Die Flitzpiepe
Eine kleine Geschichte zum Warmwerden
Miroslav Flitzpiepe lag mit zusammengekniffenen Arschbacken in seiner Hängematte, kokelte in der Sonne und versuchte eine Komplettdurchdrehung zu vermeiden. Das war sein Job. Miroslav Flitzpiepes Beruf hieß Komplettdurchdrehungsvermeider, nämlich.
Trotz seiner auf den ersten Blick als gemütlich zu bezeichnenden Position murrte Miroslav ob der Bedingungen seiner Arbeit. Der Sonnenkühler war ausgefallen, und Miroslav mußte das pure Lächeln der Sonne ertragen, da er gefesselt war. Herr Flitzpiepe empfand das pure Lächeln der Sonne allerdings nicht als Lächeln, sondern als Fratze der Frechheit.
Seine Position war dem zur Folge also gar nicht gemütlich.
Allerlei Viecher krabbelten auf ihm herum, krochen in seine Körperlöcher, stachen ihn, legten Eier auf ihn und in ihm, fraßen, was ihnen an ihm schmeckte und kümmerten sich dabei nicht um ihren Lebensraum. Des weiteren hungerte und dürstete Miroslav, und ihm fehlte die Verwonniglichung seiner juckenden Körperstellen mit Hilfe seiner Fingernägel. Hinzu kam noch die Unentgeldlichkeit seiner Arbeit, welche ihn ab und an sehr und äußerst wurmte.
Dennoch mochte Miroslav seinen Beruf, wobei er von diesem Mögen meistens sehr weit entfernt war, wofür die angedeuteten Bedingungen seiner Arbeit verantwortlich waren. Diese verhinderten das Mögen, indem sie es schlichtweg überlagerten.
Manchmal besuchten Kinder „ihren“ Miroslav zwecks kleiner Akupunkturstudien. Ihre Eltern hatten sie diesbezüglich bereits viel gelehrt und schickten sie zu Praktika an die flitzpiepsche Hängematte. Dort praktizierten die Kinderlein munter los: sie rammten Miroslav Nadeln in den Körper, und sobald eine Nadel irgendwelche Nerven nicht nur ankratzte, sondern voll beschäftigte, und Miroslav schmerzeshalber ein paar Töne von sich gab, schrieen sie laut und fröhlich „Ich hab´ ihn!“ heraus. Anders ausgedrückt: sie feierten ihren Studienerfolg.
Miroslav kannte diese Kinder meistens nicht, und sie fragten auch nicht nach seinem Namen, sondern nannten ihn einfach „Er“. Wahrscheinlich waren sie zu diszipliniert erzogen worden, um sich durch Kleckerkram von ihren Studien abhalten zu lassen. Miroslav wiederum hatte vor Schmerzbrüllerei selten die Gelegenheit nach den Namen der Kinder zu fragen, geschweige denn sonstiges mit ihnen in Ruhe zu bereden.
Miroslav freute sich jedesmal, wenn die Kinderlein ihn für ihre Piesackung benutzten. In dergleichen Momenten, zum Beispiel, mochte Miroslav seinen Beruf, weil er die Anwesenheit von Kindern nicht verweigerte.
Die Fraktion der Neugierigen konnte Miroslav hingegen nicht ausstehen. Er haßte sie sogar manchmal und hätte in solchen Augenblicken des Hasses gerne seinen Arbeitsplatz verlassen, um sie windelweich zu zerhacken. Doch selbstverständlich war dergleichen nicht möglich, da Miroslavs Arbeit keinen Blödsinn zuließ. Ansonsten wäre die Fraktion der Neugierigen wohl auch nicht erschienen, aber wer weiß schon genau, was gewesen wäre wenn...
Die Fraktion der Neugierigen erschien oftmals an Miroslavs Arbeitsstätte und stöberte nach jeglichen flitzpiepschen Lebensinhalten – vielleicht weil sie keine eigenen hatte, aber das ist nur eine waschechte Vermutung.
Während Miroslav hart an einer Komplettdurchdrehungsvermeidung arbeitete, kitzelte und preßte die Fraktion der Neugierigen im wahrsten Sinne des Wortes allerlei Intimitäten aus Miroslav heraus. Jedwede verursachte seltsame Freude: die Neugierigen lachten wirr über Informationen bezüglich der flitzpiepschen Sorgen und Ängste, kicherten über Miroslavs Sehnsüchte und sein Leid der Einsamkeit, diskutierten überhalb der Richtlinie der Vernunft, ergo übergeschnappterweise, ob seine Lage eine Bedauerung zuließ und empfand es als lästernswert, daß Miroslav Zeitungspapier benutzte, weil er kein Klopapier mehr besaß. Sie fertigte sogar ein EKG an, was sie allerdings rein gar nicht befriedigte. Warum das EKG die Fraktion der Neugierigen rein gar nicht befriedigte, steht nicht einmal in den Sternen, übrigens. Vielleicht hatte sie Wissenslücken bei der Deutung der ST-Strecke. Dergleichen ist hier aber auch unbedeutsam.
Die Fraktion der Neugierigen wollte natürlich auch allerhand Unanständiges von und über Miroslav wissen, aber darauf sollten wir wegen der Kleinen verzichten, auch wenn die meisten das Wort „Kacke“ schon im Kindergarten vernehmen.
Summa Summarum waren die Neugierigen neugierig und geilten sich an allem auf, was nicht sie selbst betraf.
Noch öfter denn die Fraktion der Neugierigen schaute die Formation der Räusperheinis bei Miroslav vorbei. Hervorragend organisiert marschierte sie regelmäßig ein Mal in der Minute kohortenweise in prachtvollen Punkeruniformen an Miroslav vorbei und hustete denselben an, jedes einzelne Mitglied. Miroslav zuckte bei jedem Räusperer jämmerlich zusammen und ward ein wenig aus seinem Konzept gebracht. Die Formation der Räusperheinis wollte und bemerkte das natürlich nicht. Ihres Hobbys Tradition währte schon sehr lange, Jahrhunderte lang gar, seit dem ersten Räusperer höchstwahrscheinlich.
Historischer Abstecher:
Der erste dokumentierte Räusperer lagert in Form einer Höhlenmalerei in einer der vielen sauerländischen Heinrichshöhlen, welche ein Müller namens Alberts während einer seiner Bierreisen mit seinen Knechten entdeckte. Die Geschichtsforschung kann diese aufgrund akuten Personalmangels nur auf den Zeitraum zwischen Paläolithikum und Neolithikum datieren, wobei sie auch im Mesolithikum gepinselt worden sein könnte.
Die angesprochene Höhlenmalerei zeigt einen Hornochsen, der von einer Sumpfkuh mit einem hustenden Smilie beworfen wird.
Die Zugehörigkeit des Räusperers zu einer jeden ordentlich funktionierenden Gesellschaft ist in etwa seit Arthur II. von Kalifornien historisch astrein belegbar. Eingesetzt wurde er hauptsächlich zur Aufmerksammachung, wobei diese in zwei Kategorien einzuteilen ist: erstens wurde geräuspert, um Menschen, die dummes Zeugs quatschten, höflich darauf hinzuweisen, daß sie die Schnauze zu halten haben, und zweitens, damit Menschen, die bekanntlich nichts zu melden hatten, dezent verklickern konnten, daß sie ausnahmsweise etwas zur Geschichtsförderung beizutragen haben. Letzteres galt insbesondere bei der Kommunikation von Dreckspack und Saubermenschen.
In Zeiten des Totalitarismus’ mußte der Räusperer abhauen. Paradebeispiele hierfür sind Herr Hitler und Herr Stalin, selbstverständlich. Aber auch vor ihnen gab es genug Wahnsinnige, die den Räusperer unterdrücken ließen.
In solchen Zeiten wurde ausschließlich in Katakomben geräuspert, weshalb die ersten Katakombenräusperer als Räusperertraditionsbegründer gefeiert werden müssen. Erste Rituale entstanden, und jedes Mal, wenn die Räusperei seitens eines Chefs verboten wurde und die Räusperer wieder in die Katakomben krochen, packten sie ein zeitgemäßes Ritual hinzu.
Zeitgleich mit der Entstehung der Vereinsmeierei gründeten die Nachkommen der Räusperertraditionsbegründer und Räusperertraditionsfortsetzer den ersten un-heimlichen Räuspererklub, nämlich „Die Formation der Räusperheinis e.V.“, die goldene Räuspererzeit schlechthin.
Nach Vollendung der Herrhitlerzeit jubilierte die Formation der Räusperer nicht nur in deutschen Landen, zunächst und logischerweise, quasi logischerweise.
Doch wurde sie - zumindest von der deutschen Demokratie - enttäuscht und mußte wieder in die Katakomben, da einerseits plötzlich jeder reden durfte wo, wie und was er wollte, so daß das Räuspern zwar nicht verboten, aber unnütz ward, und andererseits der Räusperer lediglich im Zirkus auf Geheiß auftreten durfte.
Einerseits hatte die Formation ihr Klubleben hinter verschlossenen Türen fix satt und ging auf die Straße, um es wie alle anderen zu treiben. Nur laberten sie eben nicht, sondern räusperten drauflos. Andererseits schielte man eine lange Zeit (cirka mehrere Jahre) neidischerweise auf dieses lustvolle Drauflosräuspern, bis man nach der Auflösung von einer- und andererseits ebenso verfahren durfte.
In der heutigen Zeit ist die Formation der Räusperheinis zu einer Hobbytruppe geworden, die die Tradition ihrer Vorfahren öffentlich zelebriert, und an Herrn Radeuke konnte sie sich mal so richtig austoben.
So viel dazu.
Aber Miroslav Flitzpiepe ward auch noch von anderen besucht. Nachts zum Beispiel kamen die Hupschnüffler mit dem Auto vorgefahren. Diese Menschen fuhren bis an die Hängematte heran, schnüffelten aus dem offenen Fenster heraus bei laufendem Motor an Herrn Flitzpiepes Arsch, hupten kurz und fuhren mit quietschenden Reifen auf und davon.
Viel mehr ist über diese Menschen nicht bekannt, obwohl sich eine gehörige Portion Wissenschaftler um sie kümmerte, indem sie sie ständig beobachtete.
In der Abenddämmerung versteckten sich die Wissenschaftler rund um die Hängematte, stellten allerlei wissenschaftliche Geräte auf und legten sich auf die Lauer. Bereits nach der ersten Beobachtungsphase hatte die Wissenschaftsmannschaft bei ihrem Feierabendbierchen in fröhlicher Runde beschlossen, den Namen „Hupschnüffler“ auf die beobachteten Menschen anzuwenden und zu verbreiten. Etwas Wissenschaftliches kann die Wissenschaftsmannschaft bisher leider noch nicht erzählen, arbeitet aber fleißig und unermüdlich an rein wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Ansonsten vermutet die Wissenschaftlermannschaft. Sie vermutet, „daß es sich bei den Beobachteten ausschließlich um Jungmenschen handelt, die sich des Nachts von ihrer Familie abseilen, um mit anderen Jungmenschen Schabernack herzustellen.“ Die Wissenschaftlermannschaft vermutet weiterhin, bezüglich der Gründe für dieses in der Nacht an den Tag gelegte Verhalten, „daß der Hupschnüffler innerhalb seiner Familie eine eher untergeordnete Stellung einnimmt. Als Einzelner ist er wohl von scheuer, schier symphatisch schüchterner Art und hätte einfach gerne mehr zu sagen, weshalb er die Nacht in autofüllenden Rudeln verbringt, um in Gemeinsamsindwirstarkmanier schlichtweg den Maxen zu machen.
Das Auto verabreicht dem Hupschnüffler dabei zusätzliche Geborgenheit sowie die Sicherheit, schnellstens abhauen zu können, sofern es brenzlig werden sollte. Um dieses fast gänzlich ausschließen zu können, sucht sich das Rudel zwecks Maxmachung offensichtlich schwache Opfer aus.
All das weist auf die Harmlosigkeit der Hupschnüffler hin, die höchstwahrscheinlich eine liebenswerte Menschenart darstellen, welche noch nicht so richtig weiß, wo sie hingehört.“
Demnächst wollen die Wissenschaftler sogar versuchen, ob der Hupschnüffler sich streicheln läßt, wenn man sich ihm behutsam nähert.
Während Miroslav arbeitete fand also einiges um ihn herum statt. Miroslav arbeitete nicht gerade in einer Dunkelkammer, quasi.
Doch nun zu Miroslavs Tätigkeit, denn höchstwahrscheinlich weiß kaum einer, was ein Komplettdurchdrehungsvermeider so macht. Ich will es mal mit den Worten der Maus versuchen:
Das ist der Herr Flitzpiepe, und der Herr Flitzpiepe ist von Beruf Komplettdurchdrehungsvermeider. Das ist ein schwieriger Beruf wie alle anderen Berufe auch, wenn man sie gewissenhaft ausübt.
Herr Flitzpiepe arbeitet für eine Firma, die Licht herstellt. Dieses Licht kommt jedoch nicht aus der Steckdose, wie das Licht Eurer Leselampe, oder von der Sonne, wie das Licht für Euren Badeurlaub, sondern vom lieben Gott, Allah, Jehova, oder wie Ihr ihn nennen möchtet. Jedenfalls ist es das Licht, das alle Menschen zu Freunden macht, weil es alles Falsche erhellt und alle Menschen ehrlich werden läßt.
Das wollen nicht alle Menschen, da sie zu viel gelogen haben. Und wer zu viel lügt, der sieht alt aus, wenn alle seine Lügen ans Licht kommen. Daher haben die Lügner tierischen Schiß vor der Verbreitung der Wahrheit. Und vor der Fabrik, in der Herr Flitzpiepe arbeitet, haben sie natürlich auch Schiß. Also sabotieren sie die Fabrik so gut sie können.
Und das funktioniert so:
In der Fabrik, in der Herr Flitzpiepe arbeitet, arbeiten viele Menschen - eigentlich wie in jeder Fabrik. Jeder von ihnen hat eine andere Aufgabe. Das ist so ähnlich wie in einem Eisladen, wo einer Schokoladeneis verkauft, einer Erdbeereis, einer Zitroneneis und einer Spaghettieis, und die Frauen putzen allesamt das Klo, weil die Männer ihren Schwanz immer so stark schütteln und ihn nicht mit Klopapier abtupfen, um möglichst wenig Pisse in ihrer Unterhose zu verbreiten .
Nun ja denn.
Herr Flitzpiepe hat also eine von vielen Aufgaben in der Fabrik zu erfüllen. Und diese Aufgabe hat etwas mit der lügnerischen Sabotage zu tun.
Nachdem die Fabrik die ersten Lichtstrahlen produziert hatte, hatten sich die Lügner einen tiefen Tunnel gegraben, um sich vor den Lichtstrahlen zu verstecken. Dann hatten sie so lange gebuddelt, bis der Tunnel direkt unter der Fabrik endete. Danach hatten sie einen riesigen Bohrer herangeschleppt und versuchen nun, ein Loch zu bohren, um den Fabrikschornstein, aus dem das fertige Licht strömt, anzuzapfen. Und wenn ihnen das gelingen sollte, könnten sie klammheimlicherweise mit dem Licht machen was sie wollen. Sie könnten es auf einen Spiegel lenken und von dort aus wieder in die Welt schießen, und schwups die wupps mutierten Wahrheiten zu Lügen und Lügen zu Wahrheiten, weshalb die Lügner einfach so Ex-Lügner und die Ehrlichen einfach so Ex-Ehrliche würden.
So, und der Herr Flitzpiepe sollte vermeiden, daß der Bohrer komplett durchgedreht werden kann und mußte dafür seinen Arsch hinhalten. Um es bei der Arbeit bequem zu haben, lag er in einer Hängematte, und gefesselt war er, na, das werdet ihr noch sehen.
Und hier verlassen wir die Worte der Maus, weil ich das nämlich nicht so gut kann wie die Maus.
Außerdem sind wir wieder am Beginn der Geschichte:
Miroslav Flitzpiepe arbeitete und murrte dabei. Er murrte ob seiner Arbeitsbedingungen. Miroslav beklagte sich also nicht, sondern war lediglich mürrisch gelaunt, da ihm seine Arbeitsbedingungen für den Moment tierisch auf den Sack gingen.
Allerdings hätte er am liebsten ausgiebig gedonnerwettert, blindlings gedonnerwettert. Sehr gern hätte er der Sonne hämischerweise grinsend eine Axt in den Nacken gejagt, die ihn piesackenden Mistviecher wonniglich mit einer Lupe zum Knackpunkt befördert und dabei Gelbe gerotzt, stinkendes Land auf die Straße gefurzt und lustige Hitlerballaden gebrüllt. All denjenigen, die ihn aufgrund dieses Benehmens ausgebuht hätten, hätte er ebenfalls liebend gern, als Leckerle für zwischendurch sozusagen, die Axt in den Nacken gejagt.
Demnach war Miroslav zu einer Berufsvernachlässigung fähig, weshalb seine Fesselung seitens des Arbeitgebers nicht mehr verwunderlich sein dürfte.
Miroslav mußte sich mit mürrischer Laune begnügen, quasi.
Ohne großartiges Bimbamborium funktioniert die Geschichte ergo folgendermaßen:
Miroslav Flitzpiepe arbeitete und war mürrisch. Ende
Das wäre eine Zu-Kurz-Geschichte, sozusagen. Aber längere Geschichten kosten viel Zeit, und Zeit ist bekanntermaßen Geld.
Also:
Und die Moral von der Geschicht:
Soll ich für Euch schreiben oder nicht?
ENDE