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Streichholzhaus (und sechs andere Wahrheiten)

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"Streichholzhaus (und sechs andere Wahrheiten)"
Veröffentlicht am 13. Oktober 2011, 14 Seiten
Kategorie Gedichte
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Streichholzhaus (und sechs andere Wahrheiten)

Streichholzhaus (und sechs andere Wahrheiten)

Beschreibung

Sieben (nennen wir es mal) Gedichte...

Streichholzhaus

 

Heute Nachmittag ist die Liebe nicht genug.

Das Streichholzhaus ging in Flammen auf.

Das eine, teure Wort,

liegt betrauert im Müllschlucker der Vergangenheit.

Ich schreie es hinaus auf den Fluss.

 

Mein Verstand rauscht wegen dir.

Alle Ketten scheinen gerissen.

Zerschlissen und zerbissen.

Nichts gibt mehr Halt.

 

Du bist nicht mal mehr da,

wenn du neben mir stehst.

 

Mein einzig verbliebender Freund

wartet in einer einsamen 1-Zimmer-Wohnung.

Die Zukunft dämmert dahin,

legt sich zum Sterben bereit.

 

Das flackernde Feuer meines Lebens,

wirft deinen Schatten an die Wand.

Versprechen und Schwüre.

Schlafwandler im Hier und Jetzt.

 

Die Realität hat mein Herz gefressen.

Den Herzbuben im Ärmel,

lege ich meine Karten auf den Tisch.

 

 

Hormonfabrik

 

Ein Tumor mit Humor rumort

in einem humorlosen Kopf.

Dauerbestrahlung von allen Seiten,

lässt ihn milde lächeln.

Sie wollen seine Festung stürmen,

mit Knochensäge und Skalpell.

Er schlägt sie zurück,

mit einem Zucken seiner Lippen

und schließt die Gardinen.

 

Er bombardiert den trauernden Körper

mit Lachsalven aus Spaßkanonen.

Schickt die Arbeiter zurück in die Hormonfabrik

und lässt sie Glückskekse backen.

 

Im Inneren des Hirns

ist es wohlig, weich und warm.

Gut lässt es sich dort leben.

Wie die Made im Speck,

sitzt der Tumor in seiner Festung.

Im Schneidersitz auf einem Lachsack.

Er lächelt und lässt mich lachen.

Er ist so viel weiser als ich.

 

 

 

 

 

Globus

 

Wir schicken liebevoll verpackte Päckchen

per Expresspost um den halben Globus.

Um sie auf der anderen Hälfte

in den Müll zu werfen.

 

Wir reisen unseren Koffern hinterher,

die ständig vor uns fliehen.

Verlieren den eigenen Schatten,

Leben, Geduld und Nerven.

 

Wir verteilen unsere Sporen,

wie liebestolle Menschenpilze.

Halten uns zukunftsfrisch

in bleihaltigen Konserven.

 

Wir bewegen den Globus,

mit einem einzigen Finger.

Die Alphamännchen im Revier.

Wenn wir sprechen, wird es licht.

Ohne uns läuft gar nichts hier.

Ohne uns geht´s einfach nicht.

Glauben wir, hoffen wir…

 

 


Blüten

 

Flauschiger Tod

schmiegt sich an.

Die Gifte der Natur

schmecken zuckrig.

Süßer Verwesungsduft

umkreist

das klebrige Gerippe des Todes.

 

Sein Auge,

ist ein niedliches Kullerauge,

das dir zublinzelt.

Es beobachtet dich genau.

 

Dornig sind die Wege

zu den lockenden Blüten.

Zornig wächst das Grün

über dich hinaus.

 

Alles strebt Richtung gelber Mutter.

Tötet um ihr zu gefallen.

Opfert ihr das eigene Leben.

Reiht sich ein in ihre Ordnung,

aus Nähe und Distanz.

Umkreist sie unermüdlich.

 

 

Flaschenzug

 

Blicke mit Messer und Gabel verschlingen.

Selbstverachtung verringern,

durch Infusionen fremder Beachtung.

Auf einem gemieteten Surfbrett,

über unheilvolle Welle reiten.

 

Irgendwoher kennen wir uns,

kannten uns schon immer.

Den Schimmer deiner Augen,

erkannte ich sofort.

 

Du und ich

hängen im Flaschenzug.

Es kann immer nur einer nach oben.

Wir schöpfen Wasser

aus einem Brunnen ohne Zukunft.

Wir begießen unser Nichtzusammenkommen.

 

Streifen für Sekunden.

Blitze aus dem Nichts.

Kein Ende, kein Beginn.

Fingerspitzen berühren sich im Vorbeiziehen.

Ein augenzwinkerndes Glitzern,

mehr werde ich nie bekommen.

Mehr werde ich niemals wollen.

 

 

Klinge

 

Das volle Haar auf meinem Kopf,

gezüchtet in der Dritten Welt.

Frisiert mit scharfer Klinge,

damit es den anderen gefällt.

 

Mein falsch lächelnder Zahnersatz,

erhält dir deinen Arbeitsplatz.

Mein Wunsch nach Bequemlichkeit,

hält deine Beine am Laufen.

Dein Zwang nach Veräußerung,

weckt meinen Wunsch zu kaufen.

 

Keine Bedenken beim Nachschenken.

Eine Locke fällt in meine glatte Stirn.

Ich werde sie dir schicken,

wenigstens sie soll wieder dir gehören.

 

So läuft es seit allen Zeiten:

Zerbersten meine Knochen,

brechen Arme, Rücken, Beine,

komm ich zu dir gekrochen

und nehme einfach deine.

 

 


Gaskammer

 

Ein Baum verkauft seine letzten Früchte.

Die Wurzeln im Boden

einer interstellaren Mülldeponie.

Mit Vehemenz fordert er seinen Platz

in der galaktischen Gaskammer ein.

 

Vor Schmerzen aufschreien

klingt im Chor viel angenehmer.

Es wird geschubst, gedrückt, gepresst.

Am Ende kommt dann und wann

ein Diamantenstaubkorn heraus.

 

So viel Platz, so viel Zeit.

Die Wurzeln sind unsterblich,

untrennbar mit dem Raum verwoben.

 

Wozu der ganze Stress?

Mühsam erlernen Menschen,

wie man krabbelt,

wie man steht,

wie man geht und läuft.

 

Mit Krücken und Gehhilfen,

schleppen sie sich zentimeterweise,

durch einen traurigen Rest von Leben.

Und haben völlig vergessen,

dass sie fliegen.

Immer, die ganze Zeit.

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