Kapitel 8 - Das Spiel ist aus
Neben mir saß mein Assistent und süffelte den Alkohol weg. Der Kerl würde mir die Flasche ersetzen, hat ja genug Schmott. „Ich erinnere mich langsam wieder“, lallte er und goss sich nochmals ein. Er besaß nicht mal die Anständigkeit mich zu fragen, ob ich auch was haben wolle, versnobter Adel!
„In dem Sarg waren nur…nur…“ „Was?!“ „Steine!“, rief er aus und befeuchtete sich sofort die Kehle wieder von Neuem. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, bin nicht so blöd wie ich aussehe. „Weißt du was das bedeutet?“, fragte ich Victor. „Äh…nein.“ „Thyssen besieht sich die Radieschen noch nicht von unten, sondern lebt immer noch und wahrscheinlich ist er für die ganzen Dinge im Haus verantwortlich.“ Natürlich, das war ja auch plausibel! Und ein uralter Trick, man täuschte den eigenen Tod vor und trieb seine Spielchen im Verborgenen weiter. „Wir rufen jetzt bei der Thyssen-Bates an.“ „Wir?!“, fragte der Adelsknilch mit glasigen Augen. „Schön, ich rufe dort an und dann geht es ab zum Anwesen.“
Alle hatten sich eingefunden: Magdalene Thyssen-Bates, Gunther und wir als Ermittler. Glücklicherweise machte unser Säufer schon langsam wieder eine halbwegs nüchterne Figur. Ich selbst hatte mich noch schnell mit zwei Doppelten gestärkt, denn trocken so etwas durchzuziehen war einfach nicht meine Art.
„Sie sagten am Telefon es gäbe Neuigkeiten“, begann die Hausherrin, die heute in einen so engen Pullover gekleidet war, dass man als Betrachter keine Luft mehr bekam, glücklicherweise lähmt Alkohol auch die Libido.
„Allerdings. Was glauben Sie, wo befindet sich der Rest ihrer Familie?“ Verwirrung zeigte sich ausdrucksstark auf Magdalenas Gesicht. „Sie sind tot?“ Ich wanderte zum Kamin und blickte weltfremd in das Feuer. „Leider nicht. Ihr Vater ist nicht tot.“ „Was?!“, sie schnappte heftig nach Luft und zog ihr Spitzentaschentuch, das Zeichen einer aufziehenden Ohnmacht.
„Ja, in seinem Sarg befinden sich nur Steine, das bedeutet nichts anderes, als dass ihr Vater das alles veranstaltet hat um sie aus dem Haus zu verjagen. In einer der Kammern, die weiter unten sind, habe ich Gerätschaften gefunden, die alle diese Dinge, die sie als paranormal erachten ausgelöst haben.“ „Von welcher Kammer sprechen Sie?“, fragte Gunther wie eine Krähe und genauso musterte er mich. Ich hatte die Befürchtung, er wolle mir die Augen mit seiner Nase auspicken. „Die Kammer, die man erreicht, wenn man im ersten Stock durch die letzte Tür geht.“ „Den Heizungsraum?“, fragte unsere Auftraggeberin. „Nein, da ist noch eine andere!“, platzte es aus dem Wachmann heraus. „Aha, verraten!“, warf ich ihn an den Kopf. „Aber Gunther kann es doch gar nicht gewesen sein, dass haben Sie doch selbst festgestellt“, warf Magdalena ein und begann jetzt von Schnösel liebevoll die Hand zu streicheln. „Nein, aber er ist Mitwisser. Er nannte uns das Motiv, ihr Vater hat Sie gehasst wie die Pest und wollte Sie loswerden, damit er hier ungestört leben kann. Ich glaube sogar, dass er mit den tödlichen Unfällen Ihrer Mutter und Ihres Bruders etwas zu tun hat.“
Entgeistert blickte mich dieses Bild von Frau an. „Nein, Papa hätte das nie und nimmer getan, auch wenn seine Geschäfte nicht astrein waren war er doch kein schlechter Mensch!“ „Außerdem haben Sie ein paar Indizien, aber keine Beweise, also, was soll das jetzt?“, fragte Gunther siegessicher. „Dann gehen wir doch wieder zum Friedhof!“, schrie Victor in die gespannte Stimmung hinein.
„Ich glaube das könnt ihr euch sparen“, erklang es von der Tür, wo die Schatten am dichtesten waren. Aus ihnen trat ein Mann, groß, grauhaarig, faltig wie eine alte Kartoffel aber mit einem Schießprügel ausgestattet. „Bravo, ich bin durchschaut worden.“
„Papa!“, schrie Magdalena Thyssen-Bates erschrocken, als würde sie einen Geist sehen, was nicht so weit hergeholt war. „Ja, ich bin es. Das dürfte das Bild, welches du von mir hast, in seinen Grundfesten erschüttern. Aber wen schert das schon.“
„Was, was hat das alles zu bedeuten?“, fragte sie den Tränen nahe und weiß wie eine frisch gekalkte Wand. „Du warst noch nie die Schnellste im Denken, da hat sich nichts geändert. Noch mal von vorn, für alle zum Mitschreiben. Ja, ich habe deine Mutter die Treppe hinunter etwas aus dem Gleichgewicht gebracht und dabei verstarb sie leider. Aber ich hatte meine Gründe. Sie wollte die Firma ebenfalls auf dich überschreiben, das ging doch nicht und sie wollte mich entmündigen, wenn sie vor mir starb und meinen Kindern das vollkommene Verfügungsrecht geben, dachte ich sei verrückt!“ Ein irres Lachen erklang. „Du hast Mutter ermordet?!“ Heinrich Thyssen überlegte kurz. „Nein, es war viel mehr eine Verkettung ungünstiger Umstände, vor allem dem, wie mein Fuß zu ihrer Laufbahn stand, also kein Mord im eigentlichen Sinne.“
Magdalena schnäuzte in ihr Taschentuch und blickte ihren Vater mit Abscheu an. „Und was war mit meinem Bruder?“ „Ach der, der wäre ans Geld gekommen und hätte es gleich verjubelt, womöglich hätte er die Firma geleitet, also in den Ruin getrieben. Deshalb mussten die Bremsschläuche einfach mal ein wenig neu kalibriert werden.“ „Sie waren durchgeschnitten!“ „Mein Gott, das kann ja mal passieren.“ Jetzt mischte ich mich mal wieder ein. „Und warum brachten Sie ihre Tochter nicht auch um die Ecke?“ „Bei unserer Künstlerin“, er erbrach das Wort förmlich, „bestand keine Gefahr. Sie würde niemals die Firma leiten und war mit diesem Ami verheiratet. Dass sie sich nicht auch gleich dorthin verzog, sondern in diesem Haus wohnen blieb war dann aber das Problem. So ersann ich eine Taktik sie zu vergraulen und Gunther war natürlich eingeweiht.“
Jetzt blickte sie ihn entsetzt an. „Und du hast mir nichts gesagt?!“ „Ich bin Ihrem Vater verpflichtet und nicht Ihnen, also können Sie mich mal kreuzweise.“ „Es hätte alles so wunderbar geklappt, wenn ihr nicht aufgetaucht wärt. Keine Ahnung wie ihr auf die Idee gekommen seid, aber meine Totenruhe zu stören war geradezu brillant. Anders wäre man mir auch gar nicht auf die Schliche gekommen.“ „Aber, aber warum denn das alles?“, fragte seine Tochter weinend. „Weil ich euch hasse wie die Pest! Ihr macht mir entweder mein Unternehmen kaputt oder lasst mich nicht in Frieden, deshalb wollte ich euch alle weghaben, damit ich endlich meine Ruhe vor euch Geiern habe. Familie ist das Schlimmste, mit dem man sich den eigenen Strick knüpfen kann.“ Er entsicherte die Waffe. „Da ihr jetzt Bescheid wisst wäre es unklug von mir euch am Leben zu lassen, habt ihr noch einen letzten Wunsch?“ Grazil schlich ich mich an. „Ja, ich würde gerne wissen wozu die ganzen Folterinstrumente dienen.“ „Die im Heizungskeller?“ „Genau die!“ „Meine Frau hatte dafür einen Fimmel und irgendwo muss man sie ja unterbringen.“ Ich nickte zustimmend, die Erklärung war plausibel. „Also, man sieht sich in der Hölle wieder!“
Kurz bevor Thyssen den Hahn drückte erhob sich mein Assistent und stellte sich schützend vor die Tochter dieses Irren. Ihm war es doch gleich wen er zuerst über den Haufen ballerte, also schoss er auf ihn, verfehlte sein Ziel aber. Und das zeigt mal wieder, wer Waffen herstellt ist nicht gleichzeitig auch ein guter Schütze.
Den Moment der Verwirrung nutzte ich um Thyssen zu Boden zu werfen, zu entwaffnen und den Entschluss zu fassen, dass ich seine Waffe nehmen würde, sie war ein ausgezeichnetes Modell.
Gunther stritt sich gerade mit dem schwankenden Victor, doch auch dieser Kampf fand ein schnelles Ende, als Magdalena ihm einen ihrer spitzen Schuhe gegen die Kronjuwelen donnerte.
Den Rest kann man sich denken. Polizei kommt mit tatü und tata, nimmt Gunther und Thyssen fest, Magdalena entschließt sich das Haus zu verkaufen und will zu ihrem Mann in die Staaten ziehen um mit ihm gemeinsam sein Hotel zu betreiben.
Wir erhalten unsere Belohnung und Victor das Versprechen, dass Magdalena ihn niemals vergessen würde. Hoffentlich haben die beiden verhütet, sonst könnte dieses Versprechen bald Realität werden, aber das geht mir dann auch am Allerwertesten vorbei.
Ich glaube meine Zukunft sieht etwas rosiger aus, jetzt, da ich ein stadtbekannter, nicht nur berüchtigter, Privatermittler bin, endlich mal wieder etwas mehr Geld habe und sogar Schriftsteller bin.
In diesem Sinne trinke ich auf mich und das Leben den lieben Gott und den Teufel und was weiß ich, bis sie mir wieder einen saftigen Arschtritt geben! Prost!
[Anmerkungen des Verlags Schmutz & Schund]
Sie haben tatsächlich bis hierher gelesen verehrter Leser? Dann danken wir Ihnen recht herzlich, denn Sie sind einer der Gründe, dass wir nicht länger fast insolvent sind, sondern unser reichhaltiges kulturelles Angebot jetzt noch mehr erweitern können. Wenn Sie wollen, kaufen Sie sich doch auch das Hörbuch, persönlich gelesen vom Autorenselbst in einem, naja, nenne wir ihn mal, recht sauberen Zustand. Ein Ohrenschmaus der besonderen Art! Wir hoffen Sie bald wieder als Leser begrüßen zu dürfen.
[Anmerkung der Anwaltskanzlei Schröder]
Der Verlag Schutz & Schund hat am 05.09.2011, einen Monat nach Erscheinen dieses Buches, Insolvenz beantragt, das Verfahren ist im Gange. Eine außergerichtliche Einigung scheint zurzeit nicht möglich.