Kurzgeschichte
Sie.

0
"Sie."
Veröffentlicht am 03. November 2011, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Sie.

    Die klobige bronzene Tischlampe auf dem massiven dunkelbraunen Schreibtisch schien nicht mehr die Leistung zu bringen, wie vorher, denn das matte Licht tauchte den Raum in eine Dämmerwirkung. Als stünden zwei Welten offen – das Leben, das Licht und der Tod, der Schatten, der sich in jeder noch so kleinen Ecke wand. Zwar gab es genug Bücherregale, die hunderte von Büchern bereit hielten (und auch lesbar waren), doch Erik hatte nur Interesse an seiner eigenen Geschichte. Er hielt nicht viel von neuer Technik – er schrieb per Hand, mit Feder und Tinte. Er hatte noch Zeit.
    Die DIN-A5 großen Zettel, auf die er seinen Leidensweg beschrieb waren größer, als er ursprünglich gedacht hatte. Er hatte sich Gedanken gemacht, ob die Geschichte auf fünf dieser Zettel passt, doch nun schien er schon mit zwei auszukommen. Unheimlich kompliziert war diese  nämlich nicht, ganz im Gegenteil, sie war verflucht nochmal eindeutig: Sie war an allem Schuld.
    Sie. Es verbreitete sich von Zeile zu Zeile, er konnte nicht aufhören Sie zu beschuldigen. Das ließ sein Gewissen nicht leichter werden, doch es gab ihm die ungewöhnliche Genugtuung, noch einmal in die Wunde gestochen zu haben. Er stand auf und ließ die Feder auf die laminierte Schreibunterlage fallen, die gar nicht zu dem im Jugendstil gehaltenen Raum passte. Zeitungsartikel waren darin eingeschlossen, an manchen Ecken wölbte sich die Zwischenebene, in die er die Fetzen reinschob, auf – zu viele Dinge gab es, die er falsch gemacht hatte.
    Er kam mit einem großen Weinglas wieder, ín der anderen Hand die Bordeauxflasche. Er liebte es Weine zu zelebrieren, doch diesmal hatte er dafür keine Zeit. Zeit zum schreiben bleibt ihm dennoch. Schon zu oft hatte er sich wegen den Sachen besoffen, zu denen Sie ihn veranlasst hatte. Nach einem kleinen Schluck machte er sich wieder an die Arbeit. Er war sich sicher, diesmal auf den Alkohol soweit es geht zu verzichten, denn es gab nichts mehr zu verdrängen. Geschrieben – schwarz auf weiß – konnte es die Welt bestaunen und verachten, doch wenn das geschehen würde, wäre er bereits weg.
    Nicht verdammt sein, es mitzuerleben – das war sein primäres Ziel. Deshalb schrieb er weiter und erlöste seine Gedanken, indem er letztendlich doch alles eingestand. Er vergaß trotzdem nicht, dass Sie es in Schuld war. Dessen war er sich sicher, auch wenn man über Tote nicht schlecht reden soll. Verwundert, dass seine Lebensgeschichte nur zwei DIN-A5 Seiten betrug, stand er auf und schob den gefälschten Picasso zur Seite. Die zwei Seiten legte er in den Safe dahinter und verschloss alles wieder.
    Ein letztes Mal prüfte er, ob die Wege für seine Erlösung auch richtig verliefen und brachte den thailändischen Picasso wieder an. Nun musste er nur noch warten – warten bis er die Reifen auf dem Kies seiner Auffahrt hörte. Sie würden nicht anklopfen.
    
    Lange dauerte es nicht und das Geräusch erklangt. Er hörte zwei Mal hin, zu oft spielte er diese Szene im Kopf durch und musste sich vergewissern, ob es keine Illusion war. Spätestens als die Tür aufbrach und er die Worte „Ich will die Hände sehen!“ hörte, war er sich sicher, dass es das Richtige war es zu tun. In wenigen Sekunden sollten sie die sperrlich eingerichtete Küche durchquert haben und bei ihm angekommen sein.
    Er drückte auf den Schalter, der unter seinem Schreibtisch befestigt war. Nun war es nicht mehr zu verhindern, doch nun war er in der Lage alles zu vergessen, was er wegen Ihr tat. Die Tür seines Arbeitszimmers stand offen, als die Polizisten hereinkamen und ihn des Mordes an sieben Hausfrauen beschuldigten. Amy Owens, Rebecca Twith, Julie Denison, Margret Seether, Lucie Smith, Tara Robinson, Irene Huston. Die Namen prägten sich in sein Gedächtnis ein, denn bisher waren sie nur Bilder - keine Personen.
    Sie führten ihn ab. Ein Erfolg der Justiz. Doch bevor sie auch nur das Haus verließen, hatte er sich von seiner Schuld befreit, indem er sich und alle anderen Polizisten hochjagte. Die Explosionswelle schleuderte ihn und die zwei Polizisten, die ihn begleiteten gegen eine Wand – er landete im Spiegel und war sofort tot. So erging es letztendlich auch den zehn Polizisten, die im Haus nach Beweisen suchten. Nicht nur das tat er, um frei zu werden, denn der Safe landete fast intakt auf der Auffahrt – darin sein Geständnis, indem die letzte Zeile folgendermaßen lautete: „Ich entschuldige mich zudem dafür, ihr Team durch eine Bombe getötet zu haben, um mir Selbsthilfe zu leisten, wie auch immer sie heißen. Damit schließe ich ab.“

http://www.mscdn.de/ms/karten/v_539936.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_539937.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_539938.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_539939.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_539940.png
0

Hörbuch

Über den Autor

Mythologia

Leser-Statistik
49

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Jasmin99 Hübsche Geschichte^^

Der Text ist ziemlich gut geschrieben, auch der Schlusssatz. Allerdings irrotiert es bischen waarum Sie schuld war, das hab ich nicht ganz gekappt...
Sonst ganz gut :D

LG JAsmin
Vor langer Zeit - Antworten
GerLINDE Hallo Mythologia,
eine interessante Geschichte hast Du geschrieben.
Alles Liebe und Gute
GerLinde K-F
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
2
0
Senden

61771
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung