Beschreibung
Es geht in dieser Geschichte um einen jungen Mann, der Bedenken hat, seine Verlobte Constanze zu heiraten.
Überraschung!
Ich erinnere mich noch, dass mein Freund Peter an meinem neunundzwanzigsten Geburtstag zu mir sagte, ich würde niemals eine bessere Frau finden als Constanze. Im Prinzip würde ich ihm noch heute beipflichten, aber da ich denke, es gibt keine Steigerung im Bezug auf den menschlichen Charakter, muss ich seine Worte folglich korrigieren: ich werde niemals eine Frau finden wie Constanze. Denn jeder von uns hat seine Stärken und Schwächen; niemand ist ein Übermensch oder Super-Held. Vielleicht ist genau das der Grund, warum ich im Moment die glücklichste Zeit meines Lebens durchschreite. Sie nimmt mich wie ich bin und ich sie wie sie ist. Wir harmonieren besser zusammen als die beste chemische Verbindung es jemals getan haben könnte.
Warum ich davon erzähle? Nun, ich sitze jetzt gerade in einem Restaurant, umgeben von einem wunderschönen Ambiente. Mir gegenüber sitzt meine Freundin Constanze. Sie lächelt mich gerade an. Wie bezaubernd.
Sie trägt ein schwarzes Abendkleid, das eine befreundete Mode-Studentin für sie entworfen hatte. Ich finde, beide zusammen geben ein sehr hübsches Bild ab. Meine Herzdame trägt ihr strahlend blondes Haar hochgesteckt, dabei erinnert sie mich sehr an die entzückende Miss Meg Ryan, etwa wie in „E-Mail für Dich“.
Jetzt sagt sie gerade, dass sie das Paar am Nachbartisch ganz niedlich findet. Ich sehe allerdings nur zwei junge Erwachsene, die nach meinem Geschmack optisch nicht in dieses Restaurant passen. Das Mädchen trägt ein Roséfarbenes Sommerkleid, und dazu schwarze, offene Sandalen. Er sitzt da in blauer, leicht ausgewaschener Jeans und weißem Hemd, das er wenigstens in die Hose gesteckt hat. Und dennoch finde ich, wirkt er wie bestellt und nicht abgeholt. Sein kurzgeschnittenes braunes Haar steht überall von seinem Kopf ab, als sei er gerade erst aus dem Bett gestiegen. Ein witziges Bild, das die beiden da abgeben. Ich bin mir sicher, so hatte Constanze das wohl auch gemeint.
Der Kellner hatte vor wenigen Augenblicken Champagner serviert, den meine Freundin bestellt haben muss, als ich kurz nicht aufmerksam gewesen bin. Als sie mich heute hierher eingeladen hatte, sprach sie von „einem Grund zum feiern“.
Bisher hatte sie mir diesen Grund jedoch noch vorenthalten - wahrscheinlich um es spannend zu machen - dabei weiß sie doch, dass ich ein sehr geduldiger Mensch bin. Aber was kann denn der Grund sein, um den Champus zu rechtfertigen?
Sie umfasst meine rechte Hand mit den ihren und streichelt sie zärtlich. Sie möchte mir wohl etwas sagen:
„Schatz, ich habe mit dir eine wundervolle Zeit verlebt und ich bin sicher, dass sie ohne dich weniger wundervoll verlaufen wäre. Ich liebe dich.“. Schmatz. Wir küssen uns.
„Wenn man etwas sehr mag und es einem Glück schenkt, dann möchte man es nicht mehr hergeben, weil es erst die Erfüllung für einen ausmacht.“. Sie sucht nach Worten.
„Ich möchte, so wie wahrscheinlich alle, dieses Glück behalten und ich will, dass es mich mein ganzes Leben lang begleitet, und mir noch viele schöne Momente schenkt. Und dieses Glück bist du.“.
Schluck. Was will sie mir damit sagen?
„Würdest du sagen, dass du eine glückliche Zeit mit mir hattest?“. Was für eine Frage...
„Natürlich, Liebling. Aber das weißt du doch.“
„Wärst du dann auch bereit, mit mir den Bund der Ehe einzugehen?“
Schluck.
Schluck, schluck.
Ich suche verzweifelt nach den richtigen Worten, doch in meinem Kopf herrscht das totale Chaos.
Wieso nur das? Warum können wir nicht einfach so weiterleben wie bisher?
„Schatz, weshalb schwitzt du so? Ist dir nicht gut? Kannst du nicht sprechen?“
Nein. Ich. Kann. Nicht. Sprechen.
„Ichch, ich ..., irgendwie habe ich ein wenig Halsweh. Ich denke, ich habe mich erkältet.“
„Jetzt, im Sommer?“
„Vielleicht ist es eine Sommergrippe, ich weiß es nicht genau.“
„Aha. Also, Schatz, wie denkst du über eine Heirat?“
Schluck.
Alles wird dunkel um mich herum. Ich sehe Conny nicht mehr.
Verdammt! Ich bin vom Stuhl gefallen.
„Hast du dir was getan, Schatz? Ich fange an mir Sorgen um dich zu machen. Lass uns jetzt lieber gehen, ja Schatz?“
„Nein, nein. Mach dir mal keine Sorgen um mich. Das war nur ein kleines Problem mit dem Kreislauf. Entschuldige mich bitte für einen Moment, ich gehe kurz zum WC.“.
Schnell Weg.
Luft holen.
Verdammt!
Verdammt, verdammt!!
Ich hätte es wissen müssen, irgendwann wollen Frauen so etwas immer. Alle. Leider.
Hm, was macht denn der da? Im WC steht ein Kerl vor dem Händetrockner - rücklings, mit ausgestrecktem Hinterteil!
Ich tue so als würde ich ihn gar nicht bemerken und halte meinen Kopf knapp über das Waschbecken. Ein paar Spritzer kühles Wasser dürften genügen, um meinen Kopf wieder klar zu bekommen. Ahhh, das tut wirklich ausgesprochen gut.
Eah, ich hätte den Blick in den Spiegel besser vermeiden sollen. Meine Güte, ich bin kreidebleich und meine Haare sind nass durch den Schweiß.
Ich gebe zu, ich hatte vor einiger Zeit selbst schon den Entschluss gefasst, Conny zu heiraten, ich glaube es war im letzten Jahr, an meinem neunundzwanzigsten Geburtstag. Aber danach, na ja, wie soll ich es erklären, ich hatte angst davor gehabt, eine „erzwungene Partnerschaft“ zu führen. Das tolle an einer Beziehung ist schließlich die Freiheit. Man behält immer kleine Geheimnisse für sich, denn erzählt man dem Partner von allen Sehnsüchten und Träumen, von den verborgenen Neigungen in sich und sonst was, so könnte es den anderen verletzen oder abstoßend auf ihn wirken, was das Ende jener Beziehung zur Bedeutung haben könnte. Eine Ehe ist so, ..., so ..., so ... absolut, dass man alles miteinander bespricht, denn wer wird schon einen solchen Bund wegwerfen, wenn der Partner einem offenbart, dass er auf pornographische Filme steht, oder während jeden Aktes an Menschen des gleichen Geschlechts denkt?
( Das sollte jetzt keine Offenbarung aus meinem Leben sein, es soll lediglich als verständliches Beispiel dienen! )
Außerdem sind wir gerade erst vor zwei Monaten zusammengezogen, deshalb erscheint mir das Ganze doch etwas verfrüht.
Gut, wir sind jetzt seit knapp sechseinhalb Jahren zusammen, wir kennen uns quasi in und auswendig. Größtenteils, denke ich zumindest.
Wir wird es dann sein, wenn wir verheiratet sind? Dieser Gedanke ängstigt mich irgendwie; ich stelle mir unser Leben folgend vor:
Conny arbeitet weiter als PR-Agentin. Sie kommt eines Abends nach Haus und beichtet mir, sie sei schwanger. Anschließend trägt sie das Kind aus wird in der Folgezeit durch ihre Hormonschwankungen äußerst barsch in ihrem Verhalten mir gegenüber.
Ich meine, wir hatten bisher wirklich eine schöne Zeit ohne größere Reibereien. Wieso sollten wir uns also der Gefahr aussetzen, dass unser Schiff eines Tages einen Gletscher rammt und schwere Schäden mit sich nimmt?
Vielleicht ist es ihre biologische Uhr, die nun zu laufen begonnen hat. Dann allerdings wäre es besser für uns beide, wenn sie diese um ein paar Jahre weiterstellen würde. Denn ich fühle noch nicht diese Reife in mir, solch ein Leben einzugehen. Ich bin noch nicht so weit; wenn ich es überhaupt jemals sein werde.
Ups! Ich sollte wohl wieder zu unserem Tisch zurückkehren. Conny wird sich schon Sorgen machen, wo ich so lange weg bleibe.
Ich kann sie sehen, sie dreht gerade den Kopf in meine Richtung. Nach einem fröhlichen Gesichtsausdruck sieht es aber nicht aus.
„Geht es jetzt wieder, Robert?“
„Danke, ich kann dich hören, ich kann noch reden, kann noch sehen. Ja, ich denke, mir geht es gut.“
„Vielleicht habe ich dich mit dem Antrag etwas überrumpelt, Schatz. Ich erwarte jetzt aber noch keine Antwort von dir. Es ist nur so, ich wünsche es mir von ganzem Herzen, verstehst du?“
Ich nicke, ohne dabei in ihre Augen zu sehen.
„Das ist kein dummer Splin, den ich mir in den Kopf gesetzt habe.“
Autsch. Sie ist ziemlich verletzt. So wie sie es sagt, ist sie sicher sehr, sehr enttäuscht.
„Ich hatte halt gedacht, dass du es auch willst.“
„Aber natürlich will ich es auch.“
Mist! So hatte ich es gar nicht sagen wollen.
„Das heißt, du wirst mich heiraten?!“
„Natürlich, Schatz.“
Nein, nein! Ich Idiot! Ich wollte sie aufmuntern und einen Aufschub erwirken, aber jetzt habe ich genau das Gegenteil davon erzeugt.
„Du sagst also ja?“
„Ja?“
Grins. Strahl.
Du Idiot! Wie soll ich da nur wieder herauskommen, ohne Conny zu verletzen? Ich befürchte, dieses JA ist unwiderruflich.
Der nächste Morgen:
Trotz all der quälenden Gedanken am vorigen Abend muss ich zugeben, was ich heute Nacht erlebte war besser als alles zuvor da gewesene. Besser als die anfängliche Leidenschaft, und auch besser als diese besonderen Zärtlichkeiten nach einem Streit. Und wenn ich ehrlich bin, als ich gestern in dieses hoffnungsfrohe Gesicht blickte, sah ich, wie glücklich sie tatsächlich mit mir sein musste, und das machte mich glücklich. Und irgendwie kann ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen, wieder ohne sie zu leben. Ohne sie zu sein bedeutete wahrscheinlich die komplette Auflösung meiner psychischen Existenz. Zumindest einen Teil meines Herzens würde es von mir wegreißen, wenn ich ohne meine bessere Hälfte leben müsste.
Es ist jetzt genau 8:52 Uhr und Constanze ist bereits seit 6:40 Uhr auf den Beinen. Und da heute Samstag ist, telefoniert sie seit sie wach ist. Ich denke, sie wird den ganzen Vormittag lang am Telefon verbringen, denn jede auch nur entfernteste Freundin muss doch schließlich auf den neuesten Stand gebracht werden. Was das angeht, habe ich keine Eile. Meine Freunde werden es schon noch früh genug von mir erfahren, falls das nicht schon vorher durch Connies Freundinnen getan werden sollte.
Oh, aber ganz ernsthaft: ich könnte heulen. Verflixt noch mal, wieso musste ich ihrem Wunsch zusagen? Es ist doch auch nicht in Connies Interesse, wenn ich sie schweren Herzens, nein, nicht schweren Herzens, aber ohne den eigenen Willen, ohne eine echte Überzeugung heirate, oder? Ich wünschte mir, ich könnte ihren Enthusiasmus teilen, aber das kann ich nicht. Ich habe einfach angst davor, auch wenn ich nicht sagen kann, warum. Ich mag einfach nicht.
Ob sie die Hochzeit abbläst, wenn ich ihr sage, ich hätte dagegen eine Allergie?? Und es wäre eigentlich auch nicht gelogen.
Ach, was solls? Verliere ich eben wieder meine Freiheit. Das ist fast so, als ob ich wieder bei meinen Eltern einziehen würde ...
Gut, ich gebe zu, dass das ziemlich übertrieben war, aber meine Freiheit, im Grunde tun und lassen zu können was ich will, ohne mich deswegen rechtfertigen zu müssen, werde ich definitiv verlieren. Arividercì. Adé. Auf Wiedersehen. Leb wohl.
Noch haben wir beide unsere eigenen Leben, die außerhalb des bestehenden Beziehungs-Universums stattfinden; einerseits führen wir jeder sein eigenes Leben, und andererseits das Beziehungsleben gemeinsam. Zwar reden wir von „unserem“ Geld, dennoch hat jeder seine Beträge, über die er vollkommen frei verfügen kann. Aber wird das auch in Zukunft so bleiben? Mir geht es nicht um das Geld selbst, nur um die Situation, dass ich selbst entscheiden kann, was ich damit machen werde, ohne ihre Zustimmung einholen zu müssen.
Eine selbstständige Entscheidung treffen, dass brauche ich, um mich nicht eingeengt zu fühlen. Ich brauche diese bedingte, oder unbedingte Eigenständigkeit. Nicht immer nur „wir“, sondern auch „dein“ und „mein“, „du“ und „ich“. Wenn ich heimkomme mit einem Geschenk für sie in meinen Händen, dann tue ich das doch nicht aus reiner Selbstverständlichkeit. Damit möchte ich lediglich erreichen, dass sie glücklich ist, und vielleicht, dass sie meine Aufmerksamkeiten als kleine Schritte meines Herzens ansieht.
Constanze ist mir wichtig wie nichts in meinem Leben; unsere Beziehung zueinander wird von echter Liebe gehalten, keine Frage. Das eben diese verbindende Kraft uns verlassen könnte, nachdem wir vor den Altar geschritten sind, bleibt weiterhin meine große Angst und die schlimmste Befürchtung, die ich gezwungenermaßen mit einkalkulieren muss. Und was bliebe uns dann noch, wenn die Liebe von uns gehen würde?Junggesellenabschied
Sechs Wochen später:
Conny hat schon alles ins Rollen gebracht. Mit Hilfe ihrer gesamten Familie und ihrer Freundinnen kommt der Hochzeitsplan stetig der Realität ein wenig näher. Und ich hingegen hatte viel Zeit zum nachdenken gehabt und konnte währenddessen meine verworrene Gefühlslage wieder etwas stabilisieren. Immerhin lastet das kurz bevorstehende Ereignis nicht mehr ganz so schwer auf mir.
Nicht das ich mich jetzt darauf freuen würde, immerhin glaube ich noch immer, einen Teil meiner eigenen, ohnehin nur noch winzigen Freiheit einbüßen zu müssen. Doch ich versuche, wenn auch nur ganz langsam, mich damit abzufinden. Ich arbeite noch einen Kompromiss aus zwischen uns beiden, der in Zukunft von mir verlangen wird, das Beste aus allem zu machen und für Conny bedeutet, mich nicht zu sehr einzuengen. Und der Kompromiss wird endgültig schon in genau einem Monat seine Premiere haben: am Tag unserer Hochzeit.
Der Tag des Junggesellenabschieds:
In den letzten Tagen konnte ich aufgrund der ansteigenden Nervosität kaum noch schlafen. Viele Fragen plagen meine Psyche und ich bin ständig auf der Suche nach dem rettenden Ausweg. Bei jedem Gedanken an die Hochzeit beginnt mein Herz heftiger zu schlagen - nicht vor Freude, sondern weil ich mich noch immer in die Enge getrieben fühle. Einige Nächte zuvor hatte ich einen erschreckenden Albtraum: Constanze und ich standen vor dem Traualtar in der Kirche, die bis in die letzte Reihe gefüllt war. Conny trug ein wunderschönes (natürlich ein weißes!) Brautkleid. Sie sah sehr schön und zufrieden aus. Ich trug einen schwarzen Anzug, dazu ein weißes Hemd und eine schwarze Fliege. Erinnert irgendwie an eine Beerdigung. Meiner eigenen?
Der Pfarrer hielt seine Rede. Dann stellte er Constanze die eine Frage, die sie selbstverständlich ehrlich mit „Ja, ich will“ beantwortet hatte.
Dann kam ich an die Reihe: auf die Frage des Pfarrers hatte ich nichts entgegnet, weil ich ihn scheinbar nicht verstehen konnte. Als hätte er seine Rede auf lateinisch fortgesetzt. Alle Menschen in der Kirche, einschließlich der Trauzeugen Christina und Dariusz, sahen mich wütend an. Auch Conny drehte sich zu mir um und sagte:
„Los, sag es! Jetzt sofort!“
Ich sagte nichts. Was hätte ich denn sagen sollen, wenn ich die Frage nicht verstand?
Wieder richtete der erboste Pfarrer kopfschüttelnd die Frage an mich, jetzt sprach er deutsch - zumindest vernahm ich es dieses Mal so. Ich hatte auch antworten wollen, ich wollte sagen „Ja, ich will“, doch jetzt verstand ich meine eigenen Worte nicht. Diesmal war ich derjenige der in Latein sprach, und da wachte ich dann auch schon auf. Genau das würde mir ausgerechnet noch fehlen, dass mir nachher die Stimme versagt, während der Traurichter mich aus schläfrigen Augen vorwurfsvoll anblickt. Ein peinlicher Gedanke - der mir nur allzu realistisch erscheint. Leider, doch so ist es nun mal.
Das Erste was ich heute morgen tat war, einen Anzug auszuleihen. Verdammt, ich stand einen Tag vor der Hochzeit ohne Anzug da! Ist das nicht deutlich genug, wie groß mein Bammel vor dem Tag X ist?
Oh, es wird jetzt wohl langsam Zeit, zu gehen. Meine Kollegen dürften gleich hier sein, um mich zu meiner Junggesellenabschiedsparty abzuholen.
Klingeling.
Da sind sie auch schon.
„Hallo.“, begrüße ich sie alle, sehr überschwänglich, wie es immer meine Art ist. Und schon sind wir weg.
Wir fahren jetzt in Theos Kneipe, wo uns der ganze hintere Bereich den Abend über gehören wird. Wunderbar. Ich bin schon gespannt wie ein Flitzebogen, was die Jungs heute für mich alles arrangiert haben. Ich weiß jedenfalls, dass ich auf gar keinen Fall Alkohol trinken werde; es wäre kaum förderlich in meiner Situation, wenn ich verkatert beim Standesamt erscheinen würde, aber das versteht sich ja von selbst.
In wenigen Augenblicken haben wir „Theos Schuppen“ erreicht. Schleichend fährt Dariusz auf den kleinen Parkplatz am Hintereingang und stellt den Wagen links neben der großen Linde ab. Dariusz, Carsten und ich gehen jetzt in das Lokal unseres gemeinsamen Freundes hinein. Wir begrüßen Marta, die Frau von Theodor und gehen nun geradewegs nach hinten. Und da warten alle bereits auf uns: Bernd, Michael, Angelo, Friedrich, Martin, und Theo natürlich. Alle begrüßen mich und Angelo reicht mir das erste Bier. Behutsam nippe ich daran; ein oder zwei Gläser werden mich schon nicht fertig machen. Ich schaue zu den Jungs, die gerade damit beginnen, Späße über die Ehe zu machen. Theo sagt:
„Du weißt, dass du ab morgen zu einem Zombie mutieren wirst? Sieh dir doch nur meine ärmliche Gestalt an!“ Er unterstreicht seine Worte dadurch, dass er sich gerade mit den Händen durch die spärlichen, blonden Haare, auf seinem zu groß geratenen Kopf, fährt.
„Mein geliebter Hausdrache frisst mir noch die letzten Haare vom Kopf.“
Friedrich ist der einzige Alleinstehende in unserer Männerrunde heute Abend, den wir eigentlich nur „Dickie“ nennen, weil er sich fast immer mit Sweatshirts einer Marke kleidet, die genau diesen Namen trägt. Er sagt gerad auch was:
„Tja Leute, ich habe für Robert ein schönes Hochzeitsgeschenk besorgt. Du hast doch Schuhgröße dreiundvierzig, oder Robby?“
„Ja.“, antworte ich. „Warum?“
„Na, ich habe dir als angehenden Pantoffelheld ein paar Hausschuhe beschafft.“
Das Lachen hält sich bei mir in Grenzen. Langsam halte ich es doch für besser, mich gnadenlos zu betrinken und heute Nacht auf dem Fußboden in der Kneipe zu übernächtigen. Ansonsten könnte ich noch in ernsthafte Depressionen abrutschen.
Angelo, der erst vor kurzem, mit achtundzwanzig Jahren (!) eine feste Partnerschaft mit einer Frau eingegangen ist, weil er vorher das leichte Leben eines gutaussehenden Halb-Italieners lebte, hält nun ein Feuerzeug in die Höhe und wedelt damit umher.
„Wisst ihr, vielleicht liege ich ja falsch, trotzdem denke ich: angenommen, diese Flamme hier stehe symbolisch für Roberts Lebensgeist, und jetzt schaut genau hin, was morgen damit geschieht, direkt nach dem Ja-Wort.“ Er löscht die Flamme, und alle lachen sich halbtot, bis auf mich.
„Nimm s nicht so schwer, Kumpel. Das Leben wird bestimmt nur schöner für euch beide.“, sagt er aufmunternd.
Ich lächle ihm ironisch entgegen.
Nach und nach lasse ich Hohn und Spott über mich ergehen. Sicherlich bekomme ich auch irgendwann die Chance dazu, dasselbe mit den anderen zu machen. Und dann werden sie leiden müssen, denn ich vergesse nichts.
Je länger dieser Abend sich so hinzieht, umso deutlicher wird für mich, wie nah ich meinem neuen Leben bin. Ich hatte keine Probleme mit meinem dreißigsten Geburtstag, den ich am Anfang des Jahres gefeiert habe, obwohl mich der Gedanke, die dreißig zu überschreiten, schon mit fünfundzwanzig plagte. Ehrlich gesagt, ich hatte immer vor dem bevorstehenden Alter Angst, doch war dieser Abschnitt irgendwann erreicht, war nichts anders als zuvor. Wir alle reifen doch stets mit der Zeit, ohne es zu bemerken.
Wahrscheinlich werde ich in ein oder zwei Jahren über die ganzen Ängste vor der Ehe nur lachen können. Aber dorthin muss ich erst mal kommen. Irgendwie werde ich es schon schaffen.
Bernd erhebt sein Glas und deutet eine Rede an:
„Alter Freund, wir kennen uns seit unserer Jugend, und ich bin, wie übrigens auch alle anderen hier im Raum, stolz auf dich. Du hast nun den Mut bewiesen, einen neuen Weg einzuschlagen, den viele Männer aus Angst meiden, oder warum auch immer. Sie bleiben lieber allein, wie Dickie, akzeptieren es, niemanden in ihrer Nähe zu haben, der sie liebt. Wobei ich anmerken möchte: Dickie, wir lieben dich alle.
Aber nun wieder zurück zu Robbie. Sei froh, dass du eine Frau wie Constanze an deiner Seite hast, und sei noch froher, dass diese Frau dich wirklich liebt. Ich vermute, jeder im Raum wird mir zustimmen.“
Alle singen ein JA im Chor.
„Und weil sie so eine besondere Frau ist, haben wir uns gedacht, wäre eine Stripperin wohl eine Beleidigung ihr gegenüber. Und zwei wären doch langweilig und für den Junggesellenabschied unwürdig, oder?“
Alle schütteln entsetzt mit dem Kopf.
„Deshalb haben wir dir ... etwas zu lesen besorgt. Quatsch. Ich habe die drei heißesten Frauen aufgetrieben, die man in der Umgebung Mannheims finden kann! Von ganzen Herzen wünsche ich dir heute Abend Spaß den wir übrigens auch selbst haben werden; ich musste auch unser Wohl mit einplanen. Genieße es, denn du wirst von nun an nur noch diese eine Frau haben, die letzte deines Lebens. Angelo, du kannst sie jetzt reinholen.“
Drei gutaussehende Damen betreten jetzt den Raum. Eine von ihnen trägt so etwas, das wohl eine Krankenschwester darstellen soll; mit schwarzen Lackstiefeln und weißem Mini-Rock. Die nächste ist mit einem blauen Overall und einem weißen Top gekleidet. Und die dritte sieht wie eine Table-Dancerin aus; oben ein knappes Top aus Lack, hauteng in Rosa; und unten ein schwarzer Mini-Rock aus demselben Material.
Sie beginnen jetzt, um mich herum zu tanzen. Und ich würde lügen, behauptete ich, es gefiele mir nicht. Mein Gesicht ist bestimmt ganz rot vor Verlegenheit. Die blonde Krankenschwester, höchstens zwanzig schätze ich, setzt sich gerade auf meinen Schoß. Die in dem Overall entledigt sich gerade dem besagten Kleidungsstück. Und die andere Lady steht hinter mir und fährt mit ihren Fingerspitzen über meinen Nacken. Ich muss zugeben, die drei sind echte Koryphäen auf ihrem Gebiet. Zum Glück habe ich mich bestens unter Kontrolle.
Denn ich würde jetzt schon gerne verdorbene Spielchen mit allen drei Frauen treiben und die Jungs nach Hause schicken... Aber das ist wohl der Sinn, warum man so Junggesellenabschiede feiert. Und während ich noch in pubertären Gedanken schwelge, muss ich erkennen, dass sich alle drei Damen mittlerweile nur noch in String-Tangas und Schuhen vor mir räkeln. Damit dürfte das Highlight des Abends schon gleich seinen Abschluss gefunden haben und wir versinken wieder in der Langeweile.
Während die anderen Jungs über den Auftritt der Nackedeis reden, sitze ich etwas abseits von ihnen an einem kleinen Tisch und spiele mit einem sehr scharfen Fleischermesser herum warum hat Theo es eigentlich hier liegen gelassen? Wahrscheinlich war er vorhin so aufgeregt gewesen wegen der Stripperinnen, dass er es vollkommen vergessen hatte.
Ich halte das Messer mit der klinge nach unten in der linken Hand und die Spitze berührt den Tisch. Ich hab den Namen dieses dämlichen Spiels vergessen, wobei man zunächst neben dem Daumen beginnt, dann zwischen Zeige- und Mittelfinger sticht, wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt, zwischen Mittel- und Ringfinger sticht, usw. Genau das mache ich jetzt gerade, höchst konzentriert, natürlich.
Und eins, zwo, drei, vier. Eins, zwo, drei, vier. Und noch mal das Tempo erhöhen. Eins, zwo, drei, vier. Und noch einmal, eins zwo, dr... ahhh! Mein Gott, der Rechte Ringfinger liegt auf dem Tisch! Abgetrennt! Dickie hat mir gerade so fest und von mir unbemerkt auf den Rücken geschlagen, dass ich aus dem Takt gekommen und abgerutscht bin.
„Scheiße! Du Schwachkopf! Verdammte Scheiße!“
„Er muss sofort ins Krankenhaus.“, sagt Bernd. Alle ziehen sich ihre Jacken an und Theo holt seine Frau, die uns hinfahren soll, denn alle hatten ja schon etwas zuviel getrunken.
Ich schaue ungläubig auf meine rechte Hand. Wenn ich eines bestimmt nicht gewollt hätte, dann wohl, mir den Finger zu amputieren, um einen Grund zur Verschiebung der Hochzeit zu haben. Selbstverstümmelung ist für mich keine wirkliche Alternative zur Selbstaufgabe.
„Marta sitzt schon im Wagen. Warte Robert, ich leg den Finger auf Eis.“, sagt Theo, während er den Finger vorsichtig in eine kleine, mit Trockeneis gefüllte Kühlbox legt.
Er trägt sogar Schutzhandschuhe, um den Finger nicht mit Bakterien zu verunreinigen.
Dieses Pochen, gemischt mit einem Brennen, wird immer stärker. Und eben wäre ich beinahe bewusstlos geworden, außerdem ist mir speiübel. Während der Fahrt halte ich meine verbundene Hand, die immer stärker schmerzt. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass irgendetwas mehr Schmerzen bereitet, als sich einen Körperteil abzutrennen, wahrscheinlich sind nur Verbrennungen noch schlimmer.
Was soll ich jetzt bloß Conny sagen, wenn sie davon erfährt und mir unter die Augen tritt? Sie wird sicher denken, dass ich es mit der Panik zu tun bekam und mir den Finger absichtlich abgeschnitten habe, um nicht heiraten zu müssen. Das liegt ja auch sehr nahe, gerade was meine Heiratsphobie angeht. Doch so zynisch ist Conny eigentlich nicht, dass sie mir womöglich derartige Unterstellungen machen würde.
Fakt ist, mir graut es jetzt noch mehr vor morgen, als noch vor einigen Stunden. Wir werden zwar nicht heiraten, doch die Enttäuschung in Cornelias Augen wird mir mit großer Sicherheit das Herz brechen. Was würde ich nicht alles dafür hergeben, um es wieder rückgängig zu machen.
Wir sind jetzt am Krankenhaus angekommen. Hoffentlich hatte der Chirurg heute genügend Schlaf bekommen, denn ich brauche meinen Finger unbedingt zurück. Sonst müssen wir einen Ring machen lassen, der mir auf den Mittelfinger passt, oder auf den kleinen Finger ...Die Flucht
Der nächste Morgen:
Ich hatte die ganze Nacht im Krankenhaus verbringen müssen. Der Arzt schien sehr zufrieden mit seiner eigenen Arbeit gewesen zu sein und versprach mir beste Heilungschancen. Beide Hände hatten nun wieder je fünf Finger.
Wie Conny reagiert hat? Meinen Erwartungen nach entsprechend. Ob ich noch bei Trost bin? Wir hätten doch über alles reden können. Ob es wirklich ein Unfall gewesen sei und ob ich die Hochzeit wirklich noch wolle. Wie gesagt, ihre Reaktion war verständlich und zu erwarten gewesen. Ich hätte an ihrer Stelle bestimmt dasselbe gedacht.
Laut Aussage des Arztes musste der Finger mindestens zwei bis drei Monate beobachtet werden, ehe er sagen könne, ob es einer weiteren OP bedarf, oder nicht. Darum verschob Conny die Hochzeit erst einmal auf unbestimmte Zeit.
Eins zu null für mich. Aber eben nur auf unbestimmte Zeit.
Zweieinhalb Monate darauf:
Das mit dem Finger war glimpflich ausgegangen. Er funktionierte wieder genauso wie vor dem Unfall. Und die Narbe würde vom Ehering verdeckt werden. Also ab heute.
Ja, heute ist die Hochzeit! Und ehrlich gesagt habe ich mich in der letzten Zeit wie ein Kandidat in der Todeszelle gefühlt, der auf seine Hinrichtung wartet und von der Frage gequält wird, wann er endlich von dem grausamen Warten erlöst sein wird. Somit hatte ich Antrag auf vorzeitige Terminierung der Hinrichtung eingereicht, dem kurz darauf auch entsprochen werden konnte.
Kurzum, ich habe Conny regelrecht zu einem schnellen Termin gedrängt. Und ich will es heute unbedingt hinter mich bringen, doch sie überrumpelte mich gestern Abend mit einer schockierenden Nachricht: sie sei schwanger. Erst heiraten, dann Vater sein. Zuviel auf einmal für einen Angsthasen wie mich.
Ich sitze bereits im hinteren Bereich des Standesamtes und warte darauf, von der Beamtin abgeholt zu werden. Neulich sprach ich mit meinem Freund Georg, er ist Psycho-Therapeut, über meine Vorgeschichte. Er erzählte mir, ich hätte aus dem tiefsten Unterbewusstsein gehandelt. Eine mir nicht bekannte Aversion gegenüber Constanze ließe mich zur Selbstverstümmelung neigen. So ein Quatsch! Es war ein Unfall gewesen, oder hatte er vielleicht doch recht, schließlich war das seine Domäne? Nein, meine seelische Verfassung kann nach wie vor nichts für Dickies Handlungsweisen. Oder habe ich es vielleicht darauf angelegt, dass mich jemand zu der Tat verleitet?
Dieser Unsinn bringt mich gerade dazu, James Caan vor Augen zu haben, wie er in „Misery“ ans Bett gefesselt da liegt und Katie Bates gerade auf ihn einredet. Die altbekannte Panik ist wieder zurück in meinem Kopf. Meine Hände zittern und mein Herz rast wie wild. Und ich sehe alles etwas verzerrt.
Ich schaue mal kurz nach, ob die Standesbeamtin kommt. Da ist sie! Es ist jetzt so weit! Jeden Moment werde ich die „Grüne Meile“ entlang schreiten, um an den elektrischen Stuhl gefesselt zu werden. Und Tom Hanks wird wieder nichtstuend dastehen und mit Tränen in seinen Augen zusehen.
Ich kann nicht. Es geht nicht. Ich werde das Erwartete nicht über meine Lippen bringen können.
Ich.Will. Ich will nicht. Ich werde es nicht sagen können.
Mir fällt gerade auf, dass der Raum eine zweite Tür hat. Ich öffne sie und ich renne, so schnell mich die Füße tragen. Ich habe jetzt das Standesamt verlassen.
Endlich frei. Da drüben steht mein Wagen. Ich steige ein und fahre mit quietschenden Reifen los. Einfach weg. Bloß weg von hier, irgendwohin. Vielleicht denken sie ja, dass ich tot bin. Hoffentlich tun sie das. Ich fahre ziemlich schnell, habe schon die Landstraße außerhalb von Mannheim erreicht. Noch immer atme ich wie ein Asthmatiker.
Jetzt krieg dich wieder ein, verdammt!
Mein Handeln wird mir langsam bewusst. Was bin ich nur für ein Idiot! Ich muss wieder wenden. Linksherum.
Verdammt, ich bin zu schnell! Baum, weg da!
Bums.
Das war so nicht geplant. Der Wagen gibt keinen einzigen Mucks mehr von sich. Also muss ich bis zur nächsten Bushaltestelle laufen. Das dürfte ziemlich weit sein, denn mir ist auf der Hinfahrt nichts dergleichen aufgefallen.
Ich zücke mein Handy, damit ich Conny sagen kann, dass es sich etwas verschiebt. Verdammt! Der Akku ist leer. Warum hab ich es heute morgen nicht aufgeladen?
Seit Conny mich fragte, ob ich sie heiraten wolle, existiert eine Blockade in mir, die mich alles vermasseln lässt. Ich hatte es doch eigentlich so schnell wie möglich hinter mich bringen wollen. Und dann laufe ich davon! Und das Einzige was ich tue ist, Conny zu enttäuschen und zu verletzen. Wenn ich wenigstens wüsste, warum ich ständig so einen Mist baue, dann ginge es mir gleich etwas besser. Doch ich verstehe es selber nicht.
Ich liebe sie, aufrichtig. Aber ich kann es scheinbar nicht über mich bringen, mein Leben für unser gemeinsames herzugeben. Jeden Tag ihr Gesicht zu sehen, mit ihr das Bett zu teilen, für den Rest meines Lebens. Unseres Lebens. Wie soll das nur funktionieren?
Wenn ich andererseits bedenke, dass ich seit elf Jahren für das selbe Unternehmen arbeite, fällt mir auf, dass ich mir nie die Frage gestellt habe, ob ich es langfristig dort aushalten könnte, und ich habe auch nicht im geringsten das Gefühl, es gefiele mir dort nicht mehr.
Es ist schon irgendwie sehr eigenartig, dass gebe ich zu. Vielleicht habe ich mir einfach zu viele Gedanken über die Ehe gemacht, hatte dabei zu viele Vorurteile. Ich wäre wohl besser damit beraten gewesen, es einfach anzugehen und alles entstehen zu lassen. Was auch immer der Grund war, es ist jetzt nicht mehr rückgängig zu machen.
Die Einsicht
Auf der rechten Seite von mir sehe ich ein Gebäude, etwa sechshundert Meter entfernt. Da kann mich doch bestimmt jemand nach Hause fahren, oder mir wenigstens ein Taxi und einen Abschleppwagen bestellen.
Je näher ich dem Gebäude komme, umso mehr erscheint es mir so, als sei dies ein Kloster. Ich war mir nicht bewusst, dass wir hier in Hessen so etwas haben. Wenn ich richtig liegen sollte.
Es ist tatsächlich ein Kloster. Auch gut. Ich trete ein. Ein Mann in brauner Kutte tritt mir entgegen ich wette, er ist Mönch.
„Kann ich Ihnen helfen, junger Mann? Oh, Sie sind ja verletzt, wie ich sehe. Kommen Sie mit mir, dann wird sich eine Schwester um Sie kümmern.“
Schweigend folge ich ihm. Glücklicherweise hat er kein Schweigegelübde abgelegt.
„Das ist Schwester Agneta. Sie wird die Wunde an Ihrem Kopf säubern und verbinden. Schwester Agneta, bringen Sie den Herrn anschließend in den Speisesaal, damit er sich stärken kann. Ich bringe Sie danach in eines unserer freien Zimmer, dort können Sie sich etwas erholen.“
Er verlässt den Raum und die ältliche Schwester bittet mich darum, auf der Liege Platz zu nehmen.
„Wie ist es dazu gekommen?“
„Das war ein Autounfall. Ich war auf der Landstraße, wollte wenden und bin dabei gegen einen Baum gefahren, der irgendwie im Weg stand.“
„So etwas passiert bestimmt nur, wenn man etwas getan hat, was man nicht so hatte tun wollen, oder nicht?“
„Ich sollte heute Morgen heiraten, aber ich bin aus Angst davor geflohen. Als mir klar geworden ist, dass es falsch war, wollte ich zurückkehren. Doch der Baum ließ mich nicht gewähren.“
„Nun, lieben Sie Ihre Verlobte nicht?“
„Ich hatte Angst vor der Situation. Trotzdem liebe ich sie über alles, nach wie vor.“
„Warum haben Sie dann Angst davor, diese Frau zu heiraten? Ich dachte, dass heiratswillige Menschen sich darauf freuen und nicht davor weglaufen.“
„Ich weiß auch nicht, aber ich will es zu einem unbestimmten Teil auch sehr, sehr gern. Aber der andere Teil ist stärker und lässt es nicht zu, dass es dazu kommen kann.“
„Armer Junge. Gott wird Ihnen schon noch den richtigen Weg zeigen. Sie müssen es dann nur zulassen.“
Nachdem meine Wunde ausreichend versorgt ist, führt mich die Schwester nun zum Speisesaal. Es steht bereits Essen an dem für mich vorgesehenen Platz.
Ich schlinge das Essen hinunter. Eine noch sehr junge Schwester setzt sich auf den Platz mir gegenüber.
„Guten Tag. Ich bin Schwester Sandrine. Und wie heißen Sie?“
„Ich heiße Robert.“
„Hatten Sie einen Unfall, Robert?“
„Ja, mit meinem Auto. Auf der Landstraße.“
„Schwester Agneta hat es mir gerade knapp zusammengefasst erzählt. Möchten Sie vielleicht etwas ausführlicher über Ihr Problem erzählen?“
„Wenn es Sie interessiert, Schwester Sandrine, und Sie nichts besseres zu tun haben.“
„Erzählen Sie ruhig, Robert. Ich höre Ihnen sehr gerne zu. Es kommen nur sehr selten Fremde in unsere Abtei. Also, bitte fangen Sie von vorne an.“
„Von vorn? Gut. Es ist einige Monate her, meine Freundin, Constanze, machte mir bei einem Abendessen einen Heiratsantrag. Ich habe ihrem Wunsch entsprochen, obwohl ich eigentlich mehr Angst verspürte als Freude. Bei dem Junggesellenabschied, einen Abend vor der Hochzeit, trennte ich mir - es war ein Unfall gewesen - den Ringfinger der rechten Hand ab. Ich hatte mit einem Fleischermesser herumgespielt und einer meiner Freunde, der nicht darauf geachtet hatte, stieß mich von hinten an. Da war es schon passiert. Die Hochzeit wurde also abgesagt und erst vor kurzem auf den heutigen Morgen gelegt. Gestern sagte mir Constanze, dass sie schwanger ist. Es war einfach zu wenig Zeit für mich gewesen, um es zu verarbeiten. Während ich allein im Standesamt auf alle wartete, befiel mich eine Panik, die ich nicht beschreiben kann. Ich floh und kollidierte anschließend mit einem Baum. Und jetzt bin ich hier.“
„Das ist wirklich eine traurige Geschichte. Darf ich Ihnen etwas über mich erzählen, etwas sehr persönliches?“
„Wenn Sie das möchten.“
„Also, gut. Ich war achtzehn, als ich mich dazu entschlossen hatte, eine Nonne zu werden. Später möchte ich gern Missionarin werden. Na ja, mich hielt nie etwas von meinem Vorhaben ab, und im nachhinein bereue ich nichts. Ich vermisse auch nicht die Männer, allerdings sind meine Erfahrungen auf diesem Gebiet eher spärlich gesegnet, wenn Sie verstehen. Doch wissen Sie, was ich wirklich von Herzen bereue? Was ich niemals tun darf, ich mir aber sehnlichst wünsche?“
„Keine Ahnung. Was ist es?“
„Der Bund der Ehe. Das ich niemals heiraten darf beschäftigt mich sehr. Verstehen Sie, Robert, deshalb - nicht nur, aber auch deshalb möchte ich Missionarin werden. Dann darf ich nämlich heiraten. Sie mögen davor fliehen, ich hingegen wünsche es mir so sehr, es ist ein großer Wunsch-Traum, den ich hege. Vielleicht sogar mein Lebensziel. Weil ich meine Liebe einem anderen Menschen schenken möchte. Stellen Sie sich die Frage, ob Sie bereit sind, alles für diese Frau herzugeben. Für ein gemeinsames Leben mit ihr und dem Kind. Sollte es nicht so sein, dann beenden Sie die Beziehung. Wenn Sie diese Frau nicht ausreichend lieben, werden Sie ihr nur allzu oft Schmerzen und Kummer bereiten. Das wäre nicht gut. Es wäre auch nicht in Gottes Sinn. Bei uns haben Sie alle Zeit der Welt, Ihre Gefühle zu überdenken. Denken Sie gründlich nach, Robert. Nicht wie es sein könnte, wie es ist oder war. Nur was Sie fühlen ist entscheidend. Denken Sie, wie es aus Sicht der Kirche ist: wollen Sie sie lieben, bis der Tod sie beide scheidet, oder sind Sie dazu nicht bereit? Denken Sie nach, und seien Sie aufrichtig zu sich selbst. Dann werden Sie die richtigen Antworten finden - mit Gottes Hilfe.“
Die Schwester zieht von dannen, nachdem sie diese aufwühlenden Worte an mich gerichtet hatte. Ich esse nun also den Rest meiner bereits kalt gewordenen Mahlzeit.
Der Mönch, der mich empfangen hatte, kommt auf mich zu, sicher, um mich auf das angekündigte Zimmer zu bringen.
„Sind Sie gesättigt?“
„Das bin ich. Vielen Dank, für Speis und Trank.“
„Seien Sie nicht mir dankbar, danken Sie Gott. Darf ich Sie nun zu Ihrem Zimmer führen?“
Langsamen Schritts geht der Mann voran. Irgendwie scheinen innerhalb dieser Mauern die Uhren langsamer zu laufen, als ich es sonst gewöhnt bin. Aber das ist gut so, denn Hektik ist nie hilfreich, wenn man vor einer schweren Entscheidung steht.
Wir sind in dem Zimmer angekommen. Obwohl es sehr klein ist und nur sehr spärlich ausgestattet, wirkt es warm und einladend auf mich. Der Mönch verlässt den Raum und ich lege mich erst einmal in das Bett. Ein bisschen Schlaf kann jetzt nicht schaden.
Vier Stunden später:
Ich fühle mich frisch und gestärkt. Aber ich habe, seit ich vor wenigen Augenblicken aufgewacht bin, die Worte der jungen Schwester im Kopf. Im Grunde hatte ich immer das zukünftige Leben gedacht, das Vergangene betrachtet und die gegenwärtige Situation. Natürlich dachte ich auch an die Liebe zwischen Conny und mir, aber dass sich an mir nichts änderte, wenn wir heirateten, das hatte ich nie näher in Betracht gezogen. Mein Status würde sich vielleicht ändern, aber ich selbst bliebe, was und wie ich immer war. Ich sehe in diesem Moment ein, dass meine Angst stets absolut unbegründet gewesen ist. Und mir ist auch klar, dass ich Constanze weiterhin wehtun werde, wenn ich nicht endlich von meinen eingefahrenen Sichtweisen abkommen kann.
Außerdem muss ich an unser Kind denken. Was soll ich später für ein Vorbild darstellen, wenn ich noch nicht einmal dessen Mutter zu heiraten imstande bin?
Ich muss es endlich tun. Falsch.
Ich will es tun, ich will sie heiraten.
Klingt es schon überzeugend genug?
Ganz sicher bin ich mir nämlich noch immer nicht dabei. Aus meinem tiefsten innersten kommt zwar die Zustimmung, doch mein oberflächlicher Geist hält mich weiterhin gefangen; versucht, all meine Pläne zu durchkreuzen.
Ein schwerer Schatten in meinem Kopf blockiert mein Handeln, nach wie vor, und ich weiß wirklich nicht, wie ich ihn vertreiben kann. Er liegt auch auf meinem Unterbewusstsein. Denn ich träumte in den Stunden zuvor, wie ich fortlief, ohne halt zu machen.
Vielleicht wäre es besser, wegzulaufen, statt es wieder und wieder nur zu versuchen. Ich könnte wieder nach Rosenheim zurückkehren, dort leben, wie den Großteil meines Lebens.
Mit jeder weiteren Minute kommen neue Zweifel auf. Ich weiß wirklich nicht ob es Constanze gegenüber fair wäre, eine Ehe einzugehen, in die wir gleich schon zu Anfang in einer höchst unguten Konstellation starten würden. Und das bedeutet eigentlich, dass auch unsere Beziehung keinerlei Bedeutung hat. Es ist doch möglich, dass ich mir die Gefühle zu ihr bloß einrede; ich mag sie, aber das Wort Liebe bedeutet soviel und wir alle sagen es zu schnell, ohne über unsere wirklichen, tiefgründigen Gefühle nachzudenken.
Genau in diesem Moment weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich fühle, oder was nur ansatzweise richtig sein könnte.
Mal sehen, ob sie noch etwas von der Abendmahlzeit für mich übrig gelassen haben.
Am nächsten Vormittag:
Nachdem ich am vorigen Abend etwas gegessen hatte, versuchte ich krampfhaft, mich zu entspannen. Was letzten Endes auch funktioniert hatte. Ich denke, heute dürfte ich genügend Kraft zur Entscheidungsfindung haben.
Ich sitze im Garten auf einer Bank und höre den Vögeln beim singen zu. Es ist sehr beruhigend, und ich merke erst jetzt so richtig, wie selten ich mich einfach treiben lasse und dabei grundlos dem Leben lausche. Wahrscheinlich habe ich das letzte Mal so als Kind gelebt.
Als Kind hat man nicht diese verwirrenden Gedanken, die das Gemüt ständig belasten. Besonders das Gewicht schwerer Entscheidungen lastet noch nicht auf den noch sehr schmalen Schultern eines heranwachsenden Kindes. Es hat einfach noch die Ruhe, die wir Erwachsenen längst hinter uns gelassen haben - leider, nichtstuend in die Welt zu hören und den Ballast von sich zu werfen.
Das ist das Schöne an diesem Augenblick: ich spüre, wie ich leichter werde, und ich glaube, gleich in die Luft aufzusteigen und als Wolke an den Himmel zu schweben. Ich möchte jetzt fortschweben von all diesen plagenden Gefühlen und Gedanken, den unwiderruflichen Taten und Worten. Frei von allem. Meine Sinne wiederentdecken und jeden einzeln nutzen. Riechen, schmecken, hören, sehen und fühlen - alles getrennt voneinander. Diese hektischen Zeiten erlauben nicht, dass du sie einzeln benutzt. Du brauchst immer wenigstens zwei davon.
Das ist schade. Schade um die einzigartige Kraft, die dir jeder Moment schenken kann. Es ist schade um die schöne Zeit, die du verpasst und es ist schade um die verlorene Erinnerung, die du niemals haben wirst. Schade.
Ich würde gern häufiger die Tiere im Freien beobachten, die scheinbar gedankenlos durch die Gegend tollen und nur ihren Instinkten folgen.
Sie zeigen mir, wie ich alles schaffen kann. Dazu muss ich nur in bestimmten Situationen die Ruhe bewahren und auf meine Intuition hören. Sie wird für mich die Entscheidung treffen, und es wird die richtige sein.
Ich lege nun meine ganze Hoffnung in sie, damit sie mir das Licht der Erkenntnis vor Augen führt. Ich vertraue auf sie.
Ich stelle mir Constanzes Gestalt vor und lasse mich auf mein Gefühl ein. Ich spüre die Sehnsucht nach ihr, wie sehr ich mich von ihr angezogen fühle, und diese Wärme, die sie mir schenkt.
Nie in meinem Leben musste ich etwas verlieren, was mir viel Kummer bereitet hatte, woran mein Herz wirklich gehangen hätte. Doch ich entdecke plötzlich die Furcht in mir, Constanze jemals verlieren zu müssen.
Es kommt etwa dem gleich, als ob ich mich selbst verlieren würde. Und nun spüre ich ein neues Gefühl von begründeter Angst in mir, nämlich, dass das Ende wahrscheinlich unabwendbar ist, weil ich alles zwischen ihr und mir zerstört habe. Mir würden nur noch die schönen Gedanken an unsere gemeinsame Zeit bleiben, speziell die Erinnerungen an sie.
Nein, ich will nicht in einigen Jahren an diesen Lebensabschnitt zurückdenken, während ich eine andere Frau liebe und mein Kind nicht bei mir ist. Ich spüre jetzt schon Wut und Missverständnis in bezug auf mein bisheriges Handeln, wie soll es dann erst zu einem späteren Zeitpunkt sein, wenn ich mir zu einhundert Prozent um die Konsequenzen bewusst bin?
Ich muss endlich das Richtige tun.
Ich muss unsere Liebe retten.
Jetzt erst spüre ich den Willen in mir, sie nie wieder gehen lassen zu wollen. Und ich weiß, ich muss wieder nach Hause, um ihr das klarzumachen. Hoffentlich will sie es auch noch. Gott stehe mir bei.Nach Hause
Schwester Sandrine steht mit mehreren Nonnen mitten auf dem Weg im Garten und sie unterhalten sich. Ich muss ihr mein neues Gefühl eröffnen.
„Schwester Sandrine, haben Sie einen Moment Zeit für mich?“
„Natürlich.“
Wir gehen von den Nonnen weg, während ich ihr meine Gedanken kundtue.
„Und haben Sie schon ein wenig über alles nachgedacht, Robert?“
„Ja, und ob. Ich will nichts mehr, als unser Kind und unsere Liebe zueinander wachsen zu sehen. Deshalb muss ich wieder zurück, um alles wieder gut zu machen.“
„Das klingt schön. Aber kommt es wirklich aufrichtig aus Ihrem Herzen?“
„Mein Herz hat die Führung über meinen Geist übernommen. Also, Schwester, wie komme ich von hier wieder zurück nach Mannheim? So schnell wie möglich?“
„Nun, ich könnte Ihnen nur ein altes Fahrrad anbieten. Sonst blieben Ihnen nur zu Fuß gehen oder per Anhalter fahren.“
„Das mit dem Fahrrad wäre toll. Und ich verspreche Ihnen, dass Sie es wieder bekommen werden. Und wenn ich Ihnen eine Einladung schicke, würden Sie dann auch zu unserer Hochzeit kommen?“
Sie strahlt über das ganze Gesicht.
„Oh, das wäre wunderschön. Danke, ja.“
„Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet. Machen Sie es gut. Wir sehen uns also bald wieder. Dann vermassle ich es bestimmt nicht noch einmal.“
Ich spüre das reine Glück durch meine Adern fließen. Kann es kaum erwarten, bis ich endlich zu Hause angekommen bin. Allerdings macht mir dieser störrische Drahtesel das Leben nicht gerade leichter. Er weicht ständig unaufgefordert von der Spur. Mit aller Kraft trete ich in die Pedale; es fährt quasi wie von selbst ...
Etwa drei Stunden später:
Ungefähr zehn Minuten vom Kloster entfernt war die Kette abgesprungen. Nur mit Mühen hatte ich sie wieder aufgesetzt, doch keine halbe Stunde später war der vordere Reifen platt. So musste ich den Rest des Weges zu Fuß hinter mich bringen. Und ich spüre jetzt schon, dass meine Muskeln morgen eine schöne Überraschung für mich bereithalten werden.
Ich betrete unsere gemeinsame Wohnung, aus der Stimmen zu hören sind. Ihre Eltern, Olaf und Karin, sind bei ihr, und ihre Freundin Christina. Ich blicke in ihre verweinten Augen und auch meine füllen sich langsam mit Tränen.
„Robert! Wo bist du nur gewesen? Ich hatte Angst um dich!“
„Das ist eine lange Geschichte, aber ich werde dir gleich alles darüber berichten. Die anderen hier könnten doch einen Kaffee trinken oder frische Luft schnappen gehen.“
„Was erlaubst du dir eigentlich? Du hast Constanze viel Kummer bereitet! Dafür ...“
„Und ich habe ihr auch schöne Stunden bereitet, Olaf. Und ich liebe sie, und sie liebt mich. Bitte geht jetzt alle. Christina?“
Widerwillig, und mich mit bösem Blick fixierend, geht auch sie auf meine Aufforderung ein.
„Schatz, dass alles tut mir so schrecklich leid. Aber ich hatte von Anfang an Angst davor, dich zu heiraten. Die Nachricht über das Kind hatte mir den Rest gegeben. Auf dem Standesamt hatte mich die Panik gepackt. Ich bin abgehauen und wollte wieder umkehren, da hatte ich einen Unfall. Der Baum war zu steif um mir auszuweichen ... In einem Kloster hatte ich Zeit und Ruhe, um über alles eingehend nachzudenken. Ich kann zwar verstehen, wenn Du jetzt genug von mir haben solltest. Aber ich will dir trotzdem eine ernstgemeinte Frage stellen:
Darf ich dich heiraten?“
„Ja, aber willst Du es denn überhaupt?“
„Wenn ich es noch immer nicht genügend will, soll mich doch der Teufel holen! Ich will dich lieben und ehren bis in alle Ewigkeit. Also, bekomme ich eine letzte Chance?“
„Na gut, eine Chance gebe ich dir noch. Aber es ist wirklich die letzte!“
Sie lächelt wieder und ich bin glücklich, dass es doch noch so gut ausgehen wird.Ja, ich will - oder nicht ?
Fünf Wochen darauf:
Nicht einen einzigen Tag lang hatte ich meine Entscheidung bereut. Im Gegenteil, ich sitze in diesem Moment neben Conny, vor uns redet der Traurichter, der gerade die Trauzeugen um die Ringe bittet.
Dariusz sagt, Christina habe sie. Und sie meint, er habe sie doch gehabt.
Verdammt! Warum mussten wir nur diese zwei Streithähne zu unseren Trauzeugen machen? Paare eignen sich eher schlecht für so etwas!
„Entschuldigung, aber wir sind nicht zum Spaß hier. Also, wird es noch was?“, sage ich zu den beiden. Jetzt holt Dariusz sie grinsend hervor.
„Das hattest Du verdient, du Heiratswilliger!“
Der Traurichter eröffnet die Trauung.
Endlich.
Die entscheidende Frage:
„Möchten Sie, Herr Robert Kaufmann, die Ihnen hier angetraute ...“ (Ich überspringe das Unwichtige.)
„Dann antworten Sie mit ja, ich will.“
„Ja, ich will. Ich will, ich will!“
„Einmal genügt vollkommen, Herr Kaufmann. Aber jetzt wissen wir es alle. So, damit sind Sie beide jetzt offiziell verheiratet. Ich gratuliere.“
Nun, wir sind am Ende des Weges angekommen; eines Weges, der sich als viel schwieriger erwies, als man es hätte erahnen können. Doch es hat sich auf jeden Fall gelohnt, diesen Weg hinter sich zu bringen. Ein neuer Lebensabschnitt hat also begonnen, und ich bin froh, dass ich ihn erleben darf. Sicherlich würde ich noch verrückt werden, wenn jeder Abschnitt so turbulent wäre wie dieser. Allerdings wäre es schön, noch öfter so glücklich sein zu können.
Also, egal was es ist oder wie es geschieht, ich werde sagen: Ja, ich will. Und dann werde ich hoffen, dass es einfach so geschehen wird. Denn ich will den Rest unseres Lebens glücklich sein. Mit allen Höhen und Tiefen den Alltag verleben.
Je schlimmer es jetzt ist oder war, umso schöner wird die Folgezeit werden. Und ich werde mit der Zeit reifen, wie ich es immer getan habe.
Wir werden gemeinsam reifen. Wie ein guter Wein die Zeit nutzt.
Und ich hoffe ebenso, dass die Liebe zueinander mit der Zeit noch wachsen wird.
Und ich freue mich auf das Kind. Wir werden sicher gute Eltern sein.
Ich bin bereit.