Kurzgeschichte
Eine Mutter und ihre Kinder

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"Eine Mutter und ihre Kinder"
Veröffentlicht am 23. September 2011, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Als Bücherwurm habe ich früh schon das Schreiben von Gedichten und Geschichten angefangen, was jetzt zu meiner Lieblingsbeschäftigung geworden ist. In meinem Elfenbeinturm (sprich: Vor meinem PC) sitze ich und lasse mich von meiner Phantasie forttragen.
Eine Mutter und ihre Kinder

Eine Mutter und ihre Kinder

Eine Mutter und ihre Kinder

Beschämt standen die Jahreszeiten vor der Natur, ihrer lieben Mutter. Sie hatte zu ihrem großen Bedauern ihren Kindern eine Strafpredigt halten müssen. Denn alle Vier bummelten im letzten Jahr, waren ihren Aufgaben nur mangelhaft nachgekommen.

 

Zum Beispiel der leichtsinnige Frühling. Er hatte einfach verschlafen. Dabei sollte er während seiner Zeit, doch das Wachstum entfalten und die Welt mit duftenden Blüten füllen. Aber der hübsche Bruder Leichtsinn gebot dem Frost keinen Einhalt. Winterlicher Eiswind mit Schnee fegte über die Erde und ließ die mutigen Versuche der Pflanzenwelt eiskalt erfrieren. Der Frühling wäre überhaupt nicht erwacht, hätte der kalte Wind ihn nicht geweckt. Murrend erhob er sich viel zu spät. Er gähnte mit halbgeschlossenen Augen und zerknittertem Gesicht, während die Pflanzenwelt schon lange ungeduldig und frierend in den Startlöchern stand und auf die Frühlingssonne wartete. Doch trotz dieser reichlichen Verzögerung war das Wachstum bereit sich sofort in Schönheit zu präsentieren. Obwohl ihnen diese Warterei so langsam auf den Geist ging. Mussten sie doch noch in keinem Jahr so lange auf ihren Frühling warten. Selbstverständlich sah er sein Versäumnis ein. Voller Reue raffte er sich schleunig auf und machte dem Winter Beine, damit das Wachsen und Blühen endlich beginnen konnte. Und tatsächlich, sofort als es ein wenig wärmer war, drängten die Pflanzen mit Macht an die laue Luft. Sie grünten und blühten und beschenkten die Welt mit einem bunten Kleid, womit sie ihren leichtsinnigen Frühling schmückten.

 

Ebenso pflichtvergessen wie sein Bruder Frühling, ließ der Sommer den Schlendrian einreißen. Er ließ sich von der Sonne seinen Bauch wärmen, sooft sie bereit dazu war, und versäumte es, die Naturgewalten rechtzeitig in ihre Schranken zu weisen. Kaum hatte die Sonne ihr warmes Gold über das geschundene Land ausgebreitet, da musste auch schon einer der Tunichtgute sein Mütchen kühlen und mit seiner nassen stürmischen, Gewalt prahlen. Er tobte mit seinen wilden Spießgesellen ungehindert mit Regenfluten, wildem Gebraus, Blitz, Donner und Hageleis über die Welt. Sich selbst brachte der Sommer dann in Sicherheit und ließ die ungebärdigen Gesellen einfach treiben, was sie wollten. Er kümmerte sich nicht darum, er war ja geschützt. Zum Glück bemerkte schließlich der Sommer seine Pflichtvergessenheit, die diesen unermesslichen Schaden für alles, was lebte, anrichtete. Er bemühte sich noch, die blühende Welt zu schützen, aber was die Plagegeister angerichtet hatten, konnte er nicht mehr zurücknehmen.

 

Selbst der sonst so besinnliche Herbst, der für die Reife und letzte Süße der Früchte zuständig war, hatte in diesem Jahr vergessen, die Sonne zum goldenen Oktober einzuladen. Vernachlässigt ohne sein köstliches Aroma hing der ganze kostbare Früchtesegen an seinen Ästen. Inzwischen war die Sonne schon so blass geworden, dass sie keine Süße mehr schaffen konnte. Schließlich musste der Herbst einsehen, dass es in diesem Jahr keine milden herbstlichen Sonnenstrahlen mehr gab. Anstatt Sonnenschein brausten viel zu früh, die Herbststürme mit Nachtfrösten über die Welt und alles Leben hinweg. Der vergessliche Herbst hatte nicht daran gedacht, dass alle miteinander noch Zeit gebraucht hätten, um sich die nötigen Vorräte für den Winter anzulegen. Das ließ sich in diesem Herbst nun nicht mehr machen. Das nasse kalte Wetter verhinderte bei den Früchten die letzte Reifung und trieb die Tiere verfrüht in ihre Winterquartiere, wo sie vorsichtshalber auch blieben. Sie begnügten sich mit dem Wenigen, das sie zusammengetragen hatten. Aber auch den Menschen ging es nicht anders. Die sonnenhungrigen Zweibeiner vermissten die schmeichelnde Herbstwärme, die sie als Hoffnung auf den Frühling in den kalten Winter mitnehmen wollten. Zwar besann sich der nachlässige Herbst am Ende noch seiner Pflichten. Er versuchte mithilfe der letzten milden Herbstsonnenstrahlen sein Versäumnis nachzuholen und zu retten, was noch zu retten war. Aber das half nicht viel.

 

Und erst der Winter. Er machte sich ein Vergnügen daraus, seinen Launen nachzugeben. Wie es ihm gerade einfiel, ließ er es regnen, schneien, alles zu Glatteis werden oder spielte mit den lauen Winden Frühling. Mutter Natur wusste bei diesen Winterspielchen nicht mehr, was sie sollte. Konnte sie zum Wachsen und Blühen aufrufen? Musste sie ihre Pflanzen und Tiere zum Winterschlaf anhalten? Nie konnte sie vorher wissen, was sie machen sollte, denn an jedem neuen Tag hatte der Winter eine andere verrückte Idee. Das alles war der Mutter unbegreiflich. Ihr lieber Winter ließ sich sogar einfallen, an Weihnachten, dem hohen Fest der Liebe, den feierlichen Glitzerschnee im Tauwasser zu versenken. Dabei hatten die Kinder das ganze lange Jahr auf das Christkind warten müssen und nun, als es soweit war, gab es keinen Schnee. Was sollten sie ohne Schnee mit ihren sehnsüchtig erhofften neuen Schlitten vom Christkind anfangen? Was hatte sich der Winter bloß dabei gedacht? Kinder mit Schlitten, aber ohne Schnee. Das geht doch nicht. Ihr ganzes Hoffen hatte sich in Wasser aufgelöst.

 

So konnte das nicht weitergehen, Mutter Natur musste ihre Kinder eindringlich ins Gebet nehmen:

Meine lieben Kinder“, ihre ernste Miene ernüchterte die Jahreszeiten, „ich bin unendlich traurig über euer Verhalten. Ich hatte mir vorgestellt, ihr würdet mir eines Tages zur Seite stehen. Aber zu meinem Kummer musste ich feststellen, dass ihr überhaupt nicht daran denkt, euren Pflichten ordentlich nachzukommen.“ Wie ein kühler Wind strich der Mutter schweres Seufzen über die Welt.

Muss ich mir den Vorwurf machen? Habe ich bei eurer Erziehung versagt?“ Mutter Natur hielt ihre Tränen zurück und gab sich einen Ruck.

Ich werde strenger mit euch sein müssen, denn diese Bummelei soll jetzt ein Ende haben. Ich denke, ihr seid erwachsen genug für eure wichtige Arbeit. Erledigt sie, wie es sich gehört.“ Das schien Wirkung zu haben, die Jahreszeiten traten mit hochroten gesenkten Köpfen von einem Bein auf das andere und wagten nicht ihrer Mutter ins Gesicht zu schauen.

In Zukunft möchte ich stolz auf euch sein können. Versprecht ihr mir euch zu ändern?“ Die Jahreszeiten hoben reuig ihre Köpfe und nickten eifrig. Niemals hatten sie solch schwerwiegende Folgen ihres Leichtsinns erwartet. Keinen einzigen Gedanken verschwendeten sie während ihrer Zeit daran. Aber jetzt mussten sie es einsehen, ihre Mutter beschuldigte sie nicht ohne Grund. Sie schämten sich, leisteten voller Reue Abbitte und sahen ihre Fehler ein.

Bitte liebe Mutter, entschuldige unseren Leichtsinn. Wir gingen nur unserem eigenen Vergnügen nach und dachten keinen Augenblick daran, dass unser Verhalten dem ganzen Jahr schaden könnte. Aber nun versprechen wir dir ernsthaft, wir erledigen in Zukunft unsere Arbeit gut und ordentlich. Du sollst dich über deine Kinder freuen können und sei bitte nicht mehr böse mit uns, bitte, bitte.“

Meine lieben Kinder, natürlich nehme ich eure Entschuldigung an. Euren Leichtsinn verzeihe ich euch, auch bekommt ihr eine neue Chance. Aber ihr müsst mir beweisen, dass ihr euch ändert. Selbstverständlich seid und bleibt ihr für alle Zeiten meine Kinder, ich liebe euch wie alle Mütter es tun.“ Lächelnd gab Mutter Natur jedem ihrer Kindern noch einen zärtlichen Kuss, winkte zum Abschied und ging mit der Hoffnung auf das gute Benehmen und die Zuverlässigkeit ihrer Kinder im zukünftigen neuen Jahr.

Und wir Menschen? Auch wir hoffen, wie zu allen Zeiten, dass im neuen Jahr alles besser wird.

 

 

Copyright Barbara Kopf 

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