Fantasy & Horror
Kyra: die Wahl zwischen Licht und Finsternis (1) - Kapitel 1-4

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"Kyra: die Wahl zwischen Licht und Finsternis (1) - Kapitel 1-4"
Veröffentlicht am 11. November 2011, 106 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und ...
Kyra: die Wahl zwischen Licht und Finsternis (1) - Kapitel 1-4

Kyra: die Wahl zwischen Licht und Finsternis (1) - Kapitel 1-4

Beschreibung

Nachdem Theresa gezwungen worden war auf das Winhall Internat zu wechseln, setzt sie alles daran durch Störungen des Unterrichts wieder rausgeworfen zu werden, um endlich wieder zu ihren alten Freundinnen und ihrer Familie zurückzukommen. Als ihre völlig genervten Mitschüler zurückschlagen, rettet sie ausgerechnet der Sohn des Internatsinhabers, Fynn Windhall. Doch nicht nur er zeigt großes Interesse an der Störenfriedin, auch ein Junge namens Raymond ist auf ihrer Seite. Nur was ist der Auslöser für die Aufmerksamkeit der wohl beliebtesten Jungen des Internats? Ein alle vierhundert Jahre verkehrender Kampf, dessen Ausgang von der Entscheidung einer einzigen Person abhängt, ist die Antwort. Und um diese Person, der Kyra, auf ihre Seite zu bringen, kämpfen zwei Jungen um ihre Gefühle. Enthält: Kapitel 1: Das Windhall Internat Kapitel 2: die persönliche Hölle Kapitel 3: Konflikt Kapitel 4: Entschluss

Kapitel 1: Das Windhall Internat

Als Theresa aufwachte, starrte sie an die weiße Zimmer-decke. Dies war nun schon seit über drei Wochen ihr neues Zuhause, doch sie konnte sich immer noch nicht daran gewöhnen. Vor einundzwanzig Tagen hatte man sie aus ihrem bis dahin schönen und ruhigen Leben als normaler Teenager gerissen und in dieses Internat für Hochbegabte gesteckt. Und Theresa war schon am ersten Tag klar gewesen, dass sie auf keinen Fall in so ein Internat gehörte. Warum nur hatten ihre Eltern zugelassen, dass man sie mitnahm? Warum?

Theresa erinnerte sich noch bildlich daran, wie am Morgen des fünften Augusts plötzlich ein schwarzes, ziemlich teuer aussehendes Auto vor der Tür ihrer Mietwohnung gestanden hatte. Sie hatte es nicht weiter beachtet, da sie eigentlich gedacht hatte, dass die Leute bestimmt mit ihrem einen Nachbarn reden wollten, der öfter mit irgendwelchen Beamten zu tun hatte. Also hatte sie sich, wie jeden Morgen, ganz normal fertig gemacht, irgendwelche Klamotten aus dem Schrank geholt und angezogen, ihre Schulsachen gepackt und noch mal kurz nachgesehen, ob sie eine Hausaufgabe vergessen hatte. Da dies nicht der Fall gewesen war, hatte sie ihre Schultasche geschnappt und war in die Küche gelaufen, um ihr Früh-stück abzuholen. Doch komischerweise war ihre Mutter nicht dort gewesen, die Zutaten für Theresas Sandwichse lagen verstreut auf der Arbeitsplatte. Dass ihr Vater nicht Zuhause war, war ja normal, denn er arbeitete morgens schließlich immer, aber wo war ihre Mutter? Daraufhin ging Theresa verwirrt durch den kurzen Flur und betrat das Wohnzimmer. Sie verharrte allerdings noch in der Tür. Auf dem schönen, karminroten Sofa saßen zwei Männer in aschgrauen Sakkos und ihre Mutter stand ihnen gleich gegenüber und blätterte in einem Ordner. In diesem Moment zog sie ein wichtig aussehendes Formular aus einer Folie und legte es vor den beiden Männern auf den Tisch. Diese sahen es sich noch nicht mal eine Sekunde lang an, da steckte es der Mann mit der blauen Krawatte schon in die Innentasche seines Sakkos. Der andere Mann mit einer schwarzen Krawatte sah ein Bild auf dem Kamin an, vor dem ihre Mutter gerade stand. Diese entdeckte in dem Moment aber Theresa und sah sie überrascht an. Die recht langen, dunkelbraunen Haare ihrer Mutter waren leicht zerzaust und hatten sich kreuz und quer gelockt, als wäre sie heute noch nicht dazu gekommen, sie zu bürsten. Auch die knallgrüne Hose und die rosane Bluse, die so gar nicht miteinander harmonieren wollten, passten absolut nicht zu ihrer Mutter, die sonst immer sehr auf ihr Aus-sehen achtete. Nicht so wie Theresa, der es eigentlich egal war, was sie trug. Hauptsache es war bequem und sie konnte darin gut laufen.

In dem Moment wurden auch die beiden Männer auf das verwirrte Mädchen aufmerksam, das in der Tür stand und die Anwesenden verwundert und ein wenig misstrauisch zugleich ansah. Eine Weile lang herrschte Schweigen, dann stand der Mann mit der blauen Krawatte auf und kam auf Theresa zu, während der andere einen Zettel aus seiner schwarzen Aktentasche zog und diesen auf den Tisch legte. Dann zog er noch einen Kugelschreiber aus seiner Brusttasche und hielt ihn ihrer Mutter hin, die ihn nahm und sich über das Papier beugte, das ziemlich dicht beschrieben war. Mehr sah Theresa nicht, da der Mann mit der blauen Krawatte sich dezent vor sie stellte und sie auch gleich eingehend musterte. Theresa hasste es so angesehen zu werden, deshalb wich sie auch einen Schritt zurück, sah den Mann an und reckte das Kinn. Als ob es etwas an ihrem grau-blauen T-shirt, der dreiviertellangen, sandfarbenen Hose und den rotweißen Turnschuhen aus-zusetzen gäbe. Oder waren es vielleicht doch ihre langen, goldbraunen Haare, die im Licht, das durch das seitliche Fenster herein schien, golden schimmerten? An ihren Augen konnte es schlecht liegen, da das dunkle, schon fast nachtblaue Auge durch ihre Brille, die ziemlich große und runde, leicht getönte Gläser hatte, aufgehellt wurde und so kaum noch von ihrem rechten, himmelblauen Auge zu unterscheiden war. Nachdem der Mann sie anscheinend ausreichend gemustert hatte, streckte er plötzlich die Hand aus und hielt sie ihr einfach hin. Theresa war inzwischen jedoch misstrauisch. Diese Männer waren mit Sicherheit keine Vertreter, die ihrer Mutter wieder irgendetwas andrehen wollten. Diese Männer waren zu selbstbewusst und viel zu sicher.

Als Theresa dem Mann die Hand nicht reichte, ließ er sie wieder sinken und sagte stattdessen mit rauer Stimme, die sich für Theresa klar nach Raucherstimme angehörte: „Na schön junge Dame, ich nehme mal an, dass du Theresa Kyrashni bist. Mein Name lautet Paul Smoother und der Name meines Kollegen ist Andréw Shikowski. Wir sind vom Windhall Internat und hier um dich abzuholen.“

Theresa brauchte einige Sekunden um überhaupt zu verstehen, was der Mann vom Windhall Internat da gesagt hatte. Dann aber war sie komplett verwirrt und drängte sich einfach an Paul Smoother vorbei. Sie stürmte ins Wohnzimmer zu ihrer Mutter und konnte gerade noch sehen, wie diese das Formular, was der Zettel eindeutig war, unterschrieb.

„Was soll das? Was ist hier los?“, fragte Theresa ihre Mutter und starrte dabei auf das Formular, dessen große Überschrift lautete: Einverständniserklärung zum Schul-wechsel auf das Windhall Internat. Theresa sah ihre Mutter fassungslos an, die nur mit glasigem Blick auf das Papier starrte.

„Es ist das Beste für dich“, sagte ihre Mutter mit weiner-licher Stimme, „Du bist deinem Jahrgang weit voraus, es wird dir gut tun mit gleich begabten Schülern zusammen zu sein...“

„Nein!“, schrie Theresa, „Nein! Nein! NEIN!“

Sie hatte nichts anderes schreien können und war in ihr Zimmer gestürmt. Keiner hatte versucht sie aufzuhalten. Theresa hatte den Schlüssel herum gedreht und sich in ihr Bett geworfen, ihre Schultasche war zuvor mit Schwung auf ihren Schreibtischstuhl geflogen. Mit dem Kissen über dem Kopf hatte sie leise in ihre Matratze geschluchzt, denn ihr war klar geworden, dass ihr ganzes Leben plötz-lich Kopf stand. Gestern noch war sie fröhlich lachend mit ihren Freundinnen Leah und Clare zur Schule gegangen und hatte den beiden, wie immer, in der Mathematikarbeit vorgesagt. Am Nachmittag hatten sie sich, auch wie fast immer, getroffen und waren durch die Stadt gebummelt, weil die beiden meinten endlich einen Trick gefunden zu haben Theresa für Mode zu begeistern. Schließlich hatten sie am Abend bei ihrem Lieblingsitaliener Pizza gegessen und auf dem Heimweg die Sterne bewundert. Und heute sollte das alles so einfach enden? Sie sollte ihr heiß geliebtes Foeration-Gymnasium, wo all ihre Freundinnen und Lieblingslehrer waren, mit dem so viele Erinnerungen verbunden waren, einfach verlassen um auf irgend so ein bescheuertes Internat zu gehen, von dem sie nur wusste, dass es ausschließlich hochbegabte Schüler aufnahm? Das war zu viel für Theresa. Sie schluchzte in ihre Matratze und hoffte, dass es die Männer nicht hörten.

Wenig später vernahm sie Schritte vor der Tür und dann hörte sie eine Männerstimme sagen: „Wir wären dir dankbar, wenn du deine Sachen packen und dann raus kommen würdest. Wir haben auch noch anderes zu tun, also beeil dich.“

Da sie die Stimme nicht kannte, nahm Theresa an, dass es der Mann mit der schwarzen Krawatte war, der der Andréw Shikowski hieß. Wie konnte er eigentlich erwar-ten, dass sie es so einfach hinnehmen würde, wenn man sie aus ihrem Leben riss? Theresa harrte den ganzen Morgen in ihrem Zimmer aus und reagierte nicht auf die mit der Zeit immer genervteren Stimmen von Smoother und Shikowski. Doch zum Mittag hin bereute sie es, sich kein Wasser mit ins Zimmer genommen zu haben. Ihre Kehle war trocken und sie hatte furchtbaren Durst. Schließlich schlich sie an ihre Zimmertür und lauschte. Es hörte sich so an, als ob ihre Mutter im Wohnzimmer mit den beiden Männern sprach. Daraufhin drehte sie ganz leise den Schlüssel um und öffnete die Tür einen Spalt weit. Als auch gut eine halbe Minute später niemand kam, fasste Theresa Mut und schlich hinaus. Sie ging leise in die Küche, jederzeit bereit wieder ins Zimmer zu fliehen, doch an den leisen Stimmen im Wohnzimmer erkannte sie, dass man ihren kleinen Ausflug in die Küche nicht bemerkt hatte. Dann kam sie in der Küche an. So weit, so gut. Sie schnappte sich schnell eine Flasche Wasser, dann aber knurrte plötzlich ihr Magen laut. Theresa  blieb vor Schreck wie angewurzelt stehen und lauschte angestrengt. Aber anscheinend hatte niemand ihren Magen gehört, sie vernahm keine Schritte von Lederschuhen auf dem Parkett im Wohnzimmer. Nach einem lautlosen Seufzer nahm Theresa sich dann kurzerhand das halbfertige Sandwich und schlich, mit der Flasche Wasser in der anderen Hand, zurück in die Richtung ihres Zimmers.

 Doch als sie gerade durch den schmalen Flur in ihr Zimmer huschen wollte, stieß sie plötzlich mit jemandem zusammen. Vor Schreck fielen ihr das Sandwich und die Flasche runter, während sie Paul Smoother erschrocken ansah. Dann aber fiel ihm die volle Flasche Wasser auf den Fuß und er verzog das Gesicht ziemlich. Nun end-gültig verschreckt wollte Theresa in die andere Richtung fliehen, doch dabei lief sie Shikowski in die Arme. Ihre Mutter stieß währenddessen durch den Flur zu ihnen und Smoother hielt sich den schmerzenden Fuß. Sie waren wirklich sehr geschickt gewesen, Smoother hatte sie am Zimmer erwartet, Shikowski hatte sich von hinten durch die Küche angeschlichen und ihre Mutter hatte nun die Mausefalle komplett gemacht, indem sie den einzigen bleibenden Fluchtweg blockierte. Doch Theresa hatte sowieso keine Chance mehr zu fliehen, denn Shikowski hielt sie mit eisernen Händen fest. Seine Hände gruben sich so grob in ihre Schultern, dass Theresa fast die Tränen in die Augen stiegen.

„Theresa!“

Sie hielt erschrocken inne, sie hatte gerade Shikowski beißen wollen. So hatte ihre Mutter ihren Namen noch nie gesagt.

„Hör auf dich wie ein Kleinkind zu benehmen“, befahl ihre Mutter eisern, „Du bist keine drei, sondern sechzehn Jahre alt, also verhalte dich auch so! Du bist zu gut für deine jetzige Schule, aus dir kann etwas werden. Das Windhall Internat ist genau das Richtige für dich, also stell dich nicht so an und pack deine Sachen, ansonsten muss ich sie dir hinterher schicken.“

Theresa war sprachlos. Nie hatte sie ihrer Mutter zuge-traut so etwas von ihr zu verlangen. Letztlich sah Theresa nur zu Boden und trottete in ihr Zimmer. Sie packte einige Sachen in einen Koffer, ohne darauf zu achten, was sie nahm. Nur die kleine Schreibtischlampe, die sie aus Versehen mit eingepackt hatte, holte sie wieder aus dem Koffer. Der Rest blieb drinnen. Danach ging sie langsam zur Haustür, wo sie bereits erwartet wurde. Theresa sah ihre Mutter flehend an, denn diese hätte dem ganzen Unsinn ein Ende machen können, doch sie erwiderte ihren Blick nur eisern. Als Theresa hinter den beiden Männern die Treppe runter trottete, fragte sie sich, ob das wirklich ihre Mutter war.

Das viel zu teure, schwarze Auto hatte sie aus London raus gebracht, doch nicht weit von der Stadt entfernt war das riesige Internatsgebäude schon von weitem zu sehen gewesen. Doch Theresa hatte sich weder um die schöne Landschaft, noch um den atemberaubenden Anblick des Internats gekümmert. Sie hatte sich schon damals gefragt, wann sie dort wohl endlich wieder raus kommen würde. Die zweispurige Straße ließ das Auto bis fast direkt vor das Gebäude fahren, dann bogen sie nach links auf einen Parkplatz. Die beiden Männer stiegen aus und Mr Shikowski öffnete ihr die Tür, während Smoother ihren Koffer aus dem Kofferraum holte. Theresa hatte eigentlich sitzen bleiben wollen, bis man sie vielleicht zurück oder sonst wo hin fahren würde, doch Smoothers Blick sorgte letztlich dafür, dass sie doch ausstieg. Daraufhin stellte Smoother ihr den Koffer vor die Füße und ging mit Shikowski los. Theresa hatte auch überlegt zu Fuß nach London zurückzulaufen, doch wo sollte sie hin? Ihre Mutter hätte sie gewiss sogar eigenhändig wieder zurück gebracht und ihre Freundinnen wollte sie nicht mit in diese Sache hineinziehen. Darum folgte sie den beiden Männern nach einigem Zögern, ihren Koffer in der linken Hand. Während sie hinter den beiden herlief, warf sie auch einen kurzen Blick auf das umliegende Gelände. Das Gras war im Umkreis von mindestens einem Kilometer um das riesige Internatsgebäude viel zu gleichmäßig kurz gewachsen, Theresa wollte nicht wissen, wie lange ein einzelner Rasenmäher für dieses mehrere Kilometer große Gelände brauchte. Die wenigen kleinen Bäume waren ebenfalls genau gleich groß, als würde ständig jemand darüber wachen, dass ja keiner auch nur einen Millimeter größer und breiter wurde als die anderen. Ein ganzes Stück weiter hinten war auf allen umliegenden Seiten ein dichter Wald zu sehen, der jedoch in solcher Ferne zu liegen schien, dass Theresa bezweifelte zu Fuß jemals dort anzukommen. Dann holte sie die beiden Männer ein und trotte gut zwei Meter hinter ihnen her. Diese führten sie durch einige Gänge, die alle gleich aussahen. In allen war ein roter Samtteppich auf dem Boden verlegt, die Wände waren in beige gehalten und, wenn denn Mal andere Möbel als teure Vasen mit Blumen zu sehen waren, waren sie von einem dunklen Holz, das Theresa von zu Hause kannte. Daher wusste sie, dass das Holz vom Nussbaum stammte. Schließlich öffneten Smoother und Shikowski eine Tür aus Buchenholz und betraten dann den dahinter liegenden Raum. Theresa folgte ihnen unsicher. Es war eindeutig ein Büro. Auch hier war der samtene, rote Teppich verlegt, die Wände waren bis zur Hälfte mit hellem Holz verkleidet und über dem Holz ebenfalls in beige gehalten. In der Mitte stand ein großer, dunkler Schreibtisch aus Nussbaumholz, dahinter an der Wand ein Schrank aus ebenfalls dunklem Holz, der zum Teil Glas-türen hatte, hinter denen man lauter Ordner sehen konnte. In jeder der vier Ecken des Raumes stand jeweils eine große, hellblaue Vase mit schönen Sommerblumen und an den Wänden rechts und links neben ihnen waren zwei hohe Kommoden aus ebenfalls dunklem Holz. Theresa hatte bereits erkannt, dass die Lieblingsfarben dieses Internats eindeutig rot und beige in allen möglichen Schattierungen waren und dass das beliebteste Holz wohl vom Nussbaum stammte. Einen kurzen Moment lang hatte Theresa versucht zu schätzen, wie viele Nussbäume sie für diese ganzen Möbel wohl gefällt hatten, doch dann war ihr Blick auf die Dame gefallen, die auf einem ziemlich großen, ledernen Schreibtischstuhl hinter dem wuchtigen Schreibtisch saß. Diese musterte Theresa eine Weile mit zusammengekniffenen Augen. Einige der tief schwarzen Strähnen der Frau, die wahrscheinlich so um die Mitte vierzig war, hatten sich aus dem strengen Dutt gelöst und hingen glanzlos neben ihrem Ohr herunter. Sie hatte eine dunkelbraune Bluse und einen langen, weißen Rock getra-gen, doch die strengen Gesichtszüge, die sie noch älter wirken ließen, hatten Theresa zusammen mit den tief braunen Augen einen ziemlichen Respekt eingeflößt.

„Gut“, sagte die Frau dann plötzlich, „Paul, holen Sie Elisabeth aus dem Westflügel im fünften Stock aus Raum dreiundzwanzig und schicken Sie sie her.“

Daraufhin hatte Smoother augenblicklich das Büro verlassen und Theresa war mit Shikowski und der Frau zurückgeblieben.

„Theresa Kyrashni, wenn die Unterlagen stimmen“, sagte die Frau dann und sah Theresa scharf an.

Da Theresa kein Wort heraus brachte, nickte sie ledig-lich. Daraufhin wurden die Augen der Frau noch schmaler, sodass einige Falten um die Augen deutlich hervortraten. Sie fragte in strengem Ton: „Hast du keinen Mund zum Reden? Und steh gefälligst gerade, du bist doch kein ausgeleerter Sandsack.“ Mrs Fatilla, Theresa hatte das Namensschild auf dem Schreibtisch entdeckt, war nun aufgestanden und auf Theresa zugekommen.

„Auf diesem Internat gibt es einige Regeln, die du unbedingt befolgen solltest“, sagte Mrs Fatilla in furcht-einflößendem Ton, „Du wirst sie später noch auswendig lernen. Aber nun einiges, was du dir sofort einprägen soll-test. Steh gerade, sei höflich, sprich niemals dazwischen, wenn...“

„W-Was soll das überhaupt?“, fragte Theresa dann, da sie ihre Stimme endlich wiedergefunden hatte.

Noch ehe sie etwas anderes sagen konnte, sah Mrs Fatilla sie fuchsteufelswild an und schrie fast: „Was habe ich gerade gesagt?! Wenn ein Erwachsener mit dir spricht, hast du zu schweigen...!“

„Aber ich verstehe das nicht“, brachte Theresa hervor, „Ich weiß überhaupt nicht, was ich hier soll. Auf dem Formular stand Wechsel auf das Windhall Internat, heißt das, ich soll wirklich von nun an auf dieses Internat gehen? Und was ist mit meiner alten Schule? Ich kann doch nicht mitten im Schuljahr einfach die Schule wechseln!“

„Mein liebes Fräulein...“, setzte die Frau an, doch in dem Moment klopfte es an der Tür.

Beinahe augenblicklich stellte Mrs Fatilla sich wieder gerade hin, strich die losen Strähnen hinter das Ohr und sagte in leicht strengem Ton: „Herein.“

Die Tür öffnete sich daraufhin und ein Mädchen trat ein. Es machte einen formvollendeten Knicks vor Mrs Fatilla, dabei waren ihm einige der Strähnen des mittellangen rotblonden Haares über die Schulter gefallen. Das junge Mädchen trug einen edlen, sandfarbenen Faltenrock, der ihm bis etwa zehn Zentimeter unter die Knie ging. Dazu trug es eine langärmlige und ebenfalls sandfarbene Bluse und über dieser einen dazu passenden, kastanienbraunen Blazer, der von einigen goldenen Verzierungen gemustert wurde. Die weißen Strümpfe harmonierten wunderbar mit den ebenfalls kastanienbraunen Lederschuhen. Nach dem Knicks sah das Mädchen Mrs Fatilla respektvoll an. Es würdigte Theresa nicht eines Blicks.

„Gut, Elisabeth Kartowh, das hier vorne ist Theresa Kyrashni, die neue Mitschülerin. Dem Alter und der schu-lischen Leistungen nach passt sie genau in eure Klasse“, sagte Mrs Fatilla in höflichem Ton, „Ich würde dich bitten, die erste Zeit ein bisschen auf sie zu achten und ihr alles zu zeigen, da ich weiß, dass dich das beim Lernen nicht behindert.“

Elisabeth vollführte daraufhin einen erneuten Knicks und sah dann Theresa an. Kurz wirkte ihr Blick kritisch, dann sagte sie: „Folge mir bitte, Theresa Kyrashni.“

Elisabeth hatte sich umgedreht und Theresa folgte ihr nur stumm. Das Mädchen ging wortlos und zielsicher durch die langen Gänge mit den hohen Decken und Theresa folgte ihr schweigend. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass sie so plötzlich und ohne Weiteres einfach die Schule wechseln musste. Und dann auch noch auf dieses Internat, in dem eine Vase teurer zu sein schien als alles, was Theresa je besessen hatte. Sie hatte sich auch gefragt, was ihre Freundinnen wohl dachten und wenn sie herausfanden, dass Theresa gezwungen worden war die Schule zu wechseln. Dann waren sie und Elisabeth über einige Treppen mehrere Stockwerke weiter oben vor einer hölzernen Tür angekommen.

„Dies wird dein Schlafraum sein“, sagte Elisabeth nur, „Es ist ein Vierbettzimmer, du teilst es dir noch mit mir, Monika und Sarah Ashley, sie sind Geschwister.“

Elisabeth öffnete die Tür und ließ Theresa eintreten. Wie erwartet war auch in diesem Zimmer der Teppich aus rotem Samt verlegt. Es gab ein großes Fenster, das gegen-über der Tür lag. Theresa sah auch vier dünne, aber hohe Schränke aus vergleichsweise hellem Holz, die immer genau neben einem der vier Einzelbetten, die an den zwei längeren Wänden des annähernd rechteckigen Zimmers standen. Die Wand war, wie Theresa es nicht anders erwartet hatte, beige und nur gelegentlich von einigen kleinen Landschaftsbildern verhangen. Theresa war in die Mitte des geräumigen Zimmers getreten und hatte sich erneut umgesehen. Die Betten waren alle gemacht und auf dem links neben dem Fenster lagen dieselben Kleider, die auch Elisabeth trug. In dem Moment begriff Theresa, dass dies die Schul-uniform des Internats sein musste. Auch das noch. Sie war es nicht gewöhnt eine Schuluniform zu tragen, denn in ihrer alten Schule hatte sie immer tragen können, was sie wollte, so lange es niemanden beleidigte. Neben der Tür hing noch eine Tafel an der Wand, deren Anblick Theresa stutzen ließ. Eine Tafel in einem Schlaf-raum, wo gab es denn so was?

Elisabeth seufzte daraufhin. „Auf der Tafel vermerken wir wichtige Dinge und Termine. Außerdem ist sie bei Planungen sehr praktisch. Und nun zieh deine Uniform an, wir müssen zum Unterricht und ich muss noch wissen, ob sie dir passt.“

Damals war Theresa nicht mehr dazu gekommen danach zu fragen und auch heute wusste sie noch immer nicht, warum man sie, abgesehen von ihren schulischen Leis-tungen, in dieses Internat gesteckt hatte. Sie wusste noch nicht einmal, wie die Kerle überhaupt auf sie aufmerksam geworden waren. Sie hatte an ihrer alten Schule nie an irgendwelchen großen Wettbewerben teilgenommen und sie konnte sie sich nicht vorstellen, dass die Schule ihre Daten einfach weitergeleitet hatte. Schließlich war sie, wie ihre Lehrer immer gesagt hatten, eine große Bereicherung für das Gymnasium. Daher glaubte sie auch nicht, dass man an ihrer alten Schule sehr begeistert war, dass sie auf das Internat geschickt worden war. Vielleicht hatten die Kerle aber auch ihre Mutter bestochen. Das war sogar gut möglich, denn ihr Vater verdiente als Postbote nicht gerade viel und ihre Mutter hatte andauernd Halbtagesjobs annehmen müssen, damit die Familie finanziell nicht den Bach runter ging. An die dritte Möglichkeit wollte Theresa lieber gar nicht denken. Dass ihre Mutter sie von sich aus am Internat eingeschrieben hatte, war sowieso viel zu weit daher geholt.

Theresa drehte sich auf die andere Seite. An die weichen Bettbezüge hatte sie sich auch heute noch nicht gewöhnt und in dem Kissen sackte man viel zu weit ein.

Inzwischen wusste sie, wie es hier zuging, denn der Tagesablauf war eigentlich immer gleich. Um sieben Uhr mussten alle spätestens aufstehen und hatten dann knapp eine Stunde Zeit um sich fertig zu machen. Anschließend hatten sie ab acht Uhr Unterricht. Dieses Internat hatte für wirklich alle möglichen Begabungen extra Klassen und Unterrichtsräume eingerichtet. Für künstlerisch begabte Schüler, eher musikalisch begabte Jungen und Mädchen, sportlich Begabte, besonders lernstarke Schüler. Diese Schule versammelte so ziemlich alle talentierten Schüler aus ganz England in einem großen Gebäudekomplex. Der Unterricht ging bis ungefähr drei Uhr, wobei alle Klassen, die immer nach den Begabungen der Schüler zusammen-gestellt wurden, ihren ganz eigenen Unterricht bekamen. Meistens gab es sogar mehr als eine Klasse in einem Fachgebiet, wie die Lehrer die verschiedenen Begabungs-gebiete nannten. Zum Beispiel gab es ganze vier Klassen mit besonders lernstarken Schülern, die auch alle um die fünfundzwanzig Schüler zählten, und drei Kunstklassen mit je zwanzig Schülern. Ab drei Uhr hatten die Schüler dann Zeit sich anderwärtig zu beschäftigen, auch wenn der unausgesprochene Befehl natürlich lautete, dass alle auch nachmittags üben, lernen und sonst was machen sollten, womit sie ihre Begabung trainieren konnten. Viele gingen nach dem Unterricht in die internatseigene Bibliothek, die jedoch fast ausschließlich Bücher zu den verschiedenen Begabungen führte und nur eine Ecke mit Zeitungen hatte, in denen man die neuesten Nachrichten von außerhalb nachlesen konnte. Einige verbrachten ihre „Freizeit“, die Theresa nicht als solche empfand, denn es war streng verboten das Internatsgelände zu verlassen, auch im Innenhof. Da das Gebäude so groß und breit war, fiel es nicht weiter auf, dass mitten in der Mitte des rechteckigen und wahrscheinlich mindestens eineinhalb Kilometer langen und über einen halben Kilometer breiten Gebäudes ein großer Innenhof war. Er war sogar an die Form des umliegenden Gebäudes angepasst. In der Mitte gab es einen großen Pavillon aus weiß gestrichenem Holz, der auf einer kleinen, steinernen Brücke gebaut worden war. Unter der Brücke plätscherte der kleine, künstlich angelegte Fluss in seinem schmalen Bachbett. Er floss immer vom einen großen, aber nicht sehr tiefen Becken ins andere. Um die Becken und den schmalen Kanal war niedriges Gras gewachsen und Blumenbeete waren ebenfalls schon vor langer Zeit angelegt worden, in denen zurzeit gerade einige farbenfrohe Sommerblumen blühten. Die meisten zogen sich nach dem Unterricht aber in das über drei Stockwerke ausgebaute Café zurück, in dem die Schüler zu unterschiedlichen Zeiten auch ihre Mahlzeiten einnahmen, und unterhielten sich eifrig über den neuesten Klatsch des Internats. Das Frühstück um sechs Uhr morgens schwänzte Theresa allerdings immer. So früh bekam sie keinen Bissen herunter. Zum Mittagessen hin knurrte ihr Magen dann allerdings immer so laut, dass sie etwas essen musste, um den Unterricht nicht ständig zu unterbrechen und um nicht zum Gespött des Internats zu werden. Das war sie allerdings sowieso. Wenn sie sich am Nachmittag aus irgendeinem Grund doch mal ins Café verirrte, hörte sie beinahe sofort, wie man an mehreren Tischen ihren Namen flüsterte. Theresa wusste auch genau, warum das so war, doch sie hatte auch nicht vor etwas an ihrer Einstellung zu ändern. Seit sie vor genau einundzwanzig Tagen hier angekommen war, hatte sie sich fest in den Kopf gesetzt, das Internat wieder zu verlassen. Doch die Lehrer und die Sekretärin, als welche sich Mrs Fatilla herausgestellt hatte, verweigerten ihr den Schul-wechsel. Man hatte Theresa sogar über einen Tag lang in ein Einzelzimmer gesperrt, als sie trotz allem versucht hatte bis zum Wald zu laufen. Seitdem war es Theresas täglicher Job die Lehrer in den Wahnsinn zu treiben. Leider aber ließen sich die Lehrer zwar ziemlich leicht aus der Fassung bringen, doch das hatte zu ihrer großen Enttäuschung nie den gewünschten Effekt. Sie bestraften Theresa höchstens mit Nachsitzen oder Strafarbeiten und nicht mit dem gewünschten Rausschmiss. Theresas Ein-stellung war natürlich kein Geheimnis und ihre Mitschüler liebten es regelrecht über sie herzuziehen und zu lästern. Ihr Spitzname für Theresa lautete Tessy, was sich für Theresa, wenn die anderen ihren Namen aussprachen, viel zu sehr nach Tussy anhörte. Daher konnte sie den Namen nicht ausstehen. Allerdings hatte sie sich inzwischen schon mit dem Namen abgefunden, denn die anderen würden eh nicht aufhören sie so zu nennen. Theresa fühlte sich sowieso nicht wohl und war bei den Schülern, und erst recht bei den Lehrern, nicht willkommen. Sie galt als Störenfried und Unruhestifterin und wurde darum meist gemieden. Ihr Einfluss galt als schlecht. Theresa wusste auch, dass Elisabeth, Monika und Sarah nicht begeistert darüber waren, sich ein Zimmer mit ihr teilen zu müssen. Aber deswegen hatte Theresa auch das Glück, dass die drei fast nie ins Zimmer kamen und sie daher ihre Ruhe hatte.

Theresa streckte sich nun in ihrem Bett und wollte sich gerade wieder umdrehen, da hörte sie, wie die Zimmertür geöffnete wurde.

Wie aufs Stichwort, Elisabeth, Monika und Sarah sind vom Frühstück zurück dachte Theresa resigniert und kniff die Augen zu.

„Aufstehen Tessy“, sagte Monika und rüttelte Theresa unsanft an der Schulter, „Es ist viertel nach sieben. Sieh zu, dass du dich fertig machst.“

Theresa hörte, wie die anderen in ihren Schränken wühlten und dann ihre Uniformen anzogen. Schließlich erhob auch Theresa sich seufzend aus ihrem Bett und ging zu ihrem Schrank. Sie zog das beigefarbene Nachthemd aus und stieg stattdessen in den sandfarbenen Rock. Sie kontrollierte kurz, ob alle Falten richtig saßen, denn man musste schon nachsitzen, wenn nur eine Falte nicht an ihrem Platz war und man das Pech hatte, dass es einem der Lehrer auffiel. Dann zog sie ihre ebenfalls sandfarbene Bluse an und knöpfte sie zu. Danach zog sie sich noch den Blazer aus kastanienbraunem Stoff über und knöpfte auch diesen zu. Dann kontrollierte sie noch mal alles in dem Spiegel, der innen an der Schranktür angebracht war, und kämmte ihre goldbraunen Haare. Schließlich seufzte sie und packte die Bürste weg. Danach nahm sie ihre Hefte und ging aus dem Zimmer, während sich die anderen drei noch ausgiebig schminkten. Am Anfang war es Theresa auch komisch vorgekommen, dass sie eine Stunde Zeit hatten um sich anzuziehen, aber wenn alle Mädchen, wie Elisabeth und die anderen beiden, allein eine halbe Stunde zum Schminken brauchen, war es kein Wunder. Anfangs hatte Theresa sich in diesem neun Stockwerke hohen Gebäudekomplex verlaufen, aber inzwischen wusste sie, wo ihr Klassenraum im Westflügel war. Eigentlich hatte dieses Gebäude, das einmal um den Innenhof verlief, ja gar keine Flügel, aber die Seiten waren nach den Himmelsrichtungen, in deren Richtung sie lagen, benannt. So waren die beiden kurzen Seiten des rechteckigen Gebäudes zum Nord- und Südflügel und die beiden langen Seiten zum Ost- und Westflügel getauft worden. Theresa wusste auch, dass ihr Schlafraum im dritten Stock lag, während der Raum, in dem ihre Klasse immer Unterricht hatte, im fünften Stock zu finden war. Raum Nummer dreiundzwanzig. So erklomm Theresa die Treppen, die aus weißem Marmor waren, und machte sich auf den Weg zu ihrer persönlichen Hölle.

Kapitel 2: die persönliche Hölle

Als Theresa im dritten Stock ankam, hörte sie bereits die lautstarken Stimmen ihrer männlichen Klassenkameraden, dabei war sie gerade mal auf Höhe von Raum Nummer elf. Da die ansonsten unüberhörbaren Stimmen der Mädchen nicht dabei waren, war anzunehmen, dass diese noch damit beschäftigt waren, sich zu schminken. Theresa war nie ein Fan von Schminke gewesen, daher konnte sie eigentlich auch immer bis halb acht schlafen, doch das ließen ihre drei Zimmergenossinnen nicht zu. Inzwischen war Theresa auf Höhe von Klassenraum Nummer zwanzig und sie konnte jedes einzelne Wort der Jungen verstehen. Sie unterhielten sich gerade über die Börsenkurse und irgendwelchen anderen Quatsch, den Theresa nicht näher benennen wollte. Dann war es so weit. Sie stand neben der offenen Tür zu ihrem Klassenzimmer. Noch hatten die Jungen sie nicht entdeckt.

Dann mal los, bringen wir es hinter uns dachte Theresa seufzend und bog um die Ecke.

Wie erwartet verstummten die Jungen, während Theresa zu ihrem Platz in der hintersten Reihe ging. Die Einzel-tische standen in genau abgemessenen Abständen hinter- und nebeneinander. Alle waren aus hellem Holz und die Stühle, die ebenfalls aus hellem Holz waren, standen genau hinter den Tischen. Theresa hatte das Glück gehabt genau den Platz ganz hinten zu erwischen, der in der Ecke neben dem Fenster war. Sie legte ihre Hefte in das Fach unter ihrem Tisch und holte die kleine Federtasche heraus, die sie gestern hatte liegen lassen. Da sie nicht genau wusste, mit welchem Thema sie sich heute beschäftigen würden, ließ sie ihre Hefte vorerst unter dem Tisch. Als Theresa dann gerade nach draußen sehen wollte, kamen einige der Jungen auf sie zu.

„Hey Tessy“, sagte einer der Jungen grinsend. Er hatte kurze, braune Haare, dunkelgrüne Augen und war etwa so groß wie Theresa.

Ein anderer Junge mit roten Haaren und grünen Augen fügte noch hinzu: „Heute mal pünktlich oder wie? Was für eine Ehre...“

Die anderen Jungen lachten leise, doch Theresa versuch-te sie zu ignorieren und sah stur aus dem Fenster.

Das hat man halt davon, wenn man sonst absichtlich mehrere Stunden hintereinander fehlt. Was soll´s dachte Theresa nur.

Allerdings schien es den Jungen gar nicht zu gefallen ignoriert zu werden, denn ihre Gesichter verfinsterten sich.

„Hey Tessy, hör gefälligst zu“, sagte der Junge mit den roten Haaren, „HEY!“

Theresa reagierte nicht, obwohl ihr fast das Ohr abfiel.

„Jetzt reicht es aber mit dir!“, rief auf einmal ein dritter Junge. Er fegte kurzerhand einmal mit der Hand über Theresas Tisch und schleuderte dabei ihre Federtasche durch die halbe Klasse. Da diese offen gewesen war, verteilten die Stifte sich überall auf dem Fußboden und Theresa sprang erschrocken von ihrem Stuhl auf. Sie wollte ihre Sachen wieder einsammeln, doch die Jungen stellten sich ihr in den Weg.

„Was soll das?“, fragte Theresa verärgert, auch wenn sie innerlich auch ein wenig Angst vor einem offenen Kon-flikt hatte, denn sie würde mit Sicherheit den Kürzeren ziehen.

„Das könnten wir dich auch fragen“, erwiderte der erste Junge mit den braunen Haaren, „Du führst dich auf als wärst du die Prinzessin auf der Erbse und glaubst wohl, dass du das alles hier nicht nötig hast...“

„Aber da hast du dich geschnitten“, sagte nun wieder der Junge mit den roten Haaren. Er schien der Anführer der Gruppe zu sein. „Wir haben dich noch nicht einmal eine Aufgabe richtig lösen sehen, dauernd störst du den Unterricht und immer tust du so als wärst du etwas Besseres.. Lass dir eines gesagt sein, lange wirst du damit nicht mehr durchkommen.“

„Wenn wir dich schon nicht loswerden, weil die von oben nicht wollen, dass du das Internat verlässt“, sagte plötzlich ein vierter Junge mit dunkelblauen Haaren und hellgrauen Augen, „Und wenn die Lehrer nicht gegen dich ankommen, dann sei gewiss, wir werden dir das nicht durchgehen lassen. Zu Not halten wir nämlich zusammen und Unruhestifter...“ Das nächste sagten alle vier Jungen gleichzeitig und mit drohenden Stimmen: „Werden eliminiert.“

Theresa ließ sich äußerlich zwar nichts anmerken, doch innerlich entwickelte sie gerade eine ziemliche Angst. Sie wollte doch nur wieder aus diesem Internat heraus. Sie wollte doch nur wieder zu ihren Freundinnen und ihrer Familie. Aber das konnte sie nicht sagen, denn die Jungen würden ihr sowieso nicht zuhören und verstehen würden sie es wahrscheinlich erst recht nicht. Sie waren ja auch nicht einfach so aus ihrem Leben gerissen und gegen ihren Willen hier rein gesteckt worden. Bei den Erinnerungen an ihre letzten Tage außerhalb dieses Internats stiegen Theresa die Tränen in die Augen, doch sie unterdrückte den Schmerz. Sie hatte die letzten Wochen schon genug geweint, wenn niemand da war, und es wunderte sie, dass sie überhaupt noch weinen konnte.

Sie schob sich mit ausdrucksloser Miene an den vier Jungen vorbei und begann nach ihren Stiften und ihrer Federtasche zu suchen. Sie waren wirklich durch die ganze Klasse verstreut und Theresa musste eine Weile auf dem Boden herum kriechen. Schließlich aber hatte sie fast alles zusammen gesammelt, es fehlten nur noch ihr Füller und ihr Radiergummi. Inzwischen waren auch die meisten Mädchen anwesend und ließen sich gerade von den Jungen berichten, was passiert war und warum Theresa auf dem Boden rum kroch. Diese sah sich suchend um, entdeckte jedoch weder ihren Füller noch ihr Radier-gummi. Und ausgerechnet das Radiergummi hatte Leah ihr einmal geschenkt, weil Theresa ihres andauernd irgendwo vergessen hatte. Seitdem hatte Theresa immer sehr auf ihre Sachen geachtet. Auch wenn sie damals gerade mal sieben Jahre alt gewesen war, hatte sie das Radiergummi bis heute aufbewahrt und auch nie benutzt. Darum musste sie es finden. Als sie aufsah, sah sie jedoch mit Schrecken, dass der Junge mit den roten Haaren es in der Hand hatte und damit demonstrativ in der Luft wedelte. Das Radiergummi in Hasenform würde Theresa überall erkennen, daher richtete sie sich wieder auf.

„Gib das zurück“, forderte Theresa mit belegter Stimme. Sie fragte sich, wann er schlimmer handeln würde. Wenn er wusste, dass es ein altes Geschenk war, oder wenn nicht? Theresa ging um die Tische herum, verfolgt von den gehässigen Blicken der anderen Mädchen. Auch Elisabeth, Monika und Sarah waren unter ihnen. Einige der Jungen hatten sich derweil hinter und neben dem Rothaarigen aufgestellt, die anderen hatten sich in der Klasse verteilt, wenn auch viel zu gleichmäßig, wie Theresa fand.

„Na na“, sagte der rothaarige Junge lächelnd, „Wie wäre es mal mit einem netten Bitte?“

„Wieso sollte ich um etwas bitten, das mir gehört?“, fragte Theresa gereizt, aber auch ein wenig unsicher.

„Vielleicht um zu zeigen, dass du noch einen letzten Rest von Anstand besitzt“, warf der Junge mit den braunen Haaren ein.

„Noch unbenutzt“, stellte der Junge mit den roten Haaren plötzlich fest und lächelte siegessicher, „Kann es sein, dass dir dieses Ding sehr wichtig ist?“

Theresa gab keine Antwort, sondern streckte nur die Hand aus.

„Also habe ich recht“, sagte der Junge grinsend, fügte dann aber diplomatisch hinzu: „Na gut, du sollst es zurück haben...“

Die anderen Jungen und Mädchen sahen ihn verdattert an, während Theresa bereits ahnte, dass da noch was kommen würde.

„Aber nur, wenn du uns alle hier mit Namen benennen kannst“, sagte der Rothaarige und das siegessichere Grin-sen wurde breiter, „Ich erlasse dir sogar den Nachnamen. Wenn du uns alle richtig beim Vornamen nennen kannst, bekommst du dein geliebtes Radiergummi zurück.“

Theresa stand verwirrt da. Sie hatte nicht damit gerech-net, dass er ihr wirklich eine Chance geben würde. Umso schlimmer war es, dass sie von keinem, außer ihren Zimmergenossinnen, den Namen wusste. Da sie sowieso nicht vorgehabt hatte zu bleiben, hatte sie sich nie die Mühe gemacht sich die Namen der anderen einzuprägen.

Sie sah unsicher zu ihren Mitbewohnerinnen und sagte stockend: „Elisabeth, Monika, Sarah...“ Und von da an wusste sie nicht mehr weiter.

Der rothaarige Junge schien ihr Stocken sofort zu erkennen und sagte nun triumphierend: „Tja, da du dir nur drei hast merken können, die auch noch mit dir in einem Zimmer schlafen müssen, gehört das Radiergummi mir.“

Theresa sah erbost auf und lief auf ihn zu. „Von wegen“, sagte sie schnell, doch da warf der Junge es einem anderen aus der Klasse zu, der weiter vorne vor der Tafel stand. Nun begriff Theresa auch, warum die Jungen sich so verteilt hatten. Das war von Anfang an ihr Plan gewesen. Trotz der geringen Erfolgschance drehte sie um und lief in die Richtung des anderen Jungen, doch da warf dieser das Radiergummi schon zu einem der Mädchen, das Theresas Radiergummi auch sofort weiter warf. Theresa lief eine ganze Weile hinter ihrem Radiergummi her, das schon mehrere Runden durch die Klasse flog, dann bekam der rothaarige Junge es wieder in die Hände. Er spielte kurz damit, dann warf er es auf einmal in Richtung Fenster. Und das Radiergummi flog natürlich durch das einzige geöffnete Fenster nach draußen. Theresa hastete zum Fenster und starrte entgeistert nach unten, doch sie konnte ihr Radiergummi in dem grünen Gras nirgends entdecken. Tränen stiegen ihr in die Augen und sie sah den Jungen an. Dieser grinste nur und klatschte einigen anderen Jungen gerade in die Hände. Nun stieg eine derbe Wut in Theresa auf und sie kam auf die Gruppe Jungen zu. Sie packte den Rothaarigen und zog den Kragen so weit nach oben, dass sie den Jungen dabei auch fast mit hoch hob.

„He..“, setzte er an.

Doch Theresa schrie: „Warum hast du das gemacht? WARUM HAST DU DAS GEMACHT?!“ Ihr liefen Trän-en über die Wangen und sie unterdrückte verzweifelt ein Schluchzen. Ihre Hände, mit denen sie den Jungen am Kragen gepackt hatte, zitterten heftig und sie starrte ihn mit tränenüberströmtem Gesicht an.

Der Junge sah sie einen Moment lang verblüfft an, dann schlug er ihre Hände weg und richtete sein Hemd. „Hör auf zu flennen“, sagte er erzürnt, auch wenn man merkte, dass er doch ein wenig überrascht war, „Es war nur ein albernes Radiergummi, also reg dich nicht so auf.“

Theresa ließ sich auf die Knie sinken, die Arme hatte sie um ihren Körper geschlungen, und schluchzte bitterlich. Diese Klasse, diese Schule, war schlimmer als die Hölle. Sie wollte fort, wollte nach Hause oder wenigstens das Radiergummi zurück.

Als sie daran dachte, klammerte Theresa sich an eine letzte Hoffnung, stand auf und wischte sich die Tränen so weit weg, dass sie etwas sehen konnte. Die Brille nervte bei so etwas zwar, doch ohne sie würde sie wahrscheinlich endgültig von allen schief angesehen werden. Dann lief Theresa los und da ihr zwischen den Tischen die anderen Schüler im Weg standen, sprang sie einfach mit einem Satz auf einen der Tische. Mit fliegendem Rock und noch ehe einer der anderen etwas sagen konnte, war sie von Tisch zu Tisch gesprungen und zur Tür heraus gerannt. Als Theresa durch den langen Gang zur Treppe lief, stieß sie beinahe noch mit Mr Munski zusammen, den sie eigentlich jetzt im Unterricht hatte. Sie konnte kurz vor ihm noch abbremsen, doch er sah sie trotzdem erschrocken an.

Stimmt ja, in den Fluren soll man nicht rennen

„Theresa, was..“, setzte Mr Munski an, doch da war Theresa schon an ihm vorbei gelaufen und hastete zur Treppe. Sie sprang die Stufen regelrecht runter, ignorierte die erschrockenen Rufe der Schüler, die schnell zur Seite sprangen, und lief im Erdgeschoss zu einem der Neben-eingänge. Theresa riss die Tür auf, knallte sie hinter sich wieder zu und lief am Gebäude entlang, bis sie auf Höhe ihres Klassenzimmers war. Dort kniete sie nieder und suchte im Gras verzweifelt nach ihrem Radiergummi.

„Wo ist es nur hin?“, murmelte Theresa immer wieder, während sie vor dem Internatsgebäude auf den Knien rum rutschte und nach ihrem Radiergummi suchte. Doch sie fand es einfach nicht; sie hatte bereits im Umkreis von über zehn Metern gesucht und ihr Rock hatte schon einige grüne und braune Flecken, aber es wollte einfach nicht auftauchen.

„So weit kann es doch gar nicht geflogen sein“, murmelte Theresa mit verzweifelter Stimme. Sie musste es einfach wiederfinden. Was solle sie sonst Leah sagen, wenn sie sie wieder sah? Was blieb ihr denn hier sonst noch von ihrer Vergangenheit?

„Wo ist es bloß?“, fragte Theresa und eine Träne lief ihre Wange herunter. Sie stand gut fünf Meter vom Internats-gebäude entfernt und starrte zum Fenster hoch, es war immer noch offen. Warum hatte der Junge es nur aus dem Fenster werfen müssen? Warum ausgerechnet das Radier-gummi, das das einzige Geschenk von ihren Freundinnen war, das sie mitgenommen hatte?

„Gehört das vielleicht dir?“

Theresa drehte sich erschrocken um, denn es war die Stimme eines Jungen. Zu ihrem Erstaunen stand Fynn, ein Junge aus der Parallelklasse, ihr gegenüber. Allerdings war er, wie sie aus den zahllosen Gesprächen der anderen Mädchen wusste, wohl der beliebteste Junge des ganzen Internats. Gut aussehen tat er auch, das musste Theresa wohl zugeben. Seine fast schulterlangen, hellblonden Haare waren glatt und glänzten im Sonnenlicht. Er trug die Schuluniform der Jungen, das elegante, sandfarbene Hemd, die dazu passende sandfarbene Hose und über dem Hemd den kastanienbraunen Blazer mit einigen goldenen Verzierungen, der ihm ziemlich gut stand. Er sah Theresa aus seinen nussbraunen Augen an und in der Hand, die er ihr hinhielt, lag ihr geliebtes Radiergummi. Theresa starrte ihn jedoch verwirrt an. Er gab es ihr so einfach?

„Wieso?“, fragte Theresa verwirrt. Mehr als dieses eine Wort brachte sie nicht heraus.

„Warum nicht?“, fragte Fynn im Gegenzug lächelnd.

Theresa sah ihn perplex an. Er meinte das wirklich ernst. Zögerlich streckte sie die Hand aus, sah ihm aber sicher-heitshalber weiterhin in das schöne Gesicht.

 „Nimm es“, sagte er lächelnd, als Theresa immer noch zögerte es zu nehmen.

„Wirklich? Kein Haken?“, fragte Theresa misstrauisch. Schöne Gesichter waren sehr gefährlich, denn meistens verbargen sie etwas.

„Kein Haken“, sagte Fynn und sein Lächeln wurde ein wenig schief, „Anscheinend macht man es dir nicht gerade einfach.“

„Nein“, sagte Theresa tonlos, „Aber das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.“

„Habe ich schon gehört“, sagte Fynn und nahm auf einmal ihre Hand. Er legte das Radiergummi auf ihre Handfläche und ließ sie dann wieder los. „Aber du solltest jetzt zum Unterricht zurück gehen“, sagte er und lächelte wieder, „Du musst es ja nicht drauf anlegen bis in die Nacht nachzusitzen.“

Theresa nickte, dann brachte sie noch ein „Danke“ heraus und neigte leicht den Kopf, denn knicksen konnte sie auch heute noch nicht. Sie verlor jedes Mal das Gleichgewicht.

„Gern geschehen“, sagte Fynn und drehte sich lächelnd um, „Und vergiss nicht: immer gerade stehen, respektvolle Ansprache und nicht meckern, dann wird schon alles gut gehen.“ Er hob die Hand und ging.

Theresa sah ihm kurz leicht verwirrt hinterher, dann drehte sie sich um und lief zurück zum Nebeneingang.

Wieso war er so nett zu mir? Und überhaupt, hat er nicht eigentlich auch Unterricht? dachte Theresa verwirrt, während sie die Treppen hoch hastete. Das Radiergummi hielt sie fest in der Hand. Dann kam sie vor Klassenraum Nummer dreiundzwanzig an und wollte gerade rein stürmen, da kamen ihr wieder Fynns Worte in den Kopf.

Theresa holte kurz tief Luft um nicht mehr zu keuchen und stellte sich gerade hin. Dann öffnete sie die Augen wieder und klopfte. Sie hörte ein freundliches „Herein“ und musste schief lächeln. Anscheinend dachte Mr Munski, dass jemand anderes vor der Tür stand, ansonsten hätte er nicht so freundlich geklungen. Theresa richtete sich kurz den Rock, dann öffnete sie die Tür. Mr Munski und auch die anderen in diesem Klassenraum sahen Theresa verdattert an.

„Ich möchte mich für die Verspätung entschuldigen“, sagte Theresa mit leicht gesenktem Kopf, „Ich musste draußen nach etwas Wichtigem suchen, da es leider aus dem Fenster gefallen ist. Ich bitte um Verzeihung.“ Sie senkte den Kopf noch tiefer. Bei einem Knicks wäre sie nur aus dem Gleichgewicht geraten, daher ließ sie das lieber. Auch wenn es ihr widerstrebte dies zu sagen, denn nur allzu gerne würde sie die Jungen mit allen ihr bekannten Schimpfwörtern und Flüchen bewerfen, doch wenigstens einmal wollte sie zeigen, dass sie auch Würde und Anstand besaß. An der Stille in der Klasse merkte Theresa, dass alle wegen ihres untypischen Verhaltens verwirrt waren. Geduldig wartete sie, bis Mr Munski endlich die Sprache wiedergefunden.

„Nun Theresa, du bist nun zum sonst wievielten Mal zu spät gekommen“, sagte Mr Munski und Theresa hörte heraus, dass er ziemlich nach Worten suchen musste, da er keinen Grund hatte sie gleich anzuschreien, „Du wirst nachsitzen und alle Ämter für heute übernehmen...“ Er legte eine Pause ein, als ob er darauf wartete, dass sie, wie sonst immer, widersprach.

Doch Theresa sagte nur mit höflicher Stimme: „Natür-lich.“ Normalerweise hätte sie noch sagen müssen, dass das nie wieder vorkommen würde, aber das wollte sie lieber nicht versprechen.

„Gut.. dann setz dich“, sagte Mr Munski nur. Er klang immer noch verwirrt und erstaunt zugleich.

Theresa neigte erneut den Kopf, dann ging sie durch die Reihen zu ihrem Platz. Das ihr gestellte Bein überging sie gekonnt und stieg einfach drüber hinweg, dann war sie schon bei ihrem Platz und setzte sich ohne zu murren hin. Der rothaarige Junge, der schräg vor ihr saß und der das Radiergummi erst aus dem Fenster geworfen hatte, sah sie über die Schulter hinweg an. Sein Gesicht spiegelte ver-schiedene Gefühle wider. Verwirrung war allerdings am deutlichsten zu erkennen; und das in allen Gesichtern, die ihr zugewandt waren. Theresa konnte nicht widerstehen und öffnete ihre Faust. Dadurch kam das Radiergummi zum Vorschein und der Junge mit den roten Haaren sah sie perplex an. Theresa lächelte unschuldig und blickte dann nach vorne, da es ganz den Anschein hatte, dass Mr Munski fortfahren wollte.

Nach Ende des Unterrichts blieb Theresa wie befohlen länger, was sie sonst auch gerne mal unterließ. Auch im Unterricht hatte sie ausnahmsweise mal mitgearbeitet. Sie hatte sich zwar nie gemeldet, doch als Mr Munski rum gegangen war, hatte er bei ihrer Arbeit nur anerkennend genickt, auch wenn Theresa das wahrscheinlich eigentlich gar nicht hatte mitbekommen sollen. Nun verbrachte sie den ersten Teil ihrer zwei Stunden Nachsitzen damit die Klasse zu putzen. Sie wischte erst die Tafel, fegte dann die gesamte Klasse und holte neue Blumen, auch wenn sie sich da einfach bei den riesigen Vasen im Flur bediente. Es würde wohl niemanden auffallen, wenn ein oder zwei Blumen fehlten.

„Irgendwie haben die es hier mit den Vasen“, murmelte Theresa, „Aber an meiner alten Schule waren die Blumen viel schöner...“ Sie schüttelte heftig den Kopf, daran sie durfte nicht denken. Wenigstens nicht, wenn die Gefahr bestand, dass sie jemand hören könnte. Die restlichen hundert Minuten, die sie noch nachsitzen musste, wurde sie von Mrs Melmyss mit Aufgaben versorgt. Diese wusste um Theresas ungebührliches Verhalten, daher war sie genauso verblüfft wie alle anderen, dass Theresa heute alles klaglos ertrug.

 Aber nur heute. Nur dieses eine Mal dachte Theresa, während sie einige viel zu einfache Gleichungen in Mathematik löste. Mrs Melmyss schien auch erstaunt zu sein, dass Theresa alle ihr gestellten Aufgaben richtig beantwortet hatte, wo sie doch sonst durch Unachtsamkeit und Abwesenheit glänzte.

„Alles richtig“, stellte Mrs Melmyss erstaunt fest und ließ die elf Zettel, die Theresa in der Zeit bearbeitet hatte, auf das Pult sinken.

„Wenn Sie mich dann bitte entschuldigen würden“, sagte Theresa und neigte den Kopf tief.

„Äh, ja.. natürlich“, stotterte die verblüffte Lehrerin nur, woraufhin Theresa sich umdrehte und das Klassenzimmer verließ. Sie ging hoch in den siebten Stock und betrat das internatseigene Café, das sich fast über die gesamte Länge des Westflügels erstreckte und in dem wirklich alle verschiedenen Klassen aufeinander trafen. Theresas Magen knurrte bereits. Seit sie hier eingezogen war, hatte sie abgenommen, das wusste Theresa auch ohne Waage. Eigentlich würde sie auch gerne mal ganz oben im neunten Stock essen, doch dort war eigentlich immer alles besetzt, wobei auch viele der „ranghöheren Schüler“ ihre Stammplätze hatten. Die „ranghöheren Schüler“ waren meist die, die aus irgendwelchen einflussreichen Familien stammten oder deren Eltern einen solchen Batzen Geld besaßen, dass sie ihre Schüler hier mit Bestechung hinein bekamen. Theresa seufzte bei dem Gedanken daran, dass es einige Menschen gab, denen man das Geld regelrecht in den gierigen Rachen warf, während andere gar keines hatten und sich noch nicht mal ein Stück Brot leisten konnten. Sie selber gehörte zwar nicht zu diesen Men-schen, doch wirklich frei und ohne auf den Preis zu gucken hatte Theresa noch nie einkaufen gehen können. Daher war sie früher meistens auch Stammkundin in einigen Secondhand-Läden gewesen. An der Theke holte sie sich einen einfachen Teller mit Nudeln, Fleisch und Salat als Beilage. Sie hörte bereits wie man in mehreren Ecken ihren Namen flüsterte, daran würde sie sich wohl nie gewöhnen können. Sie setzte sich an einen freien Tisch, der weiter hinten in einer Ecke war und an dem deswegen auch eigentlich niemand sitzen wollte. Ihr Mittagessen hatte Theresa schnell aufgegessen. Das einzig Gute an dem Dasein als Störenfried war, dass man beim Essen nicht immer gestört wurde. Aber inzwischen wünschte Theresa sich fast, dass Clare und Leah auf einmal neben ihr saßen und über irgendwelche Nichtig-keiten sprachen. Hauptsache jemand redete mal wieder ganz normal mit ihr.

Nicht daran denken, nicht daran denken dachte Theresa deprimiert und gab ihren leeren Teller wieder vorne ab. Sie hätte sich selbst über die Gesellschaft von Abigeil gefreut. Diese war zwar eingebildet und an einigen Stellen auch fast unausstehlich gewesen, doch bei Problemen konnte man immer mit ihr reden. Hier konnte Theresa mit niemandem reden. Es war, als hätte jemand eine Mauer zwischen sie und die anderen Schüler gesetzt, auch wenn Theresa wusste, dass sie an diesem Zustand nicht ganz unschuldig war. Aber es fragte ja noch nicht mal jemand, warum sie das tat. Doch daran hatte sie sich bereits gewöhnt. Hier hörte man allen zu, nur ihr nicht. Sie gehörte nicht dazu und selbst wenn sie ihre Einstellung jetzt ändern würde, würde man sie nicht akzeptieren. Darum machte Theresa sich die Mühe auch gar nicht erst. Für sie gab es hier nichts, weshalb sie auch wieder weg wollte. Warum konnten die Lehrer sie nicht einfach gehen lassen? Warum wurde sie wie eine Gefangene behandelt? Wenn es den Lehrern nicht passte, wie sie sich verhielt, warum schickten sie sie denn nicht einfach fort?

Sie können mich doch auch einfach vor die Tür setzen. Ich lauf auch nach London, also warum lassen sie mich nicht gehen? fragte Theresa sich, während sie die Treppen runter stieg um in den dritten Stock zu kommen. Zwar hatte Theresa sie nicht gesehen, doch sie wusste, dass Elisabeth, Monika und Sarah irgendwo im Café saßen und sich über irgendwelchen Klatsch unterhielten. Da Theresa bereits ein paarmal unfreiwillig mitgehört hatte, weil die drei manchmal so laut wurden, dass man sie auch fünf Tische weiter hören konnte, wusste sie auch, dass die drei nicht nur über Nachrichten und dergleichen redeten. Sie unterhielten sich nur allzu gerne auch über die Jungen ihres und der anderen Fachgebiete. Dabei standen meist Tobias, Matthew, Jacob und Fynn aus ihren Parallelklas-sen im Mittelpunkt. Sarah stand total auf Jacob, während Monika sich für Tobias und Matthew interessierte und Elisabeth hoffnungslos in Fynn verknallt war, wie so viele andere Mädchen hier auch. Theresa konnte sich nicht helfen, sie fand es affig, wie die drei und wahrscheinlich über die Hälfte der Mädchen sich an der Seite irgendeines gut aussehenden Jungen vorstellten und nachts davon träumten. Wusste eigentlich eine von ihnen, was die Jungen dachten? Oder wie sie wirklich waren? Theresa hatte zwar auch schon für einige der Jungen aus ihrer alten Schule geschwärmt, doch immer hatte sie früher oder später gemerkt, wie bescheuert das eigentlich war. Wenn man nicht wusste, wie jemand wirklich war, konnte man auch nicht sagen, dass man ihn oder sie liebte. Das war Theresas Ansicht der Dinge und an dieser würde sich auch nichts ändern. Auch Fynn war nur ein Mensch.

Wo ich gerade beim Thema bin, warum hat eigentlich ausgerechnet er mir mein Radiergummi wiedergegeben? Das ist schon komisch.. ausgerechnet er, auf den wahr-scheinlich mehr als fünfhundert Mädchen stehen.

 Inzwischen lag sie in ihrem Bett. Das Zimmer war, wie erwartet, leer gewesen. Wie immer hatte sie nun Zeit über alles Mögliche nachzudenken. Die erste Zeit hatte sie immer an ihre Familie und Freundinnen gedacht; hatte sich gefragt, was sie wohl machten. Theresa wollte gerne wissen, wie Clare und Leah während der Arbeiten ohne ihre Souffleuse namens Theresa klar kamen oder was sie an den Nachmittagen machten. Sie wollte wissen, wie die beiden aufgenommen hatten, dass Theresa auf dieses Internat hatte wechseln müssen. Aber im Grunde genom-men wollte Theresa das alles gar nicht wissen, wenn sie nur wieder bei ihren Freundinnen sein konnte. Weit weg von diesem schrecklichen Internat. Doch es half alles nichts, sie saß hier fest. Sie hätte natürlich auch in die Bibliothek oder in den Innenhof gehen können, aber dort sah man sie sowieso nur schief an, daher konnte Theresa da auch gut drauf verzichten. Stattdessen konnte sie sich überlegen, wie sie die Lehrer morgen wieder auf die Palme bekam. Wie lange würde sie wohl so weitermachen müssen, bis man sie endlich hinaus warf? Wie lange würde sie noch in diesem Alptraum, in dieser Hölle, gefangen bleiben?

Kapitel 3: Konflikt

Es fiel Theresa nicht schwer einfach locker zu lassen, als Monika sie wachrütteln wollte, darin hatte sie inzwischen Übung. Schließlich gab Monika auf und machte sich mit Elisabeth und ihrer Schwester daran sich zu schminken. Währenddessen redeten sie wieder über Fynn und wie toll er doch aussah. Theresa hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, doch dann hätten die anderen gemerkt, dass sie wach war.

Eine halbe Stunde später waren die drei endlich fertig und aus dem Zimmer verschwunden. Theresa atmete erleichtert auf. Sie rollte sich auf die andere Seite und sah zum Fenster hinaus. Draußen regnete es Bindfäden, der Himmel war von grauen Wolken verhangen und im Zimmer herrschte dämmriges Licht. Theresa versuchte noch mal einzuschlafen, aber das wollte ihr nicht gelingen. Schließlich stand sie um halb zehn auf und zog sich langsam an. Die Grasflecken hatte sie aus dem sandfar-benen Stoff entfernen können, doch er musste noch trocken. Deshalb musste sie auf den zweiten beigen Rock zurückgreifen, der aber genauso aussah wie der andere. Dann war sie fertig angezogen und schlenderte die Treppen hoch, an den Aufstieg hatte sie sich mit der Zeit gewöhnt. Als sie dann im fünften Stock angekommen war, ging sie flotten Schrittes weiter. Auch vor Klassenraum Nummer dreiundzwanzig verlangsamte sie ihr Tempo nicht und stieß die Tür einfach ohne jegliche Rücksicht auf. Die Gespräche in der Klasse verstummten, während Theresa polternden Schritts zu ihrem Platz marschierte. Sie setzte sich geräuschvoll hin und klatschte ihre Sachen extra laut auf den Tisch, dann starrte sie feindselig nach vorne zu Mr Jukashni, den sie heute anscheinend hatten. Dieser sah sie kurz verwirrt an, dann wurde seine Miene abweisend wie immer, zumindest ihr gegenüber. Auch die anderen sahen sie an. Ihre Blicke waren feindselig, auch wenn Theresa glaubte, den Hauch eines Zweifels in ihnen zu sehen.

Wahrscheinlich liegt es an meinem gestrigen Verhalten. Besser ich lasse sie gar nicht erst hoffen, ich habe nicht vor hier zu bleiben.

Theresa lauschte dem Unterricht. Sie kippelte mit dem Stuhl und rutschte absichtlich dauernd ab, dann landeten die beiden angehobenen Stuhlbeine wieder auf dem Boden und gaben schön laute Geräusche von sich. Die anderen hatten sich angewöhnt, sie so gut wie möglich zu igno-rieren, selbst die Lehrer. Doch Theresa konnte es auch nicht leiden ignoriert zu werden, wenn sie sich etwas vorgenommen hatte. Sie faltete geschwind einen hübschen Papierflieger und ließ ihn dann durch die Klasse segeln. Ihre schnellen und ungenauen Berechnungen stimmten sogar. Er flog Mr Jukashni genau gegen den Kopf, als dieser gerade einen Teil des Geschichtsbuchs an die Tafel schreiben und erklären wollte. Er drehte sich um und fing den Papierflieger auf, bevor er auf den Boden fiel, und zerknüllte das Papier in seiner Hand.

„Da es in dieser Klasse nur eine Person gibt, die so respektlos ist, würde ich bitten, dass diese sich etwas zügelt“, sagte Mr Jukashni mit finsterer Stimme, „Wenn dir dieses Thema zu langweilig sein sollte, kannst du auch gerne die Klasse verlassen, Theresa Kyrashni.“

Theresa erwiderte nichts darauf. Sie kippelte weiter und tat so, als hätte sie ihn gar nicht gehört.

Eigentlich hätte ich ja auch von draußen einen Stein mit rein nehmen und damit die Fenster einschlagen können.. nein, Mum müsste dann wahrscheinlich die Reparatur bezahlen, das kann ich ihr nicht antun dachte Theresa und spielte mit ihrem Füller, den sie am gestrigen Nachmittag noch aus dem Mülleimer gefischt hatte. Wie er dort wohl gelandet war? Die Frage war nicht schwer zu beantworten.

Außerdem wollte sie doch, dass ich auf dieses Internat gehe. Vielleicht sollte ich doch.. nein, dann hätte Mum mit mir reden müssen. Ich will zurück, zurück zu meinen Freundinnen. Die Erinnerungen werden schon blasser. Es wird immer schwieriger ihre Gesichter zu erkennen.. ich darf nicht warten, bis mir die Zeit ihre Gesichter nimmt. Ich muss kämpfen, ich darf nicht nachgeben, dann wäre alles umsonst.. Und hier bin ich sowieso unten durch, mich würde hier niemand wollen, selbst wenn ich jetzt aufhören würde Scheiße zu bauen. Ändern würde sich für mich nichts.

„Theresa!“

Sie sah auf. Die Frage hatte sie trotz ihres Gedanken-gangs gehört, doch sie dachte noch nicht mal daran die richtige Antwort zu geben.

„John Coverthi?“, sagte sie schulterzuckend und ließ es wie eine Frage klingen.

„Falsch“, seufzte Mr Jukashni und Theresa glaubte auch eine leichte Enttäuschung in seiner Stimme zu hören.

Hat man ihm vielleicht von meinem gestrigen Verhalten erzählt? Das macht aber wirklich die Runde dachte Theresa etwas erstaunt.

Während des Unterrichts ließ Theresa noch zwei weitere Papierflieger durch die Klasse segeln, auch wenn sie bei denen nicht die Flugroute ausrechnete. Außerdem kippelte sie weiter, pfiff irgendeine von ihr erfundene Melodie, die sich keineswegs schön anhörte, und ließ auch mehrere Male absichtlich ihre Sachen vom Tisch fallen, um sie dann geräuschvoll aufzusammeln.

Schließlich war der Unterricht dann überstanden. Eigen-tlich musste sie auch nachsitzen, doch sie verschwand einfach mit den anderen aus dem Klassenraum und ging zu ihrem Zimmer. Auf halben Weg fing Mr Jukashni sie allerdings ab und schob sie verärgert zurück. Doch noch ehe sie wieder im fünften Stock angekommen waren, lief Theresa einfach los und sprintete zur nächsten Treppe. Da sie um einiges jünger und sportlicher war, war es für sie ein Leichtes ihren Lehrer abzuhängen. Als sie bei der Treppe ankam, setzte sie sich einfach auf das Geländer und rutschte herunter. Selbst in der scharfen Dreihundert-sechzig-Grad-Wendung blieb sie auf dem Geländer sitzen. Im dritten Stock sprang sie dann ab und landete geschickt auf den Füßen, noch ein Stockwerk tiefer würde man sie schließlich nicht mehr so leicht finden. Und sie wollte ja, dass man sie fand und wieder zurück brachte, damit sie wieder abhauen und den Lehrern das Leben so richtig schwer machen konnte. Doch als sie leise auf dem roten Teppich landete, stand sie plötzlich Fynn gegenüber, der gerade die Treppe hatte hochgehen wollen. Sie starrte ihn verdattert an und auch er wirkte überrascht.

Dann aber lächelte er auf einmal und sagte belustigt: „Ein schwungvoller Auftritt, Theresa, sehr schön anzuse-hen. Nicht so plump wie bei so vielen anderen.“

Theresa entgleisten nun fast die Gesichtszüge. Hatte er sie gerade bei ihrem richtigen Namen genannt? Nicht bei ihrem Spitznamen, der einem Schimpfwort so sehr ähnelte? Und dann hatte er auch noch ihre kurze Einlage gelobt, dieser Junge war komisch. Eindeutig.

„Ach ja“, sagte Fynn schmunzelnd, „Mr Jukashni sucht nach dir. Wie es aussieht, bist du schon wieder entwischt.. Besorg dir lieber ein paar Ohrstöpsel, es könnte laut werden.“ Er lächelte sie noch einmal kurz an, dann ging er die Treppe hoch.

„Übrigens...“

Theresa hielt inne und sah auf, Fynn war auf der fünften Stufe stehen geblieben.

„Es ist wirklich interessant.. selten sorgt jemand für so viel Gesprächsstoff wie du...“ Er ließ den Satz unausge-sprochen und stieg die marmornen Stufen hoch.

Theresa sah ihm verwirrt hinterher, bis es ihr auffiel und sie den Kopf schüttelte.

Mein Gott, der bringt mich jedes Mal vollkommen durcheinander dachte sie resigniert und ging in die Richtung ihres Zimmers. Sie sah Mr Jukashni bereits vom Weiten und seufzte kurz, dann straffte sie die Schultern und ging auf ihn zu.

Fynn hatte recht gehabt dachte sie, als sie am Abend um halb elf im Bett lag. Mr Jukashni war fuchsteufelswild gewesen und hatte sie so laut angeschrien, dass man es wahrscheinlich noch im Ostflügel gehört hatte. Danach hatte er sie zu hundert Seiten Strafarbeit in Geschichte verdonnert, die sie morgen abgeben musste. Theresa seufzte lautlos, denn sie war erst vor knapp fünf Minuten fertig geworden. Glücklicherweise hatte sie so oder so einiges über den zweiten Weltkrieg und Englands mitwir-ken im Kampf gegen Deutschland gewusst, ansonsten hätte sie es unmöglich schaffen können, den Aufsatz bis morgen fertigzubekommen.

Wann reicht es ihnen endlich? Wann sind sie mich end-lich leid? Wann werde ich endlich nach Hause geschickt?

 

Die nächsten Wochen verliefen genauso, Theresa brachte die Lehrer tagtäglich auf die Palme und verrichtete die darauf folgenden Strafarbeiten. Auch wenn es ihr höchst wahrscheinlich niemand glauben würde, trotz ihrer Bemü-hungen negativ aufzufallen, passte sie im Unterricht auf und schrieb häufig auch mit. Wenn dann allerdings mal ein Lehrer nach hinten zu ihrem Platz kam, legte sie immer schnell einen Block mit unschönen Kritzeleien auf den Tisch, über den sie sich aufregen konnten. Niemand sollte merken, dass sie, auch wenn ihr hier alles missfiel, trotzdem auch aufpasste und heimlich mitarbeitete. Dann würde man ihren Protest wahrscheinlich nicht mehr ernst nehmen, dann würde sie wahrscheinlich nie hier raus kommen.

So auch an diesem Samstagmorgen, als die anderen alle zum Frühstück gegangen waren, war sie zur Klasse gelaufen. Dort hatte sie mit schöner bunter Kreide an der Tafel rumgekritzelt und eine Bildergeschichte aufgemalt, die wahrscheinlich alle Lehrer der Schule beschimpfte. Als sie mit ihrem Werk fertig war, sie hatte es über alle Tafelseiten gekritzelt und noch groß ihre Unterschrift darunter gesetzt, nahm sie den Eimer mit Tafelwasser und kippte den Inhalt aus dem Fenster. Einige letzte Tropfen leerte sie über dem gepolsterten Stuhl hinter dem Pult aus. Dann fiel ihr noch etwas ein und sie schnappte sich erneut die bunte Kreide. Eine schön gemeine Idee war ihr in den Kopf gekommen. Sie malte nun auch auf den Tischen und Stühlen ihrer Mitschüler irgendwelche abstrakten Figuren und Gebilde, dann schmiss sie die Kreide einfach in die Luft und verließ das Klassenzimmer. Sie hatte nicht vor heute am Unterricht teilzunehmen, daher stieg sie die Treppen hinunter ins Erdgeschoss und verließ durch einen der Nebeneingänge das Gebäude. Zwar durften sie das Internatsgelände nicht verlassen, doch dieses reichte fast bis zum Wald, also konnte sie auch hier draußen bleiben. Inzwischen war es September und das Wetter war nicht gerade gut, doch Theresa war trotzdem lieber draußen als drinnen. Mit der Zeit hörte sie lautes Gefluche, sie hatte sich genau auf der Höhe ihres Klassenzimmers unter ein Fenster in das leicht feuchte Gras gesetzt. Die Flüche wurden mit der Zeit auch immer lauter und vor allem fantasievoller. Und sie galten alle Theresa.

 Diese vergrub den Kopf in den angewinkelten Knien und vergoss still einige Tränen. Eigentlich wollte sie nicht so sein. Eigentlich wollte sie sich lieber mit allen gut verstehen. Auch wenn es ihr größter Wunsch war dieses Internat zu verlassen, war sie sich sicher, dass es hier auch nette Leute gab. Und diesen wollte Theresa doch gar nichts Böses und auch den weniger netten Schülern wollte sie eigentlich nichts antun oder sie in ihre blöden Streiche reinziehen. Sie wollte nur weg von hier. Sie lauschte mit halbem Ohr den Stimmen aus Stockwerk Nummer fünf, denn ihre Klasse war nicht zu überhören. Darum konnte Theresa auch heraushören, dass der Lehrer ihnen heute freigegeben hatte und nach unten ins Büro gegangen war, um jemanden zu holen, der die ganze Schweinerei wieder beseitigte. Innerlich entschuldigte Theresa sich bei dieser Person schon mal, da das nicht ihre Absicht gewesen war.

Dann hörte sie aus den ganzen durcheinander rufenden Stimmen einen Befehl heraus, der eindeutig von dem Jungen mit den roten Haaren kam, der anscheinend der Klassensprecher war: „Findet sie!“

Theresa war für einige Sekunden erschrocken, doch dann fragte sie sich, wer sie hier draußen wohl suchen würde. Bei dem Regen ging doch kein normaler Mensch nach draußen, also war sie hier wahrscheinlich sicher. Fürs erste jedenfalls.

Über die Zeit hinweg schlief Theresa ein. Sie hatte in der Nacht mal wieder kaum geschlafen, weswegen sie wahr-scheinlich mit dem Rücken an der Wand eingeschlafen war.  In ihrem Traum fand Theresa sich in London wieder. Sie lief gerade mit Clare und Leah zur Schule und sie waren spät dran.

„Man Leah, warum musst du eigentlich immer ver-schlafen?“, fragte Clare über die Schulter, auch wenn sie ihre langen, dunkelbraunen Haare an der Nase kitzelten.

„Das ist doch keine Absicht“, erwiderte Leah keuchend und ihre kurzen, blonden Haare wehten im Wind.

„Ist doch jetzt auch egal“, sagte Theresa und überholte Leah, „Lauft lieber, mit Mr Terrin ist so früh am Morgen nicht gut Kirschen essen.“ Sie überholte auch Clare und drehte sich im Laufen zu den beiden um. Zu ihrem Entsetzen waren die beiden plötzlich durchsichtig. Ihre Gesichter konnte Theresa kaum noch erkennen und sie spürte plötzlich, wie ihr die Luft abgeschnürt wurde. Sie versuchte zu atmen, bekam jedoch keinen Sauerstoff in die Lunge.

Theresa riss die Augen auf und starrte dem rothaarigen Jungen aus ihrer Klasse in die Augen. Seine Hände hatten sie am Hals gepackt und hielten sie einige Zentimeter über dem Boden. Ihr tanzten bereits schwarze und weiße Punkte vor den Augen. Ihre Lunge verlangte dringend nach Sauerstoff.

„Du bist definitiv zu weit gegangen“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen, „Das wirst du bezahlen.“

Theresas Überlebensinstinkt siegte in dem Moment und sie trat nach dem Jungen. Dieser ließ sie erschrocken los und wich zurück, sodass Theresa unsanft auf dem Boden landete und sich den Kopf an dem harten Stein des Internatsgebäudes stieß. Sie rang nach Luft und hustete heftig. Das war verdammt knapp gewesen.

„Elendes Miststück“, sagte der Junge mit den roten Haaren zornig, „Du wirst es noch bereuen, hier her gekommen zu sein.“

Nun kamen er und die anderen Jungen, die ein Stück hinter ihm standen, auf Theresa zu, die erschrocken aufstand. Sie lehnte allerdings an der Wand, weil ihre Beine noch nicht wieder gehorchen wollten, und hielt sich den schmerzenden Hals.

„Ich wollte doch gar nicht.. hier her“, krächzte sie, doch die Angst schnürte ihr die Kehle endgültig zu. Diese Jungen waren zu allem bereit, das sah sie an ihren durch und durch wütenden Gesichtern. Aber irgendwie geschah es ihr ja auch recht, sie war wirklich nicht gerade die umgänglichste Person. Theresa senkte den Kopf und wartete ab. Vielleicht richteten sie so schlimm zu, dass Theresa ins Krankenhaus musste. Und von dort konnte sie dann vielleicht fliehen. Sie sah durch die nassen Strähnen ihres Ponys, wie der rothaarige Junge ausholte. Die Ohrfeige würde wehtun. Sehr wehtun.

Doch als er gerade zuschlagen wollte, packte eine andere Hand seinen Arm und hielt ihn fest. Theresa sah verwirrt auf und ihr blieb der Mund offen stehen. Fynn stand schräg neben ihr und hielt den Arm des Jungen fest. Der Regen tropfte von seinem blonden Haar. Auch die anderen Jungen starrten ihn vollkommen verwirrt an und keiner wusste so recht, was nun los war.

„Na na, wer hebt denn gleich die Hand gegen ein wehrloses Mädchen?“, fragte Fynn, doch es klang mehr wie eine Anschuldigung.

Die Jungen sahen ihn entgeistert und verwirrt zugleich an, genauso wie Theresa.

„W-W-Wi.. du...“, stotterte der rothaarige Junge. Er wirkte plötzlich vollkommen verunsichert und schon fast blass, während Fynns nussbraune Augen ein wenig dunkler zu werden schienen.

„Wenn ihr nicht wollt, dass ich den Vorfall melde, geht lieber rein und helft den Putzleuten beim Reinigen des Klassenraumes“, sagte Fynn. Es klang allerdings wie ein Befehl.

„Aber sie hat doch...“, setzte ein anderer Junge an, doch Fynns Blick brachte ihn zum Schweigen.

„N-Natürlich“, sagte der rothaarige Junge zögernd, wo-raufhin Fynn seinen Arm wieder los ließ. Der Rothaarige warf Theresa noch einen verärgerten, aber vor allem verwirrten Blick zu, dann drehte er sich um und ging. Die anderen folgten ihm und flüsterten leise, Theresa hörte die am meisten gestellte Frage heraus: Warum half der Sohn des Internatsbesitzers einer Unruhestifterin wie Theresa?

Diese Frage stellte Theresa sich allerdings auch. Was sollte das? Sie sah Fynn fragend an, der den anderen Jungen hinterherblickte. Dann schien er sie ihren Blick zu bemerken und sah zu ihr. Eine Weile schwiegen beide, doch als Theresa ihre Frage gerade aussprechen wollte, sagte Fynn auf einmal nachdenklich: „Ich würde gerne mal wissen, woran du dich klammerst.“

Theresas Blick wurde nun etwas perplex.

Er lächelte daraufhin nur und sah in den von Wolken verhangenen Himmel. „Wir sollten rein gehen. Du bist vollkommen durchnässt. So du wirst dich noch erkälten.“

„Vielleicht wird es so schlimm, dass ich ins Kranken-haus komme“, murmelte Theresa nur hoffnungsvoll, auch wenn sie selber nicht daran glaubte.

„Du wirst nicht abhauen können, falls das dein Hinter-gedanke ist“, sagte Fynn seufzend, „Aber nun komm, die Krankenstation hier willst du nicht wirklich kennen lernen.“ Er tat einen Schritt, blieb dann aber stehen, denn Theresa machte keinerlei Anstalten sich zu bewegen.

Sie sah ausweichend zur Seite. Ihr graute es vor dem Zusammentreffen mit einem Lehrer oder gar ihrer Klasse. Unwillkürlich fasste sie sich an den Hals, der immer noch ein wenig druckempfindlich war. Fynn hatte es natürlich gesehen und trat nun neben sie. Er legte ihr einen Arm um die Schultern.

„Keine Sorge, solange ich bei dir bleibe, werden die anderen dir nichts tun“, sagte er lächelnd.

„Ich wusste gar nicht, dass du der Sohn von dem Leiter des Internats bist“, sagte Theresa ausweichend, doch im selben Moment fiel ihr etwas ein.

Fynn wirkte leicht verwirrt und sagte dann mit Bedacht: „Ja, ich bin Fynn Windhall, der Sohn von Willhelm Windhall, dem das Internat derzeitig gehört. Wieso fragst du?“

„Warum lasst ihr mich nicht gehen“, fragte Theresa und sah zu Boden, „Warum könnt ihr nicht verstehen, dass ich nicht hier her gehöre? Warum tut ihr mir das an?“

Fynns Blick wurde nun mitfühlend und zugleich ein wenig gequält, doch er sah zur Seite. Eine Weile lang schien er nachzudenken. „Es ist ein wenig kompliziert.. aber es ist wichtig, dass du bleibst. Ich kann dir die Umstände jetzt noch nicht erklären, aber eines Tages wirst du es, denke ich jedenfalls, verstehen.“

Theresa sah ihn verwirrt an, doch er schien es ernst zu meinen. Dennoch konnte und wollte sie nicht glauben, dass sie hier bleiben musste. „Erklär mir warum“, forderte Theresa trotzig und entfernte sich zwei Schritte von ihm um ihn besser ansehen zu können, „Wenn du es mir erklärst, verstehe ich vielleicht warum.. ansonsten werde ich nicht aufhören.“ Sie wusste, dass er wusste, wovon sie sprach. Daher erwartete sie eine klare Antwort.

Fynn seufzte nun und sah sie entschuldigend an, ehe er sagte: „Ich würde es dir gerne erklären, aber das kann ich jetzt nicht machen.. komm bitte mit rein. Wenn du kein Fan von Spritzen bist, solltest du die Krankenstation meiden.“ Er hielt ihr die Hand hin und sah sie bittend an.

Theresa wusste, dass er auswich, aber anscheinend wollte er es ihr nicht sagen. Gut, dann werde ich eben weiterhin alles und jeden gegen mich aufhetzen.. Ist mir doch egal, wo sie mich hinbringen, es ist überall besser als hier.

Sie kniff die Augen zu, da ihr schon wieder die Tränen in die Augen stiegen, und ergriff Fynns Hand. Dieser legte nun einen Arm um sie und führte sie zum Nebeneingang. Während sie durch den langen Flur gingen, wollten mehrere Lehrer auf Theresa zu stürmen und sie eindeutig anschreien, ihr goldbraunes Haar war anscheinend auch im feuchten Zustand nicht zu verkennen, doch sobald sie Fynn erkannten, hielten sie schnell wieder Abstand. Jedoch warfen alle ihnen verwirrte Blicke hinterher, Theresa spürte sie im Rücken. In den oberen Stockwerken wurde es dann noch schlimmer, denn die Schüler starrten Theresa an als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen. Theresa fühlte sich unwohl. So große Aufmerksamkeit wollte sie nicht. Nicht auf diese Weise. Schließlich waren sie bei ihrem Schlafraum angekommen.

„Zieh dir was Trockenes an“, sagte Fynn mit einer undurchschaubaren Miene, „Wenn du nichts dagegen hast, würde ich dich anschließend gerne auf einen Tee ins Café einladen.“

Theresa sah ihn erst verdattert an, dann schüttelte sie heftig den Kopf. „Kommt gar nicht in Frage! Die starren mich jetzt schon alle an als wäre ich eine Außerirdische. Nichts für ungut, aber ich gehe nicht gerne irgendwohin, wo mich die anderen außerhalb des Unterrichts sehen.. schon gar nicht jetzt...“ Sie drehte sich um und öffnete die Tür. Als sie drinnen war, wollte sie die Tür wieder schließen, doch Fynn hatte seinen Fuß zwischen Tür und Angel gestellt.

„Ich hasse es, wenn man mir einen Korb gibt“, sagte Fynn seufzend. Er lächelte allerdings auch. „Zieh dich um. In fünf Minuten komme ich ins Zimmer. Und versuch gar nicht erst abzuschließen oder durch das Fenster rauszu-klettern, den Schlüssel habe ich und beim Fenster gibt es nichts, woran du dich festhalten könntest, also lass es.“

„Klingt für mich ziemlich verlockend“, sagte Theresa und sah ihn angriffslustig an.

„Ich kann auch gleich mit rein kommen, wenn dir das lieber ist“, erwiderte Fynn grinsend.

„Ich kann Jungen wie dich nicht ausstehen“, zischte Theresa und versuchte trotz allem die Tür zu zudrücken.

„Komisch, ich finde Mädchen wie dich interessant“, erwiderte Fynn schmunzelnd.

Das verschlug Theresa nun allerdings die Sprache. Sie starrte ihn verdattert an, ehe sie den Kopf schüttelte und schnippisch murmelte: „Schon gut, aber ich wäre dir dankbar, wenn ich mir erst ein paar trockene Sachen anziehen könnte.“

Fynn nickte lächelnd und nahm seinen Fuß aus der Tür. Theresa schloss diese daraufhin schnell und lehnte sich dagegen. Eine leichte Röte hatte sich in ihr Gesicht geschlichen.

Ich verstehe diesen Typen nicht. Was will er mit seinem Verhalten bezwecken? Wenn er mich hier nicht raus brin-gen kann, habe ich nichts mit ihm zu schaffen.. Und was ist für ihn so interessant daran mit einer Unruhestifterin zu reden?

In dem Moment fielen ihr Fynns Worte wieder ein und sie lief schnell zu ihrem Schrank. Sie hatte nicht vor den ganzen Tag in nassen Klamotten rumzulaufen. Auch wenn es durchaus seinen Reiz hatte sich zu erkälten und dann alle anzustecken, hatte sie keine Lust zu frieren. Daher zog sie sich ihre Ersatzuniform an, auch wenn sie sich den Blazer sparte. Sie hatte gerade den letzten Knopf ihrer sandfarbenen Bluse zugeknöpft, als es an der Tür klopfte.

Theresa machte sich zu einer eventuellen Flucht bereit, sollte mehr als eine Person in dieses Zimmer kommen, und sagte misstrauisch: „Herein.

Kapitel 4: Entschluss

Fynn öffnete die Tür und trat ein, er war alleine. „Das klang ja nicht gerade begeistert“, stellte er lächelnd fest, während er die Tür hinter sich wieder schloss, „Und keine Sorge, meine Anwesenheit scheint die meisten zu verwir-ren. Ich glaube nicht, dass jemand reinkommen wird.“

„Es ist nicht direkt deine Anwesenheit“, sagte Theresa und setzte sich mit verschränkten Armen auf ihr Bett, „Es ist deine Anwesenheit vor, und jetzt im Zimmer der wohl größten Störenfriedin, die das Internat je gesehen hat.“

Er schüttelte lächelnd den Kopf und ging durch das geräumige Zimmer. Er setzte sich auf den Stuhl, der neben ihrem Schrank stand, und sah sie an.

Theresa wartete kurz, doch als er nichts sagte, fragte sie genervt: „Was soll das eigentlich werden?“

„Was soll was werden?“, fragte Fynn mit einer hochge-zogenen Augenbraue.

„Na was wohl?“, erwiderte Theresa und verdrehte die Augen, „Warum hilfst du mir? Warum hast du verhindert, dass die mich da draußen verprügeln, wie ich es verdiene? Warum macht sich jemand wie du die Mühe einem Mädchen wie mir Ratschläge zu geben und verurteilt mich nicht, wie die anderen es tun?“

„Soll ich dich verurteilen?“, gab Fynn die Frage zurück, „Soll ich dich anschreien und versuchen dich zu schla-gen?“

„N-Nein, aber...“, stotterte Theresa verwirrt, „D-Das ist so komisch. Du bist der Erste seit fast zwei Monaten, der mich nicht finster ansieht und mir am liebsten den Hals umdrehen würde.. Um ehrlich zu sein verwirrst du mich. Und zwar auf der ganzen Linie.“

Sein Lächeln wurde um eine Spur breiter. „Das tut mir leid, aber du bist nicht die Einzige, die verwirrt ist. Du verwirrst mich genauso.“

Theresa sah ihn stirnrunzelnd an. „In wie fern verwirre ich dich denn?“

„Na ja, du stehst nicht auf mich“, antwortete er lächelnd, woraufhin Theresa die Gesichtszüge endgültig entgleisten.

Das soll doch wohl ein Witz sein, oder? dachte Theresa verdattert.

 Fynn begann unterdessen leise zu lachen und hielt sich eine Hand vor den Mund, konnte es jedoch nicht ganz verbergen.

„Was ist denn bitteschön so lustig?“, fragte Theresa und stemmte die Hände in die Hüften, „Tut mir leid, wenn mir der Witz entgangen ist.“

Fynn schüttelte nur den Kopf und sagte, als er sich einigermaßen beruhigt hatte, grinsend: „Nein, es tut mir leid. Dein Gesicht sah nur.. um ehrlich zu sein, sah es zum Schreien aus.“

Theresa ließ resigniert die Hände sinken. Ihr war gerade absolut nicht zum Lachen zu mute.

„Das eben war natürlich ein Witz“, sagte er nun wieder ernst, „Auch wenn es mich schon ein klein wenig verwirrt, aber das ist nicht der Grund. Dein Verhalten verwirrt mich viel mehr.. Die meisten sehen es als Privileg, auf diese Schule gehen zu dürfen. Du bist wahrscheinlich das erste Mädchen in der gesamten Geschichte des Internats, das so durchgehend daran interessiert ist, den Unterricht zu stören. Ich habe wirklich noch nie erlebt, dass jemand so hinter den Strafarbeiten her ist wie du.. Ich würde gerne mal wissen, wieso du das tust. Was ist der Grund für dein Verhalten?“

Theresa starrte ihn mit offenem Mund an. Sie hatte sich zwar innerlich immer gewünscht, dass es vielleicht mal jemandem in den Sinn kommen würde, dass sie für ihr Verhalten auch einen Grund haben konnte, hatte aber nicht erwartet, ernsthaft nach dem Grund gefragt zu werden. Daher war sie, im wahrsten Sinne des Wortes, sprachlos.

Fynn sah ihr zwar forschend ins Gesicht, aber nicht drängend.

Theresa sah allerdings zur Seite. Sie war unsicher. Konnte sie ihm wirklich vertrauen? Sie stand auf und ging zum Fenster. Draußen regnete er immer noch. Der Regen passte allerdings ganz gut zu ihrer Stimmung. Er hatte irgendwie etwas Beruhigendes. Doch dann hörten sie plötzlich aufgebrachte Stimmen von draußen, die Theresa sofort erkannte. Noch ehe sie etwas machen konnte, wurde die Tür aufgerissen und drei Mädchen stürmten herein.

„Du kannst was erleben Tessy!“, grollte Monika.

„Warte ab, bis wir mit dir fertig sind!“, fügte Sarah wütend hinzu und Elisabeth sagte noch aufgebracht: „Du ist schlimmer als alles was...!“

Die drei Mädchen brachen in ihrer Schimpfeskapade ab. Sie hatten Fynn entdeckt.

Oh mein Gott dachte Theresa entgeistert, während Fynn die drei Mädchen nur gelassen musterte.

Elisabeth, Monika und Sarah starrten ihn mit offenen Mündern an und sahen dann kurz zu Theresa. Danach sahen sie wieder zu Fynn, der sie aus kalten Augen ansah. Schließlich schienen die drei ihre Fassung einigermaßen zurückgewonnen zu haben, denn sie stellten sich schnell gerade hin und verbeugten sich gleichzeitig vor Fynn.

„W-W-Wir.. wollten...“, stotterte Elisabeth, die eindeutig rot angelaufen war. Sie brachte jedoch nicht mehr heraus.

Stimmt ja, sie ist ja angeblich in Fynn verliebt.

„Wenn ihr hier nichts mehr wollt, würde ich euch bitten, das Zimmer zu verlassen“, sagte Fynn befehlend und sah die drei abweisend an.

Diese schienen nun vollkommen verwirrt zu sein und stammelten nur eine rasche Entschuldigung, dann waren sie aus dem Zimmer gehuscht.

„Das war ja nicht gerade sehr nett“, bemerkte Theresa und schluckte kurz. Sie wollte lieber nicht auf Fynns Abschussliste geraten.

„Tja, sie sind ja auch nicht gerade freundlich zu dir“, erwiderte Fynn jetzt wieder lächelnd, „Und ich weiß, was ich will, nämlich eine Antwort von dir.“

Er sah Theresa durchdringend an, welche ausweichend zur Seite blickte. Falls jemand an der Tür lauschen sollte, dachte dieser bei Fynns Ansage bestimmt an etwas ganz anderes als eigentlich gemeint war. Fynn war anscheinend gerade der selbe Gedanke gekommen, denn er stand auf und ging zur Tür. Theresa blieb unsicher vor dem Fenster stehen, während er die Tür öffnete. Doch kaum hatte er die vergoldete Klinke heruntergedrückt, fiel die Tür von alleine auf und über sieben Mädchen purzelten herein. Elisabeth, Monika und Sarah lagen ganz unten, begraben von den anderen. Fynn war ein Stück zurück gesprungen und sah die Mädchen leicht erschrocken an, dann aber wurde sein Blick erzürnt.

„Seit wann ist es erlaubt, die Gespräche anderer Mit-schüler zu belauschen?“, fragte er mit drohender Stimme und die Mädchen rappelten sich erschrocken auf.

„Es tut uns leid! Es tut uns leid! Es tut uns leid!“, wiederholten sie immer wieder und verbeugten sich mehrmals gleichzeitig vor Fynn, dann liefen sie schnell um die Ecke.

„Oh man“, sagte Fynn genervt und schüttelte den Kopf, „Beliebtheit hat auch einige Nachteile...“ Er schloss die Tür und schob den Schlüssel ins Schlüsselloch, drehte ihn aber nicht um. Dann setzte er sich wieder auf den Stuhl und sah Theresa freundlich, aber auch erwartungsvoll an.

Diese sah zur Seite. Sie war sich immer noch nicht ganz sicher, ob sie mit Fynn darüber reden wollte. Aber ander-erseits, mit wem sollte sie sonst reden? Niemand außer ihm würde ihr zuhören und sie musste mit jemandem reden. Das war ihr jetzt klar geworden. Außerdem hatte sie eh nichts mehr zu verlieren, also konnte sie sich auch einfach ins kalte Wasser stürzen.

„Na ja“, sagte Theresa unsicher, „Ich.. weiß nicht, wo ich anfangen soll...“ Sie sah wieder aus dem Fenster, doch kurz hatte sie einen Blick auf Fynns ruhigen Gesichts-ausdruck erhaschen können.

„Wie wäre es denn mit der Geschichte, wie du hier überhaupt her gekommen bist“, schlug Fynn vor und verschränkte die Arme. Er stützte sie auf der Stuhllehne ab, den Stuhl hatte er vorher umgedreht, und legte sein Kinn auf seinen Armen ab.

Theresa zögerte kurz, dann begann sie langsam zu erzählen. Wie an einem eigentlich ganz normalem Tag plötzlich die beiden Männer aufgetaucht waren und wie ihre Mutter einfach die Bestätigung, dass sie auf das Windhall Internat wechseln sollte, unterschrieben hatte. Theresa erzählte, wie sie sich in ihrem Zimmer einge-schlossen hatte, aber am Ende dann doch überlistet worden war; wie ihre Mutter ihr dann befohlen hatte sich nicht so aufzuführen und wie Theresa dann ihre Sachen gepackt hatte. Dann erzählte sie, wie sie in der Schule angekommen war; wie sie vom ersten Tag an einen Groll gegen alles und jeden hier gehegt hatte. Sie erzählte auch kurz von ihren Streichen, erzählte jedoch nichts davon, dass sie genau wusste, was sie bei welchem Lehrer gerade als Thema durchnahmen. Schließlich endete sie und sah zu Boden. Sie wusste nicht, ob es richtig gewesen war, ihm die Geschichte zu erzählen, doch sie fühlte sich tatsächlich ein wenig erleichtert.

Fynn stand unterdessen auf und kam zu ihr. Er streckte vorsichtig die Hand aus und Theresa sah verwirrt auf. In dem Moment wischte er ihr sanft eine Träne weg, die ihr gerade über das Gesicht lief.

„Huch, wann...“, stammelte Theresa verwirrt und wischte sich schnell die Tränen aus den Augen, auch wenn sie aufpassen musste, dass die Brille nicht verrutschte.

„Ist schon gut“, sagte Fynn und setzte sich neben sie auf das Bett, „Ich bin froh die Geschichte nun aus deiner Sicht zu kennen. Sie unterscheidet sich wesentlich von der offiziellen von Smoother und Shikowski. Und ich glaube, langsam verstehe ich auch deinen Standpunkt.“

Theresa sah ihn aus den Augenwinkeln an. Sein Blick war auf eines der schönen Landschaftsbilder geheftet. „Du glaubst mir?“, fragte sie unsicher.

Daraufhin sah Fynn sie verwirrt an. „Warum denn nicht?“

„Weiß nicht“, sagte Theresa schulterzuckend, „Wenn ihr Jungen eine Ausrede sucht, mit der ihr jemandem etwas anhängen könnt, findet ihr doch meistens auch eine.“

„Darin seid ihr Mädchen aber auch sehr geschickt, wenn nicht sogar noch besser als wir“, erwiderte Fynn schmun-zelnd, wurde dann aber wieder ernst, „Aber ich glaube, ich verstehe jetzt, warum du dich so verhältst. Du willst hier weg, weil du deine Freundinnen sehr vermisst und dich nach deiner Familie und einer freundlicheren Umgebung sehnst. Ich wusste nicht, dass du so aus deinem Leben gerissen wurdest. Eigentlich hatte ich gedacht, dass man es dir erklärt hätte. Aber anscheinend weiß auch deine Mutter nicht, warum du hier her kommen solltest.. Na ja, daran kann man jetzt nichts mehr ändern. Lass mich dir aber diesen einen Rat geben. Du solltest auf einem anderen Weg versuchen hier wegzukommen, denn so wie jetzt wirst du es nie schaffen. Auch wenn ich selber dagegen bin, wie du dir wahrscheinlich denken kannst, rate ich dir, es anders zu versuchen.. ganz anders...“ Er endete, stand auf und ging langsam in Richtung Tür.

„Und wie bitteschön?“, fragte Theresa verzweifelt, „Ich weiß nicht, was ich sonst noch machen soll...“

„Das musst du schon selbst herausfinden“, sagte Fynn und drehte sich noch einmal um, „Aber ich denke, dass du schon klar kommen wirst. Denn soweit ich dich einschät-zen kann, gehörst du nicht zu denen, die schnell aufgeben. Du wirst deinen Weg finden, da bin ich mir sicher.“ Er lächelte kurz, dann verließ er das Zimmer.

Theresa saß auf dem Bett und starrte die Tür an. Wie meinte er das? Was meinte er mit „deinen Weg finden“? Auf was wollte er hinaus? Seufzend ließ sie sich nach hinten fallen. Die kühle Decke war angenehm im Rücken.

Ich werde nicht schlau aus ihm. Er scheint genau andersherum zu laufen wie die anderen. Die sind zu mir nicht gerade freundlich und behandeln einander wie wichtige Schätze, während Fynn mich freundlich ansieht und für die anderen, in meiner Nähe jedenfalls, nur einen kalten Blick übrig hat. Und die Jungen sagen immer, wir Mädchen sind kompliziert, dabei sind sie nicht besser. Ich kann Fynn aber, denke ich jedenfalls, vertrauen. Auch wenn ich trotzdem gerne wissen möchte, was hinter seinem Verhalten steckt. Außerdem sprach er von einem Grund, den meine Mutter nicht kennt, aus dem ich hier her kommen sollte. Was er wohl meint? Meine Leistungen können es schließlich nicht sein, Leistungsstarke Schüler gibt es hier ja genug. Warum also?

Theresa sah auf die Uhr. Inzwischen war es halb fünf, also noch lange nicht so spät, dass sie schlafen gehen konnte. Doch das Zimmer verlassen konnte sie auch nicht. Nicht nachdem wahrscheinlich bereits das halbe Internat wusste, dass Fynn sie in Schutz nahm.

Ob ihn das nicht stört? Ich meine, das wird doch wahrscheinlich für einige Gerüchte sorgen.. Da fällt mir gerade wieder ein, er sagte auch, dass ich auf einem anderen Weg versuchen sollte hier raus zu kommen. Wie meint er das denn? Was soll ich denn noch machen? Anders als durch den Rausschmiss kommt man hier doch nicht weg. Und was sollte eigentlich der Schwachsinn mit meinem eigenen Weg? Wenn er was sagen will, soll er sich gefälligst klarer ausdrücken. So versteht das doch kein Mensch.

Sie lag mit dem Rücken immer noch auf der Matratze. Was sollte sie jetzt bloß machen? Und noch viel wichtiger, was sollte sie machen, wenn sie einem der anderen Schüler über den Weg lief? Spätestens irgendwann heute Abend würden Elisabeth und die anderen beiden zurück-kommen. Was diese dann mit Theresa anstellen würden, wollte sie gar nicht wissen.

Doch als sie um halb elf am Einschlafen war, war sie heil und ohne irgendwelche Verletzungen. Die anderen drei waren erst vor einer knappen halben Stunde ins Zim-mer zurückgekehrt und hatten Theresa, wenn überhaupt, nur leicht verwirrte Blicke zugeworfen. Theresa selbst hatte es auch gar nicht drauf angelegt, sondern nur still auf ihrem Bett gelegen und Löcher in die Luft gestarrt. Sie hatte inzwischen einen Entschluss gefasst, denn so konnte es wirklich nicht weitergehen. Sie hatte sich entschieden, mit den ganzen Gemeinheiten aufzuhören. Bringen tat es sowieso nichts, außer Streit mit ihren Mitschülern. Auch wenn es an ihrer Einstufung als Unruhestifterin bei den anderen wahrscheinlich nichts ändern würde, wollte Theresa auch nicht mehr immer die sein, die angeschrien wurde und die nachsitzen musste. Sie wollte hier raus, aber dafür musste sie einen anderen Weg finden. Und bis sie den gefunden hatte, würde sie keine Streiche oder andere Gemeinheiten mehr aushecken. Sie hatte es satt. Außerdem würde ihr schlechtes Gewissen dann vielleicht endlich Ruhe geben, das sie schon hatte, seit sie dauernd irgendwelche Gemeinheiten ausgeübt hatte, weil ihre Mitschüler und Lehrer doch eigentlich gar nichts mit ihrer Lage zu tun hatten. Ab morgen würde sie sich wie ein normales Mädchen auf einem Internat für Hochbegabte benehmen. Na ja, die Schminke würde wohl ausbleiben, in den Farbtopf würde sie sich in diesem Leben wohl nicht mehr stürzen, doch ansonsten wollte sie endlich wieder sie selbst sein. Zumindest teilweise.

 

Am Morgen wartete sie ab, bis Elisabeth, Monika und Sarah aus dem Zimmer gegangen waren. Theresa hatte lieber so getan, als ob sie noch schlief. Dann zog sie sich rasch an, kämmte ihre Haare und stürmte die Treppen in den fünften Stock hoch, denn die anderen drei hatten länger gebraucht als erwartet, weshalb es knapp werden würde. Im fünften Stock drosselte sie das Tempo schnell zu einem flotten Schritt runter. Als sie vor der Klasse ankam, konnte sie weiter hinten schon Mr Jukashni ent-decken. Sie holte nun kurz Luft, stellte sich einigermaßen gerade hin und ging dann um die Ecke. Die Gespräche der anderen verstummten wie erwartet, doch Theresa ging nur schnell und leise zu ihrem Platz und setzte sich hin. Letztlich hatte sie doch nicht den Mut hier gerade und unbekümmert zu sitzen, sie blickte mit leicht eingezoge-nem Kopf aus dem Fenster und hoffte, dass Mr Jukashni kam, bevor die anderen sie auseinander genommen hatten.

Diese blieben vorerst bei ihren Plätzen und flüsterten leise. Theresa schrumpfte währenddessen noch weiter in sich zusammen. Dann sah sie aus den Augenwinkeln, wie der rothaarige Junge und einige seiner Freunde auf sie zukamen. Theresa musste augenblicklich daran denken, was am gestrigen Tag draußen passiert war und was wahr-scheinlich passiert wäre, wenn Fynn nicht aufgetaucht wäre. Sie fasste sich unwillkürlich mit beiden Händen an den Hals und starrte die Jungen verängstigt an. Diese blieben in dem Moment stehen und sahen Theresa verwirrt an, doch noch ehe jemand etwas sagen konnte, betrat Mr Jukashni das Klassenzimmer. Die Jungen verzogen sich stirnrunzelnd zu ihren Plätzen und Theresa atmete erleichtert auf. Sie holte ihre Sachen aus dem Fach unter ihrem Tisch und legte sie auf den Tisch, extra leise. Mr Jukashni überprüfte kurz die Anwesenheit. Als er einen flüchtigen Blick zu Theresas Platz warf, bekam seine Stirn Falten und seine Augen wurden schmal. Theresa hatte gewusst, dass es nach allem, was sie angestellt hatte, nicht leicht werden würde sich in die Klasse zu intrigieren, aber sie musste es versuchen. Sie entsann sich wieder der allgemeinen Regeln der Schule und setzte sich gerade hin, dann sah sie Mr Jukashni an und wartete darauf, dass er ihren Namen aufrief. Doch der Lehrer machte nur eine kurze Notiz in die Liste und fuhr dann mit den anderen fort. Theresa seufzte lautlos, irgendwie würde sie es schon schaffen.

Im folgenden Unterricht arbeitete sie konzentriert mit und meldete sich bei jeder Frage, auch wenn sie kein einziges Mal dran genommen wurde. Das wunderte sie allerdings auch nicht. Sie hatte sich früher schließlich auch gemeldet, dann aber immer irgendwelche total schwachsinnigen Antworten von sich gegeben. Als sie dann alle eine schriftliche Aufgabe bearbeiteten und Mr Jukashni langsam durch die Tischreihen schlenderte, ließ sie die Mitschrift aus dem Unterricht neben ihrem Arm liegen. Sie war mit der Aufgabe schon nach wenigen Minuten fertig, denn sie hatte nur in einer ihrer älteren Mitschriften auf dem Block kurz lesen müssen, und sah aus dem Fenster. Draußen regnete es zwar schon wieder, doch weiter hinten waren auch einige Flecken am Himmel zu sehen, die nicht von grauen Wolken verhangen waren.

Dann hörte sie die Schritte von Mr Jukashnis Lederschu-hen neben sich. Sie hatte sich zuvor im Stuhl ein wenig zurück gelehnt und drehte nun nur den Kopf. Mr Jukashni starrte ihre fertige Aufgabe und die Mitschrift aus dem bisherigen heutigen Unterricht fassungslos an. Theresa wartete still ab. Sie wollte lieber nichts Unbedachtes sagen und, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wusste sie auch gar nicht, was sie sagen sollte. Dann fiel sein Blick jedoch auf sie und er runzelte wieder die Stirn, als könnte er nicht glauben, was er sah. Als sein Blick wieder auf Theresas fertige Aufgabe fiel, verstand sie endlich. Sie nahm kurz den Block mit der Mitschrift, blätterte einige Seiten zurück und legte sie dann wieder auf den Tisch. Nachdem Mr Jukashni sie kurz überflogen hatte, stand sein Mund offen und er sah sie verblüfft an.

„Sind das alles Mitschriften?“, fragte er schließlich leise, aber auch ein wenig misstrauisch.

Theresa sah, dass sie inzwischen von fast allen Schülern angesehen wurden, und wurde unsicher. Schließlich nickte sie nur und biss sich auf die Unterlippe.

Mr Jukashni sah sie zweifelnd an und nahm den Block mit den Mitschriften aus dem Unterricht der letzten zwei Monate in die Hand. Er blätterte und überflog die stich-punktartigen Sätze auf den einzelnen Blättern. Als er den Block wieder auf ihren Tisch legte, hatte seine Stirn noch mehr Falten als am Anfang der Stunde. Theresa wich den verwirrten Blicken der anderen aus und schließlich ging M. Jukashni weiter, auch wenn die Falten auf seiner Stirn sich nicht glätteten.

 Nachdem der Unterricht vorbei war, war Theresa die Erste, die den Klassenraum verließ. Sie wollte es lieber nicht darauf anlegen, mit einem ihrer Mitschüler reden zu müssen, schon gar nicht mit einem der Jungen und am allerwenigsten wollte sie mit dem rothaarigen Jungen reden. Inzwischen wusste sie, dass sein Name David Gordrew lautete. Er meldete sich im Unterricht zwar eher selten, aber wenn, dann gab er immer richtige Antworten von sich. Auch wenn er von außen vielleicht ganz nett wirkte, seitdem er sie gestern fast erwürgt hatte, hatte sie eine ziemliche Angst vor ihm. Sie redete sich zwar ein, dass er zu dem Zeitpunkt einfach nur stocksauer gewesen und es keine böse Absicht gewesen war, doch Angst hatte sie trotzdem.

Theresa flüchtete schnellen Schritts in ihr Zimmer. Zwar wusste sie schon gar nicht mehr, wann sie zu Letzt etwas gegessen hatte, doch in das Café traute sie sich nicht. Zumindest nicht alleine, was sie ja schließlich war. Daher knurrte ihr Magen auch heute Mittag wieder umsonst. Sie hatte einfach Angst davor sich in das Café zu begeben, wo sie jeder ansprechen und auch ganz andere Sachen machen konnte. So verbrachte Theresa den heutigen Tag im Bett. Was sollte sie auch machen, wenn sie nicht aus dem Zimmer konnte, bzw. wollte? Nachdem sie sich nun auch keine neuen Streiche mehr ausdenken konnte und keine Strafarbeiten mehr zu verrichten waren, wusste sie nicht, was sie machen sollte. Ihr war damals auch gar nicht in den Sinn gekommen irgendwelche Bücher einzupacken. Sie war ja so verwirrt und auch verstört gewesen, dass sie beinahe ihre Schreibtischlampe eingepackt hätte.

Damals.. wie weit das alles zurück liegt. Was Clare und Leah wohl gerade machen? Theresa stiegen wieder die Tränen in die Augen, doch sie blieben dort.

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Über den Autor

SilverRose
Tjaaa.. eigentlich ich bin mehr eine Einzelgängerin und eine komlette Tagträumerin dazu xD
Aber ab und an bin ich auch gerne unter Leuten, wobei es mir etwas an Gesprächsstoff fehlt, es sei denn es geht ums Schreiben und meine Geschichten. Da kann ich tagelang drüber reden :P
Allerdings möchte ich hier auch mal zu meinen Geschichten anmerken, dass sie wirklich lange Stories sind, die sich über einen längeren Zeitraum erst richtig entwickeln und daher auch gut und gerne zwischen zwanzig bis vierzig Kapitel mit unterschiedlichen Längen varieren. Sie sind nichts für Leute, die nur gerne kurze Happen lesen, sondern mehr für die, die auch im normalen Buchladen gerne mal zu einem drei - bis vierhundert-Seiten-Wältzer greifen. Sorry, aber kurz schreiben ist nicht gerade meine Stärke. Wenn ich das versuche, werden sie am Ende nur umso länger xD
(Auch wenn ich ja mittlerweile auch wenigstens ein paar Kurzgeschichten zum Reinschnuppern in meinen Schreibstil habe :P)
Und (der Ordnung halber) die erste Interviewfrage hier oben: Welche Geschichten hast du bisher schon verfasst?
Hm, das sind mittlerweile so einige...meine abgeschlossenen sind der Reihenfolge nach:
Meine abgeschlossenen Manuskripte sind der Reihenfolge nach:
1.1) Das Geheimnis der Federn: Die Wächterinnen der Federn;
1.2) Das Geheimnis der Federn: Der Kampf gegen die Finsternis;
2) Kyra: Die Wahl zwischen Licht und Finsternis;
3) Scarlett und das Geheimnis von Avalon;
4.1) Kampf der Geister: Vertrag;
4.1) Kampf der Geister: Geschwister der Dunkelheit;
5) Das verlorene Buch;
6) Silver Rose: Das Gesetz der Killer;
7) Der Schlüssel zum Tor der Feuergeister;
8) Reinblut & Halbblut;
9) Die Wächterin von Reilong;
10) Die letzte Zauberin;
11.1) Juwelenritter: Das vergessene Jahr des Blutes;
11.2) Juwelenritter: Die sieben Höllenfürsten;

Meine noch laufenden Geschichten (auch wenn ich nicht weiß, ob und wann ich es schaffe sie zu beenden) sind:
11.3) Juwelenritter: Dämonenherz (aktiv)
12) Bund mit dem Tod (neu - auf Standby)

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Gast Ich bin auch sehr angetan von der art wie du schreibst und von der Story an sich natürlich auch.. ich hoffe auf mehr. Lesezeichen ist gesetzt
Vor langer Zeit - Antworten
Gillegan Hab mal reingelesen. Lässt sich schön rund und fließend lesen. Werde am Wochenende mal auf die Story den Fokus legen ;) Lesezeichen ist gesetzt ;)
LG
Gillegan
Vor langer Zeit - Antworten
NanaBella Ooooh mein Gott!! Bis jetzt für mich die beste Geschichte hier!! Habe grad das hier fertig gelesen .. konnte nicht mehr aufhören :D werde mal die naechsten kapitel durchchecken, also wirklich gelungen finde ich ... uch mag deinen sprach und schreibstil sehr :) weiter sooo
Lg Nana
Vor langer Zeit - Antworten
Lunchen zur Geschichte - Dein Stil ist gut, so wie ich ihn kenne ;)
ich finde das du da gar keine so großen veränderungen drinnen hast, zumindestens in den ersten 4 Kapiteln nicht ;)
Ich liebe deine Bücher und hoffe das du noch ganz ganz viele davon schriebst

LG Vivi
Vor langer Zeit - Antworten
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