Kurzgeschichte
Die Rasur

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"Die Rasur"
Veröffentlicht am 02. November 2011, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Rainer Güllich, Jahrgang 1954, lebt in Marburg/Hessen. Als begeisterter Leser schon ewig von dem Wunsch getrieben selbst zu schreiben, nahm er an einem Kurzkrimiwettbewerb teil, der im Rahmen des 1. Marburger Krimifestivals stattfand. Er kam auf einen der vorderen Plätze und sein Kurzkrimi ?Hass? wurde in der regionalen Presse veröffentlicht. Dadurch motiviert belegte er seinen ersten Schreibkurs in kreativem Schreiben. Weitere schlossen sich an ...
Die Rasur

Die Rasur

Beschreibung

Diese kleine Geschichte ist meine dritte Aufgabe im Belletristik-Kurs der %u201ESchule des Schreibens%u201C gewesen. Vorgegeben war die Figur Norbert Feddersen, der ein durch und durch ereignisloses Leben führt. Die Aufgabe war nun ein Ereignis, einen Konflikt in dieses Leben eindringen zu lassen, was es durcheinanderbringt. Mir ist die folgende Geschichte eingefallen.

Die Rasur

Diese kleine Geschichte ist meine dritte Aufgabe im Belletristik-Kurs der „Schule des Schreibens“ gewesen. Vorgegeben war die Figur Norbert Feddersen, der ein durch und durch ereignisloses Leben führt. Die Aufgabe war nun ein Ereignis, einen Konflikt in dieses Leben eindringen zu lassen, was es durcheinanderbringt. Mir ist die folgende Geschichte eingefallen.

 

 

Die Rasur

 

Norbert Feddersen hörte im Halbschlaf den Wecker. Er richtete sich im Bett auf, schaltete den Wecker ab und setzte sich auf die Bettkante. Ein neuer Tag mit klaren Vorgaben stand ihm bevor. Er würde ins Büro gehen, seine Arbeit erledigen, nach Hause fahren, fernsehen und dann wieder zu Bett gehen. Manch anderer würde sagen „Oh, wie langweilig“, doch Norbert Feddersen liebte dieses  strukturierte Leben. Er konnte sich nichts anderes vorstellen.

Er ging ins Bad, um sich für den Tag fertigzumachen. Beim Rasieren schnitt er sich tief in die linke Wange. Das war ihm noch nie passiert! Er gab doch immer so Acht bei seiner Nassrasur. Es war zwar nur ein kleines Malheur, doch spürte er deutlich, wie seine gute Stimmung einen kleinen Dämpfer bekam.

Er riss sich von der Toilettenpapierrolle ein Stückchen Papier ab und drückte es auf die kleine Schnittwunde seiner Wange. Sein Vater, auch ein Nassrasierer, hatte früher die Blutungen von Rasierschnittwunden so gestoppt.

Er zog seine abends schon bereitgelegte Kleidung an, setzte sich an den Frühstückstisch, um seinen Toast zu essen und seinen Kaffee zu trinken. Seine Wunde fiel ihm plötzlich wieder ein. Er befühlte die Stelle, das Blut war trocken. Er riss das Stückchen Toilettenpapier ab. Prompt floss das Blut wieder.

„Mist“, dachte er, „ich brauche unbedingt ein Pflaster!“

Er suchte in seiner Hausapotheke nach Pflaster, fand  aber nur eine Werbepackung aus der Apotheke. Dummerweise waren diese Verbandmittel mit lustigen Motiven für Kinder versehen. Es gab Totenköpfe, Maulwürfe, Katzen und Bienen. Er entschied sich für die Totenköpfe.

Mit diesem Pflaster versehen begab er sich aus dem Haus und zu seiner Bushaltestelle. Zwei ältere Damen, die mit ihm auf den Bus warteten, lachten ihm zu und grüßten ihn freundlich. Leichte Röte überzog sein Gesicht. So etwas kannte er nicht. Sein Heftpflaster hatte Norbert Feddersen vergessen.

 

Als er in den Bus stieg und Willy Otremba, den Fahrer begrüßte, lachte der ihn an und fragte: „Na, einen schweren Morgen gehabt?“

Norbert blickte Otremba verständnislos an, sagte: „Nein, alles, wie immer“, und suchte sich einen freien Sitzplatz. Er wusste nicht, was er mit Otremba hätte reden sollen, obwohl er ihn schon lange als Fahrer des Busses kannte. Er  beherrschte  keinen Small Talk. Hatte Angst Unsinn zu reden.

 

Als er in der Firma am Pförtner vorbeikam, schaute der ihn kurz an, grinste und meinte: „Ja, genau der richtige Tag, um endlich eine Gehaltserhöhung zu fordern.“

Norbert schüttelte nur den Kopf, er hatte keine Ahnung, was der Mann meinte.

Als er dann an seinem Arbeitsplatz war und seine Kollegin Marion, die er heimlich verehrte, auftauchte, ihn anlächelte und ansprach, verstand er die Welt nicht mehr.

„Na, du verwegener Mann … hättest du nicht Lust mit mir mal einen Kaffee trinken zu gehen. Hätten wir schon längst mal machen sollen. Wie wär’s mit morgen?“

„Äh …, gerne, ja, morgen …“

„Schön.“ Dann war sie wieder verschwunden.

Seine Gefühle gingen auf und ab, den  ganzen Tag konnte er sich kaum auf seine Arbeit konzentrieren.

 

Als er abends nach Hause kam, war er nicht in der Lage, so wie sonst fernzusehen, sondern blätterte in einem Versandkatalog, um nach neuer Kleidung für sich zu schauen. Er brauchte unbedingt ein neues Outfit. Mit den Sachen, die er trug, konnte er mit Marion nicht ausgehen. Es wurde Zeit einiges in seinem Leben zu ändern. Er wunderte sich über seine Gedanken und sich selbst. Es war ein merkwürdiger Tag gewesen. Sonst wurde er von den meisten Leuten ignoriert, doch heute hatte er ihre Aufmerksamkeit gewonnen. War angenehm gewesen. Vielleicht sollte er sich doch mal ein Herz nehmen und auch auf andere Menschen zugehen und sich nicht immer so passiv verhalten.

 

Vor dem Badezimmerspiegel sah er dann, was die veränderten positiven Reaktionen seiner Mitmenschen auf ihn erklärte: Das Heftpflaster mit dem Totenkopf prangte noch immer an seiner

Wange. Er lächelte seinem Spiegelbild zu, um dann im Bett seinen wohlverdienten Schlaf zu finden.

 

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Hörbuch

Über den Autor

Epilog
Rainer Güllich, Jahrgang 1954, lebt in Marburg/Hessen. Als begeisterter Leser schon ewig von dem Wunsch getrieben selbst zu schreiben, nahm er an einem Kurzkrimiwettbewerb teil, der im Rahmen des 1. Marburger Krimifestivals stattfand. Er kam auf einen der vorderen Plätze und sein Kurzkrimi ?Hass? wurde in der regionalen Presse veröffentlicht. Dadurch motiviert belegte er seinen ersten Schreibkurs in kreativem Schreiben. Weitere schlossen sich an und als Folge davon erschienen in kurzer Zeit seine beiden ersten Krimianthologien. Der Kriminalroman ?Unter Druck - Ein Marburg Krimi? folgte.

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