Einleitung
Ihr Geld interessiert mich nicht, ich will mehr, sehr viel mehr, ich will ihr Leben!
Außergewöhnliche Kundschaft
Seit Stunden fahre ich mit dem Auto durch die Nacht. Autobahnauffahrt rauf und wieder runter, zielloses umherirren, was suche ich eigentlich? Ruhe? Will ich zurück in die Wirklichkeit? Wer bin ich? Was will ich? Der Klub ist, oder besser war anfangs aufregend und jetzt? Ich verliere die Kontrolle, die Fantasie beherrscht meinen Körper und meine Empfindungen. Die blöde Arbeit im Supermarkt und alle die ahnungslosen
Kollegen!
Mein Gefühl rückwärts zu gehen, jedoch gleichzeitig nach vorne zu preschen beherrscht mich. Bin überaufgeregt, an Schlaf ist nicht zu denken. Gehe viel zu weit, mein psychisches Gleichgewicht spürt die Folgen. Parke meine alte Kiste und schlendere zum Hauptbahnhof. Der hier sonst so hektische Betreib weicht an diesem Sonntagmorgen einer gemächlichen Atmosphäre, nur vereinzelte übernächtigte fröhlich singende sowie einige grölende Partygänger mischen sich unter die Reisenden, Obdachlosen und Randständigen. Ein Putzmann sitzt auf seiner Maschine und fährt seine Runden.
Ein Polizistenpaar schlendert gemütlich in voller Montur durch die unterirdischen Gänge an Geschäften, Sitzgelegenheiten, Schließfächern und den öffentlichen Toiletten vorbei. Zeitung liegen stapelweise vor den Kioskeingängen. Diese für mich faszinierende Stimmung beflügelt erneut meine Fantasie. Beobachte eine Weile das Kommen und Gehen. Ein kicherndes Paar, ein aufreizendes Girl mit schwarzen transparenten Seidenstrümpfen an wohlgeformten Beinen die in hohen Stöckelschuhen enden, ein Minirock der ihren Hintern abzeichnet, unglaubliche, wohlgeformte Brüste absichtlich zur Schau gestellt. Möchte die drei zum
mitmachen auffordern, die vergangene Nacht wiederholen aber dieses Mal werde ich der Beherrschende sein! Bin erregt und außer Kontrolle, oh Gott nein, es geht alles durcheinander! Bin noch in der Öffentlichkeit und muss mich als Voyeur begnügen und mein Körper leidet ohne Vergnügen. Mein begehrender Blick trifft die Lasterhafte und sie fragt nach meinem Namen, ich sage einen falschen, danach erkundigt sie sich nach der Herkunft meiner schwarzen Lederhosen und verabschiedet sich kichernd. Seltsam, mit diesem Kichern hatte sie die Taste Aus gedrückt und meine Fassung ist zurück. Ich zünde mir die letzte meiner bevorzugten und außergewöhnlich
selten gerauchten Zigaretten Virginia06 an. Bald ist es halb acht und kann mir im Shoppingkiosk neue besorgen. Beobachte den Shop, kenne die Gepflogenheiten bin an jedem Sonntagmorgen hier. Die Chefin persönlich kommt durch die Hintertür. Auch sie trägt die Farbe der Trauer und ist allein, wird sie es auch längere Zeit bleiben? Gehe hinein und werde freundlich begrüßt. Sie ist vorsichtig und durchschaut meine gespielte Gelassenheit. Sie schließt ihre Kasse. Nein, ihr Geld interessiert mich nicht, ich will mehr, sehr viel mehr, ich will ihr Leben! Wie ganz zufällig und völlig unbeabsichtigt berühre ich ihre Hüfte, zwänge mich ganz nah an sie um
die Tabakwaren anzuschauen. Sie durchschaut meine vorgetäuschte Zufälligkeit, trotzdem entschuldigt sie sich. Verdammt, kann es hier und jetzt nicht, bezahle und verlasse diese höfliche Dame. Die Angst kriecht in mir hoch und hält mich gefangen, Angst entdeckt zu werden, Angst vor mir und meinen Sinnen, Angst vor dem nächsten Wochenende!
Meine Zwänge sind immer mehr und ich kann sie überhaupt nicht mehr stoppen. Mein Wunsch, mein Verlangen einen Menschen, nein eine Frau umzubringen ist eine Frage der Zeit und Gelegenheit. Leiden muss sie nicht. Sie soll einfach nur sterben, durch meine Hand ihr Leben
hergeben. Sie soll nicht nur im Sarg liegend die Tote spielen. Ich will ihr Todesurteil vollstrecken! Danach werden unglaubliche Wallungen durch meinen Körper gehen.
Wieder einen Samstagabend und erneut ein Besuch in diesem abnormen Klub, mit meinem längst schon abgestumpften Interesse. Ich will nicht mehr in Fesseln gedemütigt und als Strafe selbst im Sarg liegen. Ich kämpfe stetig gegen meine ewige Rolle vom getreuen und braven Diener. Ich will der Herr, der Gebieter, der Mächtige sein. Ich wanke zum Wasserglas und zünde mir eine Zigarette an. Bin völlig fertig und sollte jetzt nein sagen und einfach gehen.
Sitze im Auto und kann mich nicht entsinnen wie es dazu kam. Mein Bewusstsein hinterlässt manchmal Lücken aber das kümmert mich jetzt nicht. Ich schließe meine Augen und ergebe mich meinen geheimen Wünschen hin.
Weiß nicht mehr wie es geschah. Stand einfach da mit meiner Pistole in der einen Hand und die andere zwischen meinen Schenkeln eingegraben.
Ihre halblangen goldbraunen Haare umschmeicheln noch immer ihr ovales Gesicht, der Mund halb offen, die Pupillen farblos, regungslos liegt das
Opfer meiner Begierde auf ihrem Autositz!
Erna Müller-Rytz