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Kyra: die Wahl zwischen Licht und Finsternis (5) - Kapitel 16 - 19

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"Kyra: die Wahl zwischen Licht und Finsternis (5) - Kapitel 16 - 19"
Veröffentlicht am 10. November 2011, 142 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und ...
Kyra: die Wahl zwischen Licht und Finsternis (5) - Kapitel 16 - 19

Kyra: die Wahl zwischen Licht und Finsternis (5) - Kapitel 16 - 19

Beschreibung

Ein Mädchen und zwei Jungen mit zwei Fraktionen - die Gesandten des Lichts und die Gesandten der Finsternis. Die Entscheidung für den einen bedeuted den Untergang für den anderen und seine Fraktion und andersherum genauso. Wie wird diese schwere Entscheidung der Kyra lauten? Und was steckt hinter diesem Kampf, der eine der beiden Gesandtengruppen sehr wahrscheinlich das Leben kosten wird? Welchen Weg wird Theresa einschlagen? Enthält: Kapitel 16: seltsame Tattoos Kapitel 17: gefährliches Zusammentreffen Kapitel 18: alte Wunden und ein noch älteres Vermächtnis Kapitel 19: Kriegsrat

Kapitel 16: seltsame Tattoos

Am nächsten Morgen wagte Theresa sich erst unmittelbar vor Unterrichtsbeginn in die Klasse. Die Aktion von gestern war ihr ziemlich peinlich und sie wollte es ungern darauf anlegen, mit Raymond in ein Gespräch verwickelt zu werden. Und sie wusste auch nicht, wie sie mit der Erkenntnis umgehen sollte, dass ihre Gefühle sich ohne ihr Einverständnis geändert hatten. Dass sie in Raymond verliebt war, kam ihr irgendwie immer noch komisch vor. Sie hatte ihn eigentlich immer nur als lockeren Freund angesehen, doch jetzt wusste sie einfach nicht mehr, wie sie mit ihm umgehen sollte. Und hinzu kam noch ihre eigene Dummheit vom Vortag. Wie hatte sie nur so hirnlos sein können?

Nach dem Unterricht ging sie im unteren Stock ins Café und aß mit Nicole, Jessica und Vanessa zusammen Mittag. Die drei merkten Gott sei Dank nicht, dass Theresa ein wenig nervös war und sich immer wieder unauffällig umsah. Sie entdeckte Raymond allerdings nirgends und entspannte sich so mit der Zeit wieder. Am späten Nachmittag verließ sie das Café wieder und machte sich auf den Weg nach unten zu ihrem Zimmer. Da sie gestern auf dem Weg nach unten jedoch Raymond begegnet war, nahm sie heute einen anderen und lief erst eine Treppe weiter hinten nach unten in den zweiten Stock. Dann lief sie weiter vorne die normale Treppe wieder hoch in den dritten Stock und bog erleichtert um die Ecke. Sie zog jedoch gerade noch die Notbremse und starrte den Jungen direkt vor sich entgeistert an. Raymond wirkte nicht weniger überrascht, außerdem schien er dieselbe Idee für einen Umweg gewählt zu haben wie Theresa.

„Äh...“

„Ja.. ich stimme dir zu“, sagte Raymond und sah unsicher zur Seite.

Theresa sah ebenfalls zur Seite und suchte verzweifelt nach irgendeiner Ausrede, die plausibel klang und deren Wortlaut nicht lautete: ich liebe dich. Doch das gestaltete sich schwieriger als erwartet, sie fand einfach nichts, das irgendwie passend war und was sie als Begründung hätte liefern können.

„Tja, schönes Wetter heute“, sagte Raymond ausweich-end.

„Es regnet“, bemerkte Theresa unsicher.

„Oh, ja stimmt“, sagte Raymond und sah aus den Augenwinkeln zu ihr.

„Hmhm...“ Theresa schüttelte den Kopf und atmete tief ein. „Ähm.. das.. was ich gestern.. das war nur ein Verse-hen, ähm.. ich hab nicht so ganz nachgedacht.. und, ja, ich hab nicht nachgedacht.“

„I..st schon in Ordnung“, sagte Raymond und blickte wieder zur Seite, „Aber du kannst dir das Nachdenken ruhig öfter sparen, wenn es darauf hinaus läuft.“

Theresa starrte ihn verdattert an.

„Versteh das nicht falsch, ich meine.. damit machst du wenigstens niemandem Sorgen.“ Raymond kratzte sich verlegen an der Schläfe und wurde ein wenig rot im Gesicht. „Und weiter reicht der Text nicht mehr.. wenn du mich jetzt was fragst, hast du mich am Kragen.“

„Gleichfalls“, sagte Theresa unsicher, „Weiter weiß ich auch nicht.“

„Wie wäre es dann, wenn ihr beide einfach wieder normal redet und nicht so förmlich?“, schlug Nathaniel vor. Kurz hinter den beiden hatte sich ein recht großes Bild verschoben, das an der Wand hing, und Nathaniel stieg aus dem Schacht hinter dem Bild.

Theresa und Raymond starrten ihn verdattert an.

Nathaniel klopfte sich nur den Staub von der Hose ab und sah sich kurz um. „Also die Windhalls haben wirklich einen ausgeprägten Sinn für geheime Schächte und Gänge, das muss man ihnen lassen.“ Damit schob er eine Vase auf der anderen Seite des Ganges ein Stück nach links und die Wand verschob sich gerade so weit, dass eine Person durch den Spalt hindurch schlüpfen konnte.

„Äh.. Was machst du da?“, fragte Raymond verwirrt und Theresa stand die gleiche Frage ins Gesicht geschrieben.

„Ich bin versehentlich auf so einen Gang gestoßen“, sagte Nathaniel nur unbeeindruckt, „Ich hab mir die alten Baupläne der Windhalls noch mal angesehen und dabei diese Gänge und Schächte gefunden. Sie sind ziemlich verstaubt, aber ansonsten in recht gutem Zustand.“

„Du hattest ja schon immer ausgefallene Hobbys“, sagte Raymond nur ungläubig, „Aber das hier übertrifft echt alles.“

„Einer von uns muss sich ja langsam mal Gedanken um den Kampf machen“, bemerkte Nathaniel, „So viel Zeit ist nicht mehr und es ist besser das Gelände zu kennen, auf dem der Kampf stattfindet.“

Theresa wusste nicht warum, aber sie kam sich irgend-wie ausgeschlossen vor. Sie wusste von dem Kampf, doch sie sollte nicht an ihm teilnehmen. Eigentlich war das eine beruhigende Feststellung, doch irgendwie frustrierte es sie auch.

„Gut, dann kann ich das ja vorerst dir überlassen“, sagte Raymond.

Nathaniel nickte nur, dann schob er sich durch den Spalt und berührte einen Stein in der Wand des Ganges, worauf-hin sich die Wand wieder an ihren Platz zurückschob.

„Er.. weiß ganz schön gut bescheid über diese Gänge“, stellte Theresa noch immer überrascht fest.

„Ich weiß das und trotzdem überrascht es mich jedes Mal wieder“, sagte Raymond resigniert.

„Und.. Was machen wir jetzt?“, fragte Theresa ein wenig unschlüssig. Sie gab sich zwar Mühe, doch so ganz konnte sie ihre Unsicherheit nicht verbergen.

Raymond zuckte mit den Schultern. „Wie wäre es mit dem Café? David sitzt sich bestimmt schon seit über einer halben Stunde den Hintern platt und wartet auf mich und Nathaniel.“

„Das ist ja nicht gerade nett“, merkte Theresa an.

„Tja, als wir das gestern Mittag festgelegt hatten, hatte ich auch ein paar Dinge nicht beachtet“, sagte Raymond und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, „Aber was soll´s? Kommst du mit?“

„J-Ja“, sagte Theresa nur und folgte ihm. Auch wenn er es zu überspielen versuchte, schien auch Raymond ein wenig unsicher zu sein, und das beruhigte Theresa ein bisschen. Wenigstens war sie nicht die Einzige.

David schien zuerst ganz schön überrascht zu sein, als Raymond mit Theresa am Tisch auftauchte und sich für die Verspätung nur flüchtig entschuldigte, doch dann schien David es gar nicht mehr so schlimm zu finden. Mit der Zeit wurde die Stimmung auch wieder etwas lockerer und Theresa und Raymond redeten wie eh und je mitein-ander. Nach einer Weile nahm Theresa auch ihre Brille wieder ab, nachdem Raymond sie ihr mehrmals geklaut hatte und dann einige Runden um den Tisch gedreht hatte. Natürlich war Theresa ihm auch hinterhergelaufen und saß am Ende keuchend auf ihren Platz, während Raymond sich über sie amüsierte und mit David darüber witzelte, dass Theresa es mal wieder nicht geschafft hatte, sich ihre Brille zurückzuholen. Dabei merkte Theresa an der vertrauten Art der beiden Jungen auch, dass David an-scheinend ebenfalls zu den Gesandten gehörte. Irgendwie hatte sie sich die Beziehung der Gesandten zueinander am Anfang viel verkrampfter und nicht so locker vorgestellt, doch anscheinend wirkte sich dieser Kampf nicht so sehr auf die Gemüter der Gesandten aus, wie sie anfangs dachte.

Als Theresa sich gerade von den Jungen verabschieden wollte, sah sie auf einmal Fynn durch den riesigen Saal kommen. Nadine hatte sich bei ihm eingehakt und war so sicher wie immer. Sie wurde von Fynn zu seinem Tisch gebracht und er setzte sich neben sie. Alicia war nirgends zu sehen.

Theresa kam dabei wieder eine Frage in den Sinn und sie wandte sich an Raymond. „Sag mal, solltest du nicht eigentlich auch versuchen Nadine.. für dich und deine Seite zu gewinnen?“

Raymond sah sie resigniert an. „Sonst gebe ich es ja ungern zu, aber so ein Rückgrat wie Whitey besitze ich nicht. Außerdem habe ich keine Lust mehr das zu tun, was mein ach so netter Vater von mir erwartet. Soll sich ein anderer darum kümmern und Nadine für sich und unsere Seite gewinnen, ich mach da definitiv nicht mit.“

„Bei Theresa hättest du dir das noch mal überlegt“, bemerkte David mit der scheinbaren Absicht Raymond auch mal unsicher zu sehen.

„Ja, zu der Zeit bin ich ziemlich ins Rudern geraten“, gab Raymond zu und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er sah zu Theresa, die in die Richtung von Fynn und Nadine blickte.

„Warum eigentlich?“, fragte Theresa dann jedoch und sah Raymond wieder an, „Warum hast du gezögert und wieso tust du es jetzt schon wieder? Ich meine, damit weihst du deine Seite doch dem Untergang, wenn ich das richtig verstanden habe.“

„Äh.. ja.. Warum habe ich gezögert?“ Raymond sah zur Seite. „Bei Nadine ist das ja hoffentlich klar und bei dir.. keine Ahnung.“

Theresa sah ihn stirnrunzelnd an.

„Aber zu deiner zweiten Frage“, melde David sich zu Wort, „Wir, also die Gesandten der Finsternis, sind da eigentlich nicht so verkrampft. Jede Seite wird in dieser Schlacht große Verluste erleiden und egal welche Seite am Ende gewinnt, helfen tut es den Verletzten und womöglich sogar Toten nicht. Nur wenige von uns sind so verbissen wie von den Gesandten des Lichts und die paar kommen gegen die Überzahl der anderen nicht an.“

„Es.. kann auch Tote geben?“, fragte Theresa ein wenig erschrocken. Sie wusste nicht, was sie sich bisher unter dem Kampf der Gesandten vorgestellt hatte, aber diese Nachricht erschreckte die ganz schön.

„Ja, es ist immer noch fast wie ein Krieg im etwas kleineren Sinne“, sagte David ernst, „Nur wird hier nicht mit Bomben auf die Gegner geworfen, sondern wir bekämpfen uns mit unseren.. magischen Kräften, so würde man es unter normalen Menschen wohl nennen.“

„Es ist nichts für jemanden wie dich“, stellte Raymond leicht betrübt fest, „Man darf das Ausmaß dieses Kampfes nicht unterschätzen und Leute wie du würden in diesem Kampf als ersten angegriffen werden. Denn ob mit oder ohne Kyra, eine Seite muss besiegt werden, damit die andere diese seltsamen Kräfte erlangen kann, um die Vestroyen zu besiegen.“

„Aber das.. ist doch grausam“, sagte Theresa und sah sich um. Wenn sie daran dachte, dass all ihre Freunde und guten Bekannten von hier in diesem Kampf sein würden und womöglich schwer verletzt oder gar getötet wurden, bekam sie ein ganz flaues Gefühl im Magen.

„Und trotzdem bleibt die Kyra immer noch die Schlüs-selfigur in diesem Kampf“, seufzte David, „Aber wenn ich ehrlich bin, verliere ich lieber diesen Kampf, als mit dieser Schreckschraube in einem Team zu sein. Ich glaube, niemand wird dir Raymond böse sein, wenn du dich da zurückhältst.. Aber wie kommt es eigentlich, dass ihr verlobt seid? Und müsstest du dann nicht auch so einen Ring tragen.“

„Mein Vater hat das arrangiert“, knurrte Raymond genervt, „Und den Ring habe ich schon vor Jahren das Klo runtergespült.“

Theresa presste sich eine Hand vor den Mund um nicht laut loszulachen und auch David unterdrückte eindeutig ein Kichern.

„Lacht nicht, anderswo hätte sie ihn womöglich noch gefunden“, sagte Raymond und stöhnte, „Ich weiß auch nicht, ob mein Vater damals schon wusste, dass sie die Kyra ist, aber ich vermute fast, dass er mir damit einen Vorteil verschaffen wollte.“

„Ist das nicht eigentlich ganz nett?“, fragte Theresa zaghaft.

„Spinnst du?!“, fragte Raymond entgeistert, „Die war schon immer so und wenn denn will ich das ohne diesen alten Knacker hinter mich bringen. Den will ich nie wieder sehen, sonst raste ich wahrscheinlich noch aus.“

„Du tust mir wirklich leid“, sagte David nur mit einem schiefen Lächeln, „Aber sei froh, du wirst wenigstens nicht dauernd angeschrien, weil du keine Lust auf diesen blöden Kram namens Schule hast.“

„Und wie froh ich darüber bin“, sagte Raymond und legte Theresa auf einmal einen Arm um die Schultern, „Außerdem weiß ich endlich, warum ich an diese Schule gekommen bin.“

Theresa sah ihn verwirrt an. Wieso benahm er sich auf einmal so komisch? Und seine Nähe sorgte schon wieder dafür, dass ihr die Röte ins Gesicht steigen wollte und ihr Herz gleich mehrere Gänge zulegte. Allerdings hatte sie das Gefühl, dass sie von hinten angestarrt wurde und blickte über ihre Schulter. Das verwirrte sie jedoch ziemlich, denn Fynn starrte in ihre Richtung, obwohl Nadine gerade recht angeregt mit ihm redete. Fynns Blick sah so vollkommen überrascht und verwirrt aus, dass Theresa sich darüber nur wundern konnte.

„Tja, da Whitey sich um den Ausgang Kampfes küm-mern muss, kann er nicht so frei handeln wie ich“, sagte Raymond und nahm seinen Arm wieder von Theresas Schultern. Er wusste, dass ihre Gefühle immer noch Fynn gehörten, und musste im Stillen über sich selber lachen. Wie kam er eigentlich auf die Idee, dass sich ausgerechnet das Mädchen, das er liebte, in ihn verliebte? Fynn hatte da schon immer die besseren Karten gehabt und daran würde sich wohl nie etwas ändern.

„Ich möchte nicht in der Haut von einem von euch beiden stecken“, sagte David resigniert, „Auf den Stress kann ich nun wirklich verzichten.“

„Ich ebenfalls“, sagte Raymond nur schief lächelnd.

Theresa wunderte sich währenddessen immer noch über die Gelassenheit der Gesandten der Finsternis. Ihre Logik war einleuchtend und Theresa konnte ihre Gedanken auch gut nachvollziehen, doch sie kamen ihr trotzdem komisch vor. Es hatte ja fast den Anschein, dass die Gesandten der Finsternis bereits aufgegeben hatten, bevor der Kampf überhaupt begann; ganz als ob sie planten, ohne einen wirklichen Kampf zu verlieren. Was veranlasste sie dazu? Theresa wusste nicht warum, aber dieser Umstand stim-mte sie irgendwie traurig. Wenn man das so hörte und daran dachte, dass dieser Kampf wahrscheinlich auch einige das Leben kostete, schien es fast so, als wollten die Gesandten der Finsternis Selbstmord begehen. Und was war überhaupt mit den Gesandten des Lichts?

Ein Blick zu Fynn zeigte Theresa, dass auch er nicht sehr glücklich zu sein schien, auch wenn es gerade wahrschein-lich mehr wegen Nadine so war. Theresa glaubte nicht, dass sich die beiden Seiten so sehr voneinander unter-schieden. Schließlich wurden sie hier zu einem Kampf gezwungen, in dem höchst wahrscheinlich sehr viele von ihnen mindestens verletzt wurden. Es war zwar alles um die sogenannten Vestroyen abzuwehren, doch Theresa fand es trotzdem traurig. Nur damit eine Seite diese Kraft bekam und die Vestroyen damit besiegen konnte, musste eine andere niedergewalzt werden. Und beide Seiten würden so oder so auch noch Verluste einstreichen müssen, also was brachte dieser Kampf eigentlich?

Schließlich ging Theresa zurück in ihren Schlafraum und zog sich um. Elisabeth und die beiden Geschwister waren wahrscheinlich noch irgendwo im Café und Theresa zog sich ihr Nachthemd über. Allerdings fiel ihr etwas auf und sie schob die Ärmel ihres sandfarbenen Nachthemdes nach oben.

„Was ist das denn?“ Theresa starrte ihren rechten Arm verwirrt an. Einige dunkle und etwas breitere Linien wanden sich um ihren Unterarm und bildeten verschlun-gene Muster. Es sah fast wie ein Tattoo aus, auch wenn es nicht ganz so deutlich war. Als sie dann ihren linken Arm genauer ansah, bemerkte sie, dass ihre Haut dort an einigen Stellen heller war als an anderen. Als sie die Lampe dann ausschaltete und nur noch das Dämmerlicht von draußen in das Zimmer drang, erkannte Theresa auch auf ihrem linken Arm etwas breitere Linien, nur war an diesen Stellen die Haut nur heller und sah schon fast weiß aus. Auch diese fast weißen Linien bildeten um ihren linken Unterarm einige verschlungene Muster.

„Was.. geht hier vor?“, fragte Theresa vollkommen ver-wirrt. Diese Zeichnungen waren ihr nie zuvor aufgefallen und sie war sich sicher, dass sie sie bei ihrer letzten Dusche noch nicht hatte. Das hieß, dass sie diese Muster irgendwann die letzten Tage über bekommen haben musste. Aber wie?

Eine ganze Weile grübelte Theresa stirnrunzelnd darüber nach, bis sie es dann schließlich doch aufgab und schlafen ging. Sie hörte gerade noch, wie die anderen drei das Zimmer betraten, dann war sie eingeschlafen.

 

Am nächsten Morgen erzählte Theresa niemandem von den seltsamen Mustern an ihren Unterarmen. Vielleicht war es auch nur eine höchst seltsame Hautirritation und helfen konnten ihr die anderen da sowieso nicht, also verschwieg sie es vorerst einfach. Der Morgen verlief auch soweit ganz normal, Raymond trieb seine üblichen Späße und David durfte es ausbaden, während Theresa sich darüber amüsieren konnte. Dann ließ sie die beiden Jungen schon mal vorgehen, weil sie noch ein Heft unter ihrem Tisch vergessen hatte und zurück zur Klasse musste. Als sie es dann geholt und anschließend in ihrem Zimmer abgelegt hatte, machte sie sich auf den Weg nach oben, um Nicole, Jessica und Vanessa abzuholen. Da die drei bestimmt nichts dagegen hatten, auch mit zu Raymond, Nathaniel und David an den Tisch zu kommen, hatte sie dabei keine Bedenken.

Als sie jedoch gerade im sechsten Stock angekommen war und eigentlich über die Treppe noch ein Stück höher zum Café gehen wollte, blieb sie stehen. Nadine sah ziemlich sauer aus und schrie Raymond wütend an, der vor ihr stand und sich scheinbar am liebsten die Ohren zuhalten wollte. Theresa blieb am Treppenabsatz stehen und beobachtete die beiden verwirrt.

„Sag mal, hast du vergessen mit wem du hier verlobt bist?!“, schrie Nadine und ihre Stimme klang zum Fürch-ten.

„Hast du vergessen, dass ich damit nie einverstanden war?“, fragte Raymond nur und er klang für seine Verhältnisse ziemlich finster, fast wie Ryszard.

„Trotzdem bis du MEIN Verlobter!“, sagte Nadine auf-gebracht, „Wenn du nicht sofort aufhörst dich immer mehr an diese Betrügerin heranzumachen, werde ich mich wirklich auf diesen Sohn vom Internatsinhaber einlassen. Du weißt genau, was das für dich und die anderen Gesandten der Finsternis bedeutet, also solltest du mal ein bisschen vorsichtiger sein. Ich bin immer noch die Kyra und entscheide über den Ausgang der Kämpfe, also solltest du mir ein bisschen Respekt zollen und nicht deine ganze Zeit mit diesen Rumtreibern und der Betrügerin verbringen. Sonst überlege ich wirklich mal, was Neues auszuprobieren! Dieser Fynn ist ja eigentlich ganz nett.. jedenfalls netter als du!“

„Freu dich doch“, sagte Raymond nur, „Er ist mir in allen Punkten überlegen und ich hab mich schon gefragt, wieso du immer nur mir auf den Geist gehst.“

„Das habe ich dir und deinem Vater zuliebe getan“, knurrte Nadine zornig, „Aber du undankbarer Nichtsnutz glaubst mal wieder, dass du dir alles erlauben kannst. Doch da hast du dich gewaltig geschnitten, ich lass mir auch nicht alles von dir gefallen! Du wirst schon noch sehen, was du davon hast!“

„Ja, endlich meine Ruhe“, stöhnte Raymond entnervt, doch er wirkte seit einigen Sekunden etwas verkrampft.

„Duuuu.. Wie konnte ich mich nur in so jemanden wie dich verlieben und der Frage deines Vaters nachkom-men?!“, grollte Nadine wutentbrannt.

„Das nennt man wohl Blödheit u...“ Raymond zuckte auf einmal zusammen und keuchte. Nun verkrampfte er sich endgültig und ging beinahe in die Knie.

Während Nadine, die anscheinend wusste, was sich da anbahnte, erschrocken zurückwich, kam Theresa hinter der Ecke hervor und lief zu Raymond.

„Hey, Ray...“, setzte sie an.

„Was machst.. du denn hier?“, fragte Raymond verwirrt und ein wenig überrascht zugleich.

„Ryszard?“, fragte Theresa nur besorgt.

„Ja, wir sind uns mal wieder einig“, brachte Raymond nur gepresst hervor, „Wir haben nur wie immer etwas verschiedene Ansichten beim Umgang mit diesem Ärgernis...“

Nadine starrte die beiden unterdessen verdattert an. Dann schien ihr wieder etwas in den Kopf zu kommen und sie sah Theresa wütend an.

„Du Betrügerin!“ Nadine stapfte wütend auf Theresa zu, die leicht verwirrt aufblickte. „Na warte! Dir verdanke ich diesen ganzen Ärger doch...!“

„Lass sie in Ruhe!“ Raymond stellte sich keuchend vor Theresa und schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können, doch er sah Nadine warnend an.

„Es ist alles ihre Schuld!“, schrie diese allerdings und kam auf ihn zu, „Sie hat dir vollkommen den Kopf verdreht! Früher hättest du nie so etwas gesagt.. Und bring Ryszard gefälligst wieder unter Kontrolle! Ich will nicht von diesem Monster angegriffen werden!“

„Oh oh...“ Theresa ahnte bereits, was nun kam.

Raymond gab einen erstickten Laut von sich, dann sah er auf einmal wieder vollkommen entspannt aus. Als er dann Nadine ansah, zuckte diese erschrocken zusammen und wich gleich mehrere Schritte zurück. Theresa verdrehte die Augen und stellte sich vor Ryszard, der auf Nadine zugehen wollte und eindeutig nicht gerade gut gelaunt war.

„Hey Ryszard“, sagte Theresa und blieb einfach drei Meter vor ihm stehen.

Dieser blieb ebenfalls stehen und sah sie wütend an. „Geh mir sofort aus dem Weg, du Nervensäge.“

„Und wenn nicht?“, fragte Theresa unverblümt. Wie auch beim letzten Mal war ihre Angst gegenüber Ryszard auf ein Minimum gesunken und hinterließ einen gesunden Respekt. Ein leichter Wind kam auf und strich um Ryszard und Theresa. Er spielte kurz mit Theresas offenen, gold-braunen Haaren und legte sich dann wieder.

„Du kannst es dir vorstellen“, sagte Ryszard nur.

„Dann bleib ich stehen“, sagte Theresa, „Ich mag frische Brisen.“

Ryszards Augen wurden schmal. „Fängst du schon wieder damit an.“

Nadine wirkte unterdessen reichlich verwirrt. Hatte diese Theresa denn gar keine Angst vor diesem Mörder? Doch sie hörte in dem Moment ein Geräusch und drehte sich um. Aus einer Tür war plötzlich Fynn aufgetaucht und sah die hier im Gang versammelte Truppe entgeistert an.

Theresa fiel auf, dass Ryszard auf einmal etwas hinter ihr ansah und drehte sich ebenfalls um. „Oh mein Gott...“

Nadine lief sofort auf Fynn zu und versteckte sich halb hinter ihm. „Fynn, er wollte mich verletzen! Dieser Ryszard ist schrecklich!“

Fynn wirkte daraufhin sofort wieder ernst und trat lang-sam näher. Auch Ryszards Gesichtsausdruck verfinsterte sich dramatisch und die Verachtung und der Hass in seinen Augen war deutlich zu sehen.

„Du hast es also tatsächlich geschafft Blacky zu überwältigen“, sagte Fynn mit finsterer Stimme.

„Ich hatte schon viel zu lange nicht mehr das Vergnügen einen richtigen Kampf zu haben“, sagte Ryszard und lächelte herablassend.

„Dann werde ich mich nicht zurückhalten“, sagte Fynn ernst und aus seiner Hand zuckte plötzlich eine kleine Stichflamme, „Geh da sofort weg, Theresa.“

Diese sah von einem Jungen zum anderen und überlegte fieberhaft, wie sie die Gemüter wieder besänftigen konnte. Zur Seite gehen durfte sie auf keinen Fall, so viel stand fest. Aber mehr wusste sie auch nicht.

„Nein“, sagte sie nur, „Ich denk noch nicht mal daran.“

Fynn war sichtlich überrascht, doch sofort wieder ernst. „Ryszard ist ein Mörder! Er hat unzählige Babys schamlos getötet und er wird auch ohne zu zögern dich angreifen. Du musst da weg!“

„Ich sagte doch, dass ich mich nicht von der Stelle rühre“, sagte Theresa ernst.

„Du solltest lieber auf ihn hören“, sagte Ryszard dro-hend, „Ich greif auch an, wenn du da noch stehst, Kyra.“

„Sie ist nicht die Kyra!!“, schrie Nadine auf einmal aufgebracht und trat hinter Fynn hervor, „Ich bin die Kyra! ICH!“

„Sooo?“ Ryszard lächelte auf einmal triumphierend und holte mit seiner rechten Hand aus. „Das trifft sich ja äußerst gut.“

Er schwang seine erhobene Hand und Theresa konnte die schneidende Böe dieses Mal deutlich erkennen. Sie rauschte genau auf sie zu, da Theresa sich wirklich nicht einen Millimeter von der Stelle gerührt hatte. Damit hatte sie allerdings nicht gerechnet und sie hob nur schützend die Arme, während ihr Fynns erschrockener Ruf und Nadines Kreischen in den Ohren klangen. Doch die Böe schien sich, sobald sie Theresa erreicht hatte, einfach aufzulösen und nur noch ein harmloses Lüftchen strich durch ihre Haare.

Theresa starrte ihren rechten Arm jedoch so gut wie fassungslos an. Als die Böe sie beinahe erreicht hatte, war das Tattoo an ihrem rechten Unterarm plötzlich ziemlich warm geworden. Und Theresa wusste nicht wieso, aber es war ihr fast so vorgekommen, als ob ihr Arm die Kraft aus Ryszards Angriff einfach absorbiert hatte.

Fynn, Nadine und vor allem Ryszard starrten Theresa vollkommen verwirrt an.

Diese nahm ihre Arme wieder runter und atmete kurz tief ein, ehe sie die paar Meter zwischen sich und Ryszard hinter sich brachte. „Sag mal hast du sie noch alle!? Du hättest hier beinahe eine mittlere Katastrophe verursacht, du hirnloser Volltrottel!“

Ryszard wirkte nun noch überraschter und starrte das wütende Mädchen vor sich noch verwirrter an.

„Man kann auch mal nachdenken und nicht immer mit der Tür ins Haus fallen! Das würde dir auch nicht scha-den!“, sagte Theresa aufgebracht. Sie wusste auch nicht so genau, warum sie jetzt auf einmal wütend war, aber damit konnte sie von ihrer Überraschung ablenken.

„Tse, die letzten Male hast du geheult und dieses Mal schreist du rum wie die Sau vorm Schlachter“, stellte Ryszard nur resigniert fest. Allerdings war sein Versuch, von seiner eigenen Unsicherheit abzulenken, leicht zu durchschauen.

Theresa hatte Lust ihm eine Ohrfeige zu verpassen. „Dann sei doch froh, ich dachte, du könntest mein verweintes Gesicht langsam nicht mehr sehen, und wollte darum mal was anderes ausprobieren.“

Ryszards überaus bedientes Gesicht sprach für sich.

Fynn und Nadine starrten die beiden gut sieben Meter vor ihnen stehenden Personen nur ungläubig an.

„Die Idee ist nicht besser als dein verweintes Gesicht“, stellte Ryszard fest.

„Ach echt. Ich dachte, es wäre gar nicht mal so übel“, sagte Theresa ein wenig enttäuscht, „Da muss ich mir wohl was Besseres einfallen lassen.“

„Das rate ich dir“, sagte Ryszard und sein Blick fiel wieder auf Fynn und Nadine, die sich wieder halb hinter diesem versteckte, „Und nun zu dem Grund, weshalb ich mir die Mühe gemacht habe Raymond zu verscheuchen...“

Er schob sich an der leicht überraschten Theresa vorbei und ging schnurstracks auf Fynn und Nadine zu. Das Mädchen sah ziemlich erschrocken aus und in Fynns Hand erschien erneut eine Stichflamme, die fröhlich loderte, ohne ihn selbst dabei zu verletzen. Aber noch ehe Ryszard die beiden erreicht hatte, erwischte Theresa ihn am Arm und hielt ihn fest.

„Lass mich los!“, rief Ryszard und hob seine freie Hand.

Theresa zuckte zusammen und zog den Kopf ein, da sie sich auf eine weitere Ohrfeige gefasst machte. Als sie nach gut fünf Sekunden vorsichtig wieder aufsah, war jedoch immer noch keine Ohrfeige gekommen. Sie bemerkte erstaunt, dass Ryszard zwar die Hand erhoben hatte, doch er sah sie unschlüssig an und schien mit sich selber zu ringen. Schließlich aber ließ er seufzend die Hand sinken und schüttelte über sich selber den Kopf.

„Verdammtes Miststück“, fluchte er und zog Theresa mit sich mit zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Theresa war so überrascht darüber, dass Ryszard sie auf einmal am Arm gepackt hatte und mit sich zog, dass sie vergaß irgendwie zu protestieren oder sich über den nicht gerade sehr netten Beinamen zu beschweren.

„H-Halt mal!“, rief Fynn, auch wenn er auch sichtlich überrascht war, „Lass sie sofort los!“

„Leg dich nicht mit mir an.“ Ryszard war so plötzlich stehen geblieben und hatte sich dabei umgedreht, dass Theresa in ihn hineinstolperte und er sie nur an den Schultern festhielt.

„Du solltest mich lieber nicht auf die leichte Schulter nehmen“, sagte Fynn nur drohend, „Und jetzt lass Theresa los.“

„Und wenn ich nicht will?“, fragte Ryszard unbeein-druckt.

Theresa bemerkte nur leicht erstaunt, dass er sie gerade so fest hielt, dass sie sich nicht einfach aus seinen Armen befreien konnte. Dabei war er noch nicht mal besonders grob, wie sie es eigentlich erwartet hatte.

Als Fynn gerade etwas erwidern wollte, zuckte Ryszard auf einmal zusammen und kippte beinahe augenblicklich zur Seite. Theresa stand zum Glück noch direkt vor ihm und konnte so wenigstens verhindern, dass er seitlich umkippte. Sie sank mit ihm auf die Knie und als er die Augen wieder öffnete, blickte sie in das leuchtende Gelb von Raymonds Augen.

„Na warte Whitey, du kannst was erleben“, stöhnte er allerdings in nicht gerade freundlichem Ton und wollte schwankend wieder aufstehen, als Theresa kurzerhand ausholte und ihm von oben ihre Faust auf den Kopf rammte.

„Aua!“ Raymond sah sie verwirrt an. „Bist du verrückt geworden? Ich hab mich gerade erst Ryszards entledigt, da kannst du mir doch nicht gleich einfach eine überbraten!“

„Und wer wollte angreifen ohne überhaupt richtig stehen zu können?“, fragte Theresa nur und rieb sich die Faust, denn das hatte auch ihr wehgetan, „Und außerdem weißt du ganz genau, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn ihr beide so anfangt!“

Raymond rieb sich den schmerzenden Kopf und sah sie leicht verwirrt an. Manchmal konnte wirklich niemand voraussagen, was sie antworten oder machen würde.

Fynn und Nadine schien es unterdessen glatt die Sprache verschlagen zu haben, so verdattert wie die beiden aussahen.

„Und soweit ich weiß, haben diese Kämpfe auch noch nicht angefangen“, fügte Theresa noch hinzu, „Also habt ihr gar keinen Grund jetzt schon zu kämpfen und könnt es gerne unterlassen.“

Raymond sah sie noch einen Moment lang an, dann schüttelte er nur den Kopf und kam wieder auf die Füße. „Ich dachte, ich hätte dich längst durchschaut, aber anscheinend komme ich immer noch nicht ganz dahinter, wie du tickst. Jedenfalls nicht hinter die Theresa, die sich traut zu sagen, was sie denkt und fühlt.“

Theresa entglitten vor lauter Überraschung beinahe die Gesichtszüge. Wenn sie das gerade richtig verstanden hatte, war das zur Abwechslung mal ein Kompliment von ihm gewesen.

„Hier seid ihr also alle.“ Nathaniel war am Treppenab-satz erschien und sah die Versammelten nur stirnrunzelnd an. „Theresa, du wirst sehnlichst erwartet und auch du Raymond könntest zur Abwechslung mal pünktlich kommen.“

Theresa und Raymond sahen sich kurz an, dann fiel ihnen wieder ein, dass sie ja eigentlich gerade auf dem Weg ins Café waren.

„Da war doch was...“ Theresa lächelte schief.

„Was wir ganz vergessen haben“, beendete Raymond den Satz und kratzte sich an der Schläfe.

„Ihr seid unglaublich“, seufzte Nathaniel nur.

„Wir kommen ja schon“, sagte Raymond und sah fragend zu Theresa, die nur lächelnd nickte.

„H-Hey.. wir sind noch nicht fertig!“, rief Nadine, auch wenn sie ganz offensichtlich immer noch ziemlich verwirrt war.

„Das sind wir“, sagte Raymond nur genervt, „Ich will von diesem Schwachsinn nichts mehr hören und damit fertig. Die Gesandten des Lichts können sich freuen, ich mach diesen Unsinn nicht mehr mit.“

Fynn schien beinahe fassungslos zu sein und diese Fassungslosigkeit schien sich noch zu vertiefen, als Raymond Theresa am Handgelenk packte und mit sich zur Treppe zog.

„Das lass ich mir doch nicht bieten!“, rief Nadine aufgebracht, „Ich werde Vater anrufen und deinen auch!“

„Tu was du nicht lassen kannst“, knurrte Raymond nur, auch wenn sich seine Begeisterung über dieses Vorhaben in Grenzen hielt.

Nadine schien daraufhin einen halben Indianertanz auf-zuführen und fluchte irgendetwas Undeutliches, während Fynn Theresa hinterher sah. Diese sah auf der Treppe noch mal über ihre Schulter und begegnete Fynns verwirrtem und irgendwie traurigem Blick. Dabei merkte Theresa, auch dass sie Fynn immer noch mochte. Zwar nicht so sehr wie Raymond, doch auch Fynn hatte sie in ihr Herz geschlossen. Es tat ihr auch ziemlich leid, dass er sich mit Nadine rumschlagen musste, doch ihr kam auch keinerlei Idee, wie sie diesen Umstand ändern konnte. Es lag außer-halb ihrer Macht etwas in diesem Kampf zu bewirken.

Kapitel 17: gefährliches Zusammentreffen

Es dauerte eine ganze Weile, bis Raymond sich voll-kommen abgeregt hatte. Immer noch war er sauer wegen Nadine und schien ihr, laut seinen eigenen Worten, am liebsten den Hals umdrehen zu wollen. Nicole, Jessica, Vanessa und auch David stimmten ihm zu und wettei-ferten mit ihm in Sachen Aufregung über Nadine mit. Theresa saß beinahe vollkommen still daneben und machte Nathaniel Konkurrenz, der wie immer auch nicht viel sagte und ein dünnes Taschenbuch vor der Nase hatte. Sie war nur froh, dass Raymond so lebhaft wie immer war und nicht mehr aus irgendeinem Grund deprimiert drein blickte.

Der Tag verging wie im Flug und schneller als Theresa gucken konnte, war es schon wieder Zeit ins Bett zu gehen. Als sie sich jedoch umzog, fiel ihr Blick wieder auf die beiden seltsamen Tattoos an ihren Unterarmen. Das schwarze schien ein wenig deutlicher geworden zu sein und Theresa fuhr mit den Fingern über es. Ihre Haut fühlte sich ganz normal an, als hätte sich wirklich nur an einigen Stellen die Farbe verändert. Es kam Theresa immer noch spanisch vor, doch sie kam auch nicht dahinter, was diese Tattoos sein konnten oder wozu sie dienten.

Am nächsten Morgen wollte Theresa sich wieder auf den Platz vorne in der Klasse setzen, doch da saß Nadine und warf ihr finstere Blicke zu, als Theresa es wagte in ihre Richtung zu kommen und sie anzusehen. Daraufhin ging Theresa nur still nach hinten und setzte sich auf ihren gewohnten Platz. Sie war sichtlich verwirrt, doch als sie an den Streit von gestern dachte, kam es ihr auch wieder logisch vor. Wenn man es so sah, war es kein Wunder.

„Kommst du wieder mit uns ins Café?“, fragte Raymond nach dem Unterricht.

„Klar“, sagte Theresa lächelnd, „Ihr könnt ja schon mal Nicole, Jessica und Vanessa abholen, ich komme nach, wenn ich meine Sachen ins Zimmer gebracht habe.“

„Gut“, sagte Raymond, „Aber beeil dich.“

Theresa lächelte nur und sah ihm hinterher, als er das Klassenzimmer verließ. Nadine schien die Klasse auch bereits verlassen zu haben und so nahm Theresa ihre Sachen und ging ebenfalls. Die Treppe nach unten hatte sie schnell hinter sich gebracht, doch als sie fast bei ihrem Zimmer war, stutzte sie. Alicia stand vor ihrer Tür und sah sich hektisch um.

„Suchst du jemanden?“, fragte Theresa etwas verwun-dert.

„Bitte bring meinen Bruder wieder zur Vernunft!“, sagte Alicia sofort verzweifelt und sah Theresa hilfesuchend an.

„Eh? W-Wie meinst du das?“, fragte Theresa verwirrt.

„Bitte“, sagte Alicia und krallte die Hände in ihren Rock, „Nadine will, dass mein Bruder sich mit ihr verlobt. Angeblich soll ihr das beweisen, dass er das mit ihr ernst meint.. oder was weiß ich was, aber ich halt das nicht mehr aus. Er will sich das mit ihr überlegen und so wie es aussieht, hat er wirklich vor das zu tun.“

Theresa starrte sie ungläubig an.

„Ich will das nicht“, sagte Alicia verzweifelt, „Das wäre der größte Fehler seines Lebens. Er hält es doch selber nur schwer in ihrer Gegenwart aus und dann will er sich wirklich mit ihr verloben? Das geht doch nicht! Ich hab schon versucht mit ihm zu reden, aber er sagt immer nur, dass es nötig ist, um den Sieg der Gesandten des Lichts zu gewährleisten. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Du bist die Einzige, auf die er vielleicht noch hört. Ich bitte dich inständig, rede mit meinem Bruder!“

Theresa brauchte nur einen kurzen Moment zum Über-legen. „Ich kann dir nichts versprechen, aber ich werde versuchen mit ihm zu reden.“

„Danke“, sagte Alicia und lächelte matt, „Ich hab auch hin und her überlegt, aber mir fällt einfach nichts mehr ein, was ihn noch umstimmen könnte.“

Damit wollte Alicia Theresa am Arm nehmen und sie schnell zu Fynn bringen, doch als sie Theresas rechten Arm berührte, bekam sie plötzlich so etwas wie einen gewaltigen Stromschlag und zog die Hand wieder zurück. Theresa fasste sich überrascht an den rechten Unterarm, denn die Berührung hatte auch ihr kurz einen heftigen Schmerz verpasst. Sie sah auf und bemerkte, dass Alicia sie beinahe fassungslos anstarrte und sich immer noch die Hand hielt. Augenblicklich wurde Theresa bewusst, dass das schwarze Tattoo an ihrem rechten Unterarm scheinbar gerade wieder reagiert hatte, als Alicia sie dort packen wollte.

„Äh.. Wo ist Fynn denn?“, fragte Theresa und versuchte den Schock in ihrer Stimme zu überspielen. Wieso reagier-te ihr Arm auf einmal so heftig, wenn Alicia sie dort berührte? Als Raymond gestern ihr rechtes Handgelenk berührt hatte, war nichts passiert.

 „Hä?.. Ach so.. na komm mit.“ Kurz wirkte Alicia ebenfalls noch erschrocken und schien etwas sagen zu wollen, doch dann hatte sie wohl beschlossen, dass es zurzeit Wichtigeres gab. Sie ging flotten Schritts den Gang runter und Theresa folgte ihr. Raymond und die anderen mussten halt warten, da konnte Theresa auch nichts machen, denn Alicias verzweifeltes Gesicht und auch die Vorstellung, dass jemand wie Fynn sich mit Nadine verlobte, ließen sie an ihrem Entschluss nicht zweifeln.

„Fynn?“ Alicia klopfte an eine Zimmertür ein Stock höher.

Nur Sekunden später öffnete sich die Tür und Fynn sah erst Alicia an, doch bei dem Anblick von Theresa entgleis-ten ihm fast die Gesichtszüge. Ehe er noch fragen konnte, schob Alicia ihn zurück ins Zimmer, warf die anderen zwei Jungen raus und winkte Theresa herein. Dann ging Alicia wieder zur Tür und schloss sie hinter sich, sodass der verwirrte Fynn und die leicht unsichere Theresa allein im Raum zurück blieben. Es herrschte eine Weile lang Schweigen, ehe Fynn den Kopf schüttelte und seine Gesichtszüge wieder einsammelte.

„Ähm.. Was soll das hier?“, fragte er etwas unsicher.

Theresa war noch etwas verwirrt darüber, dass sie alleine sein sollten, doch dann sah sie Fynn an. „Alicia sagte, dass du dich mit Nadine verloben willst.“

Fynn zuckte merklich zusammen und sah zur Seite. „Mir bleibt nichts anderes übrig.. ich.. eigentlich.. es geht nicht anders.“ Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch er schwieg.

„Aber.. ich finde das unfair von ihr“, sagte Theresa, „Mal davon abgesehen, dass ich sie selber nicht sonderlich gut leiden kann, halte ich es für nicht richtig, dass sie dich so in die Enge treibt. Ich meine, sie kann doch nicht einfach fordern, dass du dich mit ihr verlobst, nur damit sie auf eurer Seite ist. Ich habe zwar keine Ahnung davon, wie die Kyra sein sollte, aber was Nadine macht, ist definitiv nicht in Ordnung. Sie kann dich doch nicht zwingen.“

„Leider kann sie das doch“, sagte Fynn und lächelte matt, „Sie entscheidet und daran kann niemand etwas ändern.“

„Trotzdem halte ich es für falsch“, sagte Theresa ernst, „Die Kyra sollte frei entscheiden und nicht irgendwelche Gegenleistungen erwarten. Egal ob sie nun diejenige ist, die über den Ausgang des Kampfes entscheidet, oder nicht, sie kann nicht erwarten, dass du wegen diesem Kampf so ein Bündnis eingehst.. Schließlich ist eine Verlobung nicht gerade eine kleine Sache.. Und außerdem geht es ja nicht nur euch beide sondern auch die in eurer unmittelbaren Nähe etwas an. Denk doch mal an Alicia, sie ist schließlich deine Schwester. Sie ist absolut unglücklich und ich bin auch der Meinung, dass Nadine nicht die Richtige für dich ist.“

„Trotzdem ist dieser Kampf vorrangig“, sagte Fynn, auch wenn er deutlich mit sich rang, „Ich kann nicht einfach etwas entscheiden, das für die Gesandten des Lichts möglicherweise von Nachteil ist. Das kann ich nicht machen.“

„Dann lass dir doch etwas einfallen!“, sagte Theresa, die langsam wütend wurde, „Du bist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen! Überleg dir eine Ausrede, wie du sie von einer Verlobung abbringen oder sie wenigstens erstmal aufschieben kannst. Du willst sie doch auch gar nicht heiraten oder liege ich etwa so weit daneben mit meiner Einschätzung?“

Fynn wich ihrem Blick aus. „Nein.. du hast recht.. aber es hat doch sowieso nichts mehr mit dir zu tun. Du musst nicht wegen meiner Schwester mit mir reden.. du hast Raymond.. und musst dich nicht um Dinge kümmern, um die du dich nicht kümmern willst...“

Theresa sah langsam rot. Das konnte doch nicht wahr sein! Ohne nachzudenken holte sie aus und verpasste Fynn eine schallende Ohrfeige. „Du bist genauso ein Idiot wie Raymond!“, schrie sie aufgebracht, „Ich weiß nicht, was ihr beide habt und warum ihr immer so unglücklich klingt, wenn ihr von dem jeweils anderen redet. Ich weiß auch nicht, was damals zwischen euch vorgefallen ist, aber es wird langsam Zeit, dass ihr beide erwachsen werdet! Kommt endlich darüber hinweg!“

 Fynn sah sie ungläubig an und hielt sich die schmer-zende Wange.

„Und lass Raymond hierbei mal aus dem Spiel“, sagte Theresa und ihre Wut war nicht zu überhören, „Es geht um dich und Nadine und nicht um meinen Umgang mit Raymond, also hör auf von ihm zu reden. Ich habe dich immer für sehr stark gehalten und dafür bewundert, dass du geradeaus gehen kannst, auch wenn es schwierig wird. Zurzeit sehe ich nichts davon! Du rennst weg und lässt dir alles von Nadine gefallen! Was ist mit dir los? Es ist schließlich auch deine Zukunft, also hast auch du Ansprüche auf ein Mitspracherecht! Sag ihr einfach, dass ihr damit noch warten solltet, bis der Kampf vorbei ist.. sozusagen als Zeichen dafür, dass eure.. in Anführungs-zeichen, Liebe, selbst diesen Kampf überdauert hat. Das verschafft dir etwas mehr Zeit und Nadine keinen Grund ihre Entscheidung zu überdenken. Ich weiß, das schafft das Problem nicht aus der Welt, aber das gibt dir wenigstens die Möglichkeit nach einer anderen Lösung zu suchen, ohne die Gesandten des Lichts zu enttäuschen. Versuch wenigstens etwas zu unternehmen und denk auch mal ein bisschen an dich selbst! Das wird weder dir noch den anderen Gesandten schaden und jetzt entschuldige mich bitte, im Café warten ein paar Freunde bereits auf mich.“

Theresa stapfte zur Tür, auch wenn sie noch mal über ihre Schulter sah. „Du kannst etwas tun, aber du musst es auch wollen. Finde deinen eigenen Weg die Sache mit Nadine zu klären und nimm nicht einfach ihren Part.“

Fynn sah ihr ungläubig hinterher, als Theresa aus dem Zimmer verschwand. Sie hatte gerade seine eigenen Worte benutzt, die er ihr damals gesagt hatte. Das konnte doch nicht wahr sein, oder? War er wirklich so ein Idiot?

 Theresa rauschte wortlos an Alicia vorbei und ging schnurstracks zur Treppe. Ihre Wut über Fynn brodelte immer noch wie ein Kochtopf, der randvoll mit heißem Wasser war, und Theresa hatte Lust irgendetwas an die Wand zu klatschen, doch sie verkniff es sich und lief hoch in den siebten Stock zum Café.

„Hey, das hat ja ganz schön lange gedauert“, bemerkte Raymond.

„Ich hatte ein nicht gerade erfreuliches Gespräch“, sagte Theresa gereizt und setzte sich auf den freien Platz neben Nicole und Vanessa.

„Und mit wem?“, fragte Jessica sofort neugierig.

„Ist doch unwichtig“, sagte Theresa nur, „Und was habt ihr in der Zwischenzeit gemacht?“

In dem Moment aber wurde eine der Türen zum Café geöffnet und Mr Jukashni betrat den Saal. Er sah sich nur kurz um, dann kam er schon genau zu dem Tisch, an dem Theresa, Raymond, Nathaniel, David, Jessica, Nicole und Vanessa saßen.

„Raymond und Theresa, ihr sollt zum Büro kommen“, sagte der Lehrer nur kurz angebunden und drehte sich schon wieder um.

Die beiden Angesprochenen sahen sich verwirrt an und auch die anderen waren etwas verwundert. Dann standen Theresa und Raymond schulterzuckend auf und folgten Mr Jukashni aus dem Café. Es ging wortlos über die Treppe nach unten zum Büro von Mrs Fatilla, die Theresa eigentlich nur ungerne hatte wiedersehen wollen.

„Da seid ihr zwei ja“, sagte Mrs Fatilla, als Theresa und Raymond sich verbeugt hatten, „Unser Besuch sagte, dass ihr nach draußen kommen sollt, also tut das bitte.“

So durften Theresa und Raymond nach einer weiteren Verbeugung das Büro wieder verlassen und machten sich stirnrunzelnd auf den Weg zum Nebenausgang. Beide wussten nicht genau, was sie davon halten sollten. Wer wollte sie beide sehen und wartete dafür draußen?

Doch als sie das Internatsgebäude verlassen und den Mann ein Stück entfernt erblickt hatten, blieb Raymond auf einmal wie angewurzelt stehen. Theresa war verwirrt und sah wieder zu dem Mann. Er schien so Mitte vierzig zu sein und zwischen seinen schwarzen Haaren konnte man bereits einige graue Strähnen sehen. Er trug einen grauen Anzug und drehte sich in dem Moment zu ihnen um. Theresa musste dabei erstaunt zugeben, dass er Raymond recht ähnlich sah.

„V.. Vater...“ Raymond schien das Wort kaum ausspre-chen zu können.

Theresa sah ihn verdattert an, dann blickte sie wieder zu dem Mann, der sein Vater war. Nun wusste sie, warum die beiden sich so ähnlich sahen.

„Dir scheint es ja gut zu gehen“, sagte sein Vater, doch seine Stimme klang kühl und schon fast verächtlich. Auch wie er Raymond ansah erinnerte nicht sehr an einen Vater, der einfach nur seinen Sohn sehen wollte. Es sah vielmehr danach aus, dass er irgendetwas vorhatte. Etwas nicht unbedingt Gutes.

Raymond fing sich wieder und wurde ernst. „Ich kann mich nicht beklagen.“

„Und das ist also die Betrügerin“, stellte der Vater nun fest und sah Theresa feindselig an.

„Sie ist keine Betrügerin“, sagte Raymond ernst.

„Und du bist ein Verräter“, fügte sein Vater noch hinzu und klang verächtlich.

Theresa wurde in dem Moment klar, dass das hier gerade wirklich ernst wurde. Raymonds Vater war keinem von ihnen gut gesinnt. Und prompt fiel Theresa der langsam aufkommende Wind auf. Die Blätter in den wenigen Bäumen raschelten und kündigten das Gefecht bereits an, fast wie leiser Trommelwirbel.

„Was willst du?“, fragte Raymond ernst und fasste sich an den rechten Arm.

„Das wirst du dir denken können“, sagte sein Vater, „Aber damit du und auch die Betrügerin da hinter dir es versteht, werde ich es noch mal erklären.“

Raymonds Augen wurden schmal und er stellte sich bereits sicher hin.

„Du sollst sofort mit diesem Schwachsinn aufhören und dich auf deine Aufgabe konzentrieren“, sagte der Vater und seine Stimme klang drohend, „Hör auf dich mit dieser Betrügerin abzugeben und kümmere dich wieder um Nadine. Sie ist die Kyra und was glaubst du eigentlich, warum ich dafür gesorgt habe, dass ihr beide verlobt werdet? Die Gesandten der Finsternis können nicht schon wieder verlieren und ich werde nicht zulassen, dass du einfach alles wegwirfst, für das wir Jahre lang hart gearbeitet haben!“

„Hör bloß auf!“, rief Raymond aufgebracht, „Du hast doch keine Ahnung, wie es ist von Nadine behandelt zu werden als wärst du ihr Sklave! Du hast überhaupt keine Ahnung von mir! Du warst doch damals derjenige, der mich aus dem Haus geworfen hat! Und jetzt erwartest du, dass ich auf dich höre?! Nicht mit mir!“

Theresa sah beunruhigt zwischen den beiden hin und her und überlegte, ob sie sich dort einmischen sollte oder nicht. Allerdings gab es kaum etwas, das sie tun konnte. Sie konnte beide Seiten verstehen, doch sie konnte keinem von ihnen helfen. Allerdings sah sie auf einmal etwas aus den Augenwinkeln und drehte sich um. Gleich mehrere scharfe Windböen hintereinander kamen angeflogen und waren schon erschreckend nahe.

„Pass auf!“ Raymond schob sie blitzschnell hinter sich und um seinen rechten Arm herum zirkulierte auf einmal bläuliches Wasser. Er streckte den Arm nach vorne und das Wasser schoss den Böen entgegen. Als sie aufeinander trafen, schienen sich gegenseitig aufzuheben, denn das Wasser spritzte zur Seite und auch die Böe löste sich auf. Doch als Theresa gerade zu Raymonds Vater sah, schwang dieser kurz seine Hand von rechts nach links und eine weitere Windböe schoss auf sie zu. Ohne nachzudenken riss Theresa schützend die Arme hoch und spürte nur, wie ihr rechter Arm auf einmal wieder warm wurde. Nachdem eine leichte Brise kurz mit ihren Haaren spielte, ließ Theresa ihre Arme sinken.

„Schon wieder...“, murmelte sie leise.

Raymonds Vater starrte sie entgeistert an und auch Raymond schien ziemlich überrascht. Doch dann ging die Fassungslosigkeit des Vaters wohl in Wut über.

„Das wirst du noch bereuen!“, schrie er zornig, „Ich lass mich doch von einer Betrügerin wie dir nicht aufs Kreuz legen!“

Ein regelrechter Sturm kam auf und das Rascheln in den Bäumen wurde lauter und schneller.

„Lass sie da raus!“, rief Raymond erzürnt, „Sie hat dir nichts getan!“

„Und ob sie das hat“, sagte sein Vater und grinste hämisch, „Ich werde sie töten! Dann kannst du dich auch wieder auf deine Aufgabe konzentrieren und alle sind glücklich!“

Zwischen ihnen bildete sich auf einmal eine Windhose und obwohl vor wenigen Minuten noch die Sonne geschienen hatte, zogen jetzt dunkle Wolken über den Himmel. Theresa starrte den Tornado nur entgeistert an. Ihr Rock schlug wie wild Falten und ihr Haar wehte ihr ums Gesicht. Außerdem spürte sie bereits den Sog und trat ungewollt einen Schritt zurück.

„Damit kommst du nicht durch!“

Theresa blickte überrascht zu Raymond und musste feststellen, dass sie gerade neben Ryszard stand. „Oje...“

„Du Mörder!“ Der Vater schwang augenblicklich seine Hand und die Windhose kam langsam näher zu Theresa und Ryszard. Seltsamerweise wirkten Ryszards leuchtend-rote Augen nicht sonderlich besorgt und er streckte nur eine Hand in die Richtung des Tornados. Plötzlich aller-dings schlug eine einzelne Windböe aus dem Tornado heraus und da Theresa sie dieses Mal nicht hatte kommen sehen, konnte sie die Arme auch nicht mehr hoch reißen. So wurde sie hart getroffen und ein ganzes Stück weit zurückgeschleudert, ehe sie unsanft auf der Wiese landete und erstmal kurz liegen blieb. Ryszard hatte sich leicht erschrocken umgedreht, doch nun blickte er erbost zu dem Vater und der Windhose. Ryszards Augen wurden schmal und er streckte erneut die Hand aus. Erst zeigte seine flache Hand auf den Tornado, dann schloss er seine Hand abrupt zu einer Faust und es schien fast so, als würde die Windhose auf einmal von oben und unten zusammen-gedrückt werden. Der Wind stob nach allen Seiten, doch er war nicht mehr als eine laue Brise und keineswegs verletzend. Damit war der Tornado verschwunden.

Theresa hatte sich inzwischen aufgesetzt und rieb sich den Kopf. Gerade noch hatte sie gesehen, wie Ryszard einfach den gewaltigen Tornado aufgelöst hatte und war einmal mehr sichtlich erstaunt über die Kräfte der Gesand-ten. Allerdings sah sie nun das weniger Erfreuliche. Ryszard war eindeutig noch ziemlich wütend und kam nun auf Raymonds Vater zu.

„Ich werde DICH umbringen!“, sagte Ryszard zornig.

„Das werden wir ja noch sehen!“, rief der Vater, auch wenn er etwas unsicher klang. Schließlich hatte er da gerade einen mehrfachen Mörder vor sich. Gleich mehrere Windböen erschienen und kamen Ryszard bereits entge-gen. Doch dieser zerschlug sie immer im letzten Moment einfach mit einer seiner Böen, es schien unmöglich zu sein, ihn mit einem Angriff zu treffen. Dann streckte Ryszard auf einmal eine Hand nach vorne und der Wind sammelte sich vor ihr. Er zirkulierte in einem dermaßen schnellen Tempo, dass man ihm mit dem bloßen Auge kaum noch folgen konnte und bildete auf einmal die Form eines Speers. Und es war eindeutig, was er mit diesem Ding zu tun gedachte. Ryszard holte mit dem Speer aus und wollte ihn gerade werfen, als Theresa plötzlich gut zwei Meter vor ihm auftauchte und mit ausgebreiteten Armen stehen blieb. Er konnte den Speer nur gerade eben noch festhalten, ansonsten hätte er sie mit Sicherheit durchbohrt.

„Bist du verrückt?!“, fragte Ryszard barsch, „Verschwin-de du Nervensäge!“

„Nein“, sagte Theresa nur.

„Willst du mir schon wieder in die Quere kommen?!“, fragte Ryszard aufgebracht.

„Wenn es sein muss, ja“, sagte Theresa ernst und kam einen Schritt näher, „Bitte, hör auf mit diesem unnötigen Kampf.“

„Er hat angefangen!“, schrie Ryszard fast, „Und es wird langsam mal Zeit, dass ich...“

„Nein!“, sagte Theresa mit Nachdruck in der Stimme.

„Raymond ist ebenfalls einverstanden!“, entgegnete Ryszard wütend.

„Aber ich bin es nicht!“, konterte Theresa verzweifelt, „Schlag dir das aus dem Kopf!“

Ryszard war immer noch wütend, doch er schien mit sich selber zu ringen. Dann schob er Theresa allerdings zur Seite und holte erneut mit dem Speer aus. Ehe er aber werfen konnte, packte Theresa seinen linken Arm mit beiden Händen und hielt ihn fest.

„Nicht“, sagte sie schon fast flehend, „Ich bitte dich und Raymond, lasst es sein.“

Ryszard war deutlich mit sich am ringen und Raymond war wahrscheinlich auch mit dabei, doch schließlich löste sich der Speer aus Wind in Ryszards Hand auf. Er seufzte laut und schien die Zähne zusammenzubeißen, doch dann nahm er auf einmal Raymonds Vater ins Visier.

„Aber lass dir eines gesagt sein, alter Mann“, sagte Ryszard drohend, „Von mir und Raymond: Solltest du noch einmal versuchen ihr etwas anzutun, werden wir dich mit allen Mitteln stoppen. Verlass dich darauf.“ Damit schob Ryszard Theresa vor sich her und ging.

Raymonds Vater sah ihnen nur vollkommen verdattert hinterher. Er war früher natürlich immer über alles Wich-tige informiert worden und so auch über die Übernahmen von Ryszard. Es hatte zuvor noch nie etwas gegeben, das Ryszard aufhalten konnte. Und wenn sich Raymond und Ryszard auch noch einig waren, gelang es noch nicht mal Nathaniel das Gespann zu stoppen. Wie also konnte diese Theresa, die Betrügerin, die beiden stoppen? Sie war die Einzige, der das je gelungen war.

Inzwischen hatten Theresa und Ryszard bereits das Internatsgebäude wieder betreten und waren auf dem Weg nach oben.

„Ähm.. wann gedachtest du eigentlich wieder mit Raymond zu wechseln?“, fragte Theresa mit einer hochge-zogenen Augenbraue, „Es wäre etwas schwer zu erklären, wieso Raymond auf einmal rote Augen hat.“

„Tse, so schnell verschwinde ich nicht wieder“, sagte Ryszard gereizt, „Es reicht mir schon, dass du schon wieder einen meiner Kämpfe versaut hast, also komm nicht auf die Idee, jetzt noch etwas zu fordern.“

„He he he.. war ja nur ein Vorschlag“, sagte Theresa etwas resigniert. Sie fragte sich langsam, wann Raymond seinen Mitbewohner wieder im Griff hatte.

„Wo ist Fynn? Mit dem hab ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen“, sagte Ryszard wie beiläufig und sah sich suchend um.

„Hoffentlich nicht in der Nähe...“, murmelte Theresa nur leise.

Dann schien Ryszard etwas aufgefallen zu sein und er packte Theresa am linken Unterarm. Augenblicklich jedoch traf ihn ein heftiger Stromschlag und er zog seine Hand erschrocken wieder zurück. Theresa hielt sich den linken Arm, wo das weiße Tattoo am Unterarm reagiert hatte. Sie verzog nur das Gesicht, langsam wurde es wirk-lich merkwürdig. Nun hatte auch noch das zweite Tattoo reagiert, was war nur los?

Ryszard war immer noch wie vom Donner gerührt und wollte gerade etwas sagen, doch in dem Moment waren von oben Schritte zu hören. Nathaniel kam die Treppe herunter und verharrte gut fünf Stufen über ihnen.

„R-Ryszard...“, brachte er nur stockend hervor.

„Hey, das ist auch keine schlechte Idee“, sagte Ryszard und grinste freudig.

„Oh nein...“, seufzte Theresa nur und stellte sich schnell zwei Stufen höher vor Ryszard, „Du könntest dir langsam wirklich mal was anderes einfallen lassen, als immer nur mit allem und jedem kämpfen zu wollen.“

„Hey Nathaniel, ist Raymond hie..r...“ David war ein Stück weiter oben auf der Treppe aufgetaucht und sah Raymond entgeistert an, denn ihm waren die roten Augen sofort aufgefallen.

„Ah, der Clown“, sagte Ryszard und knackte mit den Fingerknöcheln, „Gleich zwei, das wird spaßig.“

„Nein, nein, nein!“, sagte Theresa und stöhnte, „Keine Kämpfe auf der Treppe oder in den Gängen!“

„Dann draußen“, sagte Ryszard freudig grinsend.

„Nein!“ Theresa ließ den Kopf hängen und seufzte. „Hör endlich auf immer nur ans Kämpfen zu den...“

Sie wollte eine Stufe runter kommen, doch sie rutschte auf einmal ab und fiel nach vorne. Zwar fiel sie Ryszard genau in die Arme, doch so schnell kam er in keinen sicheren Stand und beide fielen nach hinten die Treppe runter. Zwar hatten sie erst ein drittel der ersten Hälfte der über Eck verlaufenden Treppe hinter sich, doch das waren trotzdem immerhin gute acht Stufen, die sie da herunter fielen. Theresa hatte zwar das Glück noch halb auf Ryszard zu landen, doch trotzdem war die Landung alles andere als sanft.

„Aua...“, murmelte sie nur.

„Das kannst du laut sagen.“

Theresa blickte überrascht auf und sah in die gelben Augen von Raymond.

„Ich hätte Ryszard vielleicht erst nach der Landung überwältigen sollen“, stellte Raymond fest und rieb sich den schmerzenden Kopf.

„Ich glaube, die Kopfschmerzen wären geblieben“, sagte Theresa schief lächelnd und kam wieder auf die Füße.

Raymond kam ebenfalls wieder auf die Beine und Nathaniel und David stießen zu ihnen.

„War das gerade Ryszard?“, fragte David ungläubig.

„Stimmt, du kennst die Nervensäge ja noch nicht“, stellte Raymond nur resigniert fest.

„Ja, das war er“, sagte Nathaniel und auch er klang nicht gerade begeistert.

„Aber.. heißt es nicht eigentlich immer, dass er absolut rücksichtslos und brutal und bedrohlich ist?“, fragte David stirnrunzelnd, „Außerdem sagen doch alle immer, dass er auf niemanden hört und gerade.. hat Theresa mit ihm ganz normal wie mit jedem anderen gesprochen und er war nicht so bedrohlich, wie ich es eigentlich erwartet habe...“

„Ja.. bei Theresa wird er irgendwie immer handzahm“, sagte Raymond resigniert und verzog das Gesicht, „Auf sie hört er mittlerweile besser als auf mich...“

„Tja, das ist wohl unser Glück“, seufzte Nathaniel, „Ich hab mir darum schon Sorgen gemacht, da er in letzter Zeit anscheinend öfter übernimmt.“

„Ich würde sagen, das haben wir ganz gut im Griff“, sagte David, „Zumindest solange Theresa in der Nähe ist.“

Diese legte nur den Kopf schief und zuckte mit den Schultern. Allerdings freute es sie, dass auch sie behilflich sein konnte. Außerdem war sie irgendwie stolz darauf, dass es ausgerechnet ihr als einziges gelang Ryszard zu stoppen.

Kapitel 18: alte Wunden und ein noch älteres Vermächtnis

Schließlich aber machten sich die drei Jungen und Theresa wieder auf den Weg ins Café, wo Nicole, Jessica und Vanessa schon auf sie warteten. Raymond und Theresa durften natürlich gleich erzählen, wen sie nun getroffen hatten und was passiert war. Nathaniel schien ziemlich erschrocken zu sein, während David und die drei Mädchen eher sehr interessiert wirkten und gespannt zuhörten.

„Oje...“, seufzte Nathaniel, als Theresa und Raymond endeten.

„Ganz schön spektakulär“, stellte Jessica erstaunt fest, „Echt abgefahren.“

„Auf jeden Fall äußerst interessant“, sagte Vanessa, „Auch wenn du bei deinem Vater wohl unten durch bist.“

„Das war ich schon, als Ryszard das erste Mal übernom-men hat“, warf Raymond ein, „Weiter nach unten sinken kann ich eigentlich nicht mehr.“

„Du kannst einem echt leidtun“, bemerkte Nicole.

Raymond winkte ab. „Daran gewöhnt man sich.“

Eine Weile herrschte Schweigen am Tisch, in der jeder seinen eigenen Gedanken nachging.

„Es müsste bald so weit sein“, sagte Nathaniel dann auf einmal ernst.

Die anderen am Tisch nickten nur ernst, bis auf Theresa, die nicht so ganz verstand, wovon die anderen sprachen. Doch ehe sie überhaupt fragen konnte, wurde es auf einmal ziemlich laut im neunten Stock des Cafés. Zwei Jungen waren aufgesprungen und stritten miteinander. Es schien ihnen auch egal zu sein, dass inzwischen alle im Café zu ihnen herüber sahen. Theresa verstand nicht genau, worum es bei dem Streit eigentlich ging, doch die beiden schienen ziemlich aufgebracht zu sein. Außerdem fiel ihr auf, dass es in ihrem linken Arm kribbelte. Dann bemerkte sie, wie einige der großen Pflanzen, die in regelmäßigen Abständen zwischen den Tischen standen, auf einmal anfingen sich zu bewegen. Ganz selbstständig, als wären sie plötzlich lebendig.

„Was...?“, noch bevor Theresa die Frage laut ausspre-chen konnte, waren Nathaniel und Jessica aufgesprungen und liefen zu den beiden streitenden Jungen herüber.

„Lasst den Schwachsinn!“, sagte Nathaniel und stellte sich zwischen die beiden.

„Halt dich da raus!“, schrie einer der Jungen nur, dessen hellbraune Haare bereits ziemlich durcheinander waren.

„Verzieh dich!“, sagte der andere erbost und hob seine Hand, was zur Folge hatte, dass die Pflanzen sich nun end-gültig erhoben und schon beinahe aus ihren Blumentöpfen steigen wollten.

„Schluss jetzt!“, rief Jessica jedoch und hob nun ihre rechte Hand. Doch im Gegensatz zu dem Jungen, schien sie sie sofort wieder mit einigem Kraftaufwand nach unten zu drücken. Daraufhin hörten die Pflanzen auf sich zu bewegen und sanken nach einem kurzen Widerstand zurück in ihre vorgesehenen Blumentöpfe.

„Was...?“ Der Junge sah sie aufgebracht an.

„Geh mir aus dem Weg!“, rief der andere Junge und ganz plötzlich schoss aus seiner Hand eine Stichflamme. Allerdings schien sie ein wenig außer Kontrolle zu geraten, denn sie erwischte Jessicas rechten Arm und leckte fröhlich an dem Ärmel ihres Blazers.

Daraufhin brach endgültig das Chaos aus. Viele der Schüler, die in der Nähe des Tisches gesessen hatten, sprangen erschrocken auf und liefen schreiend davon. Unter diesen Schreien war auch Jessicas entsetzter Aufschrei. Nathaniel schlug mit dem Wind die übrigen Flammen zurück, doch ihr Ärmel war immer noch dabei zu verbrennen und der Wind schien das Feuer nur noch anzufachen. In dem Moment tauchte jedoch Raymond neben den beiden auf und plötzlich erschienenes Wasser umschloss wie ein Ring Jessicas Arm und löschte die restliche Glut auf ihrem Ärmel. Mittlerweile hatten viele der Besucher des Cafés den Raum verlassen und auch die beiden Jungen, die den Streit angezettelt hatten, waren vor lauter Überraschung geflohen.

„Ich hasse Feuermagier, die ihr Handwerk nicht richtig beherrschen“, sagte Nathaniel ernst und sah Jessicas Arm beunruhigt an.

„Das war verdammt knapp“, seufzte Raymond nur und das Wasser verschwand wieder im Nichts.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Theresa, die immer noch erschrocken war und Jessica besorgt ansah. Auch Nicole, Vanessa und David waren inzwischen bei der Gruppe angekommen.

„Ja, es hat zum Glück nur meinen Ärmel erwischt“, sagte Jessica und lächelte schon wieder, auch wenn sie ziemlich erleichtert wirkte. Sie hob ihren rechten Arm, wo der Ärmel ihrer beigen Bluse und des Blazers fast bis zum Ellenbogen verbrannt waren. Auf dem Unterarm selbst waren keine Verbrennungen zu sehen, nur einige weiße Linien bildeten verschlungene Muster und wanden sich bis hoch zu ihrem Ellenbogen, wo sie unter ihrem Ärmel verschwanden.

„Dann ist ja gut“, seufzte Nicole erleichtert und klopfte ihrer Freundin auf die Schulter, „Mach nicht noch mal so was Unüberlegtes.“

Theresa starrte währenddessen Jessicas Unterarm an. Das Muster sah beinahe genauso aus, wie das, das sie selbst an ihrem linken Unterarm hatte.

„Hatte ich nicht geplant“, sagte Jessica, „Der Schreck reicht mir für´s erste...“ Ihr war Theresas verdatterter Blick aufgefallen. „Ist was?“

„Äh?.. Dieses.. Muster.. sieht ziemlich cool aus“, stotterte Theresa etwas unsicher, „Woher hast du das?“

Jessica blickte etwas verwirrt auf ihren Unterarm, dann sah sie Theresa mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Hat Nathaniel das nicht erwähnt? Alle Gesandten haben so ein Muster an ihrem Hauptarm, also dem Arm, mit dem sie die meisten Sachen machen. Meistens ist es ihre Schreibhand. Mit diesem Muster sind wir in der Lage unsere Kräfte zu kontrollieren. Je nach dem zu welchen Gesandten wir gehören, ist das Muster entweder schwarz oder weiß. Es sieht auch bei jedem etwas anders aus, das kommt immer darauf an, wie ausgeprägt die Kräfte des Gesandten sind. Ist das Muster sehr deutlich und windet sich weit den Arm hoch, ist der Gesandte ein sehr starker und man sollte sich nicht unbedingt mit ihm anlegen. Im Normalfall gehen die Muster etwa bis zum Ellenbogen und sehen aus wie Rosenranken oder etwas ähnliches.. Warum fragst du eigentlich?“

„A-Ach, nur so“, sagte Theresa schief lächelnd und winkte ab. Sie musste heute Abend noch mal überprüfen, ob sie sich nicht vielleicht doch täuschte. Denn wenn sie sich nicht täuschte, würde das bedeuten, dass sie durchaus zu den Gesandten gehörte.

Wenig später trafen auch einige Lehrer ein, die erstmal für Ordnung im Café sorgten und die Unruhestifter mit nach unten schleppten, um ihnen eine saftige Strafe aufzu-brummen. Da es ohnehin schon bereits halb sechs war, trennte sich die Gruppe auch und Theresa ging vorerst zu ihrem Schlafraum. Erstmal wollte sie herausfinden, ob es wirklich sein konnte, dass ihre Vermutung stimmte. Denn wenn das der Fall war, taten sich schon wieder unzählige Fragen auf. Als sie gerade im dritten Stock von der Treppe nach links abbog und zu ihrem Zimmer gehen wollte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Beinahe wäre sie mit Nadine zusammengestoßen, die in die andere Richtung unterwegs war. Sie starrte Theresa genauso entgeistert an, wie Theresa sie wahrscheinlich auch anstarrte.

„Äh.. guten Abend...“, brachte Theresa nur stockend hervor. Sie hoffte, dass nicht allein schon ein einfacher Gruß ausreichte, um Nadine auf die Palme zu bringen.

„Geh mir aus dem Weg“, sagte diese jedoch drohend und sie schien Theresa mit bloßen Blicken erdolchen zu wollen.

Diese trat nur schnell zwei Schritte zur Seite. Sie wollte um jeden Preis einen Konflikt mit Nadine vermeiden, immerhin standen ihre Überlebenschancen in einem richtigen Kampf gegen sie ziemlich gering. Wenn Theresa genauer nachdachte, hatte sie eigentlich überhaupt keine Chance gegen Nadine. Immerhin stammte sie direkt von der Familie der Kyras ab und nicht nur zum Teil wie Theresa.

Nadine ging an ihr vorbei, doch dann blieb sie stehen und drehte sich um. Ihr Blick war hasserfüllt. „Ich werde dich töten.“

Theresa erstarrte und sah sie erschrocken an. Warum war denn ausgerechnet jetzt niemand im Gang? Sie war vollkommen auf sich allein gestellt und es schien wirklich so, als würde ihr Ende gerade bedrohlich nahe rücken.

„Nur wegen dir ist mein Leben den Bach runtergegan-gen“, sagte Nadine drohend und kam auf Theresa zu, die zurückwich, „Nur wegen dir hat sich Raymond von mir abgewandt. Nur wegen dir sehen mich alle verachtend an und wahrscheinlich verdanke ich es auch dir, dass Fynn meine Bitte ausgeschlagen hat.“

Theresa war leicht erstaunt. Hatte Fynn auf sie gehört? Allerdings kam sie nicht dazu darüber nachzudenken, denn ihre Lage war immer noch ziemlich bedrohlich und Nadine schien sich mehr und mehr in ihre Wut hineinzu-steigern.

„Du wirst dafür büßen, mein Leben zerstört zu haben!“, rief Nadine und hob ihre rechte Hand. Dabei rutschte ihr Ärmel etwas hoch und Theresa erkannte das weiße, verschlungene Muster, das augenblicklich zu glimmen begann. Kleine weiße Lichter leuchteten daraufhin um Theresa herum auf und drehten sich langsam im Kreis um sie. Den Kreis schlossen sie jedoch langsam immer enger und Theresa sah Nadine nach wie vor erschrocken an. Ihr war nämlich klar, dass sie eine Berührung mit diesen Lichtern wahrscheinlich nicht sehr gut verkraften würde.

Plötzlich jedoch gingen die einzelnen Lichter in Flammen auf und Theresa zog den Kopf ein. Im nächsten Moment waren die Lichter und die Flammen wieder verschwunden und Theresa sah sich verwirrt um.

„Alles in Ordnung?“, fragte Alicia und ging neben ihr in die Knie.

„J-Ja“, sagte Theresa stockend.

„Was fällt dir ein sie anzugreifen?“, fragte Alicia darauf-hin Nadine und stand wieder auf, „Theresa hat keine Kräfte und du weißt genau, dass es uns verboten ist Leute anzugreifen, die keine Gesandten sind!“

„Sie hat aber mein komplettes Leben zerstört!“, schrie Nadine aufgebracht, „Und du solltest dich mir nicht in den Weg stellen und in dein Zimmer zurückgehen. Gegen mich hast du eh keine Chance!“

„Wir haben aber auch noch eine Rechnung offen“, bemerkte Alicia und wurde nun ihrerseits drohend, „Ich werde dir nicht vergeben, dass du meinen kleinen Bruder fast verdorben hättest.“

Theresa sah zwischen den beiden hin und her. Schon wieder bahnte sich ein Kampf an. Zurzeit schien da wirk-lich der Wurm drin zu sein. Oder näherte sich langsam der Zeitpunkt, an dem der Kampf beginnen sollte und deshalb waren alle so angespannt?

„Hört sofort auf!“, rief Fynn auf einmal, der die Treppe runter jagte und scheinbar bereits begriffen hatte, um was es hier ging.

„Halt dich da raus, Brüderchen“, sagte Alicia und wurde ernst, „Das ist etwas, was ich schon lange hätte tun sollen.“

„Hör auf!“, sagte Fynn und stellte sich vor Nadine, „Es bringt doch gar nichts, wenn wir uns jetzt auch noch untereinander bekämpfen.“

„Oh doch“, sagte Nadine auf einmal und schob sich an Fynn vorbei, um eine bessere Sicht zu haben, „Es regt ab und außerdem hat deine bescheuerte Schwester selber Schuld, wenn sie sich zwischen mich und die Betrügerin stellt.“

Fynn schien Theresa erst jetzt zu entdecken, die noch immer schräg hinter Alicia auf dem Boden saß und das Geschehen beobachtete.

„Ich werde ganz sicher nicht zulassen, dass du ihr etwas antust!“, rief Alicia und unter dem Ärmel ihres Blazers begann etwas weißes zu leuchten. Es war das verschlun-gene Muster, das sich fast bis zu ihrer Schulter hoch wand.

„Lass es!“, sagte Fynn aufgebracht und hielt seine Schwester am Arm fest, „Hör auf damit! Das macht die Sache nicht besser und fordert höchstens Verletzte!“

Währenddessen waren bereits neue, jedoch schwarze Lichter erschienen und schwebten unruhig durch die Luft. Theresa erkannte auch, dass es Nadine egal zu sein schien, dass sie bei dem Angriff auf Alicia auch Fynn verletzen würde. Schneller als sie überhaupt darüber nachdenken konnte stand sie auf und rannte an Alicia und Fynn vorbei, die die Gefahr erst jetzt zu bemerken schienen. Die schwarzen Lichter flogen auf sie zu und Theresa riss nur wieder schützend ihre Arme hoch. Doch bevor das Muster auf ihrem rechten Unterarm reagieren konnte, fegte auf einmal eine Windböe zwischen ihnen hindurch und die schwarzen Lichter waren verschwunden.

„Was ist hier los?“ Raymond sprang die letzten acht Stufen der Treppe mit einem Satz herunter und blieb neben Theresa stehen, „Was soll das werden, Nadine?“

Diese starrte ihn wutentbrannt an. „Ich werde diejenige umbringen, die mein komplettes Leben zerstört hat!“

Hinter Nadine tauchten inzwischen auf einmal drei Jungen auf. Sie sahen die Anwesenden, bis auf Nadine, jedoch feindselig an. Und auch wenn Theresa sich nicht ganz sicher war, glaubte sie, dass die drei Gesandte des Lichts waren. Sie schienen Freunde von Nadine zu sein, auch wenn Theresa sich das nur schwer vorstellen konnte. Jedoch war ihr mittlerweile eines aufgefallen. Jedes Mal wenn Nadine von ihr sprach, klang sie zwar drohend und vollkommen wütend, doch Theresa glaubte auch eine ganz leichte Verzweiflung in ihrer Stimme zu hören.

„Das werde ich in jedem Fall verhindern“, sagte Raymond und seine Augen wurden schmal. Er wirkte allerdings ein wenig verkrampft.

„Dann werde ich dich und das Monster in dir eben zuerst aus dem Weg räumen!“, rief Nadine vollkommen aufge-bracht.

Das schien jetzt jedoch die weniger passende Wortwahl gewesen zu sein, denn prompt zuckte Raymond kurz und im nächsten Moment öffnete er seine roten Augen wieder.

„Nicht wenn ich dich zuerst töte“, konterte Ryszard und prompt wehte ein laues Lüftchen im Flur.

Hinter ihm flammte jedoch kurz eine Stichflamme auf. „Das wirst du sein lassen“, sagte Fynn drohend und stellte sich vor Alicia, die auf einmal ziemlich verängstigt wirkte.

„Na das passt ja mal“, grinste Ryszard, „Alle auf einen Schlag, heute scheint mein Glückstag zu sein.“

„Nein!“, rief Theresa in dem Moment jedoch endlich und kam auf ihre Füße, „Verdammt noch mal, nein!“

„Du schon wieder“, stöhnte Ryszard verärgert.

„Ja, ich“, sagte Theresa und wollte sich an Fynn vorbei schieben, doch er hielt sie am linken Oberarm fest.

„Geh nicht zu ihm, Theresa“, sagte Fynn eindringlich.

„Fynn.“ Theresa versuchte ihren Arm zu befreien, doch es half nichts. „Mir passiert nichts, ich...“

„Wegen Ryzsard wäre Alicia beinahe gestorben!“, rief Fynn plötzlich aufgebracht und sah ihr direkt in die Augen, „Als Raymond und ich uns damals nach unserer Ausbildung wieder begegnet sind, hat er die Kontrolle verloren und Ryszard hätte Alicia beinahe getötet! Sie hat mehrere Wochen im Krankenhaus gelegen!“

Theresa starrte ihn entgeistert an. Dann fiel ihr Blick auf Alicia, die hinter Fynn stand und wirklich Angst zu haben schien. Zu Letzt wanderte ihr Blick zu Ryszard, der einen kurzen Moment lang schon fast bestürzt aussah, ehe er wie üblich grinste.

„Ja, sie hat sich mir damals in den Weg gestellt, als ich dem Strohkopf sein verfluchtes Maul stopfen wollte“, sagte Ryszard und sah die drei verächtlich an.

Nadine hatte sich in der Zwischenzeit mit ihren drei Anhängern verdrückt, sie hatte anscheinend keinen Sinn mehr darin gesehen, dem Geschehen beizuwohnen, wenn es nicht um sie ging.

Theresa sah Ryszard einige Sekunden lang an. „Lass mich los“, sagte sie dann auf einmal zu Fynn.

Dieser sah sie verwirrt an, folgte ihrer Bitte jedoch nicht.

Deswegen wohl kniff Theresa ihn so kräftig in den Arm, dass er sie doch los ließ. Sie ging auf Ryszard zu, der sie ansah und anscheinend versuchte zu erkennen, was sie vorhatte. Obwohl Fynn noch rief, dass sie ihm nicht zu nahe kommen sollte, blieb Theresa erst gut einen Meter vor Ryszard stehen und sah ihm direkt in die Augen.

„Greif mich an“, sagte Theresa.

Ryszard sah sie verständnislos an.

„Nun greif mich schon an“, wiederholte Theresa, „Du bist doch ein Mörder, also warum tötest du mich jetzt nicht auch einfach?“

Alicia und Fynn sahen Theresa entsetzt an.

Ryszard wirkte recht verwirrt und verzog das Gesicht. „Warum sollte ich mir denn die Hände an dir schmutzig machen?“, fragte er nach einigen Sekunden des Schwei-gens, „Ich will den Blondschopf da umbringen und nicht dich.“

„Und warum nicht mich?“, fragte Theresa. Sie sah ihm weiterhin in die Augen, was ihn langsam schon beinahe nervös zu machen schien.

„Warum?“ Ryszard schien keine passende Antwort einzufallen.

„Wenn du wirklich ein ruchloser Mörder wärst, würdest du mich doch jetzt auch einfach umbringen“, sagte Theresa, „Sicher, du hast viele Leute umgebracht. Ich kann mir wahrscheinlich nicht mal annähernd vorstellen, welch eine Qual das für die Familien war, aber du hast mir auch schon geholfen. Vielleicht bin ich naiv, aber ich glaube nicht, dass du NUR ein Mörder bist.“

Ryszard schien einerseits wütend zu sein, doch anderer-seits wirkte er auch etwas unsicher.

„Das ändert aber nichts an dem, was er getan hat“, warf Fynn ein, „Ich werde ihm jedenfalls niemals verzeihen und er wird noch für das büßen, was er meiner Schwester angetan hat.“

„Da hörst du es, du Nervensäge“, sagte Ryszard nun mürrisch, „Und jetzt wird es Zeit, dass Whitey und ich unsere alte Rechnung begleichen.“

Ein leichter Wind kam auf und Theresa sah zwischen den beiden Fronten hin und her. Die Luft war zum Zerreißen gespannt. Außerdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie gerade den Grund für den Streit von Fynn und Raymond herausgefunden hatte. Was wenn die beiden Jungen sich so sehr hassten, wegen dem, was damals bei dem Treffen passiert war? Demnach ging es darum, dass Ryszard Alicia beinahe getötet hatte. Jedoch war Theresa vorher nie aufgefallen, dass Alicia Angst vor Raymond hatte. Oder galt ihre Angst vielleicht nur Ryszard? In jedem Fall schien Fynn die Schuld an dem Vorfall Raymond zu geben, der Ryszard damals nicht unter Kontrolle hatte. Schön und gut, jetzt kannte sie den Grund. Nur was sollte sie tun?

Aus Fynns Hand zuckte auf einmal eine Flamme, die als kleines Feuer kurz über seiner Hand in der Luft brannte. Alicia war einige Schritte zurückgetreten und beobachtete das Geschehen. Ihr Gesichtsausdruck zeigte jedoch, dass sie nicht ganz einverstanden mit dem war, was die beiden Jungen da machten. Sie würde sich jedoch nicht noch einmal zwischen die beiden stellen. Sie wusste, dass das keinen Sinn hatte.

„Na dann“, sagte Ryszard grinsend und der Wind wurde stärker.

Feuer schlug aus Fynns ausgestreckter Hand und mehrere kräftige Windböen kamen aus Ryszards Richtung geflogen. Sie wollten wohl dem jeweils anderen mal eine Kostprobe ihrer Kraft geben. Theresa stellte sich jedoch mitten zwischen die beiden Jungen und so waren die Angriffe nun auf sie gerichtet. Ryszard und Fynn waren beide erschrocken, doch um die Angriffe abzubrechen hatten sie nicht mehr genügend Zeit. Ryszard wirkte dabei noch geschockter als Fynn, wahrscheinlich erinnerte ihn das sehr an den ersten Kampf damals. Theresa stieß einen erschrockenen Schrei aus, doch in dem Moment fegte plötzlich ein kräftiger Luftzug durch den Gang. Ryszard und Fynn wurden plötzlich gegen die Wand geschleudert und ihre Angriffe waren beide weggeblasen worden, sodass Theresa nochmal mit dem Schreck davonkam.

„Wenn man euch nur einmal alleine lässt“, stöhnte Nathaniel, der hinter Ryszard auftauchte, welcher sich den schmerzenden Schädel rieb und noch leicht benommen schien. Auch Fynn hatte sich bei der Kollision kräftig den Kopf gestoßen und stöhnte leise.

Theresa sank unterdessen auf die Knie. In dieser Situation war ihr wieder klar geworden, dass es zwischen ihr und den anderen einen gewaltigen Unterschied gab. Die anderen besaßen Macht, während Theresa nichts hatte. Das Einzige, was sie besaß, war ihr Mundwerk, das mittlerweile anscheinend auch nutzlos geworden war. Mehr noch als das sie traurig darüber war, frustrierte sie dieser Umstand.

„Theresa...“

Sie sah verwirrt auf. Doch auch als sie sich umsah, sah sie keinen anderen außer denen, die vorhin auch schon hier gewesen waren. Die Stimme gehörte jedoch zu keinem von ihnen. Zudem schienen die anderen diese Stimme auch gar nicht gehört zu haben.

„Verdammt, Nathaniel...“ Fynn kam mühsam wieder auf die Beine und rieb sich die schmerzenden Körperteile. Die Luft um ihn herum schien jedoch wärmer zu sein als gewöhnlich.

„Hört alle beide sofort damit auf“, sagte Nathaniel in befehlendem Ton, „Wenn ihr hier kämpft, richtet ihr ein heilloses Durcheinander an und außerdem könntet ihr andere verletzen.“

„Dann pfeif Ryszard gefälligst zurück und halte ihn an der kurzen Leine“, sagte Fynn drohend und die Luft um ihn herum schien vor Hitze gar zu flimmern, „Ich werde definitiv nicht zulassen, dass er noch einmal jemanden so verletzt wie Alicia. Und wenn ich ihn und damit Raymond töten muss, ist es mir gleich.“

„Theresa...“

„Glaubst du wirklich, ich lass mich von dir so einfach umbringen?“, fragte plötzlich Raymond und kam auf die Füße. Seine Augenfarbe wechselte jedoch immer wieder zwischen rot und gelb, was ziemlich unheimlich aussah.

 „Kommt beide wieder zur Vernunft“, sagte Nathaniel, der bereits erkannte, dass die Situation langsam außer Kontrolle geriet.

„Ich bitte euch“, sagte auch Alicia, die einige Meter hinter Fynn stand und noch immer ziemlich unsicher wirkte, was so gar nicht zu ihrem sonst so fröhlichen und spitzen Charakter passen wollte. „Bitte, hört sofort auf.“

Fynn und Ryszard, seine Augen waren zurzeit gerade rot, sahen sich an. Ein starker Wind kam auf und die Luft um Fynn herum schien sich noch weiter aufzuheizen. Es war eindeutig, dass keiner von beiden plante aufzuhören. Sie waren viel zu sehr in Rage.

„Theresa...“

Theresa sah dem Geschehen ungläubig zu. Wenn nicht gleich ein Wunder geschah, gab es ein gewaltiges Chaos. Dann würden die beiden Jungen, denen sie so viel verdankte und die sie beide sehr mochte, sich gegenseitig wahrscheinlich bis auf den Tod bekämpfen. Und das noch vor dem großen Kampf. Sie musste etwas tun! Sie musste sie irgendwie aufhalten!

Das wusste sie, dennoch war ihr auch klar, dass es ihr an Kraft fehlte. Vielleicht war sie ebenfalls eine Kyra, doch sie besaß nicht die Kraft ihre Freunde zu beschützen. Sie war wirklich verdammt. Verdammt zum Zusehen, während sich all ihre Freunde früher oder später in einen unausweichlichen Kampf stürzen würden. Sie hasste es. Sie wollte Kraft! Eine Kraft, mit der sie das Schicksal der Gesandten ändern konnte. Eine gewaltige Kraft...

„Theresa!“

Nathaniel und Alicia hatten sich bereits außer Schuss-linie gebracht, da es unmöglich schien Ryszard und Fynn jetzt noch aufzuhalten, doch Theresa stand den beiden immer noch ziemlich nahe. Sie spürte die unbarmherzige Hitze, die von Fynn ausging, und den rauen Wind von Ryszard deutlich. Beide waren dabei einen vernichtenden Angriff zu starten.

„Heute wirst du für damals bezahlen“, sagte Fynn drohend und eine gewaltige Feuerwalze machte sich auf den Weg zu Ryszard. Das Feuer flammte durch den gesamten Flur und leckte an allem, was es berührte.

„Du wirst noch vor mir ins Gras beißen, glaub´s mir“, sagte Ryszard und ein kompletter Tornado fegte durch den Flur in Fynns Richtung. Beide Angriffe würden mit Sicherheit tödlich enden, wenn jemand von ihnen erwischt wurde. Zum Beispiel Theresa, die immer noch am Rand des Flures zwischen den beiden Jungen stand, die sie allem Anschein nach vollkommen vergessen hatten.

„HÖRT AUF!“, schrie Theresa nur aus Leibeskräften, während Alicia und Nathaniel, die ein Stück die Treppe hinauf gelaufen waren, erschrocken stehen blieben und sie anstarrten. Die beiden Angriffe würden sie doch glatt vernichten!

„Theresa...“

Als Theresa ihre Augen öffnete, sah sie sich verwirrt um. Sie hatte keinerlei Ahnung, wo sie jetzt auf einmal war. Jedenfalls befand sie sich nicht mehr im Internat, so viel stand fest. Über ihr war blauer Himmel mit einigen weißen Schäfchenwolken, unter ihr war ein flacher Boden und in der nahen Umgebung konnte sie nichts entdeckten. Abgesehen von dem Himmel gab es hier nichts zu sehen. Wo war sie?

„Willkommen, Theresa Kyrashni.“

Theresa blinzelte überrascht. Vor ihr standen auf einmal sechs Personen, von denen zwei weiblich und die übrigen vier männlich waren. Und wie sie verwirrt feststellte, wusste sie genau, wer diese Personen waren. Doch gerade deswegen konnte sie ihren eigenen Augen nicht trauen. Das war doch unmöglich.

„Nichts ist unmöglich“, sagte Kyra, der Erste aus der Familie der Kyras, lächelnd, „Wir sind die Kyras der vergangenen Generationen.“ Seine kurzen, braunen Haare hatten einen starken, kupfernen Stich und waren etwas zerzaust. Dennoch strahlte er eine unglaubliche Kraft und Würde aus.

Theresa konnte es immer noch nicht glauben. Sie starrte die sechs mit großen Augen an.

„Und dass du nun hier bist, kann nur bedeuten, dass deine Kräfte dabei sind zu erwachen“, fügte Kyra noch hinzu und sah ihr dann auf einmal direkt in die Augen, „Du bist vielleicht keine reinblütige Kyra, doch auch in dir steckt eine große Kraft. Wer weiß, vielleicht ist gerade diese Kraft in der Lage das Schicksal der Gesandten zu ändern.“

„Ich glaube auch, dass das Erwachen deiner Kräfte einen Grund hat“, sagte die Fünfte, ihr Name war Jasmei, „Du bist mir jedenfalls wesentlich sympathischer als unsere andere Kandidatin.“

„Oder es ist nur ein reiner Zufall und absolut nichts zu bedeuten“, warf der Vierte kalt ein.

„Man, du hast wirklich immer schlechte Laune, Drake“, sagte Kately, die Dritte, seufzend, „Aber es ist doch inte-ressant zu sehen, was die Zeit alles für Überraschungen bringt.“

„Wir werden sehen, welche Überraschung die Siebte für uns hat“, sagte der Zweite mit Namen Dominic la May, „Wir werden in jedem Fall zusehen.“

„Auch wenn es manchmal wirklich gemein ist, dass wir uns nicht mehr einmischen können“, bemerkte Florinan, der Sechste und zugleich jüngste, und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, „Manchen der Gesandten hätte ich ein ums andere Mal wirklich gerne mal einen Tritt in den Hintern verpasst.“

Theresa kam sich vor wie im falschen Film. Das hier waren die Kyras der vergangenen sechs Generationen. Und sie befand sich mitten in ihrer Mitte. Obwohl sie noch nicht mal den blassesten Schimmer hatte, wovon die hier eigentlich redeten. Zumindest hätte sie das bis vor kurzem nicht gehabt. Seit sie hier ankommen war, wo auch immer sie sich befand, wusste sie auf einmal alles. Sie hatte keine Ahnung, ob das an den anderen Kyras oder an diesem Ort lag, doch sie kannte nun die komplette Geschichte der letzten Jahrtausende, in denen dieser Kampf stattgefunden hatte. Denn auch wenn die wahren Kräfte der Kyra nur in der Generation durchstieß, in der der Kampf gegen die Vestroyen stattfand, betrieben auch die Erben der anderen Generationen immerzu ein hartes Training, um ihrer Rolle gerecht zu werden. Theresa kannte nun die Geschichte und dabei wurde ihr einmal mehr bewusst, wie wenig sie für die Rolle als Kyra geeignet war. Sie war zwar sportlich, doch mit der Fitness der anderen Gesandten konnte sie sich nicht messen.

Kyra, der Erste der gesamten Generationen, beobachtete Theresa, die immer noch auf dem Boden kniete und deprimiert nach unten starrte.

„Gibt es etwas, das du um jeden Preis beschützen willst?“

Theresa zuckte zusammen und sah auf. Der Erste sah sie an und schien auf eine Antwort zu warten. Einen Moment lang wusste Theresa nicht, was diese Frage sollte, doch sie kannte die Antwort.

Meine Freunde

 Der Erste lächelte leicht und sah sie aus seinen Augen, die beide ebenfalls zwei unterschiedliche Blautöne hatten, an. „Und was hindert dich daran, sie zu beschützen?“

Ich.. besitze nicht genug Kraft. In einem Kampf könnte ich sie nicht beschützen. Ich kann nichts ausrichten, selbst wenn ich es versuchen würde.

„Denkst du wirklich so?“ fragte der Erste leicht enttäuscht.

Theresa sah nur zur Seite. Sie wusste, dass sie erbärmlich war, doch was sollte sie denn machen? Falsche Aussagen würden ihr nicht weiter helfen.

„Dann solltest du besser von hier verschwinden“ sagte der Erste kalt und drehte sich um, „Für Schwächlinge haben wir hier keinen Platz. Außerdem wirst du deinen Freunden so wirklich nicht helfen können. Du würdest ihnen nur im Weg sein. Wenn du nicht auch noch ein Hindernis für sie darstellen willst, solltest du besser ganz schnell das Weite suchen.“

Die Worte waren hart und Theresa starrte ihn fassungslos an. Es war nicht so, dass er Unrecht hatte, doch etwas in ihr weigerte sich strikt dagegen, das Gesagte einfach hinzunehmen. Sie wollte nicht nur ein Hindernis sein. Wie die anderen Kyras schon gesagt hatten, es musste doch einen Grund dafür geben, dass ihre Kräfte erwacht waren. Wenn sie sich jetzt nicht zusammenriss, würde sie nie in der Lage sein, etwas zu ändern. Und sie wollte etwas ändern! Sie wollte diesen absolut bescheuerten Kampf der Gesandten stoppen! Doch dafür brauchte sie Kraft. Kraft, die sie jetzt vielleicht nicht hatte, aber etwas in ihr sagte ihr, dass sie diese Kraft bekommen konnte, wenn sie nicht aufgab. Sie durfte sich nicht geschlagen geben. Vielleicht war sie keine reinblütige Kyra, doch sie hatte ebenfalls wenigstens ein bisschen Kraft!

Theresa rappelte sich auf und rannte mitten zwischen den immer noch diskutierenden Kyras hindurch auf den Ersten zu, der sich umgedreht hatte und scheinbar gerade gehen wollte. Sie holte einfach mit ihrer bloßen Faust aus und schlug nach ihm. Der Erste fing ihren Schlag jedoch mit nur einer Hand ab, ohne sich dabei umzudrehen. Sein schwarzer Umhang flatterte kurz im seichten Wind.

„Ich werde meine Freunde beschützen“, sagte Theresa ernst, „Selbst wenn ich mit Steinen werfen muss, ich werde nicht zulassen, dass ihnen etwas passiert.“

Die anderen Kyras sahen Theresa überrascht an und einen Augenblick lang herrschte Stille. Dann drehte sich der Erste wieder um und sah sie abschätzend an. Nach einigen Sekunden schloss er die Augen und lächelte.

„Ich habe mich schon gefragt, ob es falsch war, dich zu uns zu holen“, sagte er und sah kurz auch die anderen an, „Aber wie es aussieht, bist du doch in der Lage den richtigen Weg zu wählen.“

Theresa sah sich um und bemerkte, dass sich die anderen fünf im Kreis um sie herum aufgestellt hatten. Gleich neben Kyra standen der Reihenfolge nach Dominic la May, Kately, Drake, Jasmei und Florinan.

„Es ist wohl an der Zeit, dass wir dir etwas Hilfe geben, da du deiner Herkunft wegen im Nachteil bist“, sagte der Erste und hielt Theresa zwei Ketten hin, beide waren die Hälfte eines Herzes, die eine Hälfte schwarz und die andere weiß, „Diese Ketten erlauben dir, deine Kräfte besser zu kontrollieren. Wenn du die weiße Kette umlegst, wirst du in der Lage sein, deine Kräfte des Lichts zu kontrollieren und wenn du die Schwarze umlegst, kannst du deine Kräfte der Finsternis kontrollieren. Du darfst sie nur nie beide zur selben Zeit umlegen. Beide Kräfte zur selben Zeit wären zu viel für deinen Körper, sie würden dich glatt zerreißen. Einzeln wirst du mit ihnen aber keine Probleme haben.“

Theresa sah die beiden Ketten nur erstaunt an. Durch sie konnte sie ihre Kräfte kontrollieren? Im Umkehrschluss bedeutete das, dass sie eigentlich bereits Kraft besaß und nur nicht in der Lage war, sie zu kontrollieren. Hätte sie das schön früher gewusst, hätte sie sich den Ärger von zuvor sparen können.

„Möge die siebte Kyra die Kraft erhalten, das Schicksal zu ändern“, sagte der Erste beschwörend, „Ihr Name lautet in unseren Reihen von heute an Teheresa!“

Theresa begann von innen heraus zu leuchten. Das Licht wurde immer stärker, sodass sie die anderen Kyras schon bald nicht mehr erkennen konnte. Dann erschien es ihr so, als würde sie auf einmal ohnmächtig werden, und sie sank zu Boden.

Theresa riss die Augen auf. Die verschlungenen Muster an ihren beiden Armen waren warm und glommen leicht in ihren Farben. Um Theresas Hals hing bereits die Kette mit der weißen Herzhälfte, die noch von einem schwarzen, rankenartigen Rand umrandet wurde. Ihre goldbraunen Haare waren nun von rein goldener Farbe und ihre Klamotten hatten sich auf einmal ebenfalls verändert. Sie trug ein eng anliegendes und außerdem noch bauchfreies, weißes Shirt und darüber eine ebenfalls weiße Jacke mit langen Ärmeln und einigen dünnen, schwarzen Streifen, die miteinander komplizierte Muster bildeten. Der hohe Kragen der Jacke war umgeschlagen und ein einzelner Knopf etwas unterhalb des Kragens hielt die Jacke über ihrer Brust zusammen. Zudem trug sie noch einen weißen Faltenrock, der ihr bis kurz über die Knie reichte, und weiße Römersandalen.

„Vertraue deinem Gefühl, du wirst wissen, wie du mit deinen Kräften umgehen musst“ sagte Kyra und in seiner Stimme war das Lächeln zu hören, das er höchst wahr-scheinlich auf den Lippen hatte, „Und glaub mir, deine Kräfte haben die Macht, das Schicksal zu ändern. Du musst sie nur richtig einsetzen...“

Theresa streckte ihren rechten Arm in die Richtung von Ryszard, dessen gewaltiger Tornado sie beinahe erreicht hatte, und absorbierte seine ganze Kraft einfach. Dem Flammeninferno von Fynn schickte sie eine Druckwelle entgegen, die das Feuer zurück schlug und zum Auflösen brachte. Die beiden Jungen starrten sie nur entgeistert an. Auch Alicia und Nathaniel, die noch immer auf der Treppe standen, hatte es glatt die Sprache verschlagen.

„Würdet ihr jetzt endlich mit diesem verdammten Schwachsinn aufhören?“ Theresa kam auf Ryszard zu, während sie Fynn mittels ihrer Kraft des Lichts, die ihm eigentlich nicht weiter schaden sollte, an die Wand presste und bewegungsunfähig hielt.

„W-Was...?“ Ryszard war eindeutig zutiefst überrascht, wie eigentlich alle Anwesenden hier.

„Hör auf hier so ein Theater zu veranstalten und reich mir Raymond mal durch“, sagte Theresa lediglich kalt, „Oder muss ich dich erst angreifen?“

Ryszard schien seinen Augen und Ohren kaum zu trauen, doch er war scheinbar trotzdem nicht gewillt ihrem Befehl zu folgen.

Daraufhin wurden Theresas Augen schmal. Vor ihr erschien ein weiß leuchtender Dolch und schwebte genau auf der Höhe von Ryszards Hals. Das schien wohl eine etwas deutlichere Aussprache zu sein, denn Ryszard warf ihr einen finsteren Blick zu, dann schloss er die Augen und im nächsten Moment stand Raymond Theresa gegen-über und sah sie ungläubig an. Theresa bewegte ihre linke Hand und Fynn wurde an der Wand entlang bis zu ihnen herüber gezogen, wo Theresa ihn weiterhin festnagelte. Genauso schwebte vor Raymonds Hals immer noch der weiße Dolch.

„Seid ihr beide jetzt zufrieden?“, fragte Theresa mit frostiger Stimme, „Schon wieder habt ihr beinahe ein komplettes Chaos verursacht und dabei wahrscheinlich sogar uns alle in Gefahr gebracht dabei verletzt zu werden. Seid ihr jetzt befriedigt? Oder habt ihr immer noch nicht genug davon euch selbst und uns allen das Leben schwer zu machen?“

Fynn und Raymond schienen beide außer Stande zu sein auch nur ein Wort zu sagen. Nathaniel und Alicia wagten sich in der Zwischenzeit auch wieder die Treppe runter und warteten in einigen Metern Abstand ab. Beide wollten sich lieber nicht einmischen, obwohl es da eine ganze Menge Fragen gab, auf die sie und auch Raymond und Fynn wohl gerne eine Antwort hätten.

In dem Moment löste sich auf einmal der Verschluss der Kette um Theresas Hals. Damit verschwand auch der Dolch vor Raymond und Fynn klebte endlich nicht mehr an der Wand, was doch ganz schön schmerzhaft gewesen war. Theresa sank jedoch auf einmal ohnmächtig in sich zusammen und Raymond konnte sie nur gerade eben noch auffangen. Nun hatten ihre Haare wieder ihren normalen, goldbraunen Farbton angenommen und sie trug wieder die Schuluniform des Windhall Internats.

„Was.. war das?“ Alicia war die Erste, die zusammen-hängende Worte herausbrachte.

„Wenn wir das wüssten, wären wir um einiges schlauer“, sagte Fynn nur, der inzwischen neben Raymond stand und Theresa ungläubig ansah.

„Was auch immer passiert ist...“, sagte Nathaniel ernst.

„Es sieht ganz so aus, als wären in Theresa auf einmal die Kräfte der Kyra erwacht“, beendete Raymond seinen Satz und sah Theresa ernst an.

„Aber wie ist das möglich?“, fragte Alicia ungläubig, „Diese.. mächtige Ausstrahlung hatte sie vor ein paar Minuten noch nicht.. Wie geht das von gleich auf jetzt so plötzlich?“

„Darauf werden wir wahrscheinlich erst eine Antwort bekommen, wenn die Gute wieder wach wird“, sagte Nathaniel und sah die beiden Streithähne an, „Aber mit dem, was sie gesagt hat, hat sie recht. Ihr beide solltet mal lernen nachzudenken, bevor ihr euch so aufspielt und alle hier in Gefahr bringt.“

Raymond und Fynn sahen zur Seite. Tatsächlich hatte erst Theresas beherztes Eingreifen dafür gesorgt, dass sie wieder zur Vernunft gekommen waren. Zuvor hatte die Wut über den jeweils anderen ihnen vollkommen den Verstand vernebelt.

„Huialla.. das haut echt um...“, murmelte Theresa und versuchte auf ihren eigenen Füßen zu stehen. Ihr Kreislauf hatte sich glatt verabschiedet, als die Kette sich gelöst hatte, und sie unterließ weitere Versuche erstmal, bis sich ihr Kreislauf wieder gesammelt hatte und es in Erwägung zog ihr zu gehorchen.

„Hey, ist alles in Ordnung, Resa?“, fragte Raymond besorgt und Fynn sah ihn, wohl wegen des Spitznamens, argwöhnisch an, bevor er wieder sorgenvoll zu Theresa blickte, die noch immer in Raymonds Armen lag, was Fynn doch ein wenig ärgerte.

„Hä? Ja.. irgendwie schon.“ Theresa war noch etwas benommen und dachte mit ziemlichem Erstaunen daran, was sie gerade eben einfach so mit Fynn und Raymond gemacht hatte. Nun wusste sie, was Kyra damit gemeint hatte, dass sie wusste, wie sie mit ihren Kräften umgehen musste. Sie konnte es zwar selbst noch nicht ganz glauben, aber gerade hatte sie den ersten Schritt getan, um das Schicksal zu ändern. Jetzt war ihr auch endlich klar, was genau sie wirklich wollte. Eine ganz normale Kind-heit, ohne dieses ganze Gefasel von Gesandten des Lichts und Gesandten der Finsternis. Sie wollte zusammen mit all ihren neu gewonnenen Freunden eine unbeschwerte Schulzeit haben. Ohne einen von ihnen in einem absolut bescheuerten Kampf zu verlieren. Wie genau sie das erreichen konnte, wusste sie nicht. Sie wusste jedoch klar, dass sie für dieses Ziel ebenfalls kämpfen würde.

„Was ist mit dir passiert?“, fragte Fynn nun besorgt, „Du...“

Plötzlich war das Leuten von Glocken zu hören. Der Klang drang durch das gesamte Internatsgebäude und war an allen Ecken und Enden zu hören.

„Was...?“ Nathaniel lief zu einem Fenster und starrte nach draußen. „Welches Datum haben wir heute?“

„Ganz genau weiß ich es nicht“, sagte Fynn ernst, „Aber es dürfte wohl mittlerweile Mitte Oktober sein.“

Alle sahen sich an. Alle wussten, was das bedeutete.

„Das Leuten...“ Raymond war todernst. „In vierund-zwanzig Stunden beginnt der Kampf der Gesandten.“

Kapitel 19: Kriegsrat

„Das heißt, ab jetzt sollen sich die Gesandten des Lichts im Ostflügel sammeln und die Gesandten der Finsternis im Westflügel“, sagte Alicia ebenfalls ernst, „Während die normalen Schüler und die meisten der Lehrer und das Personal evakuiert werden.“

Es herrschte fast zwei Minuten lang Schweigen.

„Damit fängt es wohl an“, sagte Nathaniel schließlich ernst, „Es wird wohl am besten sein, wenn wir jetzt zu unseren jeweiligen Gruppen gehen.“

Theresa sah ihn leicht verwirrt an, doch dann begriff sie, was hier vor sich ging. Davon hatte Nathaniel ihr bereits am Anfang erzählt. Die normalen Schüler wurden nun evakuiert und das Internat wurde für diesen Kampf zum Schlachtfeld umfunktioniert. Zuvor schien es aber noch so etwas wie ein großes Treffen der Gesandten zu geben, bei dem die der Finsternis und die des Lichts etwas Zeit bekamen untereinander etwas zu besprechen. Einen vollen Tag. Doch spätestens morgen Abend würde der Kampf beginnen.

Fynn und Alicia standen auf und wanden sich nach links. Sie sahen Theresa auffordernd an.

Raymond und Nathaniel standen bereits rechts und soweit Theresa sagen konnte, wirkte Raymond ein wenig betrübt, auch wenn er es scheinbar versuchte dies zu überspielen. Dummkopf.

Theresa seufzte, ging auf Fynn und Alicia zu und blieb gut einen Meter vor den beiden stehen.

„Kommst du?“, fragte Fynn und hielt ihr eine Hand hin. Er schien noch einiges mehr sagen zu wollen, seine Augen sprachen ein stummes Bedauern aus, das sich wohl noch auf die Zeit richtete, in der er nichts hatte tun können, um ihr zu helfen.

Theresa schüttelte jedoch den Kopf. „Tut mir leid“, sagte sie und schob den Ärmel ihres rechten Armes hoch, „Aber meine Entscheidung ist bereits gefallen.“

Fynn und Alicia starrten das schwarze Muster an ihrem Hauptarm nur vollkommen verdattert an und Raymond und Nathaniel wirkten ebenfalls ziemlich überrascht.

„Ich habe vorhin nur die Kräfte es Lichts benutzt, damit ich dich festhalten konnte, ohne dich dabei zu verletzen“, erklärte Theresa und hielt ihre beiden Halsketten mit den herzförmigen Anhängern hoch, „Damit dürfte es in diesem Kampf wohl auf jeder Seite eine Kyra geben. Ich bin gespannt, wohin uns das führen wird.“

Alicia war die Erste, die sich wieder einigermaßen fing. Sie lächelte sogar leicht. „Scheint so, als hätten wir dich bei Weitem unterschätzt. Ich hoffe, wir bleiben Freunde, auch wenn wir gegeneinander kämpfen müssen.“

„Darauf hoffe ich sehr“, sagte Theresa und drehte sich um, „Aber ich hoffe auch, dass meine Kraft ausreichen wird, um dieses verdammte Schicksal der Gesandten zu ändern. Ich hatte nicht geplant, in diesem Kampf irgend-jemanden zu verletzen oder gar zu töten.“

„Theresa.“ Fynn wusste, dass er sich selbst etwas vorgemacht hatte. Er war ein absoluter Idiot gewesen, so sehr ihn das auch ärgerte. Schon damals, als er Theresa kennengelernt hatte, hätte er verstehen müssen, dass sie ein Mensch war, der mit den Erfahrungen wuchs und den man nicht in eine vorhergesehene Rolle stecken konnte. Und obwohl er versagt hatte, wollte er nicht aufgeben. An seinen Gefühlen hatte sich trotz des ganzen Chaos nichts geändert und es tat weh zu sehen, wie sie sich Raymond zuwandte.

Theresa blickte über ihre Schulter und drehte sich um. Sie sah ihn fragend an.

„Es.. tut mir leid“, sagte Fynn leise und wünschte sich, dass Raymond nicht hier wäre. Als er verstohlen in dessen Richtung blickte, stellte er allerdings verblüfft fest, dass sich Raymond gerade mit Nathaniel umgedreht hatte und dabei war zu gehen.

„Hey Resa, wir gehen schon mal vor“, sagte Raymond, auch wenn er dabei ein wenig mürrisch klang, „Halt dich aber nicht zu lange hier auf, sonst werden die anderen nachher noch ungeduldig.“ Damit ging er zusammen mit Nathaniel, der schon fast stolz auf Raymond war, da dieser sich dazu überwunden hatte, den beiden etwas Zeit zu geben. Auch wenn Nathaniel schon gemerkt hatte, dass Raymond immer noch nicht begriffen hatte, was es jetzt eigentlich bedeutete, dass sich an Theresas Unterarm ein schwarzes und kein weißes Muster befand. Er konnte manchmal ein ganz schöner Trottel sein.

Theresa hatte kurz in die Richtung der beiden Jungen gesehen und sah nun wieder zu Fynn, dessen Schwester sich ebenfalls bereits auf den Weg gemacht hatte. Nun waren sie nur noch zu zweit.

„Ich.. war ein ziemlicher Idiot“, sagte Fynn und sah zur Seite, „Und danke, dass du mich zur Vernunft gebracht hast, bevor ich den Fehler machen und Nadine heiraten konnte. Ich hätte es wirklich bereut.. und ich bereue auch, nicht auf mein Gefühl sondern stattdessen auf meinen Vater gehört zu haben.“

Theresa verstand zwar nicht ganz, was er damit meinte, aber sie nickte. Sie wollte auch nicht gegen ihn kämpfen müssen, dazu mochte sie ihn viel zu sehr und dafür schul-dete sie ihm auch noch viel zu viel. Immerhin war er es damals gewesen, der sie aus ihrem Dilemma herausgeholt und zum Nachdenken gebracht hatte.

„Ich wünschte, es wäre noch alles wie am Anfang“, sagte Fynn und lächelte bitter, „Da war noch alles so unkompliziert und einfach. Weißt du noch, wie ich dich damals dazu gebracht habe, über deine Probleme zu reden? Deine drei Mitbewohnerinnen waren plötzlich ins Zimmer gestürmt und fast genauso schnell wieder drau-ßen.. Damals konnte ich noch lachen und musste mir nicht jeden Tag über neue Probleme den Kopf zerbrechen.“

„Ja, früher war einiges einfacher“, musste Theresa zugeben, „Du und Raymond habt euch zwar schon immer gestritten, aber es war nie so ernst wie heute. Und es gab wirklich weit weniger Dinge, über die man sich den Kopf zerbrechen musste. Aber ich glaube, diese Probleme gehören zum Leben einfach dazu.“

„Da hast du wahrscheinlich recht“, räumte Fynn ein und seufzte.

„Besser gesagt ist das wohl das, was man als Leben bezeichnet.“ Theresa sah aus einem der Fenster. Draußen regnete es mal wieder. „Schöne und lustige Erlebnisse gehören genauso dazu wie auch traurige und unschöne, auf die wir vielleicht lieber verzichten würden.“

„Du sprichst wie eine Weise“, bemerkte Fynn und sah sie an. Auch ihr Profil sah wunderschön aus, auch wenn sie mittlerweile irgendwie erwachsener wirkte. „Aber wahrscheinlich hast du schon wieder recht.“

Es entstand ein Augenblick des Schweigens, in dem keiner etwas sagte.

„Ich hoffe, wir werden nicht gegeneinander kämpfen müssen“, sagte Fynn schließlich und wandte sich zum Gehen, „Denn ich könnte dich niemals angreifen.“ Letz-teres hatte er so leise gesagt, dass Theresa ihn nicht mehr gehört hatte.

Diese wandte sich ebenfalls zum Gehen und machte sich auf den Weg zum Café, wo sich die Gesandten der Finsternis versammelten.

„Da bist du ja“, sagte Raymond, als er sie im Café entdeckt hatte.

Theresa stand etwas abseits und hatte schweigend die anderen Gesandten der Finsternis beobachtet. Seit sie auf die Kyras der vergangenen Generationen gestoßen war und das ganze Ausmaß des Kampfes erst begriffen hatte, war in ihr irgendwie eine innere Ruhe eingekehrt. Es war als hätte ihre Entschlossenheit, diesen Kampf irgendwie zu ändern, all ihre Ängste in die Schranken gewiesen. Sie kam sich beinahe wie ausgewechselt vor. Es war ein selt-sames Gefühl. Zudem war ihr auch wieder klar geworden, was das eigentliche Problem war und weswegen es diesen hirnrissigen Kampf, in dem eine von beiden Fronten komplett besiegt werden musste, überhaupt gab. Es waren die Vestroyen, die das eigentliche Problem darstellten. Sie mussten vernichtet werden. Aber angeblich ging das nur mit dieser seltsamen Kraft, die eine Seite erst dann bekam, wenn sie die andere besiegt hatte. Theresa musste sich etwas einfallen lassen, wenn sie diesen Kampf wirklich nicht so enden lassen wollte, wie es in den vergangenen Generationen geschehen war.

„Theresa?“ Raymond sah sie schief an. „Hat Fynn irgendetwas gesagt, weswegen du so geistesabwesend bist?“ Er klang ernst.

„Ich überlege, wie ich unser aller Ärsche retten kann“, sagte Theresa nur und zog eine Augenbraue hoch, „Und wie kommst du auf die Idee, dass Fynn etwas gesagt hätte?“

Raymond sah zur Seite und wich ihrem Blick aus.

„Hey, Raymond“, sagte Nicole auf einmal und blieb dann aber etwas überrascht stehen, „Theresa...?“

„Ja.“ Theresa zog ihre zweite Augenbraue hoch. „Hab ich etwas im Gesicht oder warum siehst du mich so komisch an?“

„Äh, na.. ich dachte, du wärst inzwischen mit den anderen normalen Schülern dabei das Internatsgebäude zu evakuieren“, sagte Nicole noch immer leicht verwundert.

„Tut mir leid, aber so schnell wirst du mich nicht los“, sagte Theresa lächelnd. Sie warf Raymond jedoch einen Blick zu, der eindeutig sagte, dass er gefälligst die Klappe darüber halten sollte, dass ihre Kräfte erwacht waren.

Er schien zwar ein wenig verwirrt darüber zu sein, doch er nickte nach kurzem Zögern und auch Nathaniel schien verstanden zu haben.

Nicole schien allerdings nicht ganz schlau aus Theresas Antwort zu werden, doch in dem Moment legte sich das Gemurmel. Die meisten schienen dem Dialog von zwei Jungen zu lauschen, die sich weiterhin in normaler Lautstärke unterhielten.

„Es sieht so aus, als würde es dieses Jahr genauso laufen wie eigentlich all die Generationen zuvor auch“, sagte einer der Jungen. Er ging in die Klasse von Nicole, Jessica und Vanessa und hieß, soweit Theresa sich entsann, Fabian. „Irgendwie scheinen die Gesandten des Lichts immer die bessere Hand zu haben, wenn es um das Gewinnen der Kyra geht. Wer von uns sollte das dieses Mal eigentlich übernehmen?“

„War es nicht Raymond Firely?“, riet der zweite Junge, dessen Name Gustav war.

„Stimmt“, sagte Fabian und rümpfte die Nase, „Wegen ihm werden wir dieses Jahr jedenfalls schon wieder verlieren. Das ist echt ätzend.“

„Irgendwie ziehen wir jedes Mal wieder die Arschkarte“, seufzte Gustav und schüttelte den Kopf, „Da können wir uns doch im Prinzip auch gleich geschlagen geben. Es macht doch kaum Sinn überhaupt noch zu kämpfen.“

Fabian verzog zwar das Gesicht, der Gedanke schien ihm gar nicht zu gefallen, aber er nickte widerwillig. „Nur weil dieser Raymond zu blöd war diese Nadine für sich zu gewinnen. Was ist denn so schwer daran? Er war doch schon mit ihr verlobt, wenn ich mich nicht verhört habe.. Hey! Raymond! Du steckst hier doch auch irgendwo, also zeig dich mal und rede!“

Theresa blickte zu Raymond, dessen Gesichtsausdruck ernst war. Vor ihm stand Nathaniel, der sich scheinbar absichtlich genau so hingestellt hatte, dass Raymond aus der Sicht der beiden Jungen nur schwer zu entdecken war.

„Komm raus! Oder bist du feige?!“, rief Fabian weiter und ignorierte dabei Gustav, der ihn anscheinend davon abbringen wollte hier einen größeren Konflikt anzuzetteln. Er schien jedoch kläglich zu versagen.

Raymond schob sich nun an Nathaniel vorbei. „Wenn ich mich nicht zeige, fängt er noch an hier wirklich einen Aufstand zu machen. Es wird schon nichts passieren.“ Damit schien er Nathaniel beruhigen zu wollen, der ihn eigentlich davon abhalten wollte, sich zu zeigen.

„Sei vorsichtig“, sagte Nathaniel und blickte zu dem Jungen, „Dieser Fabian scheint dir nicht sehr wohlgesonnen zu sein.“

„Ich pass schon auf“, wehrte Raymond schief grinsend ab, „Ich glaube kaum, dass es schlimmer werden kann als das, was ich eh schon von früher noch gewöhnt bin.“

„Hey! Da ist ja unser guter Raymond“, sagte Fabian nur verächtlich, sobald er Raymond entdeckt hatte, „Mal sehen, was er zu sagen hat.“

Theresa war Raymond unauffällig gefolgt und stand nun nur zwei Meter hinter ihm. Es gefiel ihr gar nicht, wie Fabian über ihn sprach.

Raymond sah sich kurz um. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet und schienen auf eine Aussage zu warten. Viele schienen ganz ähnlich wie Fabian zu denken, soweit Raymond es von ihren Blicken und Haltungen her sagen konnte. Er seufzte.

„Dazu gibt es nicht viel zu sagen“, sagte Raymond und sah dabei Fabian an, der anscheinend glaubte alles zu wissen, „Aber wer Nadine persönlich kennt, der wird mir in dem Punkt zustimmen, dass man es mit ihr nur schwer aushält. Mich hat sie jedenfalls immer nur wie ihren Sklaven und ihr persönliches Spielzeug behandelt. Sie glaubte über mich bestimmen und mein gesamtes Leben kontrollieren zu können. Außerdem sollte sich alles nur um sie drehen. Tut mir leid Leute, aber mit so jemandem halte ich es einfach nicht auf die Dauer aus. Ihr könnt es gerne mal selbst versuchen, aber ich glaube kaum, dass ihr es länger als eine Woche aushalten werdet.“

„Zu blöd nur, dass uns dazu keine Gelegenheit mehr bleiben wird“, schnauzte Fabian, „Ich hätte nur allzu gerne bewiesen, dass du einfach nur ein arrogantes Weichei bist, aber da wir in etwa vierundzwanzig Stunden schon so gut wie tot sein werden, werde ich dazu leider nicht mehr kommen.“

„Du spielst dich hier ganz schön auf“, bemerkte Raymond zwar noch relativ gelassen, doch seine Stimme hatte bereits einen kalten Unterton, „Du weißt längst nicht genug, um hier so ein Theater zu veranstalten. Außerdem steht es trotz der Entscheidung der Kyra noch nicht fest, dass wir unbedingt sterben müssen. Es gibt immer einen anderen Weg und außerdem kämpfe ich persönlich lieber als mich einfach so geschlagen zu geben, bloß weil die Situation gerade nicht unbedingt gut für uns aussieht.“

„Tu nicht so oberscheinheilig“, sagte Fabian aufge-bracht, „Du warst es doch, der uns allen dieses Schicksal erst beschert hat! Und jetzt glaubst du, dass du von deiner eigenen Nutzlosigkeit ablenken kannst, indem du uns dumm darstellst. Du...“

Raymond spielte mit dem Gedanken diesem Fabian kräftig eine runter zu hauen, doch in dem Moment erhob sich eine andere Stimme:

„Du machst dich hier gerade ganz schön lächerlich, falls es dir noch nicht aufgefallen ist“, bemerkte Theresa trocken.

Einen Moment lang wirkte Fabian überrascht, doch dann nahm sein Gesicht wieder so einen niederträchtigen Aus-druck an. „Wenn das mal nicht Theresa Kyrashni ist, die alle zu Anfang für die Kyra gehalten haben. Was suchst du eigentlich hier? Solltest du das Internat nicht langsam mit den anderen verlassen? Oder versuchst du dich hier noch ein letztes Mal groß aufzuspielen?“

„Wieso? Ich versuche wenigstens nicht meine Wut und Verzweiflung an einem anderen auszulassen, bloß weil er so gehandelt hat, wie es wohl jeder an seiner Stelle getan hätte“, sagte Theresa kalt und trat langsam auf Fabian zu, „Außerdem hat Fynn ebenfalls gemerkt, dass Nadine nicht unbedingt das Traummädchen schlechthin ist. Er war lediglich zum richtigen Zeitpunkt mit ihr zusammen, das ist alles. Es hätte auch genauso gut passieren können, dass Nadine sich doch für Raymond entscheidet, die Chancen standen so oder so fifty-fifty.“

„Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir morgen als Opfer für diese seltsame Kraft enden werden, weil die Kyra nun mal auf der anderen Seite ist“, grollte Fabian und warf ihr drohende Blicke zu, „Der Kampf wird uns wahrscheinlich alle das Leben kosten, also kannst du dir dein Gehabe sparen und noch mal deine letzten Gebete aufsagen, denn der Kampf wird unser Letzter sein.“

„Und warum machen wir daraus dann nicht einfach ein großes Abenteuerspiel?“, fragte Theresa auf einmal, als sie kurz nachgedacht hatte, „Das Spielfeld ist das gesamte Internatsgebäude und das ganze Gelände außen herum. Die Spieler sind wir und unsere Gegenspieler sind die Gesandten des Lichts.“

So gut wie alle sahen sie verwirrt an.

„Während des Spiels benutzen wir unsere Kräfte und vielleicht auch die ein oder anderen Gegenstände aus dem normalen Haushalt“, fuhr Theresa unbeirrt fort, „Wir sind in Teams unterwegs und unser Ziel ist es die Gesandten des Lichts zu besiegen oder sie gefangen zu nehmen, ohne sie zu töten oder zu schwer zu verletzen versteht sich.“

Raymond sah Theresa ebenfalls vollkommen verwundert an. Er kam einfach nicht dahinter, was sie jetzt auf einmal wieder im Sinn hatte.

„Ich denke nicht, dass irgendeiner von euch so darauf versessen ist zu kämpfen. Oder täusche ich mich da?“, fragte Theresa, „Ist hier irgendjemand, der wirklich gegen die Gesandten des Lichts kämpfen und sie womöglich sogar töten will?“

Es herrschte leises Gemurmel. Viele sahen einander an und wirkten unsicher, doch keiner schien Theresas Frage mit einem „Ja“ beantworten zu können.

„Dachte ich´s mir doch“, sagte Theresa und seufzte, „Ich will genauso wenig, dass irgendwer von den Gesandten hier stirbt, ob nun Gesandter des Lichts oder Gesandter der Finsternis, keiner hat es verdient in so einem Kampf verletzt zu werden. Also warum verweigern wir diesen Kampf dann nicht einfach? Warum machen wir daraus kein riesiges oben-air Abenteuerspiel und bringen die Gesandten des Lichts dazu ebenfalls mitzumachen? Oder fesseln sie zu Not, wenn sie nicht wollen?“

„Und was ist mit den Vestroyen?“, fragte Fabian, der sich anscheinend endlich wieder gefangen hatte, „Wir müssen schließlich kämpfen, damit eine Seite diese Monster mit der geheimen Kraft vernichten kann.“

Viele schienen seiner Meinung zu sein.

„So wie sich für mich die Gespräche vorhin angehört haben, erschien es mir so, als wolltet ihr alle euch einfach nur opfern“, stellte Theresa lediglich fest und verschränkte die Arme. Normalerweise fühlte sie sich eigentlich absolut unwohl, wenn sie vor so einer Versammlung laut sprechen musste, doch zusammen mit ihrer Angst hatte sich ihre Unsicherheit verabschiedet und auf einen langen Urlaub begeben, von der sie wohl nicht so bald wiederkehren würden.

„Was sollen wir denn machen?“, fragte Fabian genervt, „Die Kyra ist auf der Seite der Gesandten des Lichts! Wir werden so oder so verlieren, also was soll der Schwach-sinn mit diesem Spiel? Das zögert die Sache doch nur hinaus...“

„Wollt ihr unbedingt sterben?“, fragte Theresa kalt.

„N-Nein...“, antwortete Fabian nun ein wenig unsicher. Er schien für alle hier versammelten Gesandten zu sprechen.

„Also, dann wehrt euch“, sagte Theresa ernst, „Keiner soll sich in diesem Kampf opfern müssen. Und wenn wir deswegen auf diese komische Kraft verzichten müssen, müssen wir uns eben etwas anderes einfallen lassen. Ich gebe mich jedenfalls nicht damit zufrieden, als Opfer für diese Kraft zu sterben, und ich will auch nicht die Gesandten des Lichts dafür töten müssen.“

Die meisten redeten mit ihren Nachbarn und schienen sich darüber zu beraten, was sie jetzt machen sollten. Raymond, Nathaniel und Nicole waren noch immer überrascht, wie Theresa sich in solch kurzer Zeit so sehr verändert hatte. Sie wirkte viel sicherer und nicht mehr so zurückhaltend wie zuvor.

„Außerdem täte uns allen ein kleines Spiel ganz gut, meint ihr nicht?“, fragte Theresa nach einer Weile, als es wieder etwas ruhiger geworden war, „Uns wird schon noch etwas einfallen, wie wir die Vestroyen vernichten können. Aber bis dahin können wir uns doch auch etwas Spaß gönnen und vielleicht auch die anderen Gesandten überreden, diesen schwachsinnigen Kampf ein für alle Mal zu beenden und nach einer anderen Lösung suchen, bei der keiner besiegt werden muss.“

Tatsächlich schienen Theresas Worte allmählich Anklang zu finden. Soweit sie es heraushörte, waren inzwischen ziemlich viele von ihnen der Meinung, dass es auch anders gehen musste.

„Aber.. das kann nicht gut gehen“, sagte ein Mädchen, das ein Stück neben Fabian stand und Mareike hieß, „Ich meine, wir sind zwar vielleicht damit einverstanden, aber was ist mit den Gesandten des Lichts? Die werden da bestimmt nicht mitmachen, wenn wir jetzt zu ihnen gehen und sie fragen. Die würden uns doch noch nicht mal zuhören.“

„Genau deswegen werden wir sie einfach während des Kampfes überzeugen“, antwortete Theresa, „Entweder wir reden während eines einzelnen Kampfes und können sie überzeugen oder wir müssen sie halt irgendwie fangen und festhalten, damit sie uns nicht mehr gefährlich werden.“

Die anderen sahen sich zweifelnd an, doch den meisten schien die Idee mittlerweile sogar zu gefallen.

„Wie gesagt, wenn das, was ich mir da überlegt habe, klappen soll, müssen wirklich alle mitmachen“, sagte Theresa und sah sich um während sie sprach, „Wir brauchen Ideen, wie wir die Gesandten des Lichts zu Not fesseln können, ohne sie dabei allzu sehr zu verletzen; Ideen wie wir uns am besten gegen sie verteidigen; ob und was wir für normale Gebrauchsgegenstände gebrauchen können; Pläne wie wir am besten vorgehen und so weiter.“

Inzwischen hatte ein allgemeines Gemurmel eingesetzt und viele schienen tatsächlich schon zu überlegen, wie sie ihren Plan in die Tat umsetzen konnten.

„Am besten ihr beratet euch in Gruppen und sammelt eure Ideen zu erst mal auf Zetteln“, sagte Theresa laut, damit alle sie hören konnten, „Wenn es euch recht ist, übernehme ich das Planen der Aktion und ein paar Freiwillige können mir dabei gerne helfen. In einer halben Stunde würde ich gerne eure Ideen sammeln und dann mit den Vorbereitungen beginnen.“

Damit gingen nun endgültig lautstarke Gespräche und Diskussionen los und Theresa hoffte, dass sich die Lautstärke so weit in Grenzen hielt, dass man sie nicht auch außerhalb des Cafés hören konnte.

„Sag mal.. wie bist du auf diese Idee gekommen?“, fragte Raymond von hinten. Er konnte das Erstaunen in seiner Stimme nicht ganz verbergen.

Theresa drehte sich um und sah ihn schief an. „Keine Ahnung, wenn ich ehrlich bin“, sagte sie und musste dabei grinsen, „Die Idee kam mir einfach so in den Sinn und bevor ich groß darüber nachdenken konnte, hab ich sie auch schon ausgesprochen.“

„Du bist mir wirklich ein Rätsel“, sagte Nathaniel, der neben Raymond aufgetaucht war, „In letzter Zeit hast du eine Überraschung nach der anderen für uns parat, in dir steckt mehr als man auf den ersten Blick vermuten könnte.“

„Danke, ich tu mein bestes.“

„Aber die Idee ist wirklich gut“, sagte David, der sich auf einmal an zwei Jungen vorbei schob und zu der Gruppe stieß. Im Schlepptau hatte er noch Nicole, die bei den ganzen Schülern wohl ein wenig untergegangen war. „Dafür dass sie dir so ganz zufällig gekommen ist, ist sie ziemlich gut durchdacht. Das könnte tatsächlich klappen, wenn wir es richtig anpacken.“

„Nochmal danke.“ Theresas Lächeln wurde etwas schief.

„Na dann, wir sollten uns wohl langsam mal Gedanken machen, wie wir das am besten organisieren“, bemerkte Nathaniel, „Wie es aussieht werden wir die Planung über-nehmen und es scheinen reichlich Ideen zu kommen. Die alle durchzugehen wird schwer, wenn wir nur so wenige sind.“

„Ach was“, sagte Raymond und grinste, „Ich wette, es finden sich noch einige, die gerne mithelfen. So etwas ist schließlich was ganz anderes als der langweilige Kram, den wir sonst immer im Unterricht haben.“

„Hoffen wir es“, sagte Theresa und seufzte. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie nicht vielleicht etwas voreilig gewesen war. Aber andererseits schien das die ideale Möglichkeit zu sein diesem Kampf ein Ende zu bereiten und nach einem anderen Weg zu suchen, die Vestroyen zu besiegen. Auch wenn die meisten zweites zurzeit noch zu verdrängen schienen, würde das auch noch auf sie zukommen. Theresa hoffte inständig, dass sie die ganzen Gesandten hier nicht am Ende enttäuschen musste.

 „Du wirst das schon machen. Was heute unmöglich scheint, sieht morgen vielleicht schon ganz anders aus. Hab Vertrauen in dich selbst und die Menschen um dich herum, dann wirst du es schon schaffen.. und Florinan würde übrigens gerne mitmachen und flucht darüber, dass er schon tot ist.“

Theresa musste lächeln, genau wie Kyra, der Erste. Er hatte Recht. Sie durfte nur nicht aufgeben, dann würde sie schon irgendwie einen Weg finden, der sie vor ihrem Schicksal bewahrte.

Nach einer halben Stunde sammelten Theresa, Nicole, Raymond, Nathaniel, David und noch vier weitere Frei-willige die Zettel ein und gingen sie gemeinsam durch. Brauchbare Ideen schrieben sie in Windeseile ab und sortierten sie anschließend. Nach der Sortierung wurden, inzwischen war es nach zwölf Uhr Mitternacht, Teams gebildet, die auf Streifzug gehen und verschiedene Dinge erledigen würden. Einige sollten bestimmte Gegenstände zusammensuchen, die sie bei ihren Plänen brauchen würden, und andere sollten einiges überprüfen und schon mal ein paar Kleinigkeiten vorbereiten. Die Teams bilde-ten sich etwa aus der Hälfte der Gesandten der Finsternis. Die anderen, die im Moment nichts zu tun hatten, sollten erstmal schlafen und sich ausruhen, damit sie dann später die anderen ablösen und die Vorbereitungen fortsetzen konnten. Jeder hatte etwas zu tun und inzwischen waren selbst die größten Skeptiker unter ihnen Feuer und Flamme für den Plan. So etwas hatte es schließlich noch nie zuvor in diesem Ausmaße gegeben. Das würde mit Sicherheit ein Event werden, das keiner von ihnen so schnell vergessen würde, egal wie es ausging.

 

„Was glaubt ihr? Werden die Idioten von der Finsternis morgen noch mal aufsässig werden oder haben sie akzeptiert, dass sie den Kampf einfach nicht gewinnen können?“, fragte einer der Gesandten, die sich im großen Speiseraum des Ostflügels versammelt hatten. Die Stim-mung war gehoben, die meisten rechneten mit einem Sieg morgen.

„Wer weiß? Aber ich glaube nicht, dass sie noch sehr viel Zuversicht aufbringen können“, sagte ein anderer Junge grinsend, „Immerhin sind wir die besseren Kämpfer und außerdem ist die ehrenwerte Kyra auf unserer Seite.“

Wie auf´s Stichwort erschien Nadine in der Mitte des Raums und sah die Anwesenden alle samt mit einem triumphierenden Lächeln an. „Tja, ihr habt es ja schon gesagt, wir werden morgen gegen die Gesandten der Finsternis gewinnen und uns danach mit der geheimen Kraft um die Vestroyen kümmern. So werden auch wir in die Geschichte eingehen und unseren Familien Ruhm und Ehre einbringen. Gegen uns haben die Idioten keine Chance, wir werden sie mit einem Angriff niederwalzen und uns dann sofort um die Vestroyen kümmern. Dann haben wir das schon bevor die Uhr wieder Mitternacht schlägt hinter uns und können glücklich und zufrieden zu unseren Familien zurückkehren!“

Lautes Gejubel erfüllte den Raum und hallte von den Wänden wider. Alle waren in heller Aufregung, bis auf vielleicht knapp vier, die etwas abseits standen. Fynn hörte kaum zu und lehnte an der Wand neben dem Fenster. Seine Schwester stand neben ihm und wirkte ebenfalls etwas unglücklich. Auch Vanessa und Jessica waren in der Nähe und hörten nur stumm zu, wie die anderen darüber sprachen, wie sie ihre Gegner am besten ausschalten konnten.

Alicia sah ihren kleinen Bruder besorgt an. Die Sache mit Theresa schien ihn doch mehr zu beschäftigen, als er zugab. Dabei war er doch schon immer etwas schwierig gewesen und eher der Typ, der alles in sich hinein fraß und seine Gefühle nur selten zeigte. Selbst ihr, seiner eigenen Schwester, gegenüber war er nie sehr offen gewesen. Freunde waren früher auch nie bei ihm zu Besuch gewesen und Alicia hatte daran gezweifelt, dass er überhaupt welche hatte.

Bis den einen Tag nach dem Kindergarten auf einmal ein Junge mit zerzausten, schwarzen Haaren einfach mit Fynn zusammen aufgetaucht war. Das war als Fynn knapp vier Jahre alt gewesen war. Und obwohl Fynn ihm nur die kalte Schulter gezeigt hatte, war der Junge fröhlich und aufgeweckt gewesen. Er war das komplette Gegenteil von ihrem Bruder gewesen. Doch obwohl Fynn ihn wohl kaum öfter hätte abweisen oder beleidigen können, hatte der Junge sich nicht abwimmeln lassen und war hartnäckig geblieben. Und, obwohl Alicia es damals nicht für möglich gehalten hätte, ganz langsam hatte auch Fynn angefangen sich zu ihm gegenüber öffnen. Eines Tages war er mit einem breiten Grinsen zu Hause aufgetaucht und hatte stolz berichtet, wie er den Jungen in einer Rangellei haushoch besiegt und ihm damit sein Pausenbrot abgeknöpft hatte. Das war zuvor nie vorgekommen. Damals hatte Alicia das erste Mal das Gefühl gehabt, dass sie wirklich eine Familie waren. Und das alles dank Raymond, der es geschafft hatte Fynn aus sich heraus zu holen.

Dann war es jedoch eines Tages so gewesen, dass Raymond wegen familiären Problemen umziehen musste und der Kontakt riss für einige Zeit ab. In der Zeit wurde Fynn ausgebildet, um eine führende Position unter den Gesandten des Lichts einzunehmen. Daher war seine Ausbildung ziemlich anstrengend gewesen, doch Fynn hatte hart gearbeitet und sich zu einem außerordentlich guten Kämpfer entwickelt, der obendrein auch noch ein begabter Feuermagier war. Er vergaß seinen Freund, dem er vieles verdankte, jedoch nicht und Alicia hatte inständig gehofft, dass die beiden sich noch einmal wiedersahen. Ihr Wunsch kam sogar in Erfüllung, doch leider ganz anders, als sie es gehofft hatte.

Sie und Fynn waren gerade auf dem Rückweg von einem Treffen, als ihnen auf einmal ein Junge gegen-überstand, den sie schon seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen hatten. Er wirkte genau so überrascht wie sie beide, doch Alicia und Fynn erschreckte viel mehr der Umstand, dass sie einem Gesandten der Finsternis gegenüber standen. Sie hatten seine Kraft gespürt, doch sie konnten es damals kaum glauben. Schließlich war es Raymond gewesen, der ihnen gegenüber gestanden und ebenfalls etwas überrascht ausgesehen hatte. Doch er hatte ziemlich verkrampft gewirkt und in dem Moment war ein Ruck durch ihn gegangen, bevor seine Augen sich plötzlich rot gefärbt hatten. Das war das erste Mal, dass Alicia und Fynn dem selbst unter den Gesandten des Lichts bekannten Serienmörder der Gesandten der Finsternis begegnet waren. Er hatte sie auch prompt angegriffen und Fynn hatte sich natürlich verteidigt und dabei auch Gebrauch von seiner Magie gemacht. Das hatte Raymonds Körper einige Verletzungen eingehandelt, doch Ryszard war auch nicht gerade zimperlich mit Fynn umgegangen.

Als Alicia es dann gewagt hatte sich zwischen die beiden zu stellen, hatte Ryszard sie ziemlich schwer verletzt. Unmittelbar danach, als Fynn gerade dazu übergehen wollte ihn einfach zu töten, war Ryzsard plötzlich umge-kippt und Raymond war plötzlich wieder zu sich gekommen. Er hatte reichlich erschöpft und mitgenom-men ausgesehen und soweit Alicia es damals noch mitgekriegt hatte, hatte Raymond eigentlich noch etwas sagen wollen, doch da hatte Fynn bereits auf ihn einge-schlagen und ihn angeschrien. Es war eine schreckliche Szene gewesen, an die Alicia sich nur äußerst ungern erinnerte. Doch wie ihr später erst aufgefallen war, hatte Raymond sich damals auch nicht dagegen gewehrt. Er hatte Fynns Schläge eingesteckt und hätte wohl ziemlich schlimme Knochenbrüche und noch einiges mehr davongetragen, wenn in dem Moment nicht sein Freund Nathaniel mit Raymonds Meister zusammen aufgetaucht wäre, der die beiden Jungen auseinander gezerrt hatte. Kurze Zeit später, als sich Raymonds Meister gerade um Alicias Verletzung gekümmert hatte, war ihr und Fynns Vater aufgetaucht. Er war ziemlich wütend auf Raymond gewesen. Jemand mit dieser zweiten Seele in sich durfte doch nicht einfach frei und ohne Aufsicht draußen rumlaufen, doch sein Meister hatte verhindern können, dass der bereits ziemlich hart getroffene Raymond noch mehr verletzt wurde.

Damals war Alicia in ein Krankenhaus geliefert worden und hatte einige Wochen dort bleiben müssen. Fynn hatte Raymond niemals verziehen, dass er es zugelassen hatte, dass Alicia verletzt wurde. Sie selbst hatte zwar Angst vor Ryszard, doch Raymond hatte sie immer gemocht und es hatte ihr in der Seele wehgetan, dass ausgerechnet der einzige Junge, der es geschafft hatte wirklich mit Fynn befreundet zu sein, nun ihr Feind sein musste. Sie hatte es gehasst und sie hasste es noch heute.

Bei späteren Treffen war Fynn nie freundlich zu Raymond gewesen, obwohl dieser sich bereits entschul-digt hatte und Alicia mehrmals, in Begleitung und ohne Wissen von Fynn, auch im Krankenhaus besucht hatte. Daraufhin hatte die ewige Streiterei der beiden Jungen begonnen und sie hatte bis heute angehalten. Immer wenn die beiden aufeinander trafen, gifteten sie sich an. Fynn, weil er Raymond nicht verzieh, und Raymond, weil er wahrscheinlich ziemlich gekränkt von Fynns Verhalten war. Zumindest glaubte Alicia das, wissen tat sie es nämlich nicht.

„Und nun ist der Kampf gekommen“, murmelte sie leise. Das war die beste Gelegenheit für Fynn und Raymond sich gegenseitig so lange zu bekämpfen, bis einer nicht mehr konnte und verlor. Alicia hoffte zwar inständig, dass es nicht so weit kam, dass einer den anderen am Ende sogar umbrachte, doch sie konnte es leider nicht aus-schließen. Sie hatte bei ihrer letzten Begegnung vor ein paar Stunden immerhin deutlich gesehen, wie sehr die beiden sich nicht ausstehen konnten. Ohne Theresas Eingreifen hätte sie Situation für mindestens einen der beiden wohl böse geendet.

„Ja“, sagte Fynn ebenso leise. Er schien Alicias Gemurmel jedoch nur halb zugehört zu haben. Mit den Gedanken war er immer noch bei Theresa. Er kam noch immer nicht dahinter, wieso ihn das so sehr schockte, doch es nagte an ihm. Wieso war Theresa, die ebenfalls als Kyra erwacht war, auf der Seite von Raymond. Wie konnte das nur sein? Raymond hatte einen Sprung in der Schüssel und außerdem war er auch noch ziemlich gefährlich. Schließlich konnte es jederzeit passieren, dass Ryszard auf einmal den Körper von Raymond übernahm und sie verletzte. Bei dem Gedanken fiel ihm jedoch wieder ein, dass Theresa irgendwie nie große Angst vor Ryszard gehabt hatte. Sie hatte sich sogar mehrmals zwischen ihn und Fynn gestellt. Zudem schien dieser Mörder sich ihr gegenüber auch noch irgendwie anders zu verhalten als bei anderen. Es war seltsam. Theresa behan-delte ihn fast so, als wäre er ein ganz normaler Mensch und obwohl Ryszard nicht gerade sehr freundlich zu ihr war, schien er sich bei ihr doch ein wenig anders zu benehmen. Fynn konnte es zwar nicht verstehen, doch er konnte diesen Umstand auch nicht ignorieren. Dennoch war Ryszard immer noch ein Mörder und es war auch immer noch möglich, dass er sich eines Tages an Theresa vergriff. Die Vorstellung machte Fynn fast wahnsinnig und er biss sich auf die Unterlippe.

Dann sah Fynn aus den Augenwinkeln auf einmal eine Bewegung und blickte aus dem Fenster auf den Flur. Dort huschten gerade drei Gestalten lang, die irgendwelche Sachen trugen, die er in der Dunkelheit aber nicht erkennen konnte. Er war sich ganz sicher, dass eines der drei  Mädchen Theresa war. Aber was machte sie hier?

Alicia hatte den Blick ihres Bruders bemerkt und blickte auch aus dem Fenster. Sie schien Theresa ebenfalls zu erkennen und wirkte genauso verwirrt wie Fynn. Die beiden sahen sich stirnrunzelnd an.

„Was...?“ Beide waren verwirrt.

Jessica und Vanessa schien die Bewegung ebenfalls aufgefallen zu sein, auch wenn sie dem Fenster nicht so nahe gewesen waren wie Fynn und Alicia, und hatten nach draußen geblickt.

„Was planen die?“, fragte Jessica leicht verwundert, während Vanessa sich argwöhnisch umsah und nach Anzeichen dafür suchte, dass noch andere die drei auf dem Flur gesehen hatten.

„Egal was“, sagte Alicia nachdenklich, „Auf jeden Fall liegen unsere Leutchen gründlich daneben. Die Gesandten der Finsternis scheinen noch nicht aufgegeben zu haben.“

Fynn hatte seinen Blick nicht von dem Fenster abgewen-det. War das eben wirklich Theresa gewesen? Er spürte wieder dieses leichte Stechen in der Brust und biss sich auf die Unterlippe. Wenn er nur endlich wüsste, was hier los war. Er hatte schon vor langer Zeit den Überblick verloren.

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Über den Autor

SilverRose
Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD
Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P
Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und daher auch gut und gerne zwischen zwanzig bis vierzig Kapitel mit unterschiedlichen Längen varieren. Sie sind nichts für Leute, die nur gerne kurze Happen lesen, sondern mehr für die, die auch im normalen Buchladen gerne mal zu einem drei - bis vierhundert-Seiten-Wältzer greifen. Sorry, aber kurz schreiben ist nicht gerade meine Stärke. Wenn ich das versuche, werden sie am Ende nur umso länger xD
(Auch wenn ich ja mittlerweile auch wenigstens ein paar Kurzgeschichten zum Reinschnuppern in meinen Schreibstil habe :P)
Und (der Ordnung halber) die erste Interviewfrage hier oben: Welche Geschichten hast du bisher schon verfasst?
Hm, das sind mittlerweile so einige...meine abgeschlossenen sind der Reihenfolge nach:
Meine abgeschlossenen Manuskripte sind der Reihenfolge nach:
1.1) Das Geheimnis der Federn: Die Wächterinnen der Federn;
1.2) Das Geheimnis der Federn: Der Kampf gegen die Finsternis;
2) Kyra: Die Wahl zwischen Licht und Finsternis;
3) Scarlett und das Geheimnis von Avalon;
4.1) Kampf der Geister: Vertrag;
4.1) Kampf der Geister: Geschwister der Dunkelheit;
5) Das verlorene Buch;
6) Silver Rose: Das Gesetz der Killer;
7) Der Schlüssel zum Tor der Feuergeister;
8) Reinblut & Halbblut;
9) Die Wächterin von Reilong;
10) Die letzte Zauberin;
11.1) Juwelenritter: Das vergessene Jahr des Blutes;
11.2) Juwelenritter: Die sieben Höllenfürsten;

Meine noch laufenden Geschichten (auch wenn ich nicht weiß, ob und wann ich es schaffe sie zu beenden) sind:
11.3) Juwelenritter: Dämonenherz (aktiv)
12) Bund mit dem Tod (neu - auf Standby)

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