Meine Freunde, wie ihr so beim Kaminfeuer zusammensitzt und fröhlich esst und trinkt, empfinde ich in dieser Szene eine tiefe Genugtuung. Draußen wird es kalt, die Blätter fallen von den Bäumen und lassen nackte Skelette zurück, die Sonne will nicht mehr freundlich auf uns scheinen und stiehlt sich immer schneller aus der täglichen Szenerie, dafür regieren nun Dunkelheit, Sturm und Wolken.
Sicherlich werdet ihr das jetzt nicht hören wollen, meine trüben Worte in eure fröhliche Stimmung, doch lasst mich erzählen was mir geschah als ich in eurem Alter war, es war in einer Nacht wie der heutigen. Setzt euch, lauscht, wer es nicht tut, der soll nicht sagen, ich habe ihn nicht gewarnt.
Es war eine jener rauschenden Feste, wie dieses, wir aßen und tranken fröhlich zusammen, als plötzlich eine zerlumpte, bleiche und blutende Gestalt durch die Tür trat. Er nannte uns keinen Namen, nicht seine Herkunft, allerdings schlossen wir aus dem Akzent, dass er aus dem Norden stammen musste. Die Leichengestalt setzte sich an den Tisch, trank einen kräftigen Schluck und erzählte seine Begegnung mit der Kreatur, welche man den Strohmann nennt. Er traf ihn, nicht weit von hier, beim großen Feld, gleich beim Wald, der ins nächste Dorf führt. Er ritt gerade durch jenes düstre Dickicht und erfreute sich der wenigen funkelnden Sterne, die ihm gewahr wurden, als sich düstre Wolken davor schoben und ein wütendes Pfeifen wie aus dem Höllenschlund selbst losbrach. Nur mit Mühe konnte er sich auf dem Pferd halten. Und in diese missliche Lage tritt ihn eine Gestalt in zerlumpter Kleidung, mit einem alten Hut auf dem Kopf, welcher ein Kürbis war und einem diabolischen Grinsen in den Weg. Aus seinen Augen leuchtet das Feuer der Hölle, er dürre Strohleib windet sich im Tosen und ein Dröhnen erhebt sich, der Geselle lacht den armen Teufel aus, so als wisse er, dass seine Zeit auf Erden bereits vorbei sei.
Der Blasse treibt sein Pferd gewaltsam mit der Peitsche an, damit es sich langsam in Bewegung setzt. Doch im Sturm scheinen sie gar nicht von der Stelle zu kommen und der grässliche Geselle immer dicht hinterdrein, als wolle er Mensch und Tier zu Tode hetzen. Immer weiter treibt er beide, rüttelt mit furchtbarer Gewalt am Sattel, will den Reiter abwerfen, will ihn in seine Gewalt bringen und den satanischen Herren opfern. Doch unser wackrer Herr bleibt hart und nutzt jede Kraft, die er hatte um sicher im Dorf anzukommen.
Die diabolische Gestalt ruft die Krähen zu sich, die sich auf die Gepeinigten stürzen und sie zu blenden versuchen, doch mit kräftigen Tritten und Peitschenhieben kann der Mann die düsteren Lemuren abschütteln.
Dann, als er die Brücke über den Weiher erreichte, hatten sich die Vögel verzogen, doch der Strohmann war immer noch hinter ihm. Da nahm er seinen Kopf und schleuderte ihn mit übermenschlicher Gewalt in seine Richtung. Mit knapper Not wich er dem höllisch brennenden Geschoss aus, welches, mit einem Krachen, dass man noch mehrere Kilometer weit vernehmen konnte, welches alle Hunde in Hörweite bellen, Fensterscheiben bersten und Schwangere ungewollte Fehlgeburten erleiden ließ, am Brückenpfeiler zerbarst.
Ihr verlacht mich, glaubt ich hätte mir dies alles ausgedacht? Nein, ich sage euch, solche Geschichten entspringen nicht des Menschen Phantasie, so grässlich kann sie gar nicht sein, so verwirrt können die Sinne nicht sein. Drum sollt ihr hören was danach geschah.
Den Geschundenen und sein dem Tode nahestehendem Pferd ließen wir die größte denkbare Pflege zu Teil werden. Der Brückenpfeiler, an dem die Kürbisfratze zerschellte, wies starke Verbrennungen auf und in den nahegelegenen Häusern waren die Fensterrahmen ohne Scheibe. Und unsere dorfbekannte Lene, die selbst 3 Kinder hat, wurde in jener Nacht geboren, 2 Monate vor der Zeit, ihre selige Mutter hätte die Geschichte bestätigen können, auch unsere Chronik hätte dies tun können, aber neben dem Sichtbaren trat etwas Unsichtbares in unsere Mitte.
Die Gesundheit des Fremden besserte sich langsam, doch eines Nachts, es war der 31. Oktober, da wurde er von einem Fieber erfasst, wie es unsere Ärzte noch nicht gesehen hatten. Immer wieder schrie er, dass wir den Strohmann von seinem Bette holen sollten, doch wir sahen nichts. Und wieder tobte ein fürchterliches Wetter und im Wind hörte man ein grässliches Lachen, ich kann es nicht beschreiben, niemand vermag es, denn es war nicht menschlicher Natur, doch wer es einmal hörte, der wird es nie wieder vergessen. Und dann, um die Mitternachtsstunde, verstarb der Fremde, nachdem er einen letzten, markerschütternden Schrei ausgestoßen hatte. Sein Gesicht war im Tode ewiglich verzerrt, er sah aus, als habe er den Leibhaftigen erblickt.
Doch diesem grässlichen Todeskampf schloss sich ein Feuer in unserem Gemeindehaus an, Es konnte schnell gelöscht werden und keines der wertvollen Bücher wurde beschädigt, bis auf die damals neueste Seite unserer Chronik, welche von jener Ankunft des Unglücklichen erzählte. Auch sein Pferd folgte in jener Nacht dem Ruf des Schnitters.
So bleibt nur die mündliche Erzählung als Zeugnis dieser Mordsgestalt, denn auch die Leiche des Unglücklichen verschwand kurze Zeit später. Ein schwerer Regen weichte den Friedhofshang auf, kein Sarg verschwand, bis auf den Seinen.
Zufälle schimpft ihr dies? Glaubt ihr wirklich, dass es zwischen Himmel und Hölle nicht Dinge existieren, die wir mit unseren Sinnen nicht fassen können, die unser Verstand nicht erklären kann? Wenn ihr nicht glaubt, dann reitet hinaus, in einer jener Nächte, reitet zum Wald, dort, wo er und das Feld stehen. Solltet ihr diesen Test tun, so seid euch der schrecklichen Konsequenzen bewusst, die euer tun hat. Das gebe ich euch mit auf den Weg und nun feiert weiter, aber erinnert euch meiner Worte, wenn ihr noch heute Nacht den irren Gedanken fasst ins nächste Dorf auf diesem Wege zu gelangen.
ENDE MIT SCHRECKEN?