Ich habe beruflich schon lange mit Computern zu tun. Das bedeutet, dass man mit Maschinen arbeitet, die zwar schnell, aber dumm sind. Sie machen immer nur das, was ein Mensch ihnen beigebracht hat. Und das rasend schnell.
Diese Computer werden von Menschen verkauft, und so manches Mal beschleicht mich das Gefühl, das diese noch dümmer als die Maschinen sind. Immer, wenn ich mich mal nicht so gut fühle, Frust schiebe oder sonstwie schlecht drauf bin, ziehen mich Computertempel und Kaufhäuser magisch an.
Ich wandere dann schnurstracks in die Abteilung, wo Dampfplauderer in der Computerecke (entschuldigung, ich meinte Verkäufer) ihre Waren an den Mann (die Frau) zu bringen versuchen. Und ich schlüpfe dann in die Rolle eines Familienvaters, der für seine Tochter (seinen Sohn) einen dieser Wundermaschinen kaufen möchte.
Natürlich habe ich dann keine Ahnung davon. Alles, was ich weiß ist, dass ich einen Computer brauche. Also lasse ich mich beraten. Ich kann dem geneigten Leser nur empfehlen, dass auch einmal auszuprobieren. Es tut gut und bringt die Seele wieder auf den richtigen Kurs.
Zunächst schlendere ich durch die Reihen dieser Kisten, die einem die Lösung aller Probleme versprechen. Ich lese, was da so geschrieben steht, führe ab und zu dabei die Hand an's Kinn und versuche den Eindruck zu erwecken, dass ich null Durchblick habe. Fällt mir nicht schwer, schließlich bin ich ein Kind der Eifel, die früher dafür bekannt war, dass der Sohn die Tochter heiratete.
Dabei beobachte ich aber genau, was in meiner Umgebung so passiert. Längst habe ich zwei Verkäufer ausgemacht, die sich an der Kasse unterhalten. Sie scheinen über existenzielle Themen zu diskutieren und haben mich noch nicht im Fokus. Also wird meine Miene immer verzweifelter und ich bewege mich langsam, aber sicher auf die beiden zu, immer die Auslagen studierend.
Endlich haben sie mich entdeckt und ich kann erkennen, wie einer der beiden von der Seite auf mich zusteuert: 'Kann ich Ihnen helfen?' Ist sein erster Satz. Standard und lange geübt. Ich antworte, wobei ich kurz aufschaue, um dann mit einer Handbewegung auf eine der Zauberkisten zu deuten: 'Ich hoffe. Ich brauche einen Computer.' 'Schön. Was soll er denn kosten?' Erwidert er.
An dieser Stelle muss ich dem Leser erklären, dass der Preis eine absolut untergeordnete Rolle spielen sollte. Richtig wäre gewesen zu fragen, für was ich den Computer denn brauche. Diese Fragestellung darf ich jedoch von einem Menschen nicht erwarten, der für seinen Job schlecht ausgebildet und hoffnungslos unterbezahlt ist.
Ich erwarte sie trotzdem. Also versuche ich ihn etwas zu kitzeln. 'Weiß nicht, was die so kosten dürfen. Meine Tochter braucht den für die Schule.' Ein wissendes Lächeln zeigt sich im Gesicht des Fachmanns. Mit dem Satz: 'Kommen Sie, da hab' ich den Richtigen für Sie' lotzt er mich zu einer Auslage, die an eine Pyramide erinnert.
Ganz oben thront ein Monster von einem Flachbildschirm, umrahmt von zwei Prospektständern, die ein neues Weltwunder anpreisen. Darunter lauert die Tastatur und ein Nagetier, das völlig ohne Kabel funktioniert.
'Das ist der neue P IV Doppelprozessor von XY mit integriertem HDTV, Dual-Layer-DVD-Brenner und WLAN.' Bei diesen Worten, die regelrecht verschwörerisch klingen, wird seine Miene bedeutend. 'Was Besseres gibt es nirgendwo. Hab' mir letzte Woche noch selbst einen gekauft. Kann ich nur empfehlen.'
Seine Empfehlung ist mir natürlich wurscht, lasse mir das aber nicht anmerken. Oft praktiziert, hat er mich logischerweise als erstes zum teuersten Gerät geführt, was der Laden hergibt. Auf die Idee, zu fragen, was meine Tochter denn so mit dem
Computer machen will, kann er aus genetischen Gründen nicht kommen. Und ob im Kinderzimmer überhaupt Platz für einen Bildschirm ist, der die Ausmaße einer Backofentür hat, scheint unwichtig zu sein. Nur die Provision zählt.
Meine Abwehr fällt ob dieser Supermaschine und den nicht zu widerlegenden Argumenten des Schlipsträgers äußerst schwach aus: 'Kann man denn damit auch Hausaufgaben erledigen?' Ein mitleidiger Blick trifft mich: 'Ja klar, geht hiermit wie von selbst. Und mit dem WLAN kann sich Ihre Tochter viel Arbeit sparen und die Hausaufgaben aus dem Internet holen.'
Aha, das leuchtet ein. Blöd ist nur, dass ich möglicherweise zu Hause gar keinen Internet-Anschluss besitze, geschweige denn die dazugehörende Hardware. Er scheint meine Zweifel zu ahnen, denn er setzt nach: 'Dazu brauchen Sie dann nur noch dieses Modem und den WLAN-Router. Ist im Angebot im Moment.' Dabei zeigt er auf weiter unten in der Pyramide angeordnetes Gerät.
Allmählich wird es Zeit, das ich gegen steuere. Mit zweifelnder, fragender Miene höre ich mich sagen: 'Und was kostet das Alles?' Natürlich weiß ich, wie's jetzt weitergeht, und ich bin vorbereitet. Der Hemdträger aber auch. Flux hat er einen dieser handtellergroßen Geräte aus der Anzugsjacke gezogen, mit denen man auch rechnen (in diesem Fall addieren) kann.
'Das sind...Moment...' Er tippt wie ein Weltmeister. Das heißt, eigentlich benutzt er dazu einen Stift, mit dem er etwas unsicher über einen kleinen Bildschirm fährt. Im Gegensatz zu ihm hatte ich noch die Grundrechenarten in der Schule und daher das Ergebnis der Addition längst parat, als er sagt: 'Das sind zusammen 1.975,- Euro.' Er hat richtig gerechnet. Kaum 20 Sekunden vorher kannte ich ja die Gesamtsumme und hatte daher schon die nächste Salve geladen.
'Mmmm, das ist 'ne Menge Geld. Braucht man denn das alles, oder geht's auch ein bischen kleiner?' Gleich darauf habe ich das Gefühl, ich empfange die Strafe Gottes. Beinahe zynisch klingt die Antwort: 'Das geht auch mit dem da drüben.', wobei die zum Statement gehörende Handbewegung etwas abwertend wirkt. 'Aber da haben Sie nicht lange Freude dran. Der ist in ein paar Monaten hoffnungslos veraltet.'
Jetzt weiß ich, wie die das machen. Die lassen sich von den Herstellern auch immer ein paar alte Kisten liefern, die sie dann nach einer gewissen Zeit regelmäßig auf den Sperrmüll schmeißen. An diesem Punkt angelangt, frage ich mich dann, ob ich mich als Fachmann outen soll oder nicht. Es würde wahrscheinlich meinem Ego sehr gut tun. Aber da sich meine Sorgen und Nöte schon längst in Wohlgefallen aufgelöst haben, lasse ich es.
Ich bedanke mich also immer artig mit Worten wie: 'Danke, das muss ich mit meiner Frau noch besprechen' oder ähnlichem und lasse ihn stehen. Draußen an der frischen Luft ist die Welt auf einmal wieder wunderschön. Und ich habe die Gewissheit, dass das 'Prinzip des größeren Dummkopfes' noch immer gilt. Es sagt nämlich aus, dass derjenige immer dümmer sein muss, der einen Laden gerade betritt, als der, der schon drin ist.
Hoch leben die Dümmeren.