wegstoßen, sie anschreien, damit sie davon rannte. Doch keine Worte drangen aus seinem, mit einem Male, trockenen Mund, dabei war es ihm immer leicht gefallen, ihr zu sagen, wie er sich fühlte und was in ihm vorging. So konnte er nur in die dunklen Augen über seinem Gesicht blicken und hoffen, dass sie seine Gedanken an diesem stummen Blick ablesen konnte.

Und trotz allem oder auch gerade wegen allem, schien sie seinen Blick zu verstehen, beugte sich herab und schmiegte ihren Kopf in seine Halsbeuge, während sich seine tauben Arme um ihren bloßen Rücken schlossen und so ihren Körper an sich drückte. Ihr Atme strich über seine Haut, warm und weich, während der Geruch ihrer Haut und ihrer Haare ihm in die Nase stieg, Tränen sammelten sich in seinen Augen, doch mit schier unglaublicher Willenskraft hielt diese noch zurück. Aber das leichte Zittern seiner Muskeln konnte er nicht vor ihr verbergen, noch enger drückte sie sich an ihn.

„Ssssch, mein Mond. Ich liebe dich...“ flüsterte sie leise gegen seine warme Haut und er konnte spüren, wie sich Feuchtigkeit an seinem Hals und seiner Schulter ausbreitete. Sie war nicht zu stolz ihre Tränen zurückzuhalten und ließ ihnen freien Lauf, ohne Schluchzen, ohne Klagen. Seine linke Hand legte sich auf ihren Hinterkopf, hielt sie beinahe tröstend fest, seine rechte löste sich für einen Moment von ihrem Rücken und griff in das Bündel aus Kleidern neben ihren Körpern am Stamm des Baumes. Kurz funkelte ein metallener Gegenstand in letzten Licht des Tages auf, warf funkelnde Reflexionen gegen Blätter und Rinde des Baumes, bevor er die schmale Klinge in einer einzigen fließenden Bewegung an seinem eigenen linken Arm vorbei in ihre Schädelbasis stieß. Scheinbar ohne auf Widerstand zu treffen, glitt die Klinge in den Körper der Frau und durchtrennte ihren Lebensfaden, nur einige Tropfen Blut an den Schnitträndern zeugten äußerlich vom angerichteten Schaden.

Ein letztes Zittern durchlief noch ihren Körper, bevor sie vollkommen still auf ihm liegen blieb, als wäre nichts geschehen. Doch nun rannen Tränen aus seinen Augen, als er ihren noch warmen Körper neben sich auf den Boden gleiten ließ. Sie hatte gewusst zu welcher Entscheidung er gezwungen worden war und hatte nichts getan, um sich zu retten. Nichts, bei diesem Gedanken ballten sich seine Hände zu harten Fäusten, seine Kiefermuskeln traten hervor, als die Bedeutung der schnell ausgeführten Tat mit jedem verstreichenden Herzschlag an Bedeutung, an Gewicht gewann. Er hätte für sie sterben sollen… hier unter den Kirschblüten, wo auch alles begonnen hatte.