Kurzgeschichte
Schattenseiten des Lebens

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"Schattenseiten des Lebens"
Veröffentlicht am 14. Oktober 2011, 46 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Schattenseiten des Lebens

Schattenseiten des Lebens

Kleiner Amoklauf

Es ist ja nicht so, das ich es unbedingt gewollt hätte. Doch, eigentlich schon. Aber nicht in dem Ausmaß. Das war dann, vielleicht, doch ein wenig übertrieben. Hoffentlich nehmen sie es mir nicht zu krumm. War ja nicht mit Absicht. Und Schuld hat, im Prinzip, nur meine Frau und das Dreckbein. Es war so:

Sie redete nicht mit mir. Keine Ahnung, warum sie es nicht tat. Bei ihr kam es schon oft vor, das sie plötzlich nicht gut auf mich zu sprechen war. Meine Frau ist eben so. Nicht ganz normal. Eigentlich bräuchte sie mal eine Therapie. Aber da ich der einzigste bin, der sie wirklich live erlebt und mir keiner glauben will, wie sie privat ist, und sie es nicht einsehen will, das es besser für sie wäre, muss ich wohl oder übel damit leben. Es ist nicht leicht. Wahrlich nicht. Dazu kommt noch, das da eine gewisse Dame, die ich Dreckbein nenne, ist, die sich langsam zwischen uns drängen und meinen Platz einnehmen wollte. Das passte mir gar nicht. Noch weniger, das sie mehr Zeit mit meiner Gattin und meinen Kindern verbringen durfte, als ich. Ganz aus war es mit mir, als ich sie mit meinen Kindern gesehen hatte. Stolz schob sie den Kinderwagen vor sich her, als wäre es ihrer. Was soll der Scheiß.

Meine Gattin ist nicht die Hellste. Manchmal rätsle ich, ob sie etwas nicht sieht, oder es nicht sehen will. Ist sie dümmer, als ich glaube? Jedenfalls wollte sie mir nicht glauben, das Dreckbein sich langsam zwischen uns schiebt und mich wegdrängt. Aber ohne mich. Jahrelang ließ ich mir von ihr alles gefallen. Immer wieder verzieh ich ihr alles. Unterdrückte meinen Zorn. Soff. Aber jetzt ging es nicht mehr. Diesen Scheiß hatte ich schon einmal mit ihr durch. Nochmal nicht. Nicht mit mir. Den Kreislauf musste ich durchtrennen. Und so begann meine Odyssee.

Die Küche war mein Arbeitszimmer. Stunden verbrachte ich hier und dachte mir neue Rezepte aus. Nicht alles gelang mir. Aber es machte mir dennoch Spaß. Und so lernte ich den Umgang mit scharfen Messern kennen.

Als erstes packte ich mir ein paar kleine Messer ein. Die wollte ich werfen. Dann nahm ich mir zwei große Messer. Falls eines stumpf werden, oder ich es verlieren sollte, hatte ich noch eines in Reserve. So startete ich los.

Mein erstes Opfer war das Dreckbein. Ich lass mir doch nicht meine Familie wegnehmen. Wenn meine Frau so blöd ist, bedeutet es noch lange nicht, das ich auch so bin. Ich kann denken. Okay, in dem Moment weniger. Sonst hätte ich es nicht getan. Aber andererseits, lebe ich jetzt sorgenfrei. Einzelzelle. Mietfrei. Drei Mahlzeiten am Tag. Hofgang. Therapie. Diese Frau wäre was für mich gewesen. Vielleicht hätte es auch zwischen uns geklappt. Aber lernte sie erst dort kennen. Schade.

Zum Glück hatte ich meine extralangen Messer eingesteckt. So viel Fettgewebe, was ich durchstechen musste. Und dann wollte sie partout nicht sterben. Also, ich kann die Frau nicht ab. Erst sich in meine Familie schmuggeln und nun nicht sterben wollen. Die Frau musste mich wahrlich hassen.

Meine Frau stand im Weg. Wollte ihr anscheinend helfen. Kurz gesagt, ich konnte sie nicht leiden sehen. Es tat mir selber weh. Und was hätte es gebracht, sie am Leben zu lassen. Wir wären keine Familie geworden, so, wie ich es immer wollte. Sie hätte sich nie geändert.

Irgendwie hatte es mir gefallen. Ich hatte Spaß daran gefunden, Menschen, die ich nicht leiden konnte, einfach umzubringen. Ob eine Leiche, oder zehn, war ja egal. Ich hatte einmal angefangen, also konnte ich auch gleich weitermachen. Und so kreuzten viele meinen Weg, um zu sterben.

Die Polizei brauchte ziemlich lange, um mich zu schnappen. Waren wohl gerade erst aufgestanden. Oder schon zu müde. Aber am Ende hat es dann doch noch geklappt. Ich ging übrigens freiwillig mit. Mein Soll hatte ich erfüllt. Doch dann fielen mir wieder meine Kinder ein. Die machten bestimmt schon Terror. Schließlich waren sie allein und noch klein. Die Herren Polizisten sorgten umgehens dafür, das meine Kinder in sicherer Obhut gebracht wurden. Ich war beruhigt.

Ich schreibe ihnen oft. Mindestens einmal die Woche. Ab und zu bekomme ich auch Antwort. Mit Bild. Schade, das ich nicht bei ihnen sein kann. Und wie es scheint, komme ich nie hier raus. Zu gefährlich, mich auf die zivilisierte Menschheit loszulassen.

 

Sein bester Freund

„Billy Ray! Hätte nicht gedacht, dass wir uns jemals wiedersehen werden.“, sagte sie, während sie weiter in den Fernseher starrte.

„Ich hatte es dir versprochen. Komm her und gib Daddy, wonach er dürstet.“

„Vergiss es. Seit über vierzig Jahren hast du dich nichts mehr von dir hören lassen und nun soll ich so tun, als wäre nichts gewesen?“

Sie schaltete das Licht an und er konnte erkennen, das seine ehemalige Freundin alt und grau geworden war. Ihr Haar war nur noch spärlich. Nicht mehr so dicht, wie einst, als sie sich das letzte mal gesehen hatten. Der Busen hing schlaff auf ihrem dicken Bauch. Billy Ray konnte nicht glauben, was er da sah. Vierzig Jahre? Waren wirklich vierzig Jahre vergangen? Ihm kam es vor, als wären es nur ein paar Tage gewesen.

„Du hast dich kein wenig verändert. Wo warst du gewesen? Und wie kommst du hier rein?“

„Ich weiß es nicht. Plötzlich war ich hier. - Hast du nichts zum anziehen, oder warum sitzt du nackt auf dem Sofa?“

„Warum sollte ich mir was anziehen, wenn ich es eh wieder ausziehen muss? - Oh, so spät schon. Geh. Ich erwarte Besuch.“

„Was für Besuch?“, fragte er und sah auch schon die Antwort.

Stillschweigend stand er da und musste zusehen, wie seine ehemalige Freundin ihren Körper verkaufte. Viel bekam sie dafür nicht. Es reichte gerade so, um ein bescheidenes Dach über dem Kopf zu haben. Das Haus war schon alt und nicht saniert. Dafür war die Miete niedrig.

„Als du fortgingst, ging auch mein Leben. Jeden Tag habe ich auf dich gewartet. Doch du kamst nicht zurück. Ich fing an zu trinken. Immer mehr. Vernachlässigte meinen Job und verlor ihn. Dein Freund John nahm sich meiner an. Zuerst glaubte ich, das er mir wir wirklich helfen will. Aber als ich merkte, was er wirklich mit mir vorhatte, war es schon zu spät. Bei Wind und Wetter schaffte ich für ihn an. Die Bezahlung war mies. Er war mies. Aber ich war zu schwach, um mich dagegen zu wehren. Warum hast du mich allein gelassen, Billy Ray? Wir wollten heiraten.“

„John. - John. - John. Warum habe ich, bei diesem Namen, ein so merkwürdiges Gefühl? Als hätte er, der mein bester Freund war...“

Plötzlich sah er alles vor sich. Er war auf dem Weg zu ihm, um ihn zu fragen, ob er sein Trauzeuge werden will. Doch John war nicht begeistert davon. Er hielt Billy Ray eine Pistole an den Kopf und hielt ihm einen langen Vortrag.

„...Sie sollte meine Freundin werden. Du hast sie mir weggenommen... Du bist mir schon lange ein Dorn im Auge. Tut mir leid. Du stehst mir im Weg. So lange du noch am Leben bist, ...“

Das war alles, an das er sich erinnern konnte. Und an de Schmerz, als die Kugel seinen Kopf sprengte.

„Es tut mir so leid. Ich hätte auf dich hören sollen, als du mir sagtest, man könne ihm nicht trauen. Du hattest die ganze Zeit recht gehabt. Und ich Idiot wollte dir nicht glauben. Kannst du mir verzeihen?“

„Billy Ray, du kannst nichts dafür. Ich wusste, das man ihm nicht trauen kann. Ich hatte dich gewarnt und dann selbst den Fehler gemacht und ihm vertraut. - Komm her, Billy Ray. Lieb mich ein letztes mal. Lass mich dich noch einmal spüren.“

Er setzte sich zu ihr. Stellte sich vor, wie sie einst aussah. Jung und hübsch. Liebreizend. Er nahm sie in seine Arme. Und obwohl er wie Luft war, spürte sie seine Haut. Roch ihn.

„Ich liebe dich, Billy Ray.“

„Und ich liebe dich.“

Fünf Stockwerke tief

Ihre Vergangenheit holte sie immer wieder ein. So, wie heute Abend, als sie sich mit einem jungen Mann vereinte, den sie seit etwa drei Wochen kennt und mit dem sie fast jeden Abend aus war. All die Therapiestunden hatten nichts gebracht. Das Geld, was sie da hineingesteckt hatte, hätte sie sich sparen können.

Es war ein romantischer Abend gewesen. Zuerst waren sie im Kino und hatten sich eine Liebeskomödie angeschaut. Danach gingen sie zu ihm und er kochte für sie. Bei Wein und Kerzenlicht genossen sie ihr Abendessen. Es prickelte schon die ganze Zeit über und sie konnten es kaum abwarten, bis es Zeit fürs Bett war.

Er übersäte sie mit Zärtlichkeiten und lieben Worten. Sanft massierte er ihren Nacken und strich mit seinen Fingerspitzen an ihrem Körper hinab. So lieb wurde sie vorher noch nie verwöhnt. Dies war der Mann aus ihren Träumen. Doch plötzlich kam es über sie.

Sie nahm ihren Schal und fesselte seine Hände am Bettgestell. Dann fesselte sie mit ihren anderen Schals erst sein linkes Bein und dann sein Rechtes. Danach verband sie seine Augen und steckte ihm ein zusammen gerolltes Paar Socken in den Mund. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Lust und Angst vermischten sich. Was hatte sie mit ihm vor? Gehörte das zum Liebesspiel?

Genüsslich blies sie sein Glied, bis es fest und gerade stand. Nun band sie einen dünnen Draht darum und schnürte ihm damit das Blut ab. Ihm tat es weh, aber ihr interessierte es nicht. Sie zündete eine Kerze an und stellte sie auf den Nachttisch. In der heißen Flamme brachte sie eine Nadel zum Glühen, während sie mit der anderen Hand seine Vorhaut hin und her schob, damit sein Glied nicht erschlaffte. Für ihn war es kein Spiel mehr. Er hatte Schmerzen und spürte, wie Blut seinen Hoden hinab lief.

Ganz langsam näherte sich die heiße Nadel seiner Penisspitze. Doch dann hielt sie plötzlich inne.

„Nein, Daddy. So kommst du mir nicht davon. Ich musste jahrelang unter dich leiden. Jetzt zahle ich dir alles heim.“

Sie riss ihm die Augenbinde ab und stach die Nadel mit aller Wucht in sein Glied. Der Knebel dämmte kaum seinen Schmerzensschrei.

„So tat es deiner geliebten Tochter weh, als du sie zum ersten Mal gefickt hast.“, spie sie.

Eine zweite Nadel fing in der Kerzenflamme an zu glühen und berührte sodann seine Penisspitze. Sie bohrte sie ganz tief rein.

„Beim zweiten mal tat es auch höllisch weh.“

Immer wieder steckte sie ihm eine glühende Nadel in sein Glied, bis es ganz betäubt war und er nichts mehr spürte. Aber damit gab sie sich nicht zufrieden. Ihr Vater hatte ihr so viel Leid angetan und dieser arme Mann, der nichts dafür konnte, musste daran glauben. Sie wusste in dem Moment nicht, das ein ganz anderer in ihrem Bett lag. Für sie war es ihr Vater, der gefesselt an ihrem Bett war.

„Ein paar Nadeln haben wir noch übrig. Was machen wir mit denen? Ach ja. Vorne reichte es dir nicht. Du musstest ihn mir unbedingt hinten reinstecken. Weißt du wie weh es tat, als du ekliges Ding brutal in mich rein rammtest.“

Und schon hatte er die erste Nadel in seinem Hinterausgang. Doch das war ihr zu langweilig. Deshalb nahm sie die dicke, brennende Kerze und rammte sie volle Wucht in sein Hinterteil. Ein Geruch von versengten Haaren und angebrannter Haut lag in der Luft. Sie sog den Duft tief ein und verschwand nach und nach in eine andere Welt. Ihr Bewusstsein erweiterte sich. Doch schon nach wenigen Minuten war sie wieder klar im Kopf. Völlig klar. Sie sah das unverzeihliche Geschehen. Sie fing an zu Schreien. Ein Schrei des Schreckens. Der Angst. Sie lief in die Küche, holte das größte und schärfste Messer und brachte ihn um.

Aber was war, wenn jemand herausfand, das sie ihn getötet hatte?, dachte sie. Die Leiche musste weg. Sie selbst musste weg. Aber wohin? Sie irrte durch ihr Schlafzimmer. War nicht mehr Herr ihrer Sinne. Plötzlich stolperte sie und fiel aus dem Fenster. Fünf Stockwerke waren es bis zum Aufprall. Zeit genug, um darüber nachzudenken, was sie getan hatte. Genug Zeit, um all die schrecklichen Erinnerungen wieder lebendig werden zu lassen. Die Höllenquallen, die sie durch ihren Vater erleiden musste. Seit ihrem dritten Lebensjahres musste sie diese Schmerzen erleiden. Sie hatte weder eine Kindheit, noch eine Jugend gehabt. Nur drei ungewollte Schwangerschaften dank ihres Vaters. Und alle drei waren Totgeburten. Ihre Mutter hatte davon gewusst und nichts dagegen unternommen. Anstatt ihr zu helfen, war sie abgehauen und hatte sie einfach im Stich gelassen.

Sie sah noch einmal ihre Liebschaften. Ihre kaputten Beziehungen. Stets war sie nur an Männer geraten, die wie ihr Vater waren.

Der Aufprall war die Erlösung. Nicht nur für sie, sondern auch für alle Männer, die sie noch kennengelernt hätte. Sie wusste, das sie nun in die Hölle kam und sie wusste auch, das sie dort ihren Vater wieder finden würde. Entweder konnte sie sich und an ihn rächen, oder sie musste für ihre Taten büßen und würde wieder diese Schmerzen ertragen müssen.

Anett

Umgeben von Männern. Wer wollte, durfte ran. Sie brauchte es ständig. Einst hatte sie gesagt: „Wenn mich jemand vergewaltigen wollte, würde ich es zulassen.“ Sie war Sexsüchtig. Jede Stellung und jede Abartigkeit machte sie mit. Hauptsache, sie hatte Sex. Schon sehr früh sehnte sich ihr Körper danach.

Als sie in die Schule kam, gab es ein großes Familienfest. Tanten, Onkels, Großeltern, und, und, und. Es war ein Riesenspektakel. Niemand hatte geahnt, das die Familie so groß war. Man sah sich selten, da niemand wirklich Zeit hatte. Zusammentreffen gab es selten. Und wenn, da konnten nie alle kommen. Zum ersten Mal war die ganze Verwandtschaft zusammen. Denn nicht nur sie wurde eingeschult, sondern auch ihre zwei Kusinen, ihre Nichte, ihr Großcousin und noch ein paar weitere. Sie kannte sie nicht persönlich. Hatte nur erfahren, das sie irgendwie miteinander verwandt sind.

Wie üblich, gab es reichlich was zu trinken. Jeder hatte etwas mitgebracht und das wurde nun miteinander geteilt. Sehr schnell leerten sich die Flaschen. Die Kinder tranken heimlich mit, ohne, das die Erwachsenen es mitbekamen. Sie waren auch schon reichlich angetrunken. Trotzdem tranken sie weiter. Holten sogar Nachschub.

Anett hatte einen Schwips. Sie sah alles nur noch ganz verschwommen und sie konnte nicht mehr gerade stehen. Ihr Onkel Paul bemerkte es und brachte sie nach Hause, legte sie in ihr Bett, zog sie aus und fing an sie zu streicheln. Anett schlief ihren Rausch aus. Selbst wenn sie es mitbekommen und geschrien hätte, niemand wäre zu ihr gekommen, um ihr zu helfen. Sie waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen. Und der Alkohol zeigte zusehends seine Wirkung. Waren sie anfangs ganz lieb und nett zueinander gewesen, stritten sie jetzt um so mehr. Jedes Wort wurde auf die Goldwaage gelegt. Und plötzlich wurde der erste handgreiflich. Niemanden interessierte es, das Kinder dazwischen waren. Es wurde einfach drauf zu geschlagen und zurückgeschlagen. Wem die Fäuste nicht ausreichten, nahm sich Flaschen zu Hilfe. Die Kinder hatten keine Ahnung, was vor sich ging. Sie waren mitten im Gerangel. Und jeder hatte getrunken. Reichlich viel sogar.

Außerhalb der Schlägerei liebte sich öffentlich ein junges Pärchen. Johanna und Joseph schauten ihnen heimlich zu. Plötzlich regte sich etwas in seiner Hose. Er hatte in der Sache keinen blassen Schimmer. Aber er wollte es ausprobieren. Denn es sah so aus, als ob es Spaß machen würde. Johanna dachte ebenso. Sie waren erst neun und zehn Jahre alt und sehr neugierig. Schnell entledigten sie sich ihrer Kleidung und machten es dem Pärchen nach. Johanna tat es weh, als Joseph in sie eindrang. Aber sie zeigte es nicht. Vielleicht war es nur am Anfang so und dann würde der Spaß beginnen.

Die Schläger kamen langsam zur Ruhe. Einer nach dem anderen ging mit einem Partner von dannen. Es war typisch für die Familie. Erst Schlagen, dann miteinander schlafen. Bruder mit Schwester. Oma mit Papa. Onkel mit der Kleinsten. Inzest war normal. Aber nicht Pädophilie. Wenn es doch vor- und herauskam, sagte niemand ein Ton. Es wurde unter den Teppich gekehrt.

Anett bekam früh mit, das ihre Familie Sexsüchtig war. Und sie hatte jene Gene geerbt. Als sie ihren Onkel Paul wiedergesehen hatte, war sie schon ein Stückchen gewachsen, aber immer noch zu jung, um Beischlaf zu haben. Dennoch fühlte sie es in sich. Die unbändige Lust. Damals wusste sie nicht, was es war. Was sie da fühlte. Erst durch ihren Onkel Paul erfuhr sie, was das Gefühl bedeutete. Von da an war sie nicht mehr zu bremsen. Sex war ihre Droge geworden. Den ganzen Tag konnte sie nur daran denken. Sie wusste, das es eine unheilbare Krankheit war, die sie vererbt bekommen hatte. Deshalb achtete sie stets darauf, nicht schwanger zu werden. Sie wollte das Gen nicht weitergeben.

Es war in der Silvesternacht. Kurz vor zwölf Uhr ging sie mit ein paar Männern in eine heruntergekommene Wohnung. Kakerlaken krabbelten überall herum und es roch stark nach Urin. Anett fühlte sich sehr unwohl und hatte das Gefühl, als ob sie sich gleich übergeben müsse. Aber nachdem die Hosen unten waren, vergaß sie alles um sich herum. Bereitwillig legte sie sich auf die alte, stinkende Matratze und wartete voller Ungeduld, das der Erste in sie Eindrang. Doch stattdessen wurde sie nur vollgepinkelt. Doch das störte ihr nicht. Es war nicht das erste mal. Auch als einer von ihnen eine Wurst auf ihr machte und von ihr verlangte, das sie seinen Kot auf ihren Körper verteilt, machte ihr nichts aus.

„Stülpe dir die Tüte über deinen Kopf.“, befahl einer der Männer.

Anett tat es, ohne zu wissen, das es für sie verheerende Folgen hatte. Vielleicht war es auch Erlösung. Es war nicht leicht, mit der Krankheit zu leben. Oft genug hatte sie sich mit Geschlechtskrankheiten angesteckt. Sie war in einem Milieu gelandet, den man eigentlich nur zugedröhnt ertragen konnte.

Sie reckte ihm ihr Hinterteil entgegen. Er drang von hinten in sie rein und stieß heftig zu. Währenddessen hielt er sich an der Plastiktüte fest, die Anett über den Kopf hatte. Damit drückte er ihr, ungewollt, die Luft ab. Anett wollte sich dagegen wehren, aber sie kam zu dem Schluss, das es besser für sie war zu sterben. Ein letztes mal sah sie auf ihr Leben zurück, während die Männer sie bestiegen und sich an der Tüte festhielten und ihr dabei die Luft abdrückten. Anett starb glücklich und keiner der Männer bekam mit, das sie nicht mehr lebte. Als sie sich an ihr befriedigt hatten, ließen sie sie achtlos liegen und gingen ihre Wege. Anett war jetzt Futter für die Ratten. In wenigen Tagen war sie bis auf die Knochen abgenagt. Und keiner vermisste sie.

 

Geburtstag vergessen

Diese Geschichte ist wahr. Wir suchten Hilfe bei Plan L und alles wurde nur schlimmer, als es war. Und uns gab man die Schuld. Dabei haben wir alles gemacht, was sie uns sagten. Ganz egal, wie unsinnig wir es fanden. Wir können jedem nur Plan L abraten. Sucht Rat bei Bekannten und Verwandten. DAmit seid ihr besser beraten.

Die Jule. Ich sehe sie selten, aber gern. Heute sah ich sie beim Kinderarzt. Und da fiel es mir plötzlich wieder ein. Die junge Dame hatte vor wenigen Tagen Geburtstag gehabt. Wie konnte ich das nur vergessen. Ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen deswegen. Naja, ich hatte auch andere dinge im Kopf. Und das trieb mich in den Wahnsinn.

Eigentlich wollten wir, das unsere Kinder sich bessern. Lieber werden. Auf uns hören, wenn wir ihnen was sagen. Aber das Gegenteil war der Fall. Kein Wunder. Die scheiß Betreuer von Plan L hockten in ihrem Büro und kamen nur zu den Mahlzeiten raus. Währenddessen werden meine Kinder gepiesackt und ihnen wird für alles die Schuld in die Schuhe geschoben. Dabei sind sie die Opfer. Aber keiner schenkt Gehör und Glaube. Sie sind, wie ich. Fußabtreter. Der Sündenbock für alles und jeden. Hilflos stehe ich da und weiß nicht, wie ich ihnen helfen kann. Meine Kinder. Meine armen Kinder. Herr, hilf mir. Nur du kannst mir noch helfen.

Mein Sohn geht freiwillig ins Bett. Er weiß ganz genau, wenn seine Trickfilme zu ende sind, geht es ins Bett. Und das ist falsch. Sagt die Familienbegleiterin. Da er erst fünf ist, muss die Mutti mit. Sie muss ihn ins Bett bringen. Warum? Nur weil sein Bruder aufgewacht war? Er lag erst wenige Minuten in seinem Bett. Im Tiefschlaf lag er bestimmt noch nicht. Da ist es kein Wunder, das er aufwacht. Sein Bruder hat ihn bestimmt nicht geweckt. Ganz leise war er ins Kinderzimmer gegangen und hatte sich in sein Bett gelegt. Und nur weil sein Bruder aufgewacht war, musste meine Frau ihn wieder aus dem Bett holen. Natürlich war er stinkig. Kann man ihm das verübeln? Am liebsten hätte ich ihr meine Hände um den Hals gelegt und fest zugedrückt. So eine Wut hatte ich im Bauch. Zuerst labert sie stundenlang und vergisst dabei, das mein Sohn ins Bett gehört. Ich frage mich, wann sie meinen Sohn ins Bett geschickt hätte, wenn ich nichts gesagt hätte. Ich hatte angefragt, wann er wieder ins Bett geht. Schließlich war es schon spät und er musste wieder früh raus.

Ich bin auf den Balkon gegangen. Was blieb mir anderes übrig? Mit jedem Wort, das sie aussprach, wuchs meine Wut auf sie. Vielleicht verstand ich auch nur den Sinn nicht. Meiner Frau erging es aber nicht anders. Auch sie hatte sich gefragt, warum sie unseren Sohn wieder herausholen sollte. Sie hätte gewartet, bis die Betreuerin was gesagt hätte. Verständlich.

Wegen meiner Frau und meinen Kindern bin ich auf den Balkon gegangen. Ansonsten hätte ich sie zur Schnecke gemacht. Mit Müh und Not bewahrte ich die Ruhe. Auch wenn ich etwas gesagt hatte, etwas unfreundlich, war ich relativ ruhig geblieben. In meinem Innersten rumorte es. Dank ihr wurde mein jüngster Sohn richtig wach. Die Mutti musste unbedingt meinen Erstgeborenen ins Bett bringen. Warum? Eine Antwort bekamen wir nicht. Es war meinen Söhnen auch verboten sich zu unterhalten. Leider kam ich zu spät auf den Gedanken, sie zu fragen, ob ich mich mit meiner frau unterhalten darf, während wir im Bett liegen. Regeln müssen sein. Aber man kann es auch übertreiben. Wenn es nach Plan L geht, dürfen meine Kinder nichts. Wir Eltern müssen alles entscheiden. Was wir spielen, essen, fernsehen und wann sie Hunger haben. Wenn man sie so reden hört, fragt man sich, was Kinder überhaupt dürfen. Haben sie Rechte? Ab wann dürfen sie selbst Entscheidungen treffen? Offene Fragen. Bis heute haben wir keine Antworten darauf bekommen. Wir können jeden nur abraten, bei Plan L anzufangen. Im Prinzip ist es nicht anders, als wäre man bei Bekannten. Nur das man die Leute, anfangs, nicht kennt. Und nicht mit jedem wird man warm. Bei den meisten, vor allem bei den Familienbegleitern, muss man aufpassen, was man sagt. Schnell wird man zum Alkoholiker, obwohl man nur ein Diesel am Wochenende trinkt.

Plan L macht alles nur noch schlimmer, als es vorher war. Ich weiß wovon ich rede, denn ich war dabei.

Liebe Jule. Alles gute nachträglich zu deinem Geburtstag. Haben dich ganz doll lieb.

Am Grab meines Sohnes

Du warst noch so jung. Die ganze Welt hat dich gehasst. Sie hat dich mit Füßen getreten. Du warst nicht der Täter, sondern das Opfer. Aber mach das mal den anderen klar.

Ich erinnere mich, wie du auf die Welt kamst. Du warst ein hübsches Kind. Wir standen uns sehr nahe. Aber irgendwie hatten die Ammen und Schwestern etwas gegen uns. Oder waren sie zu jedem so? Wenn ja, sollten sie lieber ihren Beruf wechseln.

Anfangs warst du noch ein süßes Kerlchen. Doch dann lerntest du zu krabbeln und zu laufen und immer weniger Leute konnten dich leiden. Warum? Ganz egal was du gemacht hast, du wurdest ausgeschimpft. Du verstandest die Welt nicht und wir auch nicht. Aber uns erging es auch immer so. Wenigstens warst du ein Wunschkind. Nicht so, wie wir. Deine Mutter war ein geplatztes Kondom und ich ein Unfall. Ich glaube, wir hätten dich niemals zeugen sollen. Wir waren ja schon Fußabtreter. Aber wir glaubten fest daran, das es dir einmal besser ergehen würde, weil wir dich liebten und es dir auch zeigten.

Oft genug hast du Mist gebaut. Als dein Bruder kam, wurde es manchmal arg. Wir haben mit dir geschimpft. Heute bereue ich es. Du hattest es nicht leicht. Stets hackte irgendwer auf dich herum. Das du dann Blödsinn anstellst, ohne darüber nachzudenken, ist dann eigentlich nicht verwunderlich. Ich war ja genauso. Und bin es, im Prinzip, immer noch.

Verzeih mir meine Tränen. Ich kann sie nicht zurückhalten. Trotz allem liebe ich dich. Denn du bist mein Sohn. In meinem Herzen lebst du weiter. Dein Bruder wird dir wahrscheinlich bald folgen. Er ist dabei dich zu rächen und ich kann ihn nicht davon abhalten. Sein eiskalter, rachsüchtiger Blick jagt sogar mir Angst ein. Er hat stets zu dir aufgeschaut. Es war eigentlich klar, das er dich nachahmen wird. Und ich bin Schuld daran, weil ich euer Vater bin. Es ist ja auch leichter, die Schuld bei anderen zu suchen.

Eure Mutter liegt immer noch im Krankenhaus. Ich glaube, sie wird nicht mehr. Am liebsten würde ich die Maschinen abschalten, damit sie endlich Ruhe und Frieden findet. Aber ich darf nicht. Das wäre Mord. Und was machen die? Sie quälen eure Mutter. Wenn sie erfährt, das dein Bruder dort weiter macht, wo du aufgehört hast, wird sie es sowieso nicht überleben.

Wir waren eine Familie. Auch wenn es nicht immer ruhig zuging, haben wir uns dennoch geliebt. Uns zusammengerissen, an einem Strang gezogen und der Welt gezeigt, das wir zusammengehören. Man kann viel schaffen, wenn man nur will und auch seinen Arsch in Bewegung versetzt. Und das haben uns einige nicht gegönnt. Vielleicht waren sie auch neidisch, weil wir es konnten und sie nicht.

Ich bin nicht stolz darauf, was du getan hast. Aber ich verstehe es und verzeihe dir deshalb. Wenn man ständig nur getreten wird und Schuld bekommt, obwohl man nichts gemacht hat, tickt man irgendwann einmal aus und läuft Amok. Aber sieht es irgendjemand ein? Nein! Wie oft waren wir bei der Polizei, weil uns irgendjemand angezeigt hatte. Selbst den Polizisten wurde es zu viel. Da sie immer wieder unsere Unschuld feststellten. Bis du eines Tages wirklich etwas gemacht hast. Dein erster Mord. Ich sehe dich noch vor mir. Du warst von dir selbst schockiert. Konntest nicht glauben, was du getan hattest. Im ersten Moment war ich fassungslos und wollte dich anschreien. Aber dann erzähltest du mir, was geschehen war und ich nahm dich in meine Arme.

Wie viele Menschenleben hast du eigentlich auf dem Gewissen? Hast du alle umgebracht, die dich gequält haben? Dein Bruder, der es auch nicht leicht hatte, ist nicht so human, wie du es gewesen warst. Du hast sie mit einem Schuss getötet. Er quält sie auf grausamste Art und Weise. Ich habe regelmäßig Alpträume davon, wenn er mir davon erzählt. Also, ich möchte nicht die Haut, bei lebendigen Leib, abgezogen bekommen.

Ich bete für euch, das eure schweren Sünden vergeben werden. Schließlich seit ihr die Opfer der Gesellschaft. Sie hätten euch einfach akzeptieren sollen, anstatt auf euch fertig zu machen. Immer auf die Kleinen und Wehrlosen. Dann wundern, wenn sie sich wehren.

Als sie ihr Leben ändern wollte

Sie stand auf und fühlte sich, wie gerädert. Der Morgen begann gerade erst zu grauen. Träge schleifte sie sich ins Badezimmer. Im Spiegel sah sie eine Frau, die ihr völlig fremd war. Sie trat näher heran und erkannte, das sie es war. Gerade mal dreißig Jahre jung. Aber sie sah aus, als wäre sie schon fünfzig. Welch ein Wunder. Seit ihrer Schulzeit hatte sie nur Jungs und Partys im Kopf gehabt. Viel zu früh kam sie mit Alkohol und Sex in Kontakt. Zigaretten rauchte sie seit dem sie vierzehn Jahre alt war. Damals war es cool. Ihre Mitschüler beneideten sie für ihr cooles Auftreten. Rauchen und schminken. Ihre Eltern mussten sehr tolerant sein.

Sie sah alt aus. Als sie sich im Spiegel betrachtete und die Narben der Zeit auf ihrem Gesicht sah, kam sie ins Grübeln. Zum ersten mal, in ihrem Leben, dachte sie ernsthaft über sich und ihre Zukunft nach. Wie konnte sie nur glauben, das Männer und Partys das Wichtigste im Leben seien? Das es immer und ewig so gehen kann? Eines Tages würde sie niemanden mehr finden, der sie einlädt. Schon jetzt sah sie unansehnlich aus. Noch konnte sie alles überschminken. Aber wie lange noch? Selbst ihre Augenringe hatten schon Augenringe.

Drogen, Alkohol, Sex und Partys. Das war, bisher, ihr Lebenssinn. Sie betrachtete ihre Wohnung. Das Klo stank und sah einfach nur eklig aus. Überall lagen Reste herum. Leere Flaschen. Nadeln. Pulver. Überall roch es nach abgestandenen Ausscheidungen. Der Fußboden klebte. Über die Flecke, auf dem Teppichboden, machte sie sich lieber keine Gedanken. Sie wagte gar nicht daran denken, was es alles sein könnte. Ihr hob es schon den Magen, wenn sie nur daran dachte.

Es ging ihr nicht gut. Es lag nicht nur daran, das sie am Vorabend alles durcheinander getrunken hatte. Drogen konsumiert und nicht aufgepasst hatte, mit wem sie sich vereinigte. Die ganze Wohnung ekelte sie an. Sie fasste einen Entschluss. Noch war sie relativ jung und hatte die Chance sich zu ändern. Jetzt oder nie. Zum Glück hatte sie nicht ihr ganzes Geld ausgegeben, welches ihr die Männer zugesteckt haben. Davon kaufte sie sich ein gesundes Frühstück und Putzzeug.

Sie schrubbte das Bad, das Toilettenbecken, die Fußböden. Den Teppichboden schnitt sie in kleine Stücke und warf ihn in den Müll. Sie wusch das Geschirr und ihre Wäsche. Am Abend legte sie sich völlig erledigt, aber zufrieden, ins Bett und schlief, zum ersten mal seit Jahren, einen gesunden, erholsamen Schlaf.

Am folgenden Morgen kümmerte sie sich darum, einen Job zu bekommen und ihren Schulabschluss nachzuholen. Sie wollte ihr Leben in den Griff bekommen. Dies war ihr innigster Wunsch. Keine Partys mehr. Finger weg von Drogen, Zigaretten und Alkohol. Ab sofort wollte sie gesund leben. Nur eines stimmte sie traurig. Es würde ein langwieriger Prozess werden. Bis sie ihr Leben vollkommen im Griff hatte, würde es zu spät sein Kinder zu bekommen. Und wer würde ihr helfen, ihr Leben in die richtige Spur zu lenken und dort zu bleiben? Freunde hatte sie keine. Was sie hatte, waren flüchtige Liebschaften. Sie war auf sich allein gestellt. Würde sie es alleine schaffen? Hatte sie die Willenskraft dazu?

Es war schon Abend, als sie hinausging, um frische Luft zu schnappen und neue Kraft zu schöpfen. Sie lief die Straße entlang. Ihre Beine führten sie dahin, wo sie sonst immer hinging. Ganz automatisch. Vor der Disco machten sie halt. Sie starrte auf den Eingang und dachte ernsthaft darüber nach, ob sie hineingehen sollte. Hinter dieser Tür befanden sich Männer in erhobenen Positionen. Die konnten sich ein leichtes Leben leisten. Und sie konnten ihr bestimmt helfen. Waren sie nicht die Chefs und konnten einstellen, wen sie wollten?

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Ein Mann stürmte heraus und riss sie fast um. Dann ein Schuss. Alles ging ganz schnell. Ehe sie es sich versah, platzten all ihre Träume. Sie sah dem Mann nach, für den die Kugel bestimmt war. Er flüchtete um die nächste Ecke. Der andere ging wieder hinein. Niemand sah sie. Keinem interessierte es, das sie im sterben lag. Eine kleine Träne bahnte sich ihren Weg nach draußen. Die letzte Träne, die sie weinte.

 

Soldat

Tränen. Ich bin ein Mann, der sich nicht für seine Tränen schämt. Im Krieg sieht man sie eh nicht. Warum bin ich hier her beordert worden? Ich hasse es zu töten. Jeder andere würde eingesperrt werden, wenn er einen anderen Menschen umbringt. Ich werde dafür bezahlt. So wie meine Kameraden.

Wenn ich mich umdrehe und in ihre Gesichter blicke, sehe ich blinden Gehorsam. Traurigkeit. Mitleid. Jeder ist anders. Manchen macht es sogar Spaß, andere zu erschießen. So sehen sie jedenfalls aus. Ich kann es nicht. Blindlings ziele ich in die Luft, um zu vermeiden, das ich jemanden treffe. Ich kann niemanden wehtun. Geschweige denn töten. Dafür bin ich nicht geschaffen.

Alles hatte ich versucht, um nicht eingezogen zu werden. Doch nichts hatte es geholfen. Jeder Versuch ging nach hinten los. Meine Vorgesetzten drillten mich pausenlos und zwangen mich dazu, zu laufen, zu springen, zu robben und was man sonst noch bei der Armee tun muss. Sie ließen es nicht zu, das ich mich verweigere. Tritte. Schläge. Anbrüllen. Morddrohung. Knast. Das ganze Repertoire. Nichts ließen sie aus. Ich weiß nicht, warum sie gerade mich wollten. Schmächtig und unsportlich, wie ich war, konnte ich nie ein guter Soldat werden. Irgendjemand steckte dahinter. Eine andere Möglichkeit fiel mir nicht ein.

Im Schützengraben zu liegen, macht wirklich keinen Spaß. Die Sonne brennt. Keine Chance der Kühlung. Der Durst ist groß. Wie sagte mein Opa immer? Durst ist schlimmer, als Heimweh. Er hatte recht. Obwohl ich sehr großes Heimweh hatte. Wenn ich mich entscheiden müsste, zwischen Wasser und nach Hause fahren, ich würde die Heimkehr wählen. Überall nur tote Menschen, Schießerei und Blut. Die ganze Zeit ist mir übel. Man müsste meinen, das man sich irgendwann an den Anblick gewöhnt. Aber bei mir ist es nicht so.

Zu hause wartet meine Frau und meine Kinder. Es vergeht keine Sekunde, wo ich nicht an sie denke. Ich vermisse sie so sehr. Kehre ich jemals wieder heim? Und wenn ich nach Hause darf, werde ich gesund sein? Wird noch alles an mir dran sein?

Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich mein Leben in bunten Farben malte. Ein erfolgreicher und angesehener Geschäftsmann wollte ich werden. Der immer Zeit für seine Familie fand und zweimal im Jahr mit ihnen in Urlaub fuhr. Jedes mal woandershin. Doch daraus wurde nichts. Einmal nicht aufgepasst und schon war es geschehen. Auch wenn ich noch zu jung war, um Vater zu sein, freute ich mich auf meinen Nachwuchs. Nicht lange danach erwarteten wir wieder Zuwachs. Tja, und danach? Da wollte meine Freundin Karriere machen. Ich stellte mich hinten an und kümmerte mich um unsere Kinder. Ein Jahr danach musste ich zur Armee.

Bomben fallen aus Fliegern. Mit Mitte zwanzig hatte ich gerade erst begonnen zu leben. Jeden Augenblick rechne ich damit, das mich eine Bombe trifft. Angst. Wenn ich getroffen werde, was wird dann aus meiner Frau und unseren Kindern? Wir wollten heiraten, sobald ich zurück war. Aber daraus wird wohl nichts. Immer mehr Bomben fallen. Schreie. Was mir bleibt, ist die Hoffnung, das ich entweder verschont bleibe, oder richtig getroffen werde. Einige meiner Kameraden haben Splitter im Auge, oder zogen sich offene Wunden zu. Sie quälen sich. Schreien und Fluchen, vor Schmerz. Verbluten. So möchte ich nicht sterben. Es müsste verboten werden, Soldat zu sein und andere Menschen zu ermorden. Tiere töten, um zu leben. Aber der Mensch bringt sich gegenseitig um. Als ob es keine andere Möglichkeit gäbe, bestehende Probleme zu lösen. Die Oberhäupter zetteln den Krieg an und verstecken sich dann in ihren Bunkern. Wir ziehen in den Krieg und bringen Menschen um, die nichts dafür können, das unsere Regierung sich wie Kindergarten benimmt. Interessiert es denen da oben? Nein. Am Ende tun sie so, als würde es ihnen leid tun, das so viele unschuldige Menschen ihr Leben gelassen haben. Und ich dachte immer, wir leben in einer zivilisierten Welt. Aber da habe ich mich geirrt. Die, die noch wie die Urmenschen leben, sind zivilisierter, als wir. De bringen keinen ihrer Artgenossen um. Außer die Kannibalen. Aber die essen wenigstens die Toten und lassen sie nicht einfach liegen.

Komisch. Menschen töten, ist erlaubt. Aber sie zu verspeisen, ist verboten.

Junger Hoden

 

Meine Kindheit war gar nicht so übel. Wenn ich so darüber nachdenke, kann ich mich nicht beklagen. Wir hatten nicht viel. Meine Eltern lebten sehr bescheiden. Was sie hatten, gaben sie mir. Sie selbst gönnten sich nichts. Mein Wohl ging ihnen vor. Schade, das sie nicht mehr leben. Es waren gute Menschen.

Wie es genau anfing, kann ich nicht sagen. Das weiß ich nicht. Es war jedenfalls sehr erregend. Besser, als Sex. Viel besser. Wobei ich gestehen muss, das ich noch nie Sex hatte. Keine Frau wollte mit mir schlafen. Ich durfte nur zahlen und ab und zu zusehen, wie sie es sich selbst machten.

Es war ein lauer Sommertag gewesen. Ich ging im Park spazieren. Dachte über alles mögliche nach. War in Gedanken versunken. So gesehen, war ich es nicht, der den Jungen umgebracht hatte. Denn in dem Moment war ich nicht ich selbst, sondern eine seelenlose Maschine. Es ist keine Entschuldigung dafür, was ich getan habe. Ich sage ihnen nur, wie es war.

Wie viel Zeit vergangen war, weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in meiner Wohnung. Den leblosen Körper über meiner Schulter. Ohne darüber nachzudenken, schnitt ich seine Bauchdecke auf, nachdem ich ihn auf meinen Küchentisch gelegt und ausgezogen hatte. Sie müssen wissen, das ich mal Schlachter war. Dem Jungen alle Organe zu entfernen und in handliche Fleischstücke zu zerlegen, war für mich eine Art Routine. Früher zerlegte ich Schweine und Rinder. In dem Fall war es ein kleiner Junge, der gerade aus der Schule gekommen war.

Ich hatte Hunger. Warum sollte ich das zarte Fleisch wegschmeißen? Ich konnte den Jungen eh nicht mehr zum Leben erwecken. Weg musste das Fleisch auch, bevor es in meiner Wohnung verweste. Gut, das ich nicht an die Knochen gedacht hatte, war meine Schuld. Schon seltsam, aber normalerweise bin ich sorgfältiger. Lasse nicht so viel Fleisch daran. Aber vielleicht wollte ich mir eine Suppe daraus machen? Wer weiß? Egal.

Eines kann ich ihnen sagen. Junger Hoden zergeht auf der Zunge. Schade das man nicht viel davon hat. Nicht einmal für den hohlen Zahn reichte es. Aber dennoch kann ich Hoden von kleinen Jungen sehr empfehlen. Wenn sie möchten, gebe ich ihnen gern das Rezept dafür.

Was soll ich noch sagen? Suchen sie nicht in meiner Vergangenheit nach irgendeinem Anhaltspunkt, der mich dazu brachte, diesen Jungen zu töten und zu essen. Sie werden nichts finden. Wie ich schon sagte, hatte ich eine schöne Kindheit. Auch wenn meine Eltern kaum Geld hatten. Viel wichtiger war, das sie mich liebten und es auch zeigten, das sie mich liebten. Sie beschäftigten sich mit mir und brachten mir bei, was Recht und was Unrecht ist. Unbezahlbar, die beiden.

Das meine Beziehungen nie von langer Dauer waren, lag an mir. Kaum hatte ich Interesse an einer Frau gefunden, war es auch schon wieder weg. Ich machte sie heiß und ließ sie liegen. Nicht immer. Anfangs wollte ich schon. Aber nachdem ich so oft einen Korb bekommen hatte, gab ich es irgendwann auf. Zahlte zurück.

Ich nehme alle Schuld auf mich allein. Will gar nicht wissen, wie es dazu kam. Ob es einen Auslöser dafür gab. Es ist passiert. Rückgängig kann man es eh nicht mehr machen. Aber ich kann ihnen das Rezept von jungen Hoden geben. Wirklich köstlich.

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