Kurzgeschichte
Nina (1789)

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"Nina (1789)"
Veröffentlicht am 01. Oktober 2011, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Im April 1960 erblickte ich die Welt. Bin hier auf der Durchreise, und versuche - einfach gestrickt - mein Bestes zu geben. Leise Musik ist mir lieber als laute Worte ...
Nina (1789)

Nina (1789)

Einleitung

Hörbuch Musik: Giovanni Paisiello - Nina (1789) - Cavatina for Nina - "Il mio ben" (Teresa Berganza) Bild: Palast von Caserta (www.trvago.de)

Nina (1789)

Regen prasselt auf das Kutschendach. Die Pferde laufen im leichten Trab dem Palast von Caserta entgegen. Dadack dadack dadack dadack … schlagen die Hufeisen auf die Pflastersteine. Im Halbdunkel sitzen wir schweigend nebeneinander auf der gepolsterten Sitzbank und werden durchgerüttelt. Deine linke Hand liegt in meiner rechten. Die Finger sind verschränkt. Wärmende Energie fließt zwischen uns. In gemeinsamer Vorfreude auf die Oper Nina von Giovanni Paisiello, die heute am 25. Juni 1789 uraufgeführt wird, genießen wir diesen Moment. Wir

gehören zu den geladenen Gästen!

Vor dem überdachten Schlosseingang herrscht reges Treiben. Viele Kutschen fahren vor. Diener helfen den Leuten beim Aussteigen. Auch dir wird die Hand gereicht. Elegant steigst du über das Trittbrett hinunter. Ich bewundere dich. Bezaubernd siehst du aus in deinem Kleid und deine Bewegungen beglücken meine Augen. Jetzt wird auch mir Hand geboten. Ein flaues Gefühl breitet sich in meinem Magen aus – „wenn das nur gut geht.“ Noch nie zuvor haben wir eine Oper besucht – wir beide, Leute aus dem einfachen Volk, mitten unter all dem Hochadel. Giovanni unser Freund hat es

uns ermöglicht. Gescherzt hat er: „Was die können, könnt ihr doch auch!“ Und jetzt sind wir tatsächlich da, vor diesem überwältigenden Palast in ausgeliehen Kleidern.

Mit weichen Knien steige ich neben dir die breite Treppe zum Ballsaal hinauf. An den Wänden brennen Kerzen auf zwölfarmigen Leuchtern. All die vielen Leute vor uns, hinter uns … deine Hand führt mich. Eigentlich wollte ich doch dich führen. – „Woher nimmst du nur dieses Selbstbewusstsein?“ Jetzt huscht ein schmunzeln über meine Lippen. – „Ich wusste doch schon immer, dass du eine Prinzessin bist.“


Gott sei Dank sitzen wir nun auf unsern Plätzen. – „Giovanni muss wirklich verrückt sein!“  Wir sind unter den Ehrengästen, nur ein paar Stühle vom König entfernt. Mein Blick schweift durch den prunkvollen Raum. Im flackernden Licht scheinen die Wände zu leben, die Figuren, Goldverzierungen und Säulen und über allem diese gewaltige, gewölbte Decke. Die Kronleuchter werden heruntergelassen und die Kerzen ausgemacht. Das Orchester beginnt zu spielen, der schwere Vorhang geht auf…

Meine Hände die zuvor vor Aufregung ganz kalt gewesen waren, sind wieder

warm geworden, und meine rechte wandert suchend hinüber zu dir. Du drehst mir für einen kurzen Augenblick den Kopf zu. Trotz der Dunkelheit im Saal kann ich das Funkeln in deinen Augen erkennen. Langsam gleiten unsere Finger ineinander und verschränken sich.

Zauberhaft setzt die Flöte ein, umgeben von seidigen Streicherklängen, voller Sanftheit und Harmonie. Eine Oboe gesellt sich dazu und als nun auch noch Nina ihre Stimme erhebt: „Il mio ben …“ kriege ich Gänsehaut. Überschäumende Glücksgefühle treiben Tränen in meine Augen. Wieder schaue ich zu dir und sehe, dass auch dir Perlen über die

Wangen kullern.

Die Uraufführung ist ein großer Erfolg. Am Ende gibt es minutenlangen, tosenden Applaus. Alle Zuschauer und selbst der König erheben sich zur Ehre unseres Freundes Giovanni, der strahlend auf der Bühne steht.

Ein lauer Fahrtwind dringt durch das halboffene Kutschenfenster herein. Es hat aufgehört zu regnen und die Wolkendecke hat sich aufgerissen. Der Vollmond schickt uns sein Licht. Die Pferde laufen im leichten Trab unserm Zuhause entgegen. Dadack dadack dadack dadack … schlagen die Hufeisen

auf den holprigen Weg. Im Silberlicht sitzen wir nebeneinander auf der gepolsterten Sitzbank und werden durchgeschüttelt. Ich lege meinen Arm um dich und ziehe dich an mich. Zärtlich berühren sich unsre Lippen …

Mit geschlossen Augen spüre ich dich und weiß, dass du für immer meine wahre Prinzessin bist.

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Hörbuch

Über den Autor

Luap
Im April 1960 erblickte ich die Welt.
Bin hier auf der Durchreise, und versuche - einfach gestrickt - mein Bestes zu geben.
Leise Musik ist mir lieber als laute Worte ...

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Dakota Heut hab ich noch einmal nach Nina geschaut,
die mich schon 2011 so fasziniert hat :-)
wundervoll ist es dir gelungen, lieber Paul,
die Harmonie der Musik in den Text zu tragen ...

Ich wünsche dir ein schönes Wochenende
und grüße dich herzlich
Waltraud


Vor langer Zeit - Antworten
Luap Das freut mich sehr liebe Waltraud!

Wünsche dir frohe Pfingsten
Liebe Grüsse
Paul
Vor langer Zeit - Antworten
MarieLue Schön hast du das geschrieben - und die Leser in die Vergangenheit entführt!
Herzliche Grüße
Marie Lue
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Vielen Dank Marie Lue!
Freue mich sehr, dass ich Dich ein wenig in die Vergangenheit entführen konnte...

Liebe Sonntagabendgrüsse
Paul
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Ich MUSSTE es wieder lesen, dieses Buch ... und tief bewegt dem Text und der Musik folgen ... so schön ... vielen Dank ... und den Favo hast Du schon ... Coins habe ich Dir heute auch schon geschenkt ... dafür *****

Einen lieben Sonntagsgruß
Heidemarie.
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Vielen Dank Heidemarie!
Freue mich sehr, dass Du die Geschichte noch einmal gelesen und kommentiert hast...
(Coins sind nicht so wichtig, das grösste Geschenk ist ein Kommentar)

Liebe Abendgrüsse
Paul
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Re: -
Zitat: (Original von Brigitte am 18.12.2012 - 19:28 Uhr) Das hast Du wieder so toll beschrieben, dass man sich wünscht in diesem Jahrhundert ein paar Stunden zu leben. Danke Brigitte


Vielen Dank Brigitte!
Diesen Wunsch habe ich auch oft... besonders auch wegen der Musik...

Liebe Grüsse
Paul
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Das hast Du wieder so toll beschrieben, dass man sich wünscht in diesem Jahrhundert ein paar Stunden zu leben. Danke Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Re: Nina -
Zitat: (Original von Nuance am 27.07.2012 - 17:25 Uhr) Jetzt musste ich dir nach der *Energiespritze* einfach auch noch hierher folgen.
Zauberhaft, sanft und leise entführst du den Leser in jene Damalswelt, die durch deine behutsam gewählten Worte, deine Sprache, lebendig wird, Bilder wach werden lässt, so dass man sich fühlt, als wäre man mitten im Geschehen, als könnte man das *dadack dadack dadack* der Hufeisen hören, das durchgerüttelt werden, um dann diese Uraufführung selbst mitzuerleben.
Du erschaffst ein wundervoll stimmiges Gesamtbild aus Musik und Wort, so dass es schwer fällt zu sagen, ob es die Geschichte ist, die aus der Musik erwächst oder die Musik, die diese Geschichte und alles darin eingewobene Zeitfühlen so hell erstrahlen lässt. Sehr gelungen lieber Paul!
Herzlicher Gruß, Ruth


Es freut mich ganz besonders, dass Musik und Text als so harmonisch auf dich gewirkt haben... beim Schreiben war ich so vertieft, dass ich die Hufschläge hörte...
Vielen Dan Ruth!

Liebe Grüsse
Paul
Vor langer Zeit - Antworten
Nuance Nina - Jetzt musste ich dir nach der *Energiespritze* einfach auch noch hierher folgen.
Zauberhaft, sanft und leise entführst du den Leser in jene Damalswelt, die durch deine behutsam gewählten Worte, deine Sprache, lebendig wird, Bilder wach werden lässt, so dass man sich fühlt, als wäre man mitten im Geschehen, als könnte man das *dadack dadack dadack* der Hufeisen hören, das durchgerüttelt werden, um dann diese Uraufführung selbst mitzuerleben.
Du erschaffst ein wundervoll stimmiges Gesamtbild aus Musik und Wort, so dass es schwer fällt zu sagen, ob es die Geschichte ist, die aus der Musik erwächst oder die Musik, die diese Geschichte und alles darin eingewobene Zeitfühlen so hell erstrahlen lässt. Sehr gelungen lieber Paul!
Herzlicher Gruß, Ruth
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