Verfolgt
„K, kommst du bitte mal in die Küche?“ Oh nein. Wenn Mum den Ton in Kombination mit meinem Spitznamen anschlägt, kann das nur Eins heißen: Peinliches Eltern Gespräch ist nicht zu vermeiden. Keine Ahnung ob das bei allen anderen auch so ist, aber meine Eltern haben die Angewohnheit eine Art Familien-Kriegs-Sitzung abzuhalten, indem sie alle Probleme besprechen, die meistens mich angehen (bzw. die sie sich in ihren noch schlimmeren Eltern-machen-sich-unnötige-Sorgen-um-ihre-Tochter-Verschwörungen ausdenken). Ich seuftze, schalte meine Anlage aus, die gerade einen Song spielt, bei dem ich doch zu gern laut mitgegrölt hätte und mache mich auf den Weg die Treppe runter. Vorbei an einer ganzen Galerie von Kinder- und Familienfotos, die alle in unterschiedlichen, nicht zusammen passenden Rahmen und teilweise schief an der Wand hängen. Mehrere Schulfotos von mir, zusammen mit semptlichen Verwandten, im Urlaub mit meiner damaligen besten Freundin Sara (Wieso damalig? Nun ja, ihr Vater bekam eine bessere Arbeit weiter weg, der Kontakt brach ab…und so weiter). Meine Eltern sitzen schon auf den Barhockern im Esszimmer. Meine Mum hat ein Fable für außergewöhnliche Dekoration und Einrichtung – zum Leidenswesen meines Dads – und braucht immer wieder eine Renovierung im Haus, das letzte Mal bestand sie darauf, dass normale Stühle zu langweilig wären und Barhocker sie immer an diverse Discoabende in ihrer Jugend erinnern würden. Manchmal würde ich sie gerne mal so sehen, mit Schlaghosen und Hippie Look - oder was darmals In war – zu irgendeinem Abba Song abrockend. Doch im Moment will ich eigentlich nur, dass sie aufhört mich so anzusehen. Mit dem typischen Blick, der bedeutet, dass sie sich Sorgen um mich macht. Obwohl das eigentlich gar nicht nötig wäre, schließlich sind meine Noten gut, ich rauche nicht, kiffe nicht, saufe nicht. Gehe nicht auf dämliche Partys oder habe seltsame Freunde. Was zum Teufel stimmt denn jetzt schon wieder nicht?
„Dad und ich wollten mal mit dir reden“, beginnt sie zögernd.
„Wir sind der Meinung, dass du zu viel in deinem Zimmer sitzt.“ Dad sieht mich anklagend an, was nur bedeuten kann, dass Mum ihn davon abhält sich schnellstens wieder vor den Fernseher oder in seine Büro zu verdrücken – zusammen mit einem Stück von ihrem geradeso fertigen Kuchens.
„Naja, draußen gibt es hald keine Steckdosen für meinen Laptop und wenn ich mich mit einem Buch in den Garten setze, kommt wieder Mrs. Winter rüber“, antworte ich ausweichend. Ja, ich weiß dass ich mehr raus gehen sollte, aber in meinen vier Wänden fühle ich mich einfach besser. Und Mrs Winter ist unsere nervende Nachbarin, die mir nur zu gerne einen ihrer Vorträge hält, die mindestens eine halbe Stunde dauern und meistens davon handeln, wie schwer ihre Kindheit war, von ihren Katzen, die angeblich auf ein Klo für Menschen gehen, miauen wenn jemand die Spülung drücken soll oder grüne, blaue und rote Punkte haben (zusätzlich versichert sie mir immer dass sie diese nicht angemalt hat) und zum Schluss vergleicht sie sich selbst jedesmal wieder mit Mutter Theresa.
„Aber du könntest mehr unter Leute gehen. Es ist schon ewig her, dass du eine Freundin mitgebracht hast“, fährt Mum mit ihrem Vortrag fort. Na toll, was soll ich jetzt sagen? Dass alle meine Freunde Angst vor meinen Nachbarn haben? Dass nie jemand Zeit hat? Nein, ich entscheide mich einfach für die Wahrheit: „Da gibt es das kleine Problem, dass ich keine Freunde habe!“ Ich weiß, dass sie das schockt, aber ich kann ihr ja wohl kaum alles erzählen, sie wird es eh nicht verstehen. Es ist ja nicht so, dass ich ein Streber bin oder dass mich einfach keiner mag. Ich versuche einfach nicht, mit jemandem zu reden oder sowas. Mich kotzen die Leute an meiner Schule einfach an. Sie meinen sie sind die coolsten, wenn sie sich zusaufen und Drogen nehmen. Es geht immer nur darum, dass du mit den angesagtesten Leuten befreundet bist. Und ich will einfach keiner von denen sein. Ich höre nicht die übliche Chart-Musik, ich trage nicht die Bitchigsten-Klamotten und ich spachtle mir auch nicht das Gesicht mit Chemikalien voll. Versteht mich nicht falsch, ich habe im Prinzip nichts dagegen, aber man kann es auch übertreiben. Meine Eltern verstehen das natürlich nicht, sie glauben wir sind alle noch 5 Jahre alt, basteln zusammen und tauschen Bundstifte.
„Hör auf, du weißt ganz genau dass das nicht wahr ist. Was ist denn mit diesem netten Mädchen, das letzes Jahr mal hier war?“ sagt Mum entsetzt.
„Wir mussten nur ein Referat zusammen machen. Mum, ich will nicht mit diesen Leuten befreundet sein. Das einzigste was ich von ihnen will, ist sie zu ignorieren! Oder willst du dass ich anfange zu rauchen und deine Designerjacke stinkt, oder die neuen Vorhänge?“ So kann man meine Mutter immer bestechen. Man sagt ihr,was vielleicht schlimmes passieren könnte und sei es der Angriff von Teletubbies vom Mars.
Wir streiten noch ein bisschen hin und her, aber letzenendes siegt ihre Angst, ich könnte mit den falschen Leuten zusammenkommen und total abstürzen. Zum Glück werde ich also doch auf ewig allein bleiben. Ich liebe Sarkasmus.
Die Prozeduren am nächsten Tag in der Highschool vergehen genauso wie immer. Die beliebten Leute stehen in der Pause mit einer Horde von Freunden und Fans, die sich manchmal gar nicht richtig auseinander halten lassen, zusammen. Die Unbeliebten verkrümeln sich in irgendeine Ecke. Und dann sind da noch die, für die sich niemand interessiert, die Anderen. Es kommt nur selten vor, dass jemand in mich hineinläuft oder mit mir redet.Trotzdem kann man nicht gerade sagen, dass ich mich ausgeschlossen fühle. Oder dass ich unglücklich bin. Auch wenn es manchmal ein bisschen einsam ist. Keiner disst mich, macht mich runter oder nervt mich. Ich muss weder so tun, als würde ich den neusten Trend ebenfalls toll finden, noch mit Personen reden, die ich eigentlich nicht ausstehen kann. Ich sehe oft den anderen dabei zu, wie sie versuchen cool zu seien und es damit ziemlich viel zu weit treiben. Hin und da rutscht auch mir ein unangebrachter Kommentar gegenüber anderen Leuten raus, aber wenigstens denke ich nicht stundenlang darüber nach, wie ich am besten auffallen könnte. Wenn man einen Fehler macht, ist er nur schwer wieder auszubügeln. Denn irgendjemand von früher wird es sicher noch wissen. Hätte irgendjemanden es gekümmert, wäre es ihm sicher aufgefallen, dass ich jeden Tag zu Fuß nach Hause gehe, weil ich nur ein paar Blocks weiter wohne. Weiter die Straße gerade aus. Ich greife in die Tasche meiner Lederjacke um wie üblich meinen iPod rauszuholen und die Musik so aufzudrehen, dass ich über eine Straße gehen kann und dabei die nicht allzu netten Flüche der Fahrer und das Gehupe deren Autos überhöre. Zu meinem Entsetzen muss ich jedoch feststellen, dass die Tasche leer ist. Habe ich das Teil etwa verloren? Das wäre vermutlich das schlimmste was mir passieren könnte. Ich breche schon halb in Panik aus, als mir wieder einfällt, dass ich heute Morgen kurz bevor ich losgegangen bin, eine Diskussion mit meiner Mutter hatte und dabei den iPod auf der Anrichte in der Küche liegen lassen habe. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass am Vormittag nicht meine Technik-feindliche Tante Ellen zu Besuch bei uns zu Hause gewesen ist, meine Mutter ihn in größter Eile in eine Schublade gestopft und damit unauffindbar aufgeräumt hatte, wie es schon einem Headset ergangen ist. Jedenfalls musste ich heute wohl oder übel den Straßenlärm und die Gespräche unzähliger Leute ertragen, die sich in verschiedenen Cafee’s, Boutiquen oder McDonalds artigen Fast-Food-Restaurants abwechselnd darüber beschwerten, dass es ihnen zu heiß, Klamotten zu teuer, Cafee zu kalt, Tische zu dreckig oder Ventilatoren zu windig sind. Um dem allem zu entkommen, nehme ich ohne groß nachzudenken eine Abkürzung durch eine gedrungene dunkle Straße, vor der ich mich früher immer gefürchtet hatte. Vor allem, wenn es im Winter so schnell dunkel wurde, die Straßenlaternen dennoch noch nicht an waren und man den glitzernden Schnee nur schwer von gefährlichem Glatteis unterscheiden konnte. Ich erinnere mich daran, wie ich mir jedes Mal in Gedanken vorgestellt hatte, in den meist übervollen Mülltonnen könnten Ratten herumwühlen, hinter jeder Ecke Schatten gesehen und bei dem leisesten Geräusch zusammengezuckt und aus der Gasse gelaufen war. Bei Tageslicht wirkt das Ganze nicht einmal annähernd so furchteinflößend. Oder vielleicht liegt es auch daran, dass man im Lauf der Jahre einfach mutiger wird. Zu dieser Zeit wäre ich aber nicht weniger erschrocken, als jetzt, da plötzlich im selben Moment wie ich ein Junge um die Ecke biegt - nach meiner Schätzung ist er nur ein paar Jahre älter als ich, also so achtzehn oder neunzehn. Er schaut mich überrascht an, wonach er mich offenbar auch nicht hat kommen sehen und ich überlege kurz ob ich etwas sagen soll, lasse es dann aber weil ich sowieso nicht wüsste, was. Ich denke nur daran wie peinlich mir das wäre, wenn es sich um einen Schulflur und jemand beliebten handeln würde, der mich jetzt aus unverschämt blauen Augen so direkt ansieht. Geh weiter. Hau ab und vergiss dass du mich gesehen hast, flehe ich ihn automatisch an, obwohl er es natürlich nicht hören kann. Denk nicht mehr daran dass du in mich reingelaufen bist und geh einfach dahin wo du hinwolltest. Aber er tut es nicht. Jetzt liegt unübertroffenen Überraschung in seinem Blick, als hätte ich ihm erklärt, heute wäre Weihnachten und er solle doch den Engel auf der Spitze meines Weihnachtsbaumes darstellen. Dabei ist es ziemlich warm und man könnte wahrscheinlich im Umkreis von zweihundert Kilometern keinen Baum kaufen, der dafür groß genug wäre.
„Wie jetzt, du gehörst auch zu den FIA?“ fragt der Typ mit unverhohlener Neugier in der Stimme und mustert mich dabei eingehend. Jetzt ist es an mir, verwirrt zu sein.
„Wer zum Teufel sind die FIA?“ will ich wissen und frage mich, ob das eine Schul-AG ist oder vielleicht eine Schauspiel-Gruppe.
Dann fällt mir wieder ein, was Dad mir erzählt hat als er letztes Jahr Formel 1 geschaut hat. Die (extrem französische) Fédération Internationale de l’Automobile (kurz FIA) ist der internationale Dachverband des Automobils bzw. der Autofahrer mit Sitz in Paris. Sogar der Satz ist aus Wikipedia kopiert. Trotzdem glaube ich nicht, dass dieser Typ mich für irgendein extrem wichtiges Mitglied von sonem Auto-zeug hält.
„Ach komm, du musst doch wissen, wer das ist. Die Gemeinschaft FIA. Die Anderen hald.“ Damit hat er es gleichzeitig geschafft, dass ich ihn für gestört halte und mir vollkommen unwissend vorkomme. Na super. Und ich dachte mit den vielen Büchern in meinen Regalen mitunter Harry Potter und Twilight, wüsste ich genug über Geheimgesellschafften und solche Chaos-verbreitenden Fantasywesen und –welten wissen, wobei die Hauptpersonen es immer schaffen, dass sie sich zwischen mehreren Typen zu entscheiden haben, nebenbei noch die Schule gut bestehen während ein überdimensional großer Krieg herrscht, den sie so einfach mal mit dem kleinen Zeh gewinnen. Anscheinend hatte ich mich da doch tatsächlich getäuscht. Vermutlich war die FIA irgendeine Fangemeinschaft von einem neuen Buch, das bald verfilmt werden würde, und in dem es hauptsächlich um übernatürliche Wesen geht, die sich gegenseitig auf sehr überraschende Art und Weise nicht mögen, daraus einen Krieg machen, zwischendrin noch mit irgendwem rumknutschen und zum Schluss dann total Happy End ist. Vielleicht sollte ich demnächst doch mal wieder in eine Buchhandlung gehen. Aber ehrlich gesagt kann ich mir nicht ganz erklären, wie um Himmels Willen er mich mit diesem Quatsch in Verbindung bringt.
„Und ich muss ihnen zu meinem größten Bedauern mitteilen, dass ich nicht zwangsläufig gewillt bin mich mit wildfremden Typen über neuartige-kreischende-Mädels-nur-so-anziehende-und-sehr-komisch-benannte-ziemlich-lächerliche-total-geheime-Geheimsekten-für-irrationale-Spinner zu unterhalten. Guten Tag“, sage ich, hoffe, dass ihm das Antwort genug war und mache mich an dem scheinbar verdatterten Typen vorbei auf, um endlich nach Hause zu kommen. Dabei grinse ich heimlich in mich hinein, denn ich könnte wetten, dass ihm bei meinem Aufsatz fast die Kinnlade runter geklappt wäre. Zudem muss ich wirklich stolz auf mich sein, dass ich offenbar doch im Unterricht aufgepasst habe, als wir diese alten Redewendungen durchgenommen haben. Plötzlich kommt mir der Tag um einiges schöner vor und ich hüpfe schon fast durch den kleinen Park in Richtung Nummer Vier, das gelbe kleine Haus mit den weißen Fensterrahmen, dem großen Garten und dem überquellenden Briefkasten. Vielleicht könnte ich meiner Mum auch mal beim Aufräumen helfen, wer weiß, was da alles zum Vorschein kommen würde. Gleichzeitig denke ich an Dad’s Ringelsocken, das erste Geschenk, dass er von meiner Mum je bekommen hat, damals als sie Kinder waren, in dem Jahr, indem er ins Haus neben ihres eingezogen war. An die Murmeln, die unsere Nachbarin mir vor 12 Jahren weggenommen hatte mit den Worten an meine Mutter, dass so etwas größte Erstickungsgefahr bedeuten konnte. Den Reisepass, den ich früher einmal für ein Kuscheltier gemacht hatte, das glaube ich eine Giraffe gewesen ist, für die ich nie den passenden Namen gefunden hatte.
Es ist ja gar nicht so, dass meine Mutter wirklich total unordentlich und chaotisch ist – im Gegensatz zu mir – aber trotzdem schafft sie es immer wieder, Sachen dahin zu verräumen, wo man sie niemals suchen würde. Zum Glück liegt mein iPod noch da, wo ich ihn vergessen habe, ist noch nicht mal runtergefallen, was eigentlich ein Wunder ist, wenn man Mums Art durch das Haus zu rasen kennt. „Hast du vielleicht Lust heute in die Stadt zu fahren?“ schlägt Mum vor und eigentlich dürfte ihr die Antwort schon klar sein. Ich würde keine Gelegenheit auslassen, in einen Buchladen oder die städtische Bücherei zu kommen, in der ich seit sieben Jahren Stammgast bin. Die Autofahrt dauert nur knapp zehn Minuten und Mum und ich machen uns sofort auf in Richtung der Ecke, inder sich unsere meistbesuchtesten Geschäfte befinden.
„Kennst du den Jungen da hinter uns?“ will sie wissen.
„Wen meinst du?“
„Nicht so offensichtlich hinschauen“, meint Mum, „Der mit den dunklen Haaren.“
„Mum, da gibt’s viele mit dunklen Haaren. Meinst du den Japaner? Oder den Gangstertyp dahinten?“
„Nein, der mit der schwarzen Jacke.“
„Verdammt!“ Nicht schon wieder der. Bis gerade eben hatte ich die Erinnerung an den Typen aus dieser komischen Sekte erfolgreich verdrängt. Eigentlich ist es sogar komisch, dass ich ihn überhaupt wiedererkannt habe. Normalerweise würde sich nämlich mein Gehirn nicht die Mühe machen, sich bei so kurzen Begegnungen Gesichter von Leuten genauer zu merken und überlässt das meinem Kurzzeitgedächtnis, das, wie der Name ja eben schon sagt, sich das dann auch nur ganz kurz merkt.
„Wieso, kennst du ihn tatsächlich?“ Überrascht und neugierig zugleich sieht sie mich mit ihrem Komm-schon-erzähl’s-mir-Blick an.
„Eigentlich nicht, ich habe ihn mit jemanden verwechselt“, weiche ich aus und weiß genau, das sie mir nicht glauben wird. Trotzdem merke ich an der Art und Weise wie sie ihre hellbraunen Haare aus dem Gesicht streift, dass sie darauf brennt diese Geschichte zu hören. Generell sehen meine Mum und ich uns nicht besonders ähnlich. Meine Haare haben den Farbton einer höchst seltsamen Mischung aus rotbraun und dunkelbraun, wobei ich graublaue Augen habe und ein paar Zentimeter größer bin als meine Mutter – und ein bisschen kleiner als mein Dad. Im Buchgeschäft trennen sich unsere Wege. Sie geht hinüber zu den Kochbüchern, was mich an das Buch erinnert, das sie bei der Autofahrt erwähnt hat. Insgeheim hoffe ich jedoch, dass sie es nicht findet, denn keiner in der Familie ist besonders scharf auf Mum’s Experimente. Und wenn ich von Experimenten rede, dann meine ich auch nicht einfach nur neue Rezepte. Es kann schon mal vorkommen, dass wir das Abendessen dem Mülleimer überlassen müssen und uns lieber an den Pizzalieferanten wenden.
Währenddessen Mum sich also nach irgendeinem Buch erkundigt, das hoffentlich die gesamten Kochkünste verbessert und in dem keine neuartigen kambodschanischen (oder was das beim letzten Mal war) Gerichte als sehr einfach und für sowohl Kochanfänger als auch Fortgeschrittene geeignet beschreibt, begebe ich mich in den hinteren und viel zu kleinen Teil des Ladens, der Fantasy- und Science-Fiction-Bücher beinhaltet. Leider ist die Bevölkerung im Moment wohl nicht sehr kreativ, denn ich kann absolut nichts entdecken, was mein Interesse geweckt hätte, was, wenn man meine normalen Buchladenverlassensgewohnheiten kennt, schon irgendwie komisch ist. Schließlich kostet es mich sonst alle Mühe, ohne sämtliche Neuerscheinungen (meist in gebundener Ausgabe, ich mag Taschenbücher nicht besonders gerne) auf einem Arm gestapelt, sorgsam darauf bedacht nichts fallen zu lassen und schon wieder in Gedanken daran wohin ich welches Buch stellen könnte, ob meine Regale wiedermal voll sein werden, und was ich als erstes lese, aus der Tür zu wanken. Alles ist zwar voll mit neuen Büchern, doch der momentanige Trend treibt mich lansam aber sicher in den Wahnsinn, denn letztenendes sind es immer dieselben Themen. Vampire, Hexen, mysteriöse andere Wesen, Vampire, Werwölfe, nochmal Vampire, nicht allzu beliebte Parodien und noch die eine oder andere Nachmachung, zum Beispiel eine Buchreihe die zum Teil aus Herr der Ringe und zum anderen aus irgendwelchen Der-Auserwählte-hat-eine-große-Verantwortung-zu-tragen-Gedöns besteht. Leicht resigniert schaue ich zur Abteilung mit den Romanen hinüber – obwohl ich wenig Hoffnung habe, könnte es ja sein, dass jemandem etwas eingefallen ist, das ich nicht als zu melodramatisch abharken würde. Jedoch sehe ich dabei aus dem Augenwinkel jemanden, der mich von dem Gedanken abhält, möglicherweise demnächst eine zutiefst kitschige Liebesgeschichte zu lesen. Möglichst unauffällig schlendere ich zu ihm hinüber in die Ecke mit den Radgebern und tue so, als würde mich irgendetwas auf dem Tisch brennend interessieren.
„Habe ich nicht deutlich gemacht, dass mich euer dämlicher Fanclub nicht im Geringsten neugierig macht?“ zische ich zu ihm hinüber und bin mir zuerst nicht ganz sicher, ob er es gehört hat. Dann bemerke ich aber, dass er lacht.
„Du kannst es sooft abstreiten wie du willst, aber ich kann dir versichern, dass er dich mehr angeht als ein Buch über Kartoffeldiäten, das anscheinend sehr deine Aufmerkamkeit erregt.“ Fast schon angeekelt schleudere ich das Ding auf den Tisch zurück. Theoretisch müsste ich jetzt rot wie eine Tomate werden, aber statdessen sehe ich diesen Typen direkt wutentbrannt in die Augen. Woher zum Teufel weiß er, dass ich Kartoffeln hasse?
„Und, ist es wirklich so schwierig das Alphabet zu lernen?“ spucke ich ihm förmlich ins Gesicht und genieße das Gefühl, das sich in mir breit macht, während er scheinbar erstmals den Umschlag dessen anschaut, was er in der Hand hält. Nämlich das ABC lernen mit Spaß für Kinder von 5 bis 8 Jahre. Doch als er wieder aufschaut, vermutlich um etwas Sarkastisches zu erwiedern, gehe ich schon auf den Ausgang zu. Anscheinend war ihm mein Abgang bei unserem ersten Treffen noch nicht genug. Der jetztige sollte es doch aber gewesen sein, oder?
Gerade bin ich draußen, da weiß ich, dass er noch nicht aufgegeben hat.
„Okay, dieses Mal hast du gewonnen. Aber wir sehen uns doch wieder, nicht wahr, K?“