Kurzgeschichte
Wiederkehr

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"Wiederkehr"
Veröffentlicht am 23. Oktober 2011, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.
Wiederkehr

Wiederkehr

Einleitung

Frage mich, wie ich auf dieses Thema komme, aber vielleicht war es Bürgers "Lenore", die mich darauf brachte. Wieder mal düster, obwohl draußen die Sonne wie verstrahlt vom Himmel knallt, Happy Halloween, oder so. Titelbild: www.pixelio.de/©Axel Hoffmann/PIXELIO

Was in ewiger Erde verschwindet sollte dort auch bleiben, das ist meine Auffassung, Ihre nicht? Wenn man einen Körper Mutter Gaya übergibt, dann soll er in ihrem Schoße ruhen, keinen Mucks mehr von sich geben, sich nie wieder erheben, die Lebenden nicht mehr schrecken. Nun kennen Sie meine Sicht der Sachlage, also dürfte es Sie auch nicht mehr verwundern, wie sehr mich die folgenden Ereignisse schreckten.

Die Hand des Ewigen streckt sich nach jeder Seele aus, wenn ihre Zeit gekommen ist, doch unser Ermessen der richtigen Zeit ist subjektiv, nicht immer empfinden wir dabei Gerechtigkeit, doch wann tut unser Geschlecht dies schon, wenn wir nicht einmal Recht vollkommen anerkennen können? So traf die Grippe meine zarte Elena, das Weib, welches ich zutiefst liebte und begehrte. Der Winter war ein harter Geselle gewesen und doch hatte ich inständig gehofft, wir würden ihn unbeschadet überstehen, doch kurz bevor er seine grimmige Hand von unseren Ländereien nahm warf er das geliebte Wesen auf das Krankenbett.

Ich mobilisierte Himmel und Hölle, sorgte mich Tag und Nacht, war krank vor Sorge, wenn ich aus dem Haus musste um zu arbeiten und erst wieder beruhigt, wenn ich ihre Engelsaugen am Abend wieder sehen durfte. Doch alle Künste der Medizin und alle Fürsorge reichten nicht aus, denn der Mensch kann nicht abwenden, was einmal von höherer Hand beschlossen worden. So schloss Elena eines nachts für immer ihre wunderschönen Augen, selbst der Tod konnte ihrer übernatürlichen Erscheinung, der Zartheit in Gestalt, nichts anhaben.

Wie eine wertvolle Porzellanpuppe betteten wir sie in einen weich ausgekleideten Sarg, als müssten wir sich als höchst zerbrechliches Gut über eine weite Strecke transportieren.

Der Pfarrer fand rührende Worte, nur ich stand an ihrem Grab, ihre Eltern waren letztes Jahr bei einer großen Hungersnot verstorben und meine Anverwandten wohnten zu weit weg, als dass die beschwerliche Reise hätte gelohnt.

Man kann sich vorstellen in welcher geistigen Verfassung ich mich befand. Die Liebe meines Lebens ward mir genommen, im Sommer wollten wir heiraten, ich wäre bald befördert worden, wir wünschten uns Kinder, alles zerbrochen. Die schöne Zukunft verblendet durch ihren Tod, alles nur noch Schatten, keine Chance auf zurück.

Da unsere Verfassung einem jeden das Recht auf eine Schusswaffe zusichert kaufte ich mir kurz darauf eine solche, ich, der eigentlich als strenger Pazifist den Besitz solchen Gerätes ablehnt. Doch niemand anderen wollte ich schießen, ich selbst sollte das Ziel sein. Was ist der Mensch, der kein Ziel mehr hat? Was nützt alles arbeiten, alles aufreiben, wenn man es für niemanden mehr tut als für sich selbst? Es mag Zeitgenossen geben, die kein höheres Gut sehen, doch ich, der diese himmlische Liebe Elenas hatte genießen dürfen, der sah darin keinen Sinn mehr. Ich schritt allerdings nicht zur letzten Tat, da ich Angst hatte, Angst vor der Bestrafung. Ich glaube nicht wirklich an Gott, meine Eltern, besonders mein Vater, waren Atheisten der feinsten Sorte. Doch meine Geliebte hatte mir wieder eine kleine Tür zum Glauben aufgeschlossen, denn ihrer war so rein und aufrichtig, jeder, der ihre Worte darüber gehört hätte, wäre konvertiert, sie sprach tiefere Wahrheit als jeder studierte Pfaffe auf der Kanzel. Und deshalb hatte ich Angst, die Angst war in einer anderen Welt zu enden als Elena, als Selbstmörder, der ich wäre. Und die Ewigkeit ohne die alles geliebte Person zu verbringen schreckte mich mehr, als es den Rest meines Lebens zu müssen.

So verbrachte ich die nächsten Tage mit düsterem Grübeln, Freude wollte mir nicht mehr in den Geist, selbst meine Arbeit lenkte mich nicht davon ab. Doch das war nichts im Vergleich zu dem, was ich dann erlebte.

Es waren so vielleicht 2 Wochen vergangen, seitdem wir Elena unter die Erde gebracht hatten. Da klopfte es nachts an meine Türe. Eine weiße Gestalt stand davor, das Gesicht unter einem dünnen Schleier verborgen. „Ich bin eine ruhelose Wanderin, bitte gewährt mir Einlass.“ Die Stimme kam mir seltsam bekannt vor, doch ich tat es als Sinnestäuschung ab und ließ sie eintreten. Schwebend überquerte sie meine Schwelle, kein Mucks war beim gehen zu vernehmen. Ich bot ihr einen Stuhl am Tisch sowie Speis und Trank, doch sie verneinte die Nahrungsaufnahme. „Wer ist die Frau, deren Bild da an der Wand hängt?“, fragte die Fremde. Ich rang mit den Tränen. „Dies ist das Bild einer Frau, die ich mehr liebte als alles andere auf unserer Erde, es ist das Bild meiner kürzlich verstorbenen Elena, kein Tag vergeht, an dem ich nicht an sie denken muss. Verzeihen Sie, dass ich Narr Ihnen dies eröffne, aber der Schmerz ist noch zu frisch, ich bin immer noch schwer getroffen von dieser Pein.“

Nun kam Bewegung in die Sitzende Gestalt. Sie schien über das unbekannte Schicksal gerührt zu sein, oder waren es meine Worte? Dann ergriff sie beherzt den Schleier und schlug ihn zurück. Mich traf der Schlag! Mir gegenüber saß eine Frau, die exakt die gleichen Züge wie Elena hatte, alles war gleich, selbst die Engelsaugen und das weiße Gewand, in welches wir den Leichnam eingewickelt hatten, erschrocken taumelte ich in eine Ecke des Zimmers, der Ohnmacht nahe.

„Was schreckt dich, Liebster?“, fragte die Frau traurig. „Wie könnt Ihr mich Liebster schimpfen? Was verhöhnt Ihr mein gebrochen Herz?!“, spie ich aus. Da erhob sie sich und kam langsam auf mich zu, ich war gefangen, konnte nicht aus der Ecke fliehen. „Du hast mich nicht vergessen, liebst mich immer noch, das hast du selbst gesagt, Heinrich.“ „Aber…woher kennt Ihr meinen Namen?!“ „Ich trage ihn in meinem Herzen, ich bin es, deine Elena!“ Sie umarmte mich, kaltes Grausen erfasste mich. „Wie kann das sein? Du bist tot! Was bist du? Etwa ein Vampir?!“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich bin wiedergekehrt, weil die Ewigkeit ohne dich keinen Sinn hat. Ich will nicht warten, bis du irgendwann folgst, ich will, dass du jetzt kommst, dass wir uns in unsterblicher Liebe vereinigen.“

Diese Worte erfüllten mich zwar auch mit Freude, doch gleichzeitig mit viel größerem Schrecken. „Was verlangst du da von mir?“ „Nicht mehr, als dass du mir folgst in mein Grab.“ Langsam stieg Unverständnis und Wut in mir auf. „Wie soll ich das denn anstellen?! Elena, ich lebe! Soll ich mich bei lebendigem Leibe begraben?! Ist es das, was du willst?!“ Erschrocken wandte sie sich von mir ab und weinte in ihren Schleier hinein. „Du musst nur vor mein Grab treten und dir die Vereinigung wünschen, dann entschwindet die Seele von selbst dem irdischen Gefängnis. Doch du musst es mit allen Sinnen, von tiefstem Herzen wollen.“ Nachdem sie diese Worte gesprochen hatte schrie in der Ferne ein Hahn. „Ich muss gehen, doch morgen komm ich wieder und frage, wie du dich entschieden hast.“

Sie küsste mich, der Liebesbeweis brannte wie kaltes Feuer auf meinen Lippen, danach entschwand sie durch die Tür.

Ich frage Sie, was hätte ich tun sollen? Einerseits war meine Liebe zutiefst aufrichtig ihr gegenüber, ja, in Ewigkeit vereint, schon jetzt, wollte ich das nicht schon durch meinen Selbstmord? Die Gelegenheit war günstig, aber war ich bereit zu scheiden? Eine verirrte Stimme in mir bejahte dies, ohne sie hätte ich nicht gezögert.

So kam Elena auch, wie versprochen, in der kommenden Nacht, bange erwartete ich sie. „Was ist dir, Liebster? Hast du dich entschieden?“ Sie streckte mir die zarte Hand entgegen. „Ich würde gerne, aber da ist etwas, ein Zweifler, der nicht groß ist, doch er zwingt mich zu bleiben.“ „Dann lass ihn verstummen! Vergiss den Zweifel, er ist nicht mächtig, lass hinter dir, was dich an diese grausame Welt bindet“, sprach sie flehend. Ich saß eine ganze Weile stumm. „Nein, ich kann einfach nicht“, gestand ich unter Tränen, „so sehr ich will, der Zweifel will nicht weichen!“ „Dann eben nicht diese Nacht, aber eine andere. Heinrich, ich werde jede Nacht deinen Standpunkt befragen.“ Mein Herz verengte sich, das Atmen wurde schwer. „Was bürdest du mir auf? Die ständige Frage schnürt mich ein, sie wird nicht helfen, sie wird mich noch tieferen Zweifeln aussetzen. Willst du mir nicht die Zeit lassen, Geliebte?“ „Aber jeder Tag ohne dich ist eine unendliche Qual für mich!“ „Und für mich ebenso, so lass sie uns gemeinsam tragen, bis wir glücklich vereint sind.“ Doch Elena schüttelte stur den Kopf. „Nein! Ich will mich nicht länger verzehren! Entscheide dich in den kommenden 3 Tagen, oder du wirst nach deinem Tode vergebens auf meine offenen Arme warten!“

Grausames, grausames liebendes Wesen! Was tust du mir nach deinem Tode elendes an!

Ich wusste, in den 3 kommenden Tagen würde ich den Zweifel nicht Herr werden. Also musste ich anders verfahren, den Geist loswerden. Konnte Liebe mit Gewalt blühen – nein! So ging ich am folgenden Tag zu Elenas Grab, grub den Sarg aus, öffnete ihn und blickte in das friedliche Gesicht der Geliebten. Fast hätte ich an diesem Punkt nicht mehr die Kraft für das Folgende gefunden. Doch ich nahm dann doch allen Mut zusammen und schlug mit einer scharfen Axt ihren Kopf vom Körper. Da schlug sie die Augen auf und ein grässlicher Schrei entfuhr den bleichen Lippen, wie der einer Alraune, die man aus der Erde zieht.

Schnell schloss ich den Deckel und vergrub den Sarg wieder. Trotz meiner Hast ging ich sauber zu Werke. Niemand hatte mich beobachtet, niemand erfuhr je davon.

Trotzdem zog ich kurz darauf in eine weit entfernte Gegend um dort wieder einer geregelten Arbeit nachzugehen und in Frieden zu leben. Und auch wenn es mich betrübt, den ewigen Segen von Elenas Liebe verwehrt zu haben, so bin ich doch froh, dass ich nicht mehr von ihrer Gestalt aus dem Grabe heraus gemartert werde.

ENDE MIT ALLEN SCHRECKEN!

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RogerWright
Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.

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RogerWright Re: poe und lovecraft vereint zu neuem Leben -
Zitat: (Original von cbvisions am 25.10.2011 - 02:55 Uhr) zumindest genauso liest sich deine Geschichte. Einfach genial mit einem eigentlich recht überraschendem Ende.

Fantastisch.

GlG Chris


Danke für die netten Worte. Poe verstehe ich noch, Lovecraft, naja, kann ich nicht so zurückgreifen, habe bisher von ihm nichts gelesen, schlimme Bildungslücke...
Schön zu lesen, dass ich mit dem Ende überraschen konnte, aber er musste sich eben entscheiden.
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