Biografien & Erinnerungen
Außergewöhnliche Kundschaft

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"Außergewöhnliche Kundschaft"
Veröffentlicht am 26. Februar 2008, 12 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen. Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt. In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur ...
Außergewöhnliche Kundschaft

Außergewöhnliche Kundschaft

Einleitung

Ihr Geld interessiert mich nicht, ich will mehr, sehr viel mehr, ich will ihr Leben!

 

 

Außergewöhnliche Kundschaft

 

Seit Stunden fahre ich mit dem Auto durch die Nacht. Autobahnauffahrt rauf und wieder runter, zielloses umherirren, was suche ich eigentlich? Ruhe? Will ich zurück in die Wirklichkeit? Wer bin ich? Was will ich? Der Klub ist, oder besser war anfangs aufregend und jetzt? Ich verliere die Kontrolle, die Fantasie beherrscht meinen Körper und meine Empfindungen. Die blöde Arbeit im Supermarkt und alle die ahnungslosen

Kollegen!
Mein Gefühl rückwärts zu gehen, jedoch gleichzeitig nach vorne zu preschen beherrscht mich. Bin überaufgeregt, an Schlaf ist nicht zu denken. Gehe viel zu weit, mein psychisches Gleichgewicht spürt die Folgen. Parke meine alte Kiste und schlendere zum Hauptbahnhof. Der hier sonst so hektische Betreib weicht an diesem Sonntagmorgen einer gemächlichen Atmosphäre, nur vereinzelte übernächtigte fröhlich singende sowie einige grölende Partygänger mischen sich unter die Reisenden, Obdachlosen und Randständigen. Ein Putzmann sitzt auf seiner Maschine und fährt seine Runden.

Ein Polizistenpaar schlendert gemütlich in voller Montur durch die unterirdischen Gänge an Geschäften, Sitzgelegenheiten, Schließfächern und den öffentlichen Toiletten vorbei. Zeitung liegen stapelweise vor den Kioskeingängen. Diese für mich faszinierende Stimmung beflügelt erneut meine Fantasie. Beobachte eine Weile das Kommen und Gehen. Ein kicherndes Paar, ein aufreizendes Girl mit schwarzen transparenten Seidenstrümpfen an wohlgeformten Beinen die in hohen Stöckelschuhen enden, ein Minirock der ihren Hintern abzeichnet, unglaubliche, wohlgeformte Brüste absichtlich zur Schau gestellt. Möchte die drei zum

mitmachen auffordern, die vergangene Nacht wiederholen aber dieses Mal werde ich der Beherrschende sein! Bin erregt und außer Kontrolle, oh Gott nein, es geht alles durcheinander! Bin noch in der Öffentlichkeit und muss mich als Voyeur begnügen und mein Körper leidet ohne Vergnügen. Mein begehrender Blick trifft die Lasterhafte und sie fragt nach meinem Namen, ich sage einen falschen, danach erkundigt sie sich nach der Herkunft meiner schwarzen Lederhosen und verabschiedet sich kichernd. Seltsam, mit diesem Kichern hatte sie die Taste Aus gedrückt und meine Fassung ist zurück. Ich zünde mir die letzte meiner bevorzugten und außergewöhnlich

selten gerauchten Zigaretten Virginia06 an. Bald ist es halb acht und kann mir im Shoppingkiosk neue besorgen. Beobachte den Shop, kenne die Gepflogenheiten bin an jedem Sonntagmorgen hier. Die Chefin persönlich kommt durch die Hintertür. Auch sie trägt die Farbe der Trauer und ist allein, wird sie es auch längere Zeit bleiben? Gehe hinein und werde freundlich begrüßt. Sie ist vorsichtig und durchschaut meine gespielte Gelassenheit. Sie schließt ihre Kasse. Nein, ihr Geld interessiert mich nicht, ich will mehr, sehr viel mehr, ich will ihr Leben! Wie ganz zufällig und völlig unbeabsichtigt berühre ich ihre Hüfte, zwänge mich ganz nah an sie um

die Tabakwaren anzuschauen. Sie durchschaut meine vorgetäuschte Zufälligkeit, trotzdem entschuldigt sie sich. Verdammt, kann es hier und jetzt nicht, bezahle und verlasse diese höfliche Dame. Die Angst kriecht in mir hoch und hält mich gefangen, Angst entdeckt zu werden, Angst vor mir und meinen Sinnen, Angst vor dem nächsten Wochenende!

Meine Zwänge sind immer mehr und ich kann sie überhaupt nicht mehr stoppen. Mein Wunsch, mein Verlangen einen Menschen, nein eine Frau umzubringen ist eine Frage der Zeit und Gelegenheit. Leiden muss sie nicht. Sie soll einfach nur sterben, durch meine Hand ihr Leben

hergeben. Sie soll nicht nur im Sarg liegend die Tote spielen. Ich will ihr Todesurteil vollstrecken! Danach werden unglaubliche Wallungen durch meinen Körper gehen.

Wieder einen Samstagabend und erneut ein Besuch in diesem abnormen Klub, mit meinem längst schon abgestumpften Interesse. Ich will nicht mehr in Fesseln gedemütigt und als Strafe selbst im Sarg liegen. Ich kämpfe stetig gegen meine ewige Rolle vom getreuen und braven Diener. Ich will der Herr, der Gebieter, der Mächtige sein. Ich wanke zum Wasserglas und zünde mir eine Zigarette an. Bin völlig fertig und sollte jetzt nein sagen und einfach gehen.

Sitze im Auto und kann mich nicht entsinnen wie es dazu kam. Mein Bewusstsein hinterlässt manchmal Lücken aber das kümmert mich jetzt nicht. Ich schließe meine Augen und ergebe mich meinen geheimen Wünschen hin.

Weiß nicht mehr wie es geschah. Stand einfach da mit meiner Pistole in der einen Hand und die andere zwischen meinen Schenkeln eingegraben.

Ihre halblangen goldbraunen Haare umschmeicheln noch immer ihr ovales Gesicht, der Mund halb offen, die Pupillen farblos, regungslos liegt das

Opfer meiner Begierde auf ihrem Autositz!

 

Erna Müller-Rytz
 

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Hörbuch

Über den Autor

Coeur
16. Oktober 1952 erblickte ich das Licht der Welt in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Als Nesthäkchen wurde ich von meinen zwei Schwestern, zwei Brüdern und meinen liebevollen Eltern umsorgt.
In meinen Erinnerungen ist die alte Hütte noch sehr präsent. Um das elterliche Bett vor Regen und Schnee zu schützen spannte mein Vater eine Plane an die Decke. Meine Schulzeit war alles andere als glücklich. Ungerechtigkeiten konnte und kann ich nur schwer ertragen und davon gab es in der Schule und außerhalb mannigfach.
Frauen brauchen keine Bildung, dieser Meinung war damals mein Vater obwohl meine Mutter einem 100% Job nachging.
1970 ziehe ich für einige Zeit zu meiner damals geschiedenen Schwester Irene und in diesem Jahr lernte ich meinen ersten Mann kennen.
1971 wurde unser gemeinsamer Sohn geboren.
Am 26. November 1974 erhängte sich meine Schwester Irene in ihrer Wohnung, am Schlafzimmerfenster. 13 Tage vor ihrem 29. Geburtstag! Mein verzweifelter Versuch eine Logik in den chaotischen Tod von Irene zu bringen, scheiterte. Entsetzen, Wut, Schuld, Enttäuschung und auch Angst der Verantwortung nicht gerecht zu werden.
Plötzlich war ich mit meinen 22 Lenzen die Ersatzmutter vom damals 10-jährigen Jungen, natürlich nicht ohne die Unterstützung meines ehemaligen Mannes, er war in all den schwierigen Zeiten mein fröhlicher und treuer Begleiter, auch wenn sich unsere Wege später getrennt hatten blieben wir jedoch Freunde. Abschied für immer musste ich am 18. Januar 1983 von Bruder Hans nehmen.
Im 33. Lebensjahr wählte er den Freitod. Ein Schnellzug erfasste ihn in Lenzburg.
Im gleichen Jahr starb auch mein Patenkind. Er war im zarten alter von 3 Jahren in ein Desinfektionsbad für Schafe gestürzt.
Der ohnehin schon angeschlagene Gesundheitszustand meines Vaters verschlechterte sich nach dem Todesfall von Hans zusehends, ja sogar schlagartig.
15. Juni 1984 war mein Vater gestorben. Wenigsten blieb ihm die nur ein gutes Jahr später schmerzliche Nachricht von meinem verunglückten Bruder Hugo, die ich meiner Mutter überbringen musste, erspart.
Am 5. Oktober 1985, im 39. Lebensjahr war er bei einem Tauchgang im Zugersee tödlich verunglückt.
Dieser Abschied war sehr, sehr, sehr schwer, dabei hat das Jahr 1985 glücklich angefangen.
Damals lebte ich allein mit meinem Sohn der ein fröhlicher, lieber und sorgloser Teenager war, ja, sicher in der Schule hätte er durchaus mehr leisten können...
Ich war glückliche Kioskleiterin. Durch gute Leistungen sowie Umsatzsteigerungen gewann ich immer wieder traumhafte und einzigartige Motivationsferien im Ausland unter anderem im Piemont, in Florida, Norwegen, Andalusien und vieles mehr. Den Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen war eine Herausforderung die ich gerne annahm. In meinem Team waren Frauen und Männer mit unterschiedlichsten Berufsausbildungen sowohl Hausfrauen, Lehrerinnen, Studenten und Verkäufer auch auf meinen 20jährigen Sohn durfte ich mich eine Zeitlang verlassen. Er war eine super tolle Unterstützung für unser Team. Zu den Kunden gehörte der Designer Luigi Colani oder der bekannte Jan Tinguely ebenso wie Obdachlose und natürlich meine neue große Liebe.
Am 17. Mai 1991 starteten wir mit einem gecharterten Düsenflugzeug im Berner Flughafen Belpmoos um über den Wolken unser Jawort zu besiegeln.
Am 17. Dezember 2003 wurde ich erneut daran erinnert, dass man diese Zeit nicht für immer hat! Mein geliebter Mann erlitt einen Herzinfarkt. Dieses Mal war es glücklicherweise nur eine Warnung. 2004 und 2005 wurde mein Mann erneut am Herzen operiert und konnte so einem erneuten akuten Herzversagen vorbeugen.
Während ich diese Zeilen schreibe genieße ich ein harmonisches und glückliches Leben!



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Coeur Re: außergewöhnlich -
Zitat: (Original von sonnenschein am 09.03.2009 - 18:55 Uhr) liebe erna,
dein text fesselte mich vom anfang bis zum ende, ein sehr guter schreibstil! eben außergwöhnlich!
es grüßt dich
heike


Hallo Heike
Ach, schau her wieder einmal ein bekanntes Gesicht! Danke und ich freue mich sehr über deinen Kommentar.
Liebe Grüsse
Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: gut getextet -
Zitat: (Original von Boris am 24.02.2009 - 19:20 Uhr) super geschrieben, man spürt den Takt der Unrast

LG Boris


Danke für das Kompliment und herzliche Grüsse
Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Boris gut getextet - super geschrieben, man spürt den Takt der Unrast

LG Boris
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Aussergewöhnliche Kundschaft und... -
Zitat: (Original von Rattenfaenger am 28.12.2008 - 19:00 Uhr) ...regungslos liegt das Opfer meiner Begierde auf ihrem Autositz!*****
Spannend bis zur letzten Zeile, liebe Erna, geschrieben!
LG
Karl-Heinz


regungslos erfreue ich mich über dein Lob und bedanke mich herzlich
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
Rattenfaenger Aussergewöhnliche Kundschaft und... - ...regungslos liegt das Opfer meiner Begierde auf ihrem Autositz!*****
Spannend bis zur letzten Zeile, liebe Erna, geschrieben!
LG
Karl-Heinz
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: Cool -
Zitat: (Original von ParadiseKiss am 04.07.2008 - 16:15 Uhr) Steigert sich, die Story. Anfangs denkt man, ist nur ein komischer Type, am Ende ist es ein Wahnsinniger! Sehr gut geschrieben und der mögliche Charakter eines Mörders schön umrissen!

Ich bin stolz auf dich, kaltblütige Schwester!
Lydi.


Danke, ich fühle mich gebauchpinselt...
LG, kaltblütiges Schwesterlein
Vor langer Zeit - Antworten
Coeur Re: ***** -
Zitat: (Original von franziw2000 am 09.04.2008 - 08:54 Uhr) Sehr spannende Story, die einem Angst einjagt. Hoffe das ich nie Bekanntschaft mit solch einem Menschen machen muss. LG Franzi


Das gesamte Team war damals schockiert, als uns dieser Kunde als entlarvter Frauenmörder von der Titelseite einer Tageszeitung anlächelte...
Herzlichen Dank für deinen Kommi
LG, Erna
Vor langer Zeit - Antworten
franziw2000 ***** - Sehr spannende Story, die einem Angst einjagt. Hoffe das ich nie Bekanntschaft mit solch einem Menschen machen muss. LG Franzi
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