Eine sechzehnjährige Auftragsmörderin namens Kate wechselt auf die Arrison Academy, eine Akademie für Killer. Dort lernt sie nicht nur den scheinbar gewissenlosen Auftragsmörder Train Phöenix kennen, sondern stößt mit der Zeit auf ein Geheimnis, das sie dazu bringt dieses eine Mal für den britischen Geheimdienst MI6 zu arbeiten und die Arrison Academy zu übernehmen. Enthält: Auftrag 17: Der Killer trifft einen Entschluss Auftrag 18: Killer auf Abwegen Auftrag 19: Auf in den Kampf ihr Killer!
Ich war zwar etwas verwundert darüber, doch anscheinend sollte ich erstmal wohl keine Strafe bekommen. Zwar hatte ich mich, laut Chronos, wie ein wütender Elefant im Porzellanladen aufgeführt und mich dabei selbst in ziemliche Gefahr gebracht, doch das Nachspiel schien vorerst noch aus zu bleiben.
VanDyke war jedenfalls ohne ein Wort aus der eisernen Tür verschwunden und die anderen hatten sich etwas verteilt. Thore und die ziemlich verärgerte Karin saßen nach wie vor am Tisch, Isabella und Jake hatten sich zu Robin in die Fernsehecke gesetzt und Train und Chronos hatten sich zu mir gesellt.
„Sei froh“, sagte Train nur ernst, „Glaub mir, die sind nicht zimperlich und wenn wir uns gegen die Bestrafung wehren, bekommen wir es doppelt und dreifach zurück.“
„Hast du vielleicht deshalb einige Male so demoliert ausgesehen?“, fragte ich. Mit verschränkten Armen und innerlich immer noch brodelnder Wut saß ich vor einem der Fenster ganz außen. Train hatte sich mir gegenüber auf die lange Fensterbank gesetzt und Chronos stand vor uns, während der Rest der Spezialeinheit scheinbar beschlossen hatte, mich vorerst vom Weiten zu beobachten.
„Ja“, stöhnte Train, „Dummerweise bin ich mit den vielfältigen Bestrafungsmöglichkeiten schon ziemlich vertraut.“
„Oje...“ Ich brachte ein schiefes Lächeln zustande. Da war ich ja wirklich in einer schönen Anstalt gelandet.
„Na ja, es gibt hier wohl keinen, der nicht schon mal mindestens eine Strafe erhalten hat“, bemerkte Chronos gelassen und mit seinem typischen Grinsen, „Aber so oft wie du hat das wohl wirklich keiner von uns durchgemacht. Also hast du entweder Spaß daran bestraft zu werden oder einfach Pech.“
„Keine Lust immer nach deren Pfeife zu tanzen trifft es eher“, korrigierte Train und warf Chronos einen warnenden Blick zu.
„Ui, auch gut.“
„Du bist ja zu feige dich zu widersetzen“, stellte Train fest und sah zur Seite.
„Ho? Da bist du mal wieder auf dem Holzweg“, sagte Chronos grinsend, „Bei mir fällt es nur nicht immer auf, wenn ich mal nicht ganz nach den Regeln spiele.“
„Stimmt, darin hast du ziemlich viel Übung, Joker!“, rief Isabella von hinten.
„Aber spiel dich deswegen bloß nicht so auf!“, fügte Jake hinzu und sah Chronos grimmig an.
„Wieso? Weil du sonst nicht genug Platz zum Prahlen hast?“, fragte Chronos lediglich schmunzelnd und legte den Kopf schief.
Jake war dabei hoch rot anzulaufen und ich staunte darüber, dass noch andere so auf Chronos´ Sticheleien reagierten wie Train, der sich dabei auch immer so aufregte wie Jake jetzt. Aber irgendwo war das auch lustig, zumindest amüsierte Chronos sich jedes Mal köstlich über die anderen. Er war echt ´ne Marke für sich, aus der ich noch nicht so ganz schlau wurde.
Gerade als Jake scheinbar auf Chronos zustapfen wollte, griff ihm Isabella schnell unter die Arme und versuchte ihn zurückzuhalten.
„Jake, beruhig dich, sonst haben wir hier gleich das nächste Durcheinander“, sagte Isabella beschwichtigend, „Wir sind schließlich gerade erst damit fertig geworden die ganzen Zettel wieder einzusammeln...“
„Lass mich los!“, rief Jake jedoch aufgebracht, „Irgendwann reicht es mir! Dem Typen stopf ich das Maul! Also lass mich endlich los!“
„Nein!“, rief Isabella, die nun auch wütend zu werden schien. Dabei fiel mir auf, dass ihre Haare auf einmal anfingen abzustehen, als wären sie elektrisch aufgeladen. Und kaum kam mir die Vorahnung in den Sinn, bewahrheitete sie sich auch schon.
Als Jake sich von Isabella befreien wollte, bekam er einen kräftigen, elektrostatischen Schlag. Fast so wie im Winter, wenn die Klamotten durch die Reibung auch leicht elektrisch werden. Nur das dieser Schlag wohl etwas unangenehmer war als der von nur leicht aufgeladener Kleidung. Isabella brachte bei ihrer Fähigkeit bestimmt eine viel höhere Spannung zusammen.
„Aua!“, fluchte Jake und drehte sich zu Isabella um, „Was sollte das denn?!“
„Tut mir leid...“, sagte Isabella leicht zerknirscht, „War keine Absicht...“
„Bring das endlich mal unter Kontrolle!“, forderte Jake, „Bei dir müssen wir ja immer aufpassen, dass wir keinen Schlag bekommen...!“
„Und was ist dein Problem dabei?“
Train, Chronos und auch die anderen sahen mich leicht überrascht an. Dass ich selber überrascht war, behielt ich allerdings lieber für mich. Irgendwie war mein Mundwerk diesmal schneller gewesen als mein Schädel, blöd gelaufen. Ich war gerade erst neu hier, da war es nicht gerade klug meine Gedanken einfach auszusprechen. Wie kam ich da jetzt wieder raus?
„Genau!“, sagte Isabella in dem Moment aber aufgebracht, „Stell dich nicht so an, es ist ja nicht so, dass ihr bei den kleinen Ladungen gleich sterben würdet.“
„Erschrecken tust du uns damit aber trotzdem“, bemerkte Train leicht resigniert, „Von dem tauben Gefühl in den Gliedern ganz zu schweigen.“
„Manno...“ Isabella schmollte und verschränkte die Arme. Irgendwie erinnerte sie mich in dem Moment an ein bockiges Kleinkind.
„Nimm´s dir nicht so zu Herzen“, sagte Chronos und klopfte ihr lächelnd auf die Schulter.
„Stimmt, wäre vielleicht besser“, sagte Isabella und zuckte mit den Schultern. Dann stürzte sie sich plötzlich auf Jake und begann ihn kräftig durchzukitzeln. Dieser war ziemlich überrascht und kippte glatt hinten über wieder auf das Sofa. Hätte Robin dort noch gesessen, wäre er jetzt wahrscheinlich Pfannkuchen. Doch er war gerade noch rechtzeitig zur Seite gehüpft und saß nun etwas weiter rechts auf der Lehne des Sofas. Mit einer hochgezogenen Augenbraue beobachtete er, wie Isabella mit wachsender Freude dabei war Jake zu kitzeln und dieser vergeblich versuchte sich dagegen zu wehren.
Ich sah Train nur stirnrunzelnd an und er zuckte lächelnd mit den Schultern. Wie es aussah, war das hier normal. So normal, dass es mich schon beinahe an die Akademie erinnerte. Mit dem Unterschied, dass die Leute hier in der Lage waren ohne Waffen eine ganze Stadt zu zerstören. Na ja, aber was war das schon? Dann waren wir halt genmanipuliert, so besonders war das ja nun auch nicht. Mein Sarkasmus hatte langsam mal eine Überholung nötig.
„Dein Gesicht sieht gerade so schön zweideutig aus“, bemerkte Chronos grinsend.
„Ist das so?“ Wahrscheinlich war mein Gesichtsausdruck nun endgültig aus den Fugen geraten. Ich fand allerdings, dass mir das zustand. Immerhin gehörte ich noch nicht allzu lange zu dieser Gruppierung von abstrakten, übernatürlich veranlagten Menschen. Jedoch beruhigte es mich, dass Train scheinbar Recht behalten hatte. Die anderen aus der Spezialeinheit waren, bis auf Karin, Thore und VanDyke eigentlich ganz in Ordnung. Zumindest vorläufig schien es so.
Gute zwei Stunden später schon kam ich dazu mich mit Isabella zusammen auf den Weg zu meinem ersten Auftrag für die SS zu machen. Denn wie ich ganz beiläufig von ihr erfahren hatte, war der Auftrag bereits für heute Abend geplant. Schön dass ich das auch mal erfuhr. Die Nachrichtenübermittlung schien hier ja wirklich sehr zuverlässig und bereits im Voraus stattzufinden und nicht erst, wenn ich so ungefähr schon auf dem Weg sein sollte. Begeisterung pur, gerade da mir dieser Auftrag immer noch nicht gefiel. Um ehrlich zu sein hätte ich lieber die Abwasserkanäle von ganz Italien saubergemacht, statt diesen Befehl von VanDyke auszuführen.
„Und wo kommst du eigentlich her?“
Ich seufzte. Isabella war schon seit wir vor einigen Minuten aus dem Auto gestiegen waren dabei mir Löcher in den Bauch zu fragen. Wie es kam, dass ich auf der Arrison Academy gelandet war, was ich dort machte und noch einiges mehr. Auch wenn ich bisher keiner der Fragen richtig geantwortet hatte, gab sie immer noch nicht auf. Sie schien wegen des anstehenden Auftrags hoch motiviert zu sein, was bei ihr allem Anschein nach dazu führte, dass sie wie ein Wasserfall plapperte. Und das wurde langsam wirklich nervig.
„Aus England“, antwortete ich wiedermal in kürzester Form und stellte mir vor, wie ich Isabella Klebeband über den Mund baxte, damit sie endlich Ruhe gab.
„Oh, ein wirklich tolles Land“, kommentierte meine aufgeregte Begleiterin, „Ich war auch schon mal da, aber wegen einem Auftrag. Du hast mich da ja auch gesehen.“
Ja, daran konnte ich mich noch gut erinnern. Das war während dem letzten Auftrag, bevor meine Welt sich langsam aber sicher um dreihundertsechzig Grad gedreht hatte. Nun war ich an diesem Punkt angekommen und fragte mich, wie es wohl ohne diese Wendung meines Lebens weitergegangen wäre. Sicher wäre mir so einiges erspart geblieben, aber dafür hätten mir auch viele neue Erkenntnisse gefehlt. Ich wusste noch nicht, welches die bessere Option war, aber ändern konnte ich es so oder so nicht mehr. Jetzt konnte ich nur noch vorwärts schreiten.
„Wie seid ihr eigentlich in der SS gelandet?“, fragte ich mehr oder weniger interessiert und hauptsächlich, damit ich nicht reden musste, „Und woher kommen du und die anderen überhaupt?“
Kurz wirkte Isabella überrascht, dann wurde ihr Gesicht ein wenig ernster. „Anders als du, Train und Chronos stammen wir von der Straße“, sagte sie und ihre Stimme klang melancholisch, „Bevor wir hier her kamen, mussten wir Tag für Tag um Geld betteln und dafür beten, dass wir den nächsten Tag etwas zu essen bekommen. Leben taten wir in verlassenen Häusern oder Ruinen unter heutzutage eigentlich unwürdigen Umständen. Die Regierungen haben sich einen Dreck um uns geschert. Ob es nun ein paar arme Kinder mehr oder weniger gab oder nicht; das Geld für die Hilfe der Armen kann man viel besser für neue Touristenattraktionen ausgeben; das haben die sich selber zuzuschreiben; sollen sie doch verrotten. Das und noch vieles Weitere hat man über uns gesagt. Damals habe ich sie alle gehasst. Ich habe mich gefragt, warum es allen gut ging, nur mir und vielleicht noch ein paar weiteren nicht. Diese Ungerechtigkeit hat mich fast zur Verzweiflung getrieben...“
Ich sah sie nachdenklich an. Natürlich wusste ich, dass es in eigentlich allen Ländern Menschen gab, denen es schlecht ging und die kaum etwas besaßen, aber ich hatte mich nie wirklich drum gekümmert, kurz gesagt war es mir einfach egal gewesen. Nun da ich so jemanden vor mir sah und von dem Leben in Armut erzählen hörte, bekam ich jedoch ein schlechtes Gewissen. Mir war klar, dass ich als einzelner Mensch unmöglich etwas gegen die Armut von über Millionen Menschen tun konnte, doch trotzdem tat sie mir leid. Ich konnte mir das Leben in der Gosse zwar nur vorstellen, aber es musste tagtäglich ein Kampf ums Überleben gewesen sein.
„Eines Tages wurde ich dann mit einigen anderen Obdachlosen zusammen hier nach Italien gebracht und in einen dunklen Raum tief unter der Erde gesperrt. Tag für Tag wurden um die vier bis fünf Leute von uns geholt und dann nie mehr wiedergesehen. Wir alle rechneten fest mit unserem baldigen Tod.. So wurde auch ich eines Tages in ein Labor geführt, wo man mich auf einem Stuhl festband und mir eine Flüssigkeit injizierte. Ich dachte wirklich, dass ich sterbe.“ Isabella lächelte kurz matt, doch dann sah sie mich grinsend an. „Aber als ich wieder zu mir kam, war ich bei der Scythe Society. Und ob du es glaubst oder nicht, von da an wurde mein Leben immer besser. Thore und VanDyke waren sehr nett zu mir und ich lernte ein reiches Leben kennen, wo ich jeden Tag drei warme Mahlzeiten bekommen konnte, wenn ich wollte. Als mit der Zeit auch noch Chronos, Robin und Jake dazu gekommen sind, war es jeden Tag sehr lustig. Chronos war zwar nicht immer da, da er zur Akademie gehörte und dort lebte, aber wenn er da war, haben Jake und er sich immer gezankt. Das war sehr lustig und unterhaltsam.“
Ich konnte zwar nicht so ganz glauben, dass sie Thore und diesen VanDyke als freundlich bezeichnet hatte, aber das war wohl Geschmackssache und aus ihrer Sicht waren die beiden wahrscheinlich wirklich nett. Dass sich unsere Ansichten da stark unterschieden, war ja nicht weiter von Belangen. Letzteres konnte ich allerdings ohne weiteres glauben, das hatten Chronos und Jake heute bereits demonstriert.
„Wir mussten zwar alle wegen unserer durch die Manipulation hervorgerufenen Fähigkeiten immer wieder Aufträge für die SS übernehmen, aber allein schon um ihnen zu danken, waren wir bereit alles zu tun.“ Isabella wirkte glücklich. „Dank der SS geht es uns besser. Wir haben warme Zimmer, eine Aufgabe und vor allem haben wir eine Familie.“
„Eine Familie?“ Ich sah sie leicht ungläubig an.
„Ja.“ Sie lächelte strahlend. „Wir sind zwar nicht durch Blut verwandt, aber in der Spezialeinheit sind wir alle so etwas wie eine Familie. Viele Leute, die bescheid wissen, haben Angst vor uns, aber dort in unserem Zuhause sind wir immer willkommen. Wir warten aufeinander, essen zusammen, erzählen uns Witze und teilen unsere Sorgen. Genau das, was eine große Familie tut. Wir sind immer füreinander da und halten zusammen.“
Normalerweise hätte ich wohl gesagt, dass das doch alles absurd ist, aber wenn ich ihr so in die begeisterten Augen sah, glaubte ich es. Wahrscheinlich war die SS für sie und die anderen – mit Ausnahme von Train und Chronos vielleicht – wirklich so etwas wie ein Zuhause. Ihre Rettung vor dem Tod in Einsamkeit und ein Zufluchtsort, wo jemand auf sie wartete. Ein Ort, wo sie eine seelische Familie hatten. Mein schlechtes Urteil über die Scythe Society kam mir langsam ungerecht und vorschnell vor.
„Und übrigens war das vorhin auch nicht böse gemeint“, sagte Isabella auf einmal schmunzelnd, „Jake und ich wollten dich nur ein bisschen necken, wir hätten dir nichts getan, keine Sorge. Auch wenn Train und Chronos uns wohl misstraut haben. Na ja, gerade als Train neu zu uns kam, haben wir es wohl etwas übertrieben, daher kann ich es irgendwo verstehen.“
Vielleicht war es etwas voreilig, aber ich glaubte ihr. Ich vertraute ihr noch nicht voll, aber ich war auch nicht mehr völlig misstrauisch. Nur ein wenig argwöhnisch. Denn mittlerweile war mir Isabella recht sympathisch. Anfangs hatte ich sie für gefährlich gehalten, aber inzwischen kam sie mir mehr wie ein quirliges Mädchen mit trauriger Vergangenheit vor. Aufgeweckt und herzensgut, fast eine etwas ältere und aufgedrehtere Version von Anja.
Bei dem Gedanken fiel mir ein, dass ich meine Freundin in letzter Zeit stark vernachlässigt hatte. Ich wollte sie schützen, aber mir war klar, dass ich damit eine immer höhere Mauer zwischen uns errichtete. Wenn ich nicht bald etwas dagegen tat, würde ich sie verlieren.
„Weshalb bist du eigentlich zur Auftragskillerin geworden?“ Isabella sah mich neugierig an. „Du warst auch auf der Akademie, also kann es dir doch jedenfalls nicht so wie uns ergangen sein.“
„Ging es auch nicht, ich hatte genügend Geld zum Leben“, erwiderte ich tonlos und sah hoch in den dunklen Abendhimmel, „Aber um es kurz zu sagen, wurde ich nur zu einer Auftragsmörderin, um Rache nehmen zu können.“
„Rache?“ Sie sah mich schief an und schien nicht zu verstehen, was ich damit meinte.
„Rache.“ Ich erwiderte ihren Blick. „Auch wenn man nicht unbedingt am Rande der Gesellschaft lebt, können einem durchaus schlimme Dinge widerfahren. Und damit ich zwei Männern etwas heimzahlen kann, wurde ich ebenfalls eine Killerin.“
„Okay.. und was ist passiert?“
„Das geht dich nichts an.“
„Aber du gehörst doch jetzt auch zur Familie“, warf Isabella vorwurfsvoll ein und zog eine Flunsch, „Du kannst mir ruhig davon erzählen. Ich behalte es auch für mich.“
Irgendwie musste ich lächeln, langsam erinnerte sie mich wirklich an Anja. „Tut mir leid, aber so weit reicht mein Vertrauen nicht. Niemand kennt meine Vergangenheit und so wird es bleiben, also spar dir die weiteren Fragen.“
Isabella schmollte.
Ich schüttelte nur den Kopf. Da hatte ich ja was angerichtet. Aber ich war froh, dass die SS scheinbar doch nicht so schrecklich war, wie ich dachte. Vielleicht konnte ich sogar damit leben auch für diese Organisation zu arbeiten. Da waren die Plätze, an denen ich vorher mehr oder weniger zwangsweise gearbeitet hatte, viel schlimmer gewesen.
Wenig später standen Isabella und ich vor einer ziemlich großen Lagerhalle unweit von einem kleinen Flughafen für Privatjets und Hubschrauber. Nur eine große Straße führte von hier weg und teilte sich später auf, um in verschiedene Richtungen zu größeren Städten in der Umgebung zu führen. Um diese Zeit war hier draußen nicht viel los und es war recht still. Nur in der Lagerhalle vor uns brannte Licht, besser gesagt schien sie innen hell erleuchtet zu sein. Was die Leute dort drin wohl um diese Uhrzeit trieben? Ich runzelte die Stirn.
„Bist du bereit?“, fragte Isabella grinsend.
Ich zuckte mit den Schultern. „Sag wann es losgehen soll.“
„Jetzt.“
Ich folgte ihr zum Haupttor. Die junge Frau zupfte kurz ihren schwarzen Minirock zurecht und holte aus einer Tasche eine kleine Fernbedienung. Sie drückte auf einen Knopf, woraufhin sich das große Tor von selber hob und den Blick ins Innere der Halle freigab. Für einen Moment hörte ich noch aufgeregte und ziemlich verwirrte Stimmen, dann wurde es ruhig und die Leute drinnen schienen abzuwarten, wer da so spät das Tor öffnete. Ich zweifelte allerdings daran, dass sie mit zwei Mädchen gerechnet hatten.
Die meisten dort trugen Arbeitsklamotten oder Kittel und alle sahen uns ziemlich irritiert an. Ich fand die Einrichtung der Lagerhalle allerdings wesentlich interessanter als die dämlichen Gesichter der Arbeiter. Sie sah aus wie ein riesiges Labor: Boden und Wände waren mit Eisenplatten verkleidet und überall standen große Maschinen, von denen ich mir höchstens vorstellen konnte, zu was sie gut waren. Es sah fast so aus wie ein geheimes Labor, in dem irgendwelche Tests durchgeführt wurden.
„Na Leute? Alles klar bei euch?“, fragte Isabella grinsend und betrat die Lagerhalle gefolgt von mir, „Ich hoffe, es geht euch gut und ihr arbeitet schön fleißig.“
Mir wollte einfach nicht klarwerden, was sie damit bezweckte, egal wie sehr ich darüber nachdachte.
„Bring die Herren mit einem Windstoß zu Fall“, befahl meine Begleiterin leise, „Und wenn möglich gleich alle auf einen Schlag.“
„Wozu?“
„Mach es einfach.“
Ich zog die Stirn kraus. Mein Gefühl sagte mir, dass ich das bereuen würde, doch ich hatte kaum eine andere Wahl. Immerhin unterstand ich Isabella und wenn ich nicht gehorchte, würde Anja unter Umständen das Echo zu spüren bekommen. So konzentrierte ich mich und im nächsten Moment sauste eine Böe durch die Halle, die die völlig überraschten Männer von den Füßen riss und sie hart auf dem eisernen Boden aufschlagen ließ.
„Und jetzt?“
„Das wirst du gleich sehen“, sagte Isabella und ging in die Hocke, „Sind deine Schuh-sohlen aus Leder?“
Ich nickte nur etwas verwirrt.
„Gut.“ Schon wieder hatte Isabella dieses Grinsen auf den Lippen.
Die Männer lagen immer noch stöhnend am Boden, auch wenn sich ein paar schon wieder aufgesetzt hatten und sich die schmerzenden Körperteile rieben. Als ich wieder zu meiner Begleiterin blickte, sah ich zum zweiten Mal heute so einen düsteren Ausdruck in ihren sonst strahlend grünen Augen. Ihre Haare luden sich auf und begannen abzustehen als hätte sie in die Steckdose gefasst. Gerade als ich begriff, was sie vorhatte, war es bereits zu spät.
Isabella jagte eine gewaltige Ladung Strom durch die wunderbar leitenden Bodenplatten und da die Männer alle in direktem Kontakt mit dem Boden waren, erfuhren sie den Stromstoß natürlich in voller Stärke. Eine ganze Weile lang hörte ich die entsetzten Schreie in voller Lautstärke und sah die rund zweihundert Männer sich vor Schmerz krümmen, dann erstarben die Schreie nach und nach. Kurz war noch der Widerhall an den metallenen Wänden zu hören, dann wurde es still.
Ich starrte die Leichen nur fassungslos an. Bis vor einigen Sekunden war die Halle noch voll von Leuten gewesen und es hatte eine ziemliche Lautstärke geherrscht. Nun war es still, denn der Stromstoß schien auch die Maschinen alle lahmgelegt zu haben. Nichts rührte sich mehr.
„So, das hätten wir dann“, sagte Isabella zufrieden und klopfte sich die Hände ab.
Ich sah sie nur ungläubig an. Langsam wurde mir klar, wieso Train am Anfang so rücksichtslos gewesen war. Er hatte es wahrscheinlich gar nicht anders gekannt. Wenn alle aus der Spezialeinheit ganz ohne schlechtes Gewissen töteten, war es klar, dass er das auch tun würde. Sicher, ich hatte auch schon viele Menschen getötet, aber selbst wenn ich alle Morde zusammenzählte hatte ich noch nicht so viele auf dem Gewissen, wie Isabella nur in der heutigen Nacht. Und ich wollte nicht wissen, wie viele es insgesamt waren.
„Ist was?“, fragte sie stirnrunzelnd und richtete sich wieder auf, „Keine Sorge, du gewöhnst dich schnell an die Aufträge. Die nächste Mission wirst du auch alleine schaffen, da bin ich mir sicher. Deine Kraft ist wirklich cool. Damit bist du nicht wie ich auf die Umgebung angewiesen und kannst sicher auch problemlos die doppelte Anzahl ausschalten. Bestimmt wirst du bald genauso viele Aufträge bekommen wie Train, er ist ebenfalls sehr gefragt unter den Auftraggebern.“
Ich schluckte all das, was mir auf der Zunge lag, einfach runter und wandte mich zum Gehen. „Wollen wir dann? Oder müssen wir sonst noch etwas tun?“ Ich wollte die mit Leichen gefüllte Halle nicht mehr sehen. Julie hatte mir beigebracht, dass ich auch als Killerin nicht vergessen durfte meine Opfer in Ehre zu halten und schon gar nicht, dass ich auch nur ein Mensch war und eigentlich kein Recht hatte ihnen das Leben zu nehmen. Das Mädchen vor mir schien von dieser Philosophie noch nie etwas gehört zu haben.
„Nö, das war´s schon“, sagte Isabella und holte flott zu mir auf.
Es war bereits halb elf, als ich endlich wieder vor dem Tor stand. Ich hatte Isabella dazu überredet mich an der Akademie abzusetzen, für heute reichte es mir mit der SS. Zwar hatte meine Begleiterin anfangs noch protestiert, aber ich hatte einfach den längeren Atem gehabt und mich durchgesetzt. Nun fasste ich mir mit einer Hand an die Stirn, als ich durch Haus 4 wanderte und zu meinem Zimmer ging. Das war heute wirklich ein Tag gewesen, wie man ihn nur selten erlebte. Da haute es einen schon mal aus den Latschen.
„Huch?“ Ich sah Anja verwirrt an, die im Flur vor meiner Zimmertür auf dem Boden saß und scheinbar eingeschlafen war. Die Beine hatte sie angezogen und ihr Kopf ruhte auf den angewinkelten Knien. Die Gute schien schon eine ganze Weile dort auf mich zu warten.
„Dummkopf“, murmelte ich nur kopfschüttelnd und schloss meine Tür auf. Dann nahm ich Anja auf den Arm und brachte sie in mein Zimmer. Die Arme schien so müde zu sein, dass sie einfach weiter schlief und gar nichts davon mitbekam. Ich musste irgendwie lächeln, als ich sie auf mein Bett legte und zudeckte.
Ich wollte nicht wissen, wie lange sie schon da gesessen und auf mich gewartet hatte. Allerdings hätte ich zu gerne gewusst, warum sie sich so sehr um mich sorgte. Immerhin war ich nicht gerade eine vorbildliche Freundin, im Gegenteil, besonders in letzter Zeit hatte ich ihr ganz schön viel zugemutet. Gerade weil ich versucht hatte alles vor ihr zu verbergen, schien ich sie umso mehr verletzt und vor allem in Gefahr gebracht zu haben. Also warum hatte sie mir nicht schon lange gesagt, dass ich bleiben sollte, wo der Pfeffer wächst?
Eine Weile lang saß ich neben ihr auf dem Bett und überlegte, was ich von nun an machen sollte. Ich hatte das, was Isabella mir erzählt hatte, nicht vergessen. Jedoch war auch noch das Bild der rund zweihundert auf einen Schlag getöteten Menschen vor meinem Auge und erinnerte mich daran, was die SS eigentlich war und was sie mit Menschen tat, die womöglich gar nichts verbrochen hatten. Egal wie viele Personen ermordet werden sollten, die Spezialeinheit nahm jeden Auftrag an, ganz gleich von wem er stammte, solange die Bezahlung stimmte. Das waren Fakten, die ich heute bereits erfahren hatte.
Auch mitbekommen hatte ich, dass die SS-Spezialeinheit sehr beliebt war, da bisher jeder Auftrag ohne Probleme und zu vollster Zufriedenheit der Kunden erledigt worden war. Teilweise traten wohl sogar Regierungen mit einem Auftrag an sie heran, weil die Killer der Sondereinheit wesentlich verlässlicher waren als die normalen Mörder, die zur SS gehörten. Dabei wussten die Auftraggeber noch nicht mal, warum die Leute aus der Sondereinheit eigentlich so verlässlich waren, aber das interessierte sie nicht, solange nur der Auftrag ordentlich ausgeführt wurde.
„Familie hin oder her, das ist einfach nur eine Ansammlung der besten Killer auf der ganzen Welt“, murmelte ich genervt, „Eine verdammt gefährliche Ansammlung...“
Mir behagte der Gedanke gar nicht, dass einige der Schüler von hier dorthin gehen sollten, wenn sie über achtzehn waren. Allgemein wurde mir langsam auch klar, dass die Schüler hier in ständiger Gefahr schwebten. Schließlich konnten sie jederzeit als Versuchsobjekte für das Serum für die Genmanipulation enden. Außerdem fand ich es unverantwortlich, dass Minderjährige hier mit tödlichen Waffen rumspielen konnten und lernen sollten, wie man einen lebenden Menschen einfach umbringt.
Am besten man brachte es den Kindern schon früh bei und sie lernten gar nicht erst, dass so etwas falsch war, so wahrscheinlich die Gedanken unserer netten Schulleiterin Mrs Allison. Die Kinder sollten zu gewissenlosen Mördern mit überragenden Fähigkeiten werden, die der SS nützlich waren und kein schlechtes Gewissen bekamen, wenn sie jemanden umgebrachten. Die perfekten Killer eben. Das hier war die reinste Gehirnwäsche, wenn ihr mich fragt.
„Stellt sich nur die Frage, was sich dagegen machen lässt.“ Ich stand auf und ging rüber zu meinem Schreibtisch. Der PC war schnell gestartet und die Wanze in der Leitung hatte ich bereits mit meinem kleinen Spielzeug überbrückt, sodass ich mir gefahrlos das Satellitenbild der Akademie ansehen konnte. Von oben sah das Gelände wirklich beeindruckend aus. Würde ich nicht wissen, was hier drin getrieben wird, hätte ich die Schule wohl auch für eine Akademie für reiche Leute gehalten.
Nach einigem Überlegen nahm ich das eine Buch aus dem Regal, das meinen Schreibtisch sicherte, und öffnete die oberste Schublade. Raus nahm ich nur das Foto von Katherine Arrison. Von meiner Großmutter. Ich musste zugeben, dass sie mir wirklich ähnlich sah, besser gesagt sah ich wohl eher ihr ähnlich.
Während ich das Foto betrachtete, ließ ich mir nochmal durch den Kopf gehen, was Iron mir erzählt hatte, als ich kurze Zeit lang Gefangene vom MI6 gewesen war. Die eigentliche Bestimmung der Arrison Academy kam mir wieder in den Sinn.
Ich dachte eine ganze Weile lang darüber nach, zwischenzeitlich musste ich sogar eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal auf die Uhr unten auf meinem Bildschirm sah, war es fünf Uhr morgens. Ich staunte nicht schlecht darüber, wie schnell so eine Nacht rumgehen konnte. Auch wenn ich nebenbei feststellen musste, dass der Schreibtischstuhl sich nicht gerade zum Schlafen eignete. Meine Gräten waren steif und mein Hintern tat mir ganz schön weh. Ich weiß, dass hätte ich schon vorher wissen müssen.
„Hmpf, vielleicht mache ich das wirklich...“, dachte ich laut nach und starrte an die dunkelblaue Decke.
„Nnnnnnh...“
Ich blickte leicht überrascht über meine Schulter. Anja hatte ich ja ganz vergessen. Diese setzte sich in dem Moment etwas verschlafen auf und sah sich irritiert um.
„Guten Morgen, du Schlafmütze“, sagte ich nur.
„Kate!“ Anja wirkte ziemlich verdattert und schien erst jetzt zu begreifen, dass wir uns in meinem Zimmer befanden. Außerdem schien sie mich erst jetzt entdeckt zu haben, manchmal war sie ein kleiner Blindfisch.
„Beruhig dich, es ist alles in Ordnung“, sagte ich beschwichtigend und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, „Auch wenn du mich gestern wirklich überrascht hast, als du schlafend vor meiner Tür gesessen hast.“
Anja wurde rot. „T-Tut mir leid.. ich wollte unbedingt noch mal mit dir reden. Deshalb dachte ich, dass ich einfach warte, bis du wieder da bist...“
„Oje, und ich war gestern erst so spät zurück“, seufzte ich, „Das lässt mich ja jetzt wie die Böse aussehen.“
„Nein“, sagte Anja schnell, „Ich hab doch selber Schuld...“
„Und? Worüber wolltest du mit mir reden?“, unterbrach ich sie.
„Äh.. ja.. was-was wollte ich eigentlich...?“ Anja schien verzweifelt zu versuchen sich daran zu erinnern, aber wie ihr leicht entglittenes Gesicht zeigte, wollte es ihr nicht mehr einfallen.
Ich musste lächeln. „Hat es zufällig etwas mit mir und der SS zu tun?“
„Ja!“, sagte Anja, der es bei dem Stichwort anscheinend wieder eingefallen war, „Bist du.. jetzt wirklich bei der Scythe Society? Ich meine, ich will dich nicht aufhalten, aber wirst du jetzt.. nur noch für die arbeiten?“
Ich hörte auch die Frage, die Anja nicht aussprach: Wirst du genauso wie Train früher werden, als er mich noch angegriffen hatte? So vollkommen verschwiegen und furchteinflößend? Eine gewissenlose Mörderin der SS? Vielleicht wäre manch einer empört gewesen, aber meiner Meinung nach war die Frage berechtigt. Und ich musste zugeben, dass es durchaus möglich war.
Statt zu antworten stand ich von meinem Stuhl auf und ging hinüber zu dem kleinen Tisch mit der Vase voller weißer Rosen. Noch auf dem Weg dorthin holte ich ein kleines Fläschchen aus meiner Rocktasche und nahm eine der Rosen in die Hand. Ich ließ einen Tropfen der Flüssigkeit aus dem Gefäß auf meine Schönheit tropfen und beobachtete, wie einige chemische Reaktionen in der Rose dafür sorgten, dass sich die schneeweißen Blütenblätter langsam in ein kräftiges Silber umfärbten.
„Was...?“ Anja staunte nicht schlecht.
„Ich werde nicht für die SS arbeiten“, sagte ich und sah meine Freundin lächelnd an, „Keine hundert VanDykes kriegen mich dazu für so einen skrupellosen Haufen zu arbeiten, das wäre ja noch schöner.“
Anja wirkte erleichtert.
„Außerdem wird es Zeit, dass die silberne Rose wieder zurückkehrt“, sagte ich und blickte meine Rose verträumt an, „Diese Akademie hat lang genug als Nachwuchs-Hahn für die SS gedient, es wird Zeit, dass sie zu dem wird, was sie eigentlich werden sollte.. die Arrison Academy, eine Akademie für angehende Agenten des MI6.“
„Wieso wussten wir, dass es darauf hinauslaufen würde?“, fragte Train auf einmal. Ein Windzug ließ die Vorhänge zur Seite wehen und die Sicht auf ihn und Chronos frei werden.
„Wieso nur war mir klar, dass ihr beide auf meinem Balkon stehen und lauschen würdet?“, entgegnete ich und sah die Jungen mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
„Weil du Hellsehen kannst?“, riet Train schulterzuckend.
„Aber das mit dem MI6 musst du uns nochmal erklären“, bemerkte Chronos und runzelte die Stirn.
„Willst du das wirklich wissen?“, erwiderte ich im Gegenzug, „Und wirklich alles?“
Der Halberwachsene schien die Anspielung zu verstehen und grinste. „Natürlich die komplette Version. Sonst würde unser kleiner Jungspross hier das wahrscheinlich gar nicht verstehen.“ Er deutete auf Train.
Dieser sah Chronos finster an, aber das Antworten übernahm dieses Mal ich: „Ich glaube vielmehr, dass du sonst nichts verstehen wirst. Zu dem Zeitpunkt warst du nämlich noch nicht hier, als ich etwas Interessantes herausgefunden habe.“
Daraufhin hob er nur eine Augenbraue, während Train nachdenklich wirkte.
„Tja, wo fange ich an?“ Ich runzelte die Stirn. „Wegen gewisser Umstände war ich kurzzeitig Gast beim MI6...“
„Was?!“ Train und Chronos sahen mich beide ungläubig an.
„Du erinnerst dich doch sicher noch an Sinclair, den wir das eine Mal umbringen sollten?“ Ich sah Train an. „Er ist der Chef einer Sondereinheit des MI6 hier in Italien. Und wie du sicher noch weißt, wurde ich von dem Kerl und seinen Leuten gefangen genommen.“
Train verzog das Gesicht. Das war eindeutig einer der Punkte, an die er nicht gerne erinnert wurde. Immerhin hatten er und Karin mich damals einfach zurückgelassen. Er schien deswegen immer noch ein schlechtes Gewissen zu haben.
„Du.. Was?“ Anja – ich hatte schon wieder ganz vergessen, dass sie auch noch da war – sah mich völlig konsterniert an. „Du warst.. schon mal gefangen genommen worden?“
Ich seufzte. „Ja, mir passiert das durchaus auch, schließlich hat jeder mal einen schlechten Tag.“
Meine liebe Freundin schien das immer noch nicht fassen zu können. Ich hatte für sie wohl immer zu den unschlagbaren Mitschülern gehört, da war ihre Fassungslosigkeit durchaus verständlich. Und da merkte ich einmal mehr, dass ich ihr gegenüber von Anfang an hätte offen sein müssen, so wie eine richtige Freundin. Nun war das Ganze für sie natürlich nur schwer zu begreifen, doch darauf konnte ich im Moment keine große Rücksicht nehmen.
„Wow, die Kratzbürste wurde ehrlich mal gefangen genommen?“ Chronos staunte nicht schlecht. „Ich dachte, du würdest jedem die Augen auskratzen, der dir zu Nahe kommt.“
„Unter normalen Umständen hätte ich das auch durchaus, aber wie gesagt waren die Gegebenheiten nicht gerade günstig, und außerdem ist das gar nicht der Punkt“, erwiderte ich und wurde erst, „Dort...“
„Und dann auch noch vom MI6.. ist der nicht eigentlich für das Innenland von Großbritannien zuständig?“ Chronos runzelte die Stirn. „Was macht der bitteschön hier in Italien? Wenn die Regierung sie hier erwischt, sind sie dran...“
„Das hab ich Iron auch gesagt“, knurrte ich genervt, „Aber...“
„Iron!?“ Dieses Mal war es Train, der mich unterbrach und mir dabei einen völlig entgeisterten Blick zuwarf.
Ich seufzte und schüttelte kurz den Kopf. „Ja, unser lieber Freund gehört eigentlich zum MI6 und hat mir dort so einiges erzählt...“
„Wer ist dieser Iron?“, fragte Chronos nun.
„Schnauze!“ Mir reichte es langsam mit den Unterbrechungen, was ja hoffentlich verständlich war. „Die Fragerunde ist erst hinterher, also haltet jetzt bitte mal die Klappe oder wollt ihr nicht wissen, was ich dort erfahren habe?“
„Schon gut, schon gut.“ Chronos grinste. „Schieß los, wir sind ganz Ohr.“
Ich verkniff mir ein Stöhnen, bevor ich meine drei engsten Freunde ansah. Es war nicht ganz einfach ihnen die Geschichte zu erzählen. Train unterbrach mich mehrmals, wenn mir dummerweise der Name „Iron“ rausrutschte, und ich musste ihn dann jedes Mal wieder beruhigen. Dummerweise kam Chronos dann immer mit seinen dämlichen Fragen, wer oder was „Iron“ denn war und es war ganz schön anstrengend den beiden Jungen immer wieder aufs Neue den Mund zu verbieten.
Anja saß zwar still auf meinem Bett – während ich auf dem Schreibtischstuhl Platz genommen, Train sich einen Stuhl aus der Plauderecke herangezogen und Chronos sich einfach an die Wand gelehnt hatte – und hörte uns einfach nur zu, doch ihr Gesicht wirkte ein wenig außer Form geraten. Für die Arme musste es ein ganz schöner Schock sein das zu erfahren, was ich ihr bisher verschwiegen hatte. Denn weil es sich gerade anbot, schnitt ich auch kurz die Zeit an, die für mich der reinste Alptraum gewesen war, damit Anja auch endlich im Bilde war. Das war ich ihr einfach schuldig, auch wenn ich Train dafür wieder etwas zusetzen musste.
Schließlich aber kam ich endlich dazu von dem zu erzählen, was der gute Iron berichtet hatte. Warum ich dem Typen die Geschichte abkaufte, wusste ich immer noch nicht. Aber irgendwie tat ich es einfach, seine Augen und seine Stimme waren so ernst gewesen, als er mir davon berichtet hatte, dass ich nicht an ihrer Richtigkeit zweifelte. Auch wenn wir auf zwei verschiedenen Seiten standen.
„Du willst uns also ehrlich erzählen, dass die Arrison Academy ursprünglich vom MI6 geplant wurde, um ihre Agenten vorzubilden?“ Chronos hatte beide Augenbrauen hochgezogen. „Doch bevor die Akademie gebaut werden konnte, wurde diese.. wie auch immer sie hieß von ihrer Stiefschwester getötet, die dann auch mit den Plänen abgehauen ist? Und diese Stiefschwester ist unsere Schulleiterin, die dann mit der SS zusammen die Akademie hier in Italien aufgebaut hat, um dort den Nachwuchs für ihre Organisation vorzubilden?“
Ich nickte kurz.
„Das ist so ziemlich das Unglaublichste, das ich seit Jahren gehört habe“, stellte Chronos verdattert fest und stemmte die Hände in die Hüften.
„Ich weiß.“ Dabei hatte ich noch den Teil ausgelassen, dass ich die Nachfahrin von Katherine Arrison war, die die Akademie geplant hatte und eigentlich auch leiten wollte. Hätte ich das auch noch gesagt, wäre ich wohl endgültig für verrückt erklärt worden. „Glaub es mir oder lass es bleiben, aber entscheid dich schnell. Ich hab da so einiges vor und das wird viel Zeit in Anspruch nehmen.“
„Lass mich raten, du willst unserer lieben Schulleiterin die Akademie unter dem Nagel wegreißen?“ Train sah mich resigniert an. In seinen bernsteinfarbenen Augen lag jedoch ein seltsamer, beinahe schon freudiger Ausdruck. Man konnte fast meinen, dass er das nur zu gerne machen würde. Irgendwie lustig, wenn man den wenig begeisterten Klang seiner Stimme bedachte.
„Treffender hättest du es nicht sagen können“, sagte ich grinsend und sah wieder die Rose in meiner Hand an, „Und ich bin mir sicher, dass wir damit ein paar Leuten eine große Freude machen werden.“
„Du willst diesem Iron doch nicht wirklich helfen, oder?“, fragte Train ungläubig, „Er hat dich ein Mal fast getötet und beim zweiten Mal war er ebenfalls nicht weit davon entfernt. Meinst du nicht auch, dass du ein wenig zu vertrauensselig bist, weil er dir etwas von seiner Arbeit erzählt hat?“
„Das denke ich nicht“, erwiderte ich und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, „Ich kann den Kerl zwar auch noch nicht so ganz einschätzen, aber wenn er wirklich gegen uns wäre, hätte mein sechster Sinn Alarm geschlagen. Und auf den kann ich mich verlassen.“
Chronos´ Grinsen war ein wenig schief. „Bist du dir wirklich sicher? Ich will die Schüler hier auch nicht in der Gefahr wissen, für die SS als Kanonenfutter zu enden, aber ob wir uns da wirklich auf den MI6 verlassen sollten? Ich halte die Idee auch für fragwürdig.“
„Wenn ihr meint.“ Ich drehte die silberne Rose in meiner Hand, deren Gift nun harmlos war, denn die chemische Reaktion zur Änderung der Farbe hatte das Gift vollkommen neutralisiert. „Aber wer sagt denn, dass wir das komplett dem MI6 überlassen? In meiner Planung steht nur, dass die Leute am Ende dafür sorgen, dass die Schüler wieder nach Hause geschickt werden und alles aufgeräumt wird. Die Übernahme werden wir alleine bewerkstelligen müssen, immerhin kommt hier nicht mal ein Staubkorn rein, ohne von der Akademie gesichtet zu werden.“
„Gutes Argument.“
„Dementsprechend verlassen wir uns ja nicht auf den MI6“, fuhr ich fort, „Wir lassen die nur praktisch den Dreck wegräumen.“
„Deine Ausdrucksweise...“ Trains Lächeln war etwas schief. „Du willst dich also wirklich gegen die Direktorin und die Lehrer auflehnen und diese Schule übernehmen? Ganz sicher?“
„Sehe ich unsicher aus?“ Die Frage war unnötig.
„Wir werden es wahrscheinlich aber auch mit der Spezialeinheit zu tun bekommen“, warf Chronos auf einmal ein, „Mrs Allison wird nicht tatenlos zusehen, wie wir hier einen Radau veranstalten. Und da wir praktisch die Leitung des Ganzen sein werden und man uns mit normalen Waffen praktisch nicht mehr besiegen kann, wird sie uns Jessica und die anderen auf den Hals hetzen.“
„Damit habe ich schon gerechnet.“ Ich sah in die Runde. „Aber wir machen sie einfach platt und damit hat´s sich dann.“
Train fiel beinahe von seinem Stuhl und Chronos schien kurze Gleichgewichtsprobleme zu haben. Beide sahen mich ungläubig an.
„Guckt nicht so“, schnauzte ich, „Man weiß erst, dass es unmöglich ist, wenn man es versucht hat. Und Genmanipulation hin oder her, was das angeht sind wir mit ihnen auf einer Höhe und körperlich werden sie uns nicht überlegen sein. Also helft ihr mir oder muss ich mir alleine überlegen, wie wir uns der Lehrer und der Direktorin entledigen?“
Es dauerte noch eine Weile, bis Train und Chronos ihre Gesichtszüge wieder eingesammelt hatten. Anja starrte mich sowieso schon die ganze Zeit an als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen, worüber ich beinahe lachen musste. Sie war wirklich zu süß. Ein richtiges Mädchen, nicht so wie ich, die ich eher ein Junge als ein Mädchen sein konnte. Man hatte mich ja auch schon oft genug mit einem verwechselt.
Train schüttelte schließlich den Kopf. „Ich gebe mich geschlagen. Ich werde dir helfen diese verdammte Akademie zu übernehmen.“ Ein seltsames Lächeln lag auf seinen Lippen, als er die Rose in meiner Hand ansah.
Chronos sah ihn daraufhin leicht verdattert an, bevor er stöhnte. „Ich glaub´s echt nicht. Ihr seid wirklich verrückt.. Aber irgendeiner wird ja auf euch aufpassen müssen, also was wollen wir genau machen?“
„Gute Frage...“
„Und was sollen wir eigentlich mit den anderen Schülern hier machen?“, fragte Anja plötzlich, „Ich meine, wenn wir wirklich gegen die Lehrer und die Direktorin vorgehen wollen, wird es doch mit Sicherheit zu einem Kampf kommen. Sollen wir normalen Schüler auch mitmachen? Und wenn ja, müssen wir ihnen doch wahrscheinlich von allem erzählen...“
„Nicht unbedingt.“ Ich bewegte die Maus, damit der Bildschirmschoner verschwand und wieder das Satellitenbild der Akademie zu sehen war. „Wir müssen versuchen den größten Teil der Schüler und Lehrer aus der Akademie rauszubekommen. Denn unser Ziel ist es immer noch Mrs Allison die Leitung zu stibitzen, daher ist unser Hauptziel die Besitzurkunde der Akademie. Wir müssen die Urkunde vernichten.. und damit meine ich alle Kopien, die vielleicht auch noch in dem PC gespeichert sind...“
„Ist was?“, fragte Train nach einer Weile und sah mich stirnrunzelnd an.
„Es wird nur ziemlich kompliziert werden die ganzen Dokumente zu löschen“, stellte ich nüchtern fest, „Immerhin haben sie ja sicher auch bei der SS Daten über unsere Akademie und deren Rechte...“
„Sprich dich ruhig aus“, sagte Chronos, „Du heckst doch gerade schon wieder irgendeinen teuflischen Plan aus.
Woher er das wohl wusste? Lag in meinen tief dunkelbraunen Augen etwa so ein freudig-düsterer Schimmer? „Wir werden die kompletten Dateien auf den Rechnern der SS und der Akademie löschen.“
Die beiden Jungen hoben je eine Augenbraue und Anja blinzelte. Die Gute hielt sich mit ihren Bemerkungen zwar im Hintergrund, doch sie schien durchaus mitzudenken.
„Und wie willst du das anstellen?“, stellte Train die berechtigte Frage.
Ich grinste hämisch. „Mit einem Computervirus.“
„Du bist echt ganz schön abgefahren“, bemerkte Chronos, „Aber woher willst du denn so einen Virus nehmen?“
„Keine Sorge, die Grundbausteine dafür habe ich auf einer Diskette in meinem Schreibtisch gespeichert, ich muss sie nur noch entsprechend programmieren und dann auf dem Rechner im Büro von Mrs Allison in die Freiheit lassen“, sagte ich, „Nur gut, dass Karin sich damals nicht an dem Inhalt meines Schreibtischs vergreifen konnte, das wäre ein schöner Schlamassel gewesen.“
Anja schien dabei wieder einzufallen, was ich während meiner Auszeit um Weihnachten mit meinem Zimmer angestellt hatte, denn ihr Gesichtsausdruck entglitt ihr ein ganzes Stück.
„Wieso hat sie es denn nicht? Sie ist doch normalerweise sehr gründlich.“ Chronos schien sich darüber zu wundern.
„Willst du es ausprobieren?“ Nur mit Mühe konnte ich mir ein Grinsen verkneifen.
„Klar“, antwortete der Idiot prompt und streckte eine Hand nach dem Griff meiner obersten Schublade aus.
„Nicht!“, rief Anja jedoch und hielt den leicht überraschten Halberwachsenen am Arm fest, „Das halbe Zimmer ist mit Fallen versehen! Fass bloß nicht den Schreibtisch an!“
Chronos sah mich daraufhin verblüfft an.
Ich grinste nur. „Ich hab´s halt nicht gern, wenn man in meinen Sachen wühlt. Aber davon abgesehen, es ist alles gut Anja, das Buch für den Mechanismus hab ich vorher schon aus dem Regal genommen, ihm wäre nichts passiert.“
„Sehr beruhigend“, murmelte Chronos nur resigniert. Allerdings schien ihm die Lust vergangen zu sein meinen Schreibtisch unter die Lupe zu nehmen.
„Wie auch immer“, sagte ich, „Bevor ich damit anfangen kann den Virus richtig zu konfigurieren, müssen wir noch einiges andere vorbereiten.“
„Stimmt“, sagte Train, „Wie sollen wir die anderen Schüler hier wegkriegen?“
„Ein Tagesausflug“, gab ich die Antwort, „Wir werden den Lehrern einfach ein Fax zuschicken, dass Mrs Allison für morgen einen Ausflug aller Klassen in die Stadt vorsieht. Damit werden wir auch den Großteil der Lehrer loswerden.“
„Gar nicht mal so schlecht“, staunte Chronos, „Aber wie willst du an die Unterschrift von unserer Schulleiterin kommen?“
„Ach, einer von euch muss nur kurz in ihr Büro einbrechen und einen Zettel mit ihrer Unterschrift holen, damit ich sie einscannen auf die anderen Zettel kopieren kann.“
„Du bist gut.“ Train schüttelte den Kopf. „Aber wird das nicht ein bisschen riskant? Was wenn...“
„Sie wird es nicht mitkriegen“, grinste ich, „Ich hab vor längerem schon mal kurz Mäuschen gespielt und zufällig einen Blick auf ihren Kalender werfen können. Von heute Mittag bis morgen Mittag muss die Gute rüber zur SS, um da irgendetwas zu klären. Also wird sie gar nicht mitbekommen, wenn die Schüler morgen früh auf einen Ausflug losgehen.“
„Tse.“ Train schien es nicht ganz glauben zu können. „Du hast wirklich alles durchdacht, ich bin beeindruckt.“
„Danke für das Kompliment, aber damit alles hinhaut müssen wir jetzt anfangen.“ Ich dachte kurz nach, dann blickte ich in die Runde. „Train wird mir die Unterschrift von Mrs Allison besorgen...“
„Ich wusste es.“
„Chronos wird für morgen früh um neun Uhr genügend Busse für die gesamte Schülerschaft herbestellen...“
„Stimmt, eine Mitfahrgelegenheit brauchen die ja auch...“
„Und Anja wird gleich meine Trainingspartner hier her holen“, schloss ich, „Wir werden ein bisschen Hilfe gebrauchen, wenn wir die Schüler während unserer kleinen Aktion in Sicherheit wissen wollen.“
Kurz herrschte Schweigen, während dem alle kurz nachdachten, ob wir noch etwas vergessen hatten.
„Na dann, legen wir los.“
Train sprang einfach von meinem Balkon und machte sich auf den Weg zu Haus Nummer 5, wo Mrs Allisons Büro lag. Chronos holte sein Handy heraus und ging damit aber raus auf den Gang, während Anja sich auf den Weg machte meine drei Trainingspartner aus den Betten zu holen. Damit sie nicht allzu lange suchen musste, hatte ich ihr wenigstens die Nummer von Leons Zimmer aufgeschrieben, denn die Nummern der anderen beiden sollte sie besser kennen als ich, da die beiden ebenfalls in Haus 3 wohnten. Während meine Freunde beschäftigt waren, entwarf ich kurz das Schreiben für die Lehrer und kramte in einer meiner Schubladen, bis ich die Diskette mit meinen technischen Schätzen gefunden hatte.
Ich war bereits dabei meine kleinen, süßen Viren und Trojaner zu programmieren, als Anja mit den etwas verwirrten und reichlich verschlafenen Leon, Cedric und Elric in meinem Zimmer auftauchte. Na ja, es war gerade mal viertel vor sechs, da durften die drei noch müde sein. Es waren schließlich nicht alle so verrückt wie wir.
„Na? Habt ihr gut geschlafen?“, fragte ich und sah von dem Bildschirm auf.
„Ja, bis man uns aufgeweckt hat“, knurrte Leon und unterdrückte ein Gähnen, „Also was willst du?“
„Du hast uns doch hoffentlich nicht nur aus Spaß aus den Betten geholt?“, fragte Elric und sah mich stirnrunzelnd an.
„Und überhaupt, was war die letzten zwei Wochen eigentlich los?“, fügte Cedric noch hinzu, „Bei euch schien ja so einiges Kopf zu stehen, also was ist los?“
„Sagen wir, es gab ein paar kleine unerwartete Zwischenfälle“, antwortete ich nur vage, „Aber viel wichtiger ist, dass wir eure Hilfe brauchen.“
Die drei Jungen wirkten reichlich verwirrt.
„Ihr werdet auf dem Schulausflug morgen aufpassen, dass kein Schüler vor Abend wieder zur Akademie zurückkommt“, befahl ich, ohne um den heißen Brei herumzureden, „Und ihr macht eure Sache besser gut, sonst sind die Leben der Schüler womöglich in großer Gefahr.“
„Hä? Was soll das denn?“ Elric wirkte ziemlich verwirrt. „Was für ein Schulausflug?“
„Es wird heute bekannt gegeben werden“, sagte ich schlicht.
„Und was meinst du mit dem letzten Teil?“, fragte Cedric ernst, „Das hört sich ja so an, als würdet ihr irgendetwas planen.“
„Tun wir ja auch“, grinste Chronos, der in dem Moment wieder rein kam und sein Handy in die Tasche seines Blazers steckte, „Meine Güte, die Leute sind so früh am Morgen ganz schön grantig, es war gar nicht so einfach so viele Busse aufzutreiben.“
Ich sah ihn vielsagend an.
„Keine Sorge, es ist alles organisiert“, beschwichtigte der Gute mich.
„Brav.“
„Hey, tu nicht so als hättest du...“
„Das Kommando?“ Ich lächelte mein düsteres Lächeln. „Mein Lieber, ich habe schon die ganze Zeit das volle Kommando über diese Aktion, falls es dir noch nicht aufgefallen ist.“
„Gruselig“, murmelte Chronos nur und rieb sich die Arme. Tja, ich konnte ganz schön furchteinflößend sein, wenn ich wollte. „Na von mir aus, aber wie gesagt, es ist alles so weit fertig.“
„Noch nicht ganz“, bemerkte ich und deutete auf den PC, „Wir müssen noch auf Train warten, bevor wir weiter machen können.“
„Nicht nötig.“ Eben genannter tauchte in dem Moment auf meinem Balkon auf und hielt einen Zettel hoch. „Die Frau ist echt ganz schön penetrant, es war verdammt schwer sie aus ihrem Büro zu locken.“
„Gut gemacht.“ Ich schnappte mir den Zettel und scannte ihn bereits ein, als Train sich wieder seinen Stuhl schnappte und Platz nahm.
„Was zum Teufel treibt ihr?“, fragte Leon irritiert und sah dabei auch Chronos an, „Ich werde das Gefühl nicht los, dass ihr eine ziemlich große Sache plant.“
„So kann man es sehen“, sagte Train schlicht und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, „Aber ihr tut gut daran, euch soweit es geht rauszuhalten. Sonst wärt ihr mit ziemlicher Sicherheit auch in Gefahr und das würden wir gerne vermeiden. Also seid einfach so gut und passt morgen auf die anderen Schüler auf.“
„Damit würdet ihr uns einen großen Gefallen tun“, sagte ich und schnitt nebenbei noch die Unterschrift von Mrs Allison aus, um sie auf das entworfene Dokument zu kopieren. Zum Glück hatte ich noch Übung mit den ganzen Dingen, sonst hätte das wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen und ich wollte damit noch vor acht Uhr fertig werden. Denn das Dokument musste vor Mrs Allisons Aufbruch zu den Lehrern geschickt werden, aber so spät, dass sie die Schulleiterin nicht mehr darauf ansprechen konnten. Das musste ich irgendwie entsprechend abpassen, keine leichte Übung.
„Aber.. was auch immer ihr plant, wozu soll das gut sein?“, fragte Cedric.
„Mal davon abgesehen, dass wir auch gerne mal wissen würden, was hier eigentlich vor sich geht“, bemerkte Leon und verschränkte die Arme vor der Brust.
Train und Chronos sahen sich an, bevor sie kurz zu mir blickten, die ich allerdings beschäftigt war.
„Es ist für euer aller Sicherheit“, sagte Train ernst, „Ihr wisst es zwar nicht, aber hier seid ihr wie auf dem Silbertablett serviert für einige Leute, denen es egal ist, was mit euch passiert, solange ihr für sie von Nutzen seid.“
„Und wir sind der Meinung, dass es langsam echt mal Zeit ist diesen Umstand zu ändern“, sagte Chronos und grinste, „Auch wenn das ein hartes Stück Arbeit wird.“
„Was hast du denn gedacht?“, fragte ich von hinten und tippte mit fliegenden Fingern einiges zur Programmierung der Viren ein, das Dokument hatte ich bereits über den Computer von Mrs Allison zum Lehrerzimmer der Schule geschickt, es war nicht weiter schwer gewesen die jeweiligen Adressen zu finden. Außerdem hatte die Schulleiterin ihren PC nicht gerade gut gesichert, selbst wenn ich keine Hackerin gewesen wäre, hätte ich es locker geschafft mich dort einzuklinken und das Fax loszuschicken. Zu gerne hätte ich auch den Virus einfach von hier dorthin geschickt, aber dann müsste ich befürchten, dass meine Errungenschaft auch meinen PC lahm legte und das wollte ich nur ungerne.
„Ich kapier immer noch nicht, was ihr jetzt eigentlich vorhabt“, stellte Leon resigniert fest.
„Das kommt davon, wenn man nur Stroh im Schädel hat“, bemerkte ich trocken.
„Wer hat hier Stroh im Schädel?!“
„Na ja, wir beide werden dir helfen“, sagten Cedric und Elric auf einmal, „Auch wenn wir nicht genau wissen, worum es geht.“
„Danke, das ist eine große Hilfe.“
Leon stöhnte. „Wenn die beiden dabei sind, bleibt mir ja nicht viel anderes übrig.“
„Wie gnädig von dir...“ Chronos schmunzelte. „Na dann hätten wir ja eigentlich alles so weit vorbereitet. Wie sieht es mit dem Zettel für die Lehrer aus?“
„Schon lange abgeschickt“, erwiderte ich lediglich, „Ich bin gerade bei dem süßen Virus, also stör mich lieber nicht, sonst leg ich noch versehentlich meinen eigenen PC lahm.“
„Schon gut“, sagte Chronos grinsend, „Hoffentlich springen die lieben Lehrer nur drauf an.“
„Das werden Sie.“
„Dass du dir da so sicher bist...“
„Halt endlich die Klappe“, sagte ich genervt, „Train, schmeiß die Mannschaft wieder raus, so kann ich mich nicht konzentrieren.“
„Jawohl“, sagte Train nur schmunzelnd und geleitete meine Trainingspartner samt Chronos nach draußen, auch wenn sie natürlich protestierten.
„Also werden wir das jetzt wirklich durchziehen?“ Anja sah mich fragend an.
„Muss ich dich auch noch nach draußen setzen lassen?“, fragte ich im Gegenzug.
„Äh.. nein, ich bin schon still.“
„Es wird eine große Veränderung geben“, sagte ich ernst und sah die silberne Rose neben der Tastatur an, „Aber es geht nicht anders, ich werde nicht dabei zusehen, wie die SS mit den Schülern macht, was sie will. Die Organisation werde ich nicht ganz ausschalten können, aber ich kann ihnen den Nachwuchs-Hahn zudrehen und damit verhindern, dass sie unschuldige Schüler als Kanonenfutter oder für Experimente benutzen.“
Und ich konnte dem MI6 seine Akademie zurückgeben, immerhin war ich diesem Iron und auch dem Leiter der Sondereinheit, Sinclair, etwas schuldig, weil sie mich ungeschoren haben laufen lassen. Dabei fiel mir ein, dass ich ja noch eine Kleinigkeit erledigen musste, bevor der Unterricht begann.
Einige hundert Kilometer entfernt trank der Sicherheitschef vom MI6 gerade einen Schluck Kaffee. Zu so früher Stunde war es ruhig und das Getränk war mild, genauso wie es sein sollte.
„Iron! Iron!“
Er verschluckte sich vor Schreck glatt und hätte beinahe sein Laptop unter Kaffee gesetzt. „Ja, was ist denn? Ich mache gerade Pause.“
„Aber.. wir...“, druckste Finnley, einer der drei jüngeren Männer auf dieser Mission, unsicher herum, „Es kam gerade eine Mail von einem unbekannten Absender.“
„Und was ist daran so außergewöhnlich?“, fragte Mr Iron und seufzte, bevor er sich den nächsten Schluck gönnte.
„Die Mail ist an Sie adressiert.“
Zum zweiten Mal verschluckte der Sicherheitschef sich an dem Kaffee und beschloss, das Getränk erstmal zur Seite zu stellen, da irgendeiner ihm seine Pause nicht zu gönnen schien.
„Na das ist ja was.. ich komme.“ Iron folgte dem Jungspross in sein Büro und ließ sich die Mail zeigen. Tatsächlich stand oben sein Name drauf, auch wenn die E-Mail von dem System gleich in den Ordner 'Gefährlich' umgeleitet worden war. Da hatte scheinbar irgendwer herausgefunden, dass er hier in Italien war. Zwar war das eher ein Grund zur Besorgnis, doch Iron war auch neugierig.
„Rufen Sie sie auf“, sagte er.
„Aber.. na gut.“ Finnley klickte die Mail an und prompt füllte die Nachricht den gesamten Bildschirm aus.
Hey Iron und ihr anderen vom MI6,
ich werde Ihnen helfen, die Arrison Academy wieder zurückzubekommen. Ich verlange aber, dass keinem der Schüler etwas passiert. Und mischen Sie sich auf keinen Fall in der Sache mit der Scythe Society ein, sonst wird das das Letzte sein, was sie tun. Dies ist eine Warnung, auf die Sie hören sollten, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist. Was die Akademie angeht...
Dieses eine Mal werde ich den Auftrag des MI6 ausführen, auch wenn das keineswegs bedeutet, dass ich danach zu Ihnen gehöre. Mittlerweile ist es lediglich auch eine persönliche Angelegenheit.
Silver Rose
„Silver Rose?“ Finnley runzelte die Stirn. „Irgendwo habe ich den Namen doch schon mal gehört.. Ach ja stimmt! Sie war eine Weile lang eine der größten Auftragskillerinen der Szene, bevor sie vor ein paar Monaten verschwand.. Uh, ist ja richtig unheimlich, dass Sie von so jemandem eine Mail bekommen...“
„Dieses Balg.. sie hilft uns also tatsächlich“, sagte Iron jedoch lächelnd, dem endlich klar geworden war, was die Kleine mit ihren komischen Andeutungen das letzte Mal gemeint hatte.
„Bitte?“ Der Jungspross wirkte reichlich verwirrt.
„Erinnern Sie sich nicht mehr an das junge Mädchen, das wir vor kurzem in den Keller stecken mussten, weil sie mit zwei anderen versucht hatte Sinclair zu töten?“, fragte Iron belustigt.
„Natürlich“, sagte Finnley, „Ich war ja ziemlich überrascht, dass selbst ein so junges Mädchen versuchen könnte jemanden umzubringen.“
„Sie ist Silver Rose“, sagte Iron und lächelte, „Und wie ich an der Mail und dem Anhang unten sehe, werden wir morgen Abend mit etwas Glück endlich wieder einen Fuß in unsere eigene Akademie setzen können.. Aber der italienischen Regierung in den Arsch treten? Die Gute hat wirklich eine sehr weibliche Ausdrucksweise.“
Finnley sah ihn nur ungläubig an. „Sie.. das Mädchen.. ist wirklich diese berühmte Silver Rose? So ein junges Kind?“
„Besondere Situationen lassen auch ein Kind früh reifen“, bemerkte Iron, während er sich den Rest der Mail durchlas, „Besonders Mädchen und junge Frauen können in der Hinsicht beängstigend sein. Innerhalb weniger Tage können Sie sich vor deinem Auge verändern und plötzlich viel reifer werden.“
„Ist das eine von Ihren komischen Lehren?“, fragte Finnley etwas resigniert.
„Nur etwas, das ich mal gehört und auch schon selbst gesehen habe“, sagte Iron und schüttelte den Kopf, „Dieses Mädchen, sie will ernsthaft die Akademie übernehmen. Scheinbar müssen wir zusehen, dass wir vor morgen Abend die Genehmigung der Regierung bekommen, eine in England weit gesuchte Auftragsmörderin in der Arrison Academy festzunehmen. Die Kleine hat wirklich gute Ideen, das muss man ihr lassen. Sich selber als Grund anzubieten, damit kriegen wir mit etwas Glück wirklich die Genehmigung.“
„Sie wollen ihr also wirklich vertrauen?“, fragte Finnley unsicher, „Meinen Sie nicht, dass Mr Sinclair dagegen sein wird?“
„Nein, unser Boss wird wahrscheinlich eher begeistert darüber sein, dass sich unser Sondereinsatz langsam dem Ende neigt“, erwiderte Iron schmunzelnd, „Vertrauen Sie mir. Ich kenne das Mädchen, sie wird ihr Wort halten.“
Train, Chronos und ich saßen nur gelangweilt hinten auf unseren Plätzen und hörten Mr Walker dabei zu, wie er wieder irgendwelchen Schwachsinn von sich gab, den er als Unterricht bezeichnete. Der normale Unterricht war ganz schön langweilig, wenn man bedachte, was wir gerade planten.
Aber während ich so vor mich hin träumte, kam mir wieder in den Sinn, wie ich vor kurzem nur knapp verhindern konnte, dass Anja entführt wurde. Diese seltsamen Stimmen waren mir immer noch nicht wieder aus dem Kopf gegangen. Irgendwie hatte ich eine ziemlich absurde Vermutung über deren mir bisher unbekannten Ursprung, aber so ganz sicher war ich nicht.
„Sagt mal.. glaubt ihr, dass es so etwas wie Naturgeister gibt?“, fragte ich die beiden Jungen neben mir flüsternd, „Zum Beispiel Windgeister?“
Chronos und Train sahen sich über meinen Kopf leicht überrascht an, doch dann lächelten beide auf einmal leicht.
„Möglich“, sagte Train nur und lehnte sich zurück.
Ich runzelte daraufhin die Stirn, fragte aber nicht weiter. Stattdessen döste ich lieber noch eine Runde. Immerhin war ich gestern lange wach geblieben und heute früh wach geworden. Und dann hatte ich mein Gehirn auch noch so angestrengt, da war dringend mal etwas Schlaf notwendig, damit später alles glatt lief.
Aber immerhin hatte der Trick mit dem Fax schon mal funktioniert, gleich zu Beginn der Stunde hatte unser verrückter Klassenlehrer angekündigt, dass wir morgen alle einen Tagesausflug in die Stadt machen würden, deren Namen mir schon wieder entfallen war. Das war schon mal ein Gutes. Nun konnte eigentlich nicht mehr viel schief gehen bis morgen.
Bis dahin musste ich allerdings noch den Virus fertigstellen und Anja zeigen, wie sie ihn auf dem Rechner von Mrs Allison platzieren konnte, damit er den Computer von seinen ganzen gespeicherten Informationen befreite. Eigentlich wollte ich das selbst übernehmen, aber sollte ich früher als erwartet kämpfen müssen, sollte Anja auch zu Not meinen Part übernehmen und den Rechner der Schulleiterin leer räumen können, nicht zu Letzt auch, damit die bestimmt mit dem Computer verbundenen Rechner der SS auch ein gewaltiges Loch in ihren Informationen bekamen. Mit etwas Glück konnte ich den Leuten ein schönes Schnippchen schlagen, aber dafür war auch etwas Glück nötig. Und auf das verließ ich mich nur äußerst ungern, da ich bekannterweise nicht gerade damit gesegnet war.
„Hoffentlich geht das gut“, murmelte Chronos nur, als wir bereits wieder in meinem Zimmer saßen, das zur Basis erklärt worden war. Einzig Anja fehlte, die noch mit Mareike und Lisa beim Praktischen Training war, während wir bereits gehen konnten. Das war der einzige Vorteil daran schon mit einem Bein bei der SS drinnen zu stehen, man war vom Praktischen Training befreit, das für mich eh nur noch langweilig war, wenn ich nicht gerade die Ehre hatte mich mit Train anzulegen.
„Zum pessimistisch sein haben wir keine Zeit“, bemerkte ich nur gelassen, „Wir sollten uns lieber schon mal überlegen, wie wir morgen am besten gegen Isabella und die anderen vorgehen.. Wir müssen zwar eigentlich nur notfalls mit ihnen kämpfen und solange, bis wir sicher sind, dass es keine Hinweise mehr darauf gibt, dass Mrs Allison die Inhaberin der Akademie ist, aber trotzdem. Ich habe kein gutes Gefühl, wenn ich weiß, dass die sechs jederzeit hier aufmaschieren könnten. Bei ihren Fähigkeiten könnten sie auch einfach den Besitz der Akademie erzwingen...“
„Wie sagtest du so schön? Wir müssen sie einfach platt machen“, sagte Train und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. So lässig wie er da an der Wand lehnte, würde wohl keiner vermuten, dass er noch vor nicht mal vierundzwanzig Stunden weit weniger begeistert gewesen war.
Ich sah ihn kurz etwas überrascht an, doch dann musste ich lächeln. „Exakt.“
Chronos schüttelte nur den Kopf. Er sah die Sache eindeutig etwas realistischer als wir beide, aber auch wenn er Recht hatte, brachte es uns nichts uns zu große Gedanken darüber zu machen. Denn diesen Kampf konnten wir unmöglich vorher abschätzen. Es war nur ziemlich sicher, dass er kommen würde und wir am besten gleich mit dem schlimmsten Fall rechneten.
„Und wie ist der Plan?“, fragte Train dann.
„Sobald die Schüler morgen auf dem Weg in die Stadt sind, sehen wir zu, dass wir ins Büro unserer netten Direktorin kommen und die Daten löschen“, antwortete ich schlicht, „Anja und ich werden rein gehen, während ihr beide Wache schiebt.. Das ist zumindest der Plan. Ich hoffe nicht, dass wir eine ungeahnte Überraschung erleben.“
„Welche zum Beispiel?“ Chronos hatte eine Augenbraue hochgezogen. „Dass Mrs Allison doch nicht abgefahren ist zum Beispiel?“
„Dessen bin ich mir sicher“, erwiderte ich, „Aber ich will den Teufel nicht an die Wand malen, also lassen wir das Thema.“
„Wenn du meinst.“
„Aber wie hast du das gestern mit der Rose gemacht?“, fragte Chronos auf einmal neugierig, „Ich hab noch nie von silbernen Rosen gehört.“
„Das ist ja auch meine eigene Züchtung.“ Ich lächelte keck. „Normalerweise sind sie aber weiß. Nur wenn ich ihnen eine bestimmte, selbst gemixte Lösung gebe, färben sich die Blütenblätter silbern. Und es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich die richtige Farbe hatte.“
„Kann ich mir vorstellen.“ Chronos grinste. „Aber wieso ausgerechnet Silber?“
Ich neigte den Kopf. Sollte ich dem antworten?
„Weil es ihr Markenzeichen war“, antwortete Train jedoch mit einem geheimnisvollen Lächeln. Er schien mittlerweile zu wissen, wer ich früher gewesen war und was ich so getrieben hatte. Dieses selbstgefällige Lächeln darüber, dass er es wusste aber Chronos nicht, passte zu ihm. Auch wenn es eigentlich nicht leiden konnte, wenn er so furchtbar arrogant drein blickte. Aber irgendwie stand ihm das wirklich.
„Dann weißt du ja mehr als ich“, stellte Chronos schon fast empört fest, „Jetzt will ich aber auch die Auflösung wissen!“
„Nix da“, sagte ich nur, alleine schon aus Reflex heraus.
„Das geht dich nichts an“, fügte Train hinzu.
„Dich eigentlich auch nicht“, bemerkte ich allerdings.
„Hey, ich bin dein Partner, also ist das in Ordnung“, konterte Train.
„Na da hab ich aber auch noch ein Wörtchen mitzureden.“
„Stell dich nicht so an, so weltbewegend ist das ja nun auch wieder nicht.“
„Für mich schon!“
„Es wird doch niemand sonst erfahren.“
Chronos sah uns nur mit schief gelegtem Kopf zu. Er stand unweit von Train, der sich wiederum mir gegenüber hingestellt hatte. Allein schon an seinem vielversprechenden Grinsen hätte ich merken müssen, dass er etwas plante. Aber wie immer, wenn ich mich mit Train anlegte, entging mir der Rest.
So verpasste Chronos Train vollkommen unerwartet einen kräftigen Stoß gegen den Rücken, was dazu führte, dass mein Teampartner natürlich nach vorne stolperte. Und jetzt ratet mal, was als nächstes passiert ist. Es ist so verdammt dämlich, dass ich es selbst Tage später nicht fassen konnte. Aber dummerweise war es trotzdem passiert.
Train war völlig ungelenk auf mich zu gestolpert und als ich gerade zurücktreten wollte, fiel mir auf, dass ich bereits vor meinem Schreibtisch stand. Als ich dann gerade aufsah, stand Train direkt vor mir und er hatte noch so viel Schwung, dass wir uns unfreiwillig küssten. Für einen Sekundenbruchteil starrten wir uns nur ungläubig an, bevor er schnell wieder einen ganzen Satz zurück sprang und sich eine Hand vor den Mund presste, wie ich im Übrigen auch. Kurz sahen wir uns ziemlich verdattert an, doch dann fielen unsere Blicke auf den ebenfalls etwas überraschten Jungen, dem wir das zu verdanken hatten.
„Chrooonooosss...“ Train und ich kamen beide mit drohenden Blicken auf ihn zu.
„Hey! Ich hab nichts gemacht!“, erwiderte dieser mit leicht verzweifelter Stimme, doch das Grinsen auf seinem Gesicht sagte alles. Er hatte es vielleicht nicht beabsichtigt, aber er war mit dem Ausgang der Aktion durchaus zufrieden. Zumindest fand er es eindeutig sehr amüsant. Allerdings war ihm wahrscheinlich auch klar, dass wir das wussten.
Daher wunderte es mich im Prinzip nicht, dass er der drohenden Gefahr wegen schleunigst flüchtete und mit einem Satz von meinem Balkon hopste. Warum konnten die beiden Jungen eigentlich nicht mal die Tür nehmen? War das so schwer? Jedenfalls sprangen Train und ich gleich hinterher, denn das würden wir ihm definitiv nicht so einfach durchgehen lassen. Seine anderen Streiche hin oder her, dass wir uns wegen dem Typen geküsst hatten, war absolut inakzeptabel. Dafür würde er büßen! Und zwar richtig büßen!
Am nächsten Morgen trafen sich die Schüler wie geplant alle am Haupttor und stiegen dort in die Busse, die sie in die Stadt bringen würden. Damit hatten wir sie im Notfall außer Gefahrenzone, was mein Gewissen ungemein beruhigte. Nun stand uns auch nichts mehr im Wege und die Aktion konnte beginnen.
„Seid ihr soweit?“, fragte ich über meine Schulter, wobei meine schulterlangen, kupferfarbenen Haare kurz durch die Luft flogen. Ausnahmsweise fühlte ich mich in meinen Klamotten wohl. Na ja, ich hatte ja auch meine alte „Arbeitskleidung“ aus einer gut versteckten Schublade im Schrank geholt. Es waren eine dreiviertellange, weiße Hose mit einem schwarzen Gürtel, an dem noch das Halfter für meinen silbernen Revolver Rye befestigt war. Den Revolver hatte ich von einer alten Freundin drüben in England, die für eine Organisation namens Avalon arbeitete. Dort hatte sie zwei genau gleiche Revolver bekommen, von denen sie einen mir gegeben hatte, während sie selbst Nye behalten hatte. Dafür war ich ihr immer noch dankbar, denn diese Waffe hatte mich aus so manch verzwickter Lage rausgeholt. Oben rum trug ich noch ein schneeweißes, bauchfreies Shirt, das an den Rändern noch silberne Verzierungen hatte. Über den Sachen trug ich noch einen langen, nachtblauen Mantel. Vorne direkt über meinem Herzen war eine kleine, silbern glitzernde Rosenblüte abgebildet und hinten auf dem Rücken war genau das gleiche Zeichen nochmal, nur ein ganzes Stück größer. Diesen beiden Mustern verdankte ich meinen Namen: Silver Rose.
„Wofür hältst du uns?“, fragte Train im Gegenzug. Mein Partner trug ebenfalls einen Mantel, der jedoch pechschwarz und unten an den Rändern etwas ausgefranst war. Außerdem war auf seiner Brust eine gelb-rote Flamme eingearbeitet. Dazu trug er ein rotes Oberhemd und eine sandfarbene Hose. In einer der großen Taschen hatte er sicher auch seinen schwarzen Revolver Fire untergebracht und seine tief dunkelbraunen Haare waren ein wenig zerzaust.
„Was anderes bleibt uns ja auch gar nicht mehr übrig“, bemerkte Chronos und seufzte leise, dass einige Strähnen seines kurzen und ziemlich durcheinander geratenen, schwarzes Haars mit einem leichten Blaustich auf und ab wippten. Er hatte im Gegensatz zu uns einfach seine Schuluniform anbehalten. So trug er die hellgraue Hose, das gleichfarbige Hemd und darüber seinen weißen Blazer mit einigen goldenen Stickereien. Mich hätte nur mal interessiert, was eigentlich seine Waffe war, aber ich hatte auch keine Lust zu fragen.
„Aber was soll´s? Bist du fertig da hinten, Kleine?“, fragte er dann jedoch grinsend und blickte zu Anja.
„J-Ja“, kam die zögerliche Antwort von meiner Freundin. Sie trug ebenfalls ihre hellblaue Schuluniform und wie gewohnt waren ihre schwarzen Haare zu zwei Zöpfen zusammengeflochten. Darüber, dass ich ihr zwei Pistolen mit Ersatzpatronen in die Hand gedrückt hatte, schien sie nicht so richtig glücklich zu sein. Sie wirkte ziemlich unsicher, was wahrscheinlich daher kam, dass ich sie im Notfall dafür vorgesehen hatte meinen Part beim Löschen der Dateien im Rechner von Mrs Allison zu übernehmen. Aber so oft wie wir das gestern in der Simulation durchgegangen waren und alle möglichen Situationen abgespielt hatten, vertraute ich darauf, dass sie im Ernstfall richtig handeln können würde. Denn auch wenn sie immer etwas verunsichert war, war Anja alles andere als blöd.
„Gut, dann sehen wir mal besser zu, dass wir schnell fertig werden“, sagte ich nur und nahm, vor allem Anja zu liebe, nicht den Weg über den Balkon sondern ging durch die Tür. So wie es jeder normale Mensch auch tat.
Die relativ kurze Strecke von Haus 4 zu Haus Nummer 5 hatten wir schnell hinter uns gebracht. Es gab auch nichts weiter Auffälliges, wie erwartet war das Gelände leer und mehr als das Zwitschern der Vögel war nicht zu hören. Die Sonne schien warm vom Himmel und Train wurde in seinem schwarzen Mantel bestimmt gerade schön warm. Allerdings tat ich mir da mit meinen dunkelblauen Sachen auch nicht viel.
Trotz des scheinbaren Friedens hatte ich jedoch das Gefühl, dass mindestens eine Sache nicht so laufen würde, wie wir es geplant hatten. Mein sechster Sinn ließ grüßen, das versprach ja sehr toll zu werden. Den anderen drei sagte ich allerdings lieber nichts davon. Vielleicht irrte sich mein Gefühl ja ausnahmsweise mal. Auch wenn ich ehrlich gesagt nicht damit rechnete.
„Ich hab´s geahnt“, seufzte ich, als wir in dem leer geräumten Büro von Mrs Allison standen und ziemlich verwirrt aus der Wäsche guckten. Und der Raum war wirklich komplett leer. Wieso nur hatte ich das geahnt?
„Wie...?“ Anja sah sich ungläubig um, obwohl es nichts zu sehen gab.
„Da scheint ja irgendwer die Nacht hindurch damit beschäftigt gewesen zu sein, den Inhalt des Zimmers irgendwo anders hin zu schaffen“, stellte ich resigniert fest, „Fragt sich nur wohin.“
„Na super, das fängt ja gut an“, murmelte Chronos wenig begeistert.
„Anscheinend müssen wir noch eine Runde Verstecken spielen.“ Train trat in den Raum und musterte den Boden. Soweit ich das aber sah, würden wir so keine Spuren oder Hinweise finden, die uns zu dem neuen Aufenthaltsort der Inneneinrichtung bringen könnten.
„Also seid ihr die, die das gefälschte Fax ins Lehrerzimmer geschickt haben?“, sagte plötzlich eine Stimme und wir drehten uns um. Mehrere Lehrer standen plötzlich rechts und links im Gang und blockierten den Rückweg. So wie es aussah hatte gestern einer der Erwachsenen hier mitbekommen, dass jemand unerlaubt im Büro der Schulleiterin gewesen war. Scheinbar wurden wir noch früher entlarvt, als ich gedacht hatte. Dabei hatte ich eigentlich gehofft, dass es wenigstens etwas länger halten würde. Dumm gelaufen. Da sah man mal wieder, wie viel Glück ich doch hatte. Ich wurde ganz überhäuft davon und wusste gar nicht wohin damit. Dass ich nicht lache, selbst mein Galgenhumor hatte dringend mal eine Überholung nötig.
„Und wenn?“, fragte Train nur kalt.
„Dann werden wir euch leider vorrübergehend gefangen nehmen müssen“, sagte nun Mr Folker und schob sich in die vordere Reihe der Lehrer, „Auch wenn ich nicht erwartet hätte, dass ausgerechnet ihr auf die Idee kommen würdet euch gegen die Akademie zu stellen.“
„Genau genommen haben wir uns ja nicht gegen die Akademie gestellt“, bemerkte ich gelassen und schob Anja rückwärts in das leere Bürozimmer, „Wir haben uns lediglich gegen unsere nette Schulleiterin und die SS gewendet. Denn, Auftragsmörder hin oder her, was die da veranstalten, ist einfach nur grausam und unmenschlich.“
„Und wir würden halt gerne vermeiden, dass noch mehr Schüler in die geheimen Machenschaften der Organisation hineingeraten“, fügte Chronos noch hinzu und zuckte mit den Schultern, während auch er langsam rückwärts in den Raum trat.
„Das könnt ihr dem Weihnachtsmann erzählen“, sagte Mrs Kingston und betrat als erste Lehrerin ebenfalls den Raum, in den wir uns immer weiter zurückzogen, „Ihr seid einfach nur ein paar verzogene Kinder, denen man mal wieder ein paar Manieren beibringen sollte. Wegen eurer hohen Ränge scheint ihr langsam zu vergessen, wem ihr hier untersteht...“
„Und Sie scheinen zu vergessen, dass auch wir Schüler einen Kopf besitzen und mitdenken können“, konterte Anja auf einmal, „Für wie blöd halten Sie uns eigentlich? Wir lassen uns doch nicht einfach alles gefallen...“
„Gut gebrüllt Löwe“, sagte Chronos nun und schwang meine Freundin einfach wie einen Sack Reis über seine Schulter, „Und wir haben noch was vor, also entschuldigen Sie uns jetzt bitte...“
Train und ich hatten uns in der Zwischenzeit heimlich daran gemacht das große Fenster so zu entriegeln, dass wir es jetzt einfach aufstoßen konnten und mit einem Satz nach draußen sprangen.
Außerdem hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, wo sie den Kram der Direktorin hingebracht haben könnten. Denn soweit ich das sah, hatten die Lehrer zwar mit einem Angriff gerechnet, doch sie hatten keine Ahnung, was wir eigentlich planten. Und das war unser Vorteil. Zudem war ich mir ziemlich sicher, dass sie der Einfachheit halber alle Sachen aus dem Büro an einen Ort gebracht hatten, statt alles zu verteilen und der Gefahr unter zu laufen, dass etwas verloren ging oder nicht schnell gefunden werden konnte. Deswegen rechnete ich damit, dass die Lehrer die Einrichtung irgendwohin geschleppt hatten, wo wir nicht mit ihr rechnen würden. Die Sachen in Haus 5 zu lassen und nur auf ein anderes Stockwerk zu bringen, kam mir daher zu einfach vor und die anderen vier Wohnhäuser schieden auch aus, das hätte irgendeiner der Schüler mitbekommen. Ich glaubte auch nicht, dass sie die Möbel einfach in den Wald gestellt hatten, schließlich konnte es immer überraschend regnen und Mrs Allison wäre sicher wenig begeistert, wenn ihre ganzen Akten sich mit Wasser voll saugten. Das im Wald versteckte Labor war zu abwegig, es wäre zwar sicher, aber ich zweifelte daran, dass überhaupt alle Lehrer davon bescheid wussten. Da mir die Turnhalle als Versteck für die Inneneinrichtung eines ganzen Büros auch eher ungeeignet erschien, blieb nur noch ein Platz: das Unterrichtsgebäude. In einem Raum, den die Schüler sicher nicht betreten würden. Und da lag einer besonders nahe, nämlich das geräumige Lehrerzimmer im zweiten Stock.
„Auf zum Schulgebäude“, rief ich nur und lief voran.
„Gleich hinter dir.“ Train legte ebenfalls einen Zahn zu.
„Lass mich runter!“, sagte Anja derweil und hämmerte mit den Fäusten auf Chronos´ Rücken, was der allerdings noch nicht mal zu bemerken schien.
„Immer ruhig, Prinzesschen“, grinste der Halberwachsene nur und lief unbeirrt weiter, „Du wirst deine Beine noch brauchen, also schon sie noch. Außerdem bist du immer noch ein ganzes Stück langsamer als wir drei.“
Anja hielt daraufhin inne und schmollte. Das sah bei ihr richtig süß aus, weswegen ich trotz der dummen Lage schmunzeln musste.
„Außerdem kannst du dich freuen, diesen Service biete ich nicht jedem an“, fügte Chronos noch hinzu und tätschelte Anja brüderlich den Rücken, „Entspann dich ein bisschen, lehn dich zurück und genieß die Show.“
„Die Show da etwa?!“ Anja klang auf einmal leicht bestürzt. „Beeilt euch! Gleich hagelt es Kugeln!“
Ich blickte über meine Schulter. „Das ist noch eine ziemliche Untertreibung, wenn du mich fragst. Train?“
„Jawohl“, sagte mein Partner, der bereits verstanden zu haben schien.
„Du Chronos gehst mit Anja schon mal vor“, sagte ich, „Train und ich werden in der Nähe bleiben, aber wahrscheinlich nicht mehr mithalten, da ja irgendwer den Schild spielen muss.“
„Viel Spaß ihr zwei“, grinste der Idiot und machte damit gleichzeitig eine Anspielung auf die Sache von gestern, die Anja glücklicherweise verpasst hatte.
„Sieh zu dass du Land gewinnst!“, riefen Train und ich daraufhin beide entnervt und richteten unsere Revolver kurz auf Chronos, bevor wir wieder in die andere Richtung blickten, aus der Schüsse zu hören waren. Der Vorteil war, dass meine und Trains Augen bereits so trainiert waren, dass wir die Kugeln aus den Schusswaffen der Lehrer ein Stück weiter hinten noch recht gut sehen und dementsprechend mit unseren Revolvern abblocken konnten. Das einzige Problem war, dass ziemlich viele Geschosse angeflogen kamen und es daher gar nicht so einfach war alle zu blocken.
Aber da unser Chronos ja Gott sei Dank auch kein Anfänger war, konnte er den wenigen Kugeln, die uns entwischten, selber ausweichen. Natürlich wäre es auch einfach gewesen unsere durch die Genmanipulation hervorgerufenen Fähigkeiten zu benutzen, aber das hielt ich für zu riskant, schließlich wollten wir die Lehrer nicht verletzen, wenn es nicht unbedingt sein musste. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob überhaupt jeder Lehrer davon wusste, und es war meiner Meinung nach besser so ein Geheimnis erstmal ein Geheimnis bleiben zu lassen.
Dann fiel mir auf, dass Chronos geradewegs auf zwei Lehrer zu lief, die von den Wohnhäusern der Schüler herüber kamen und uns anscheinend gleich in Empfang nehmen wollten. Erst dachte ich schon, dass Chronos einfach durch sie hindurch laufen wollte, doch dann setzte er Anja auf einmal noch während des Laufens ab.
Ich wusste nicht, wo er sie untergebracht hatte, aber plötzlich hatte er zwei Tonfa in der Hand. Ich hatte diese rund fünfzig Zentimeter langen Schlagstöcke mit Quergriff zum Festhalten schon lange nicht mehr gesehen, zu Letzt im Unterricht mit Julie, aber die Modelle waren aus Holz gewesen und nicht aus Eisen, wie das von Chronos. Der Kerl schien mit den Dingern auch ziemlich gut umgehen zu können, den Griff fest gepackt schützte das Unterarmholz seinen Unterarm und er konnte bequem zum Angriff übergehen. Die zwei Lehrer führten beide lange Messer, die schon fast mehr an kurze Schwerter erinnerten, und wollten den Jungen mit Rang 5 eindeutig ausbremsen.
Nur zu ihrem Pech hatte Chronos keine Lust sich aufhalten zu lassen. Zwei kurze Schläge mit den Tonfa reichten aus die beiden Lehrer erstmal ins Land der Träume zu schicken und uns den Weg freizumachen. Ausnahmsweise mal gute Arbeit, auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, das Chronos so eine Waffe verwendete. Na ja, solange er damit umgehen konnte, war mir das auch ziemlich egal.
Train und ich hatten inzwischen auch aufgeholt und waren immer noch damit beschäftigt die ganzen Geschosse abzuwehren. Über die Hälfte der Lehrer gut zwanzig Meter weiter hinten benutzte anscheinend Schusswaffen, blöd für uns. Anja fand sich aber schon wieder auf Chronos Arm wieder und blickte wenig begeistert drein. Es tat mir auch leid, aber in dem Fall hatte Chronos Recht, wir waren so wesentlich schneller. Also musste sie es leider ertragen von dem Idiot getragen zu werden, während wir das Unterrichtsgebäude endlich erreichten. Praktisch dass wir als Jugendliche wesentlich flotter auf den Beinen waren. Denn während Chronos und Anja schon mal die Treppe hoch liefen, verriegelten Train und ich kurzerhand den Haupteingang, um uns zumindest etwas mehr Zeit zu verschaffen. Dann liefen auch wir hoch in den zweiten Stock des Gebäudes direkt zum Lehrerzimmer.
„Ui, du hattest recht, Kate“, stellte Chronos fest und deutete in den Raum, „Sieht schön zugestellt aus.“
Tatsächlich war der gesamte Inhalt von Mrs Allisons Büro irgendwie ins Lehrerzimmer gequetscht worden. Die großen Kommoden, der Schreibtisch, ein Aktenschrank und sogar die Topfpflanze war hier her gebracht worden. Zusätzlich zu der normalen Einrichtung des Lehrerzimmers wohl gemerkt und von daher war hier auch nicht gerade sehr viel Platz. Man kam kaum an der ersten Kommode vorbei, die beinahe genau vor der Tür stand.
„Gut, ab hier tritt der Plan in Kraft“, sagte ich nur und schob Anja bereits durch die Tür, „Also passt auf, dass ja keiner rein kommt, bevor wir fertig sind.“
Damit schloss ich die Tür und sah mich kurz misstrauisch um, doch anscheinend war keiner außer uns hier. Daraufhin ging ich zu dem Schreibtisch, wo Computer und Bildschirm bereit standen. Zu meinem Glück hatte man beides hier angeschlossen, sodass ich mir nicht erst diese Mühe machen musste.
Während ich den PC startete, begann Anja bereits damit nach der Besitzurkunde zu suchen. Bei dem unerwarteten Chaos in den Schränken hatte sie die wesentlich schwierigere Aufgabe. Da sollte man mal ein oder mehrere bestimmte Papiere finden, sehr lustig. Viel Spaß, das überließ ich ihr.
„Was sollen wir eigentlich machen, wenn wir hier fertig sind?“, fragte Anja, als sie einen Ordner durchblätterte, „Nun werden alle wissen, was wir gemacht haben. Wir werden doch mit Sicherheit eine harte Strafe bekommen, egal ob es funktioniert oder nicht.“
Ich überlegte, bevor ich antwortete. „Bestimmt, aber schlimmer als Hausarrest und jede Menge Nachsitzen sollte es eigentlich nicht werden, immerhin sind wir bis auf Chronos noch minderjährig.“
Da Anja davon auszugehen schien, dass nach dieser Aktion alles normal weiter ging, außer dass die SS nichts mehr mit der Akademie zu tun haben sollte und – auch wenn ich fast das Gefühl bekam, dass sie das Folgende völlig vergessen hatte – diese Schule höchst wahrscheinlich vom MI6 geleitet werden würde, widersprach ich lieber nicht. Sie würde noch früh genug merken, dass das, was wir taten, viel größere Folgen haben würde. Folgen, die sie scheinbar gar nicht wahr haben wollte, ansonsten wäre sie sicher von selbst darauf gekommen.
„Na dann, hoffentlich wird das nicht allzu lange sein“, sagte Anja und griff zum nächsten Ordner.
„Mal sehen“, sagte ich nur und rief meinen Virus auf, den ich mit einem Speicherstick sicher auf den Computer gebracht hatte. Damit konnte er sich nach Belieben auf die Dateien stürzen, denn wie ich schon gesehen hatte, gab es davon reichlich. Auch wenn ich vorher noch eine Liste mit allen Schülern der Akademie ausgedruckt hatte. Zudem hatte ich meinem Virus den Zugang zum Netzwerk der Scythe Society geöffnet, es war keine schwere Sache die Verbindung zu finden, Mrs Allison war eindeutig zu sorglos gewesen und hatte keine entsprechenden Sicherungen getroffen. Ich hätte mir sogar die geheimen Dateien auf den Servern der SS von hier aus durchlesen können, aber das würde viel zu lange dauern. Außerdem würde von denen sowieso nicht mehr viel übrig sein, wenn mein Virus erstmal gewütet hatte.
Allerdings brauchte dieser erstmal noch auf diesem Computer eine Weile, da er schon hier reichlich zu schlucken hatte. Bis er fertig war und durch den Zugang auch zu den anderen, über das Netzwerk verbundenen Servern wanderte, musste ich noch abwarten. In der Zwischenzeit half ich Anja beim Suchen nach der Besitzurkunde, deren Original theoretisch gesehen auch hier irgendwo in diesen Schränken vergraben sein musste. Da war nur mal wieder die berühmte Preisfrage, wo die liebe Schulleiterin sie versteckt hatte.
„Beeilt euch, wir bekommen Gesellschaft“, erklang plötzlich Trains Stimme von der anderen Seite der Tür.
Anja und ich sahen uns daraufhin an und suchten nun noch hektischer nach dem Dokument. Die möglicherweise im PC gespeicherten Kopien dürften mittlerweile erledigt sein, aber das Original mussten wir natürlich auch noch vernichten. Wieso nur war die Zeit eigentlich immer gegen uns? Das ging mir langsam wirklich auf die Nerven.
Und als hätten wir nicht schon genügend Probleme, war plötzlich ein lautes Krachen zu hören und zwei Lehrer stolperten durch eine Tür an der anderen Wand, die ich wegen des großen Schranks übersehen hatte. So ein Pech auch. Beide hatten Pistolen in der Hand und zögerten auch nicht sie auf uns zu richten und zu feuern. Da merkte man mal wieder den Unterschied, die Polizei hätte jetzt gedroht und Killer wie wir schossen einfach ohne Vorwarnung. Ich warf mich zu Boden und riss die überraschte Anja dabei gleich mit. Die Landung war zwar nicht sehr sanft, aber es war besser als durchlöchert zu werden.
„Was ist denn jetzt los?“, fragte Anja und kroch vor den großen Schrank, den man zum Glück auch gut als Schild nutzen konnte, während die beiden Lehrer hinter einer großen Kommode Stellung bezogen hatten, da ich nicht lange gezögert und das Feuer erwidert hatte.
„Es geht gerade noch mehr schief als ich geahnt habe“, antwortete ich trocken und bewegte mich mit wenigen Schritten vor den Schreibtisch mit dem PC darunter. Ein kurzer Blick auf den Bildschirm verriet mir, dass mein Virus so gut wie fertig war. Wenigstens eine gute Sache. Mit einer kurzen Handbewegung gab ich Anja ein Zeichen, dass sie weiter nach der Besitzurkunde suchen sollte, während ich die beiden Lehrer beschäftigte.
Zu allem Überfluss hörte ich durch die Tür einigen Radau im Gang, was klar verriet, dass Train und Chronos auch gut zu tun hatten. Ich hätte mich meiner zwei Probleme da hinter der Kommode auch ganz schnell entledigen können, aber ich hielt immer noch nicht viel von unnötigen Morden.
„Legt die Waffen nieder und hört auf Widerstand zu leisten!“, rief einer der beiden Lehrer nun und zielte direkt auf meinen Kopf.
Statt zur Seite zu gehen, blieb ich einfach da stehen, wo ich war, und sah dem Mann direkt in die Augen. „Glauben Sie ernsthaft, dass wir uns so einfach ergeben? Nur weil Sie das sagen? Dass ich nicht lache, Sie scheinen uns ja gewaltig zu unterschätzen.“
Ich wusste nur zu gut, dass mein Gesichtsausdruck gerade ziemlich furchteinflößend aussehen musste. Auf die Weise hatte ich schon manche Nervensägen in die Flucht geschlagen, aber die beiden Lehrer waren hartnäckig. Auch wenn ich sehen konnte, dass sie ziemlich mit sich rangen. Außerdem sollte ihr natürlicher Überlebensinstinkt ihnen bereits sagen, dass sie jemanden vor sich hatten, mit dem sie es nicht aufnehmen konnten. So wie ich damals mit Karin. Ich konnte ihre Angst schon fast spüren.
„Ich hab sie!“, rief Anja plötzlich und kam sofort auf mich zu gelaufen. Dummerweise nur erschreckten sich die beiden Lehrer deswegen und schossen versehentlich auf meine Freundin. Diese war viel zu überrascht, um entsprechend zu handeln. Sie war wirklich ein Dummkopf, absolut ungeeignet für den Job als Auftragsmörderin. Sie war einfach nur ein viel zu ehrliches Mädchen, eine der wenigen jungen Frauen mit wirklich reinem Herzen.
„Anja!“
Der große Aktenschrank geriet heftig ins Schwanken, als ich mit Karacho dagegen stieß und mir dabei den Kopf anschlug. Das tat verdammt weh, aber es war mir gelungen mit einem Hechtsprung Anja zu packen und mit mir zu reißen. Die Schüsse gingen daneben und Anja sah mich ziemlich überrascht an.
„Sei gefälligst vorsichtiger“, sagte ich nur erleichtert und sah mir den Zettel an, den Anja in der Hand gehabt hatte. Es war tatsächlich die Besitzurkunde, daran bestand kein Zweifel. „Aber gut gemacht“, fügte ich noch hinzu.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Anja besorgt, „Das tut mir wirklich leid...“
„Schon gut, aber denk das nächste Mal bitte daran, dass mir dein Leben immer noch wichtiger ist als so ein blödes Stück Papier.“ Ich lächelte leicht und holte ein kleines Feuerzeug aus meiner Tasche. Die Urkunde verkokelte schnell, als ich sie an einer der unteren Ecken anzündete und dann dabei zusah, wie sie verbrannte.
Anja war bei meinen Worten mal wieder leicht rot geworden und sah nun gespannt zu, wie wir unser Ziel erreichten. In dem Moment gab der PC einen Laut von sich und ich grinste. Die letzten Reste der Besitzurkunde ließ ich einfach zu Boden fallen und dort weiter brennen, während ich wieder aufstand und auf den Computer zuging. Mein Virus war hier fertig und hatte nun seine Reise über die Server der SS angetreten. Dabei konnte ich ihn getrost alleine lassen und den Stick wieder mitnehmen, nicht dass sich noch wer anders meine kleine Errungenschaft zu Nutze machte.
„Achtung!“
Ich drehte mich ruckartig um, das kam von vor der Fronttür. Im nächsten Moment wurde diese aufgestoßen und Walker tauchte mit einigen anderen Lehrern im Eingang auf. Der durchgeknallte Lehrer sah mich nur ungläubig an, während seine Kollegen bereits versuchten sich an der Einrichtung vorbeizuschieben. Glücklicherweise schien es unter diesen Lehrern hier keine zu geben, die Pistolen führten. Ich sah nur duzende Messer unterschiedlicher Länge und Schwerter aufblitzen und natürlich auch den Dreizack von Walker.
„Was jetzt?“ Anja hatte dieses Mal schneller reagiert und war mir vor eines der Fenster auf der anderen Seite des Raumes gefolgt. Die Frage war leider berechtigt, denn die Pauker hatten uns geschickt eingekreist und kamen langsam immer näher.
„Ergebt euch“, sagte Walker auf einmal, „Ihr...“
„Wir haben durchaus eine Chance“, widersprach ich, bevor er seinen Satz überhaupt beenden konnte, und sah ihm in die purpurnen Augen, „Gerade Sie sollten das wissen, auch wenn Sie ein perverser Dummkopf sind.“
Walker zog unwillkürlich eine Augenbraue hoch. „Pervers?“
„Tse, bei Ihnen ist wirklich alles verloren“, stellte ich leicht resigniert fest und stieß das Fenster auf.
„Wir sind im zweiten Stock!“, warf Anja entgeistert ein.
„Na und?“ Ich sah meine Freundin nur schief an.
„Bleibt stehen! Ihr werdet euch noch was brechen!“, rief plötzlich Mrs Lane, die sich zwischen ihren Kollegen hindurch schob.
„Tut mir leid, aber die Zeit, in der ich auf Sie höre, ist vorbei“, sagte ich und schnappte mir dabei Anja, „Aber trotzdem danke für Ihre Hilfe.“
Anja schrie laut, als ich einfach mit ihr aus dem Fenster sprang. Da sie die Landung wahrscheinlich nicht so einfach abfedern können würde, musste ich die Gute noch während wir fielen auf den Arm nehmen. Die anschließende Landung war zwar etwas ungelenk und ich plumpste letztlich auf meinen Hintern, aber wir waren heil. Dabei hatte ich vorher noch nie noch jemanden mit heil runter bringen müssen. Ich war stolz auf meine Leistung.
„Mach das ja nicht nochmal“, forderte Anja, die gerade wohl den Schreck ihres Lebens bekommen hatte, so wie sie sich noch immer an mich klammerte.
Ich musste grinsen. „Tja, so was musste ich früher ziemlich oft machen, weißt du?“
Sie sah mich mit großen Augen an, bis ihr etwas einzufallen schien. „Was ist jetzt eigentlich mit Train und Chronos?“
Kurz dachte ich nach, dann zuckte ich mit den Schultern. „Die werden da schon irgendwie raus kommen, so wie ich sie kenne.“
„Oje...“ Anjas Lächeln war ein wenig schief, während sie vorsichtig Aufstand und mir auf die Füße half.
Als ich nach oben blickte, sah ich einige der Lehrer oben im zweiten Stock durch das Fenster blicken und uns verdattert ansehen. War es so außergewöhnlich, dass jemand einfach aus dem zweiten Stock sprang und anschließend ganz normal stehen konnte? Ich runzelte die Stirn.
„Na ja, ich denke wir sollten dann mal verschwinden“, sagte ich und wandte mich zum Gehen.
Anja hatte ebenfalls nach oben gesehen und kam nun schnell hinter mir her. Zwei Schüsse gingen noch neben uns ins Gras, aber ich hatte schon gemerkt, dass die beiden Schützen nicht versuchten uns zu töten. Daher ging ich einfach weiter und Anja war zum Glück so schlau mir trotz der scheinbaren Gefahr zu folgen.
„Ein kleiner Tipp“, sagte ich zu meiner Freundin, als wir um das Unterrichtsgebäude liefen, „Sei in Zukunft nicht mehr so unsicher. Du brauchst ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, wenn du in der heutigen Welt überleben willst. Und selbst wenn du mal einen Fehler machst, jeder Mensch macht Fehler, es steht dir zu. Also lass dir nicht immer alles gefallen und werde etwas selbstbewusster.“
Anja sah mich nur leicht verwirrt an.
Dann bogen wir um die letzte Ecke und kamen wieder auf den Hauptweg, direkt vor dem Eingang zum Gebäude. Jedoch blieben Anja und ich beide wie angewurzelt stehen und auch die Frau keine zehn Meter entfernt wirkte ziemlich überrascht. Mrs Allison schien sogar ziemlich entsetzt zu sein. Das kam jetzt wirklich überraschend. Doch noch bevor Anja und ich reagieren konnten, tat es die Schulleiterin. Sie zog kurzerhand eine silberne Pistole und richtete sie auf uns, besser gesagt auf mich.
„Also seid ihr diejenigen, die dieses falsche Fax geschickt haben“, stellte die Direktorin nüchtern fest. Die Überraschung war aus ihrem Gesicht verschwunden.
Irgendwie kam mir die ganze Sache ein wenig ironisch vor, weshalb ich zu meinem eigenen Erstaunen lächelte. „Wie haben Sie denn herausgefunden, dass das Fax gefälscht war?“
Nun lächelte auch Mrs Allison. „Ich schicke keine Faxe mit solch überraschenden Planungen, ich pflege das immer vorher mit den Tutoren abzusprechen.“
„Hmm, blöd gelaufen“, seufzte ich, „Hätte ja klappen können.“
„Außerdem ist mir aufgefallen, dass eines meiner Dokumente gefehlt hat“, bemerkte die Schulleiterin, „Du wolltest wohl unbedingt meine Unterschrift haben.“
„Tja, auch wenn die ganze Aktion ja anscheinend umsonst gewesen war“, stellte ich freudlos fest. Leider machte mein sechster Sinn langsam auf sich aufmerksam und ich befürchtete, dass es hier bald hoch her gehen würde. Zwar hatte ich ohnehin damit gerechnet, trotzdem gefiel es mir nicht sonderlich.
„Was wolltest du eigentlich damit erreichen?“, fragte Mrs Allison, die Pistole hatte sie immer noch auf meinen Kopf gerichtet, „Da euer Plan ja gründlich schief gelaufen ist, kannst du es mir gerne verraten. Vielleicht wird die Strafe dann nicht ganz so hoch.“
„Davon halte ich nicht viel.“ Ich hatte mich absichtlich so hingestellt, dass ich zwischen Anja und der Direktorin stand. „Außerdem haben Sie uns jetzt zwar, aber der Plan ist längst ausgeführt.“
Nun schien die Schulleiterin für einen kurzen Moment verwirrt, bevor sie uns wieder herablassend ansah. „Bluffen hilft euch auch nicht.“
„Glauben Sie wirklich, dass wir bluffen?“ Ich grinste und griff unauffällig unter meinen Mantel. „Silver Rose lässt grüßen, so was haben wir nicht nötig.“
Damit gab ich einen blitzschnellen Schuss mit Rye ab, der Mrs Allison wie beabsichtigt an der Hand traf, in sie die Pistole hielt, und packte Anja am Arm. Mit wenigen Schritten waren wir im Unterrichtsgebäude und hetzten den Gang entlang. Zum Glück war das Gebäude ziemlich verwinkelt, sodass wir ausreichend Hacken schlagen konnten, bis ich schließlich bremste. Aus den oberen Stockwerken drangen leise Kampfgeräusche, scheinbar waren Train und Chronos gut zu Gange.
Anja keuchte. „Oh Mann, das war ja ganz schön heftig.“
Ich sagte ihr lieber nicht, dass es da noch viel schlimmere Situationen gab. „Na ja, es ist zwar so ziemlich alles schief gelaufen, was wir ausgeheckt haben, aber die Aktion war trotzdem ein Erfolg. Das wird die liebe Mrs Allison noch früh genug merken.“
Meine Freundin lächelte zufrieden. „Das ist doch was.“
Kurz lächelte ich noch leicht, dann seufzte ich lautlos und öffnete die Tür zu einem dunklen Raum ohne Fenster. Ich bedeutete Anja vorzugehen und diese tat es ohne zu zögern, auch wenn sie etwas irritiert wirkte. Als sie an mir vorbei ging, schob ich dir ohne dass sie es merkte einen Briefumschlag und einige zusammengefaltete Zettel, die Liste mit allen angemeldeten Schülern, in die Tasche ihres Blazers.
„Nur werden wir jetzt nicht mehr um einen Kampf gegen den Rest der Spezialeinheit herumkommen“, sagte ich mit betretener Stimme, „Das wird ein Kampf auf Leben und Tod werden. Keiner wird sich einmischen oder etwas ausrichten können, der nicht zu der Spezialeinheit gehört. Im Gegenteil, jeder, der in der Nähe ist, wird in höchster Gefahr schweben.“
Anja drehte sich um und sah mich an. Ihrem bestürzten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wusste sie bereits, was ich sagen wollte.
„Hier trennen sich unsere Wege“, sagte ich mit schwerem Herzen, „In deiner Tasche ist eine Liste mit allen hier angemeldeten Schülern. Gib sie und den Brief bitte Mr Iron, er wird wissen, was er damit machen soll. Und ich hoffe, dass du mir das irgendwann verzeihen kannst, aber du bist einfach keine Killerin. Ich kann dich nicht mehr länger mitnehmen, ohne dich in Gefahr zu bringen. Auf Wiedersehen...“
Ich zog die Tür hinter mir zu und verriegelte sie von außen. Kurz brachte ich noch eine kleine Vorrichtung daran an, die dafür sorgen würde, dass Anja spätestens gegen Abend wieder raus konnte. Es tat mir in der Seele weh, gerade als ich ihre verzweifelten Rufe hörte, sie mit mir zu nehmen, aber ich wollte immer noch nicht, dass sie in diese Welt aus Morden und Intrigen geriet. Ich wollte, dass sie einfach ein normales Mädchen wurde, das auf der richtigen Seite des Gesetzes stand. Auch wenn es mir schwer fiel, meiner Freundin den Rücken zuzudrehen und wieder den Gang runter zu gehen. Sie war immerhin seit langem meine beste, weibliche Freundin gewesen. Eine kleine, einzelne Träne rollte über meine Wange und fiel zu Boden.