Der Seelenjäger
Seit langer Zeit beobachtete der Dämon Bael sein zukünftiges Opfer. Er studierte dessen Gewohnheiten und Vorlieben auf das Genaueste, denn dessen Seele schien dem Seelenjäger besonders wertvoll zu sein. Der Auserwählte, Marc war sein Name, ein trunksüchtiger Einzelgänger, schien wie geschaffen dessen Geist für den Gehörnten zu stehlen. Wie einfach wäre es doch diesen nutzlosen Gesellen schlicht im Schlaf zu überwältigen, und dessen Seele aus dem Körper zu schälen. Doch diese, für das Opfer, äußerst qualvolle Prozedur wurde nur in Einzelfällen gestattet. So wurde es Bael auch diesmal nicht erlaubt das Opfer zu berühren oder es gar durch den Anblick, des Dämons wahrer Gestalt, zu töten um die begehrte Trophäe zu erlangen. Allein die Manipulation des Hirns blieb dem Jäger als Werkzeug um diesen Mann in den Suizid zu treiben oder durch ein Versagen des Herzens, mittels Visionen, die Seele vom Körper zu trennen. Im Augenblick, der Trennung des Geistes von der fleischlichen Hülle, würde der Höllendiener seine Krallen in diese Seele schlagen, um sie in die Hölle zu zerren, wie er es seit Jahrhunderten tat.
Visionen waren schon immer die favorisierte Methode des Seelenjägers gewesen. So setzte er auch diesmal darauf.
Bael kannte Marc, und dessen Eigenarten, nun gut genug. Er liebte zum Beispiel diesen kleinen, zotteligen Hund, der ihm auf Schritt und Tritt folgte. Einst waren es zwei Hunde gewesen. Den verstorbenen, hatte Marc in seinem Garten begraben. Bael war bei dieser törichten Prozedur anwesend und leckte dem Trauernden die Tränen von den Wangen.
In einer Ecke des Zimmers kauernd beobachtete der Verfolger das Opfer wie er, auf der Couch sitzend, das Fell des geliebten Hundes kraulte und dabei einnickte. Diesen willkommenen Augenblick nutze Bael prompt als Manipulation.
Als Marc die Augen öffnete sah er seine Finger auf einem gewaltigen, haarigen Abdomen, einer überdimensional, großen Spinne, die dessen Leib liebkosten. Schlagartig riss er seine Hand zurück. Die Spinne reckte die vorderen Beine, als Drohgebärde, in die Höhe und fixierte Marc mit ihren acht, schwarzen, gefühllosen Augen. Atemlos starrte er auf das ihm gebotene Bild. Instinktiv sprang er hektisch vom Sofa auf und ergriff die Flucht. Er vernahm das tapsende Geräusch ihrer Glieder, auf dem Holzboden hinter sich, während er durch das Wohnzimmer flüchtete. Marc stürzte in das Badezimmer, am Ende des Korridors, und schlug die Tür hinter sich zu. Aus dem Inneren des Bades vernahm er, nach einiger Zeit, ein vertrautes Kratzen an der Tür gefolgt von einem ebenfalls altgewohnten, herzerweichenden Jaulen, wie er es einst von seinem Hund kannte. Seinem verstorbenen Hund. Nein, das konnte und durfte nicht sein! Ein fauliger, ekelerregender Geruch strömte in den Raum, Das Schaben an der Tür wurde zunehmend heftiger.
Marc nahm all seinen Mut zusammen, öffnete dir Tür einen Spalt breit, und sah seinen toten, winselnden Hund vor der Tür stehen. Was er einst als seinen treuen Gefährten kannte, zeigte sich nun als ein faulig stinkender, von Maden übersäter Kadaver. Das Teilweise, mit Fell überdeckte Skelett des Hundes stand lediglich auf den Vorderbeinen. Die Hüfte mit samt Beinen lag verdreht am Boden. Dieses Ding schleifte sein Hinterteil über den Grund und hinterließ dabei eine Spur nasser Erde auf den weißen Fliesen. Der Hund blickte Marc aus leeren Augenhöhlen, aus denen Maden krochen, an und ließ dabei dieses altbekannte, zum spielen auffordernde, winseln ertönen, welches Ihn wie ein Stich ins Herz traf und ihn weinend auf die Knie sinken ließ.
Bael beobachtete dies mit Genuss. Doch offenbar reichte es nicht aus, um das Herz des Opfers versagen zu lassen. Der Dämon erinnerte sich an ein Mädchen, das Marc hin und wieder besucht hatte, und an den Schmerz und die Trauer die ihn erfüllte, als sie durch einen Verkehrsunfall starb. Die Arme war in ihrem Auto eingeschlossen worden, als sich der Wagen mehrmals überschlagen hatte, und verbrannte. Bael war bei ihr, als sie verzweifelt gegen die Scheiben schlug und Marc’s Namen rief, während sie vor Schmerz wimmerte.
Schließlich verstummte das Winseln und Kratzen. Marc erhob sich gerade vom Boden, als es an der Tür Klopfte. Ein beißender Brandgeruch erfüllte den Raum.
Ein Geruch verbrannten Fleisches. Abermals klopfte es und schließlich senkte sich die Türklinke träge herab. Vor ihm stand nun das Mädchen welches er einst geliebt hatte. Das Skelett war teilweise mit verbrannten, verwesenden Fleischfetzten und Resten des Leichenhemdes bedeckt. Die Tote streckte die Arme aus um ihn zu umarmen. Stücke faulen Fleisches fielen dabei platschend zu Boden und offenbarten einen ekelerregenden Gestank, der Marc würgend zurückweichen ließ. Er verspürte einen heftigen Schmerz in der Brust als die Leiche mit gestreckten Armen, wankend, auf ihn zu schlurfte. Das Letzte, das Marc hörte, war wie seine einst geliebte Freundin seinen Namen flüsterte.
Der Seelenjäger war zur Stelle, als sich die Seele von Marc’s Leichnam trennte. Freudig schlug er seine Klauen in deren Substanz und riss sie an sich, um seine Trophäe dem Gehörnten zu präsentieren. Wie er es immer tat. Seit Jahrhunderten.