Kurzgeschichte
Mit dem Tod endet der Fronteinsatz des Soldaten

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"Mit dem Tod endet der Fronteinsatz des Soldaten"
Veröffentlicht am 02. September 2011, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.
Mit dem Tod endet der Fronteinsatz des Soldaten

Mit dem Tod endet der Fronteinsatz des Soldaten

Beschreibung

Der Text verarbeitet keine persönlichen Erfahrungen oder die eines Familienangehörigen, allerdings meine Meinung dazu, was das deutsche Volk im Nahen Osten anstellt. Ich möchte, dass jeder Leser nach dem Lesen einmal selbst seine Meinung reflektiert und dann mitteilt. Ich weiß nicht , ob die Worte stimmen und den richtigen Ton treffen. Aber gerade weil mir das Thema so wichtig ist springe ich über meinen Schatten und veröffentliche ihn. Titelbild: www.pixelio.de/©A.Dengs/PIXELIO

 

S. hatte nur eine Frage beantwortet. Ob er sich vorstellen könnte auch an Auslandseinsätzen teilzunehmen. In seinem jugendlichen Elan antwortete er mit „Ja!“. Er sollte die Entscheidung noch bereuen.

Bei Bund gab es alles verbilligt; Führerschein, Unterstützung der Ausbildung und als Gegenleistung nur ein wenig schinden und sich anschnauzen lassen, an den Wochenenden ging es, nach der Grundausbildung, eh wieder heim.

Doch die Langzeitverpflichtung hatte auch den Haken, dass das magische Wörtchen ja plötzlich Realität wurde.

Auf einer Liste von Soldaten, die in den Nahen Osten ziehen sollten, um die deutschen Interessen am Hindukusch zu verteidigen, stand auch S. Sein Vater war voller Stolz.

„Sohn, du beschreitest den Pfad einer großen Soldatentradition in unserer Familie!“

 

Urgroßvater war im 1. Weltkrieg bei der Materialschlacht von Verdun gefallen, Großvater war niemals aus der Sowjetunion zurückgekehrt, nur Vater hatte Glück gehabt, als Zivildienstersatzleistender.

Mutter hatte die üblichen Sorgen. Er müsse sich immer saubere Unterwäsche anziehen, der Wüstensand dringe in jede ach so kleine Ritze. Und wenn er es vermeiden könne, solle er möglichst nicht sterben. Natürlich würde er nicht sterben! Dort war doch nichts los, er würde jeden Tag in der Weinstube in Kundus sitzen, den Rheinwein genießen, sich das Hirn von der Sonne wegbrutzeln lassen und ab und zu mal auf einen dieser Mullahs mit ihren uralten Spielzeuggewehren schießen.

So flog er denn, ausgestattet mit diesem gefährlichen Halbwissen, mit seinen Kameraden, in ein Land, welches eigentlich nicht wollte, dass die westlichen Mächte in ihm waren, denn die westliche Leitkultur wollten die

 

überhaupt nicht übergestülpt bekommen. Außerdem waren sie es leid, alle ihre reichen Ölquellen an die Amerikaner zu verlieren, nur damit das Barrel unter 100$ blieb. Man beobachtete mit Argwohn den weißen Kolonialherren, der waffenstrotzend wie einst das Kanonenschiff Panther vor Agadir in ihrem Land landete.

Das Erste was S. merkte war, dass die Politik log und zwar auf ganzer Linie. Die Ausrüstung war unter ferner liefen, zu wenig Benzin, schlecht gesicherte Patrouillenwagen und in absehbarer Zeit endende Munition. Das hatte nicht in der Broschüre gestanden!

Nach wenigen Tagen Aufenthalt war noch etwas Weiteres klar: Der Gegner war da und zwar gewaltig. Und die Bärtigen schossen nicht mit billigen Geschossen, sondern mit extrem scharfer Munition, praktisch jeden Tag war Krieg außerhalb der gesicherten Städte und den Lagern.

 

 

 

 

Der Zivilbevölkerung ging es ebenso bescheiden und man konnte in ihren Augen lesen, dass sie sich nur eins fragten; warum? Warum waren die Fremden hier? Warum halfen sie denn nicht? Die Antwort blieben die Eindringlinge schuldig.

S. fühlte sich sehr schlecht. Mehrmals hatte er schon das Leben an sich vorbeiziehen sehen, wenn die Schrapnelle über seine Birne donnerten wie ein bösartiger Bienenschwarm. Überhaupt wollte er hier raus, er wollte nach Hause, egal was die Anderen sagen würden. Sollten die sich doch diesen Scheiß mal ein paar Tage lang antun, dann würden sie auch nicht mehr so dämlich daher quatschen!

So tat er etwas, was er noch nie in seinem Leben getan hatte, S. schrieb einen Brief an seine Eltern in dem er ausführlich seine innersten Ängste schilderte. Doch dieser Brief erreichte niemals seine Eltern, auch die folgenden 5 Stück nicht. Dafür sorgte die

 

zuverlässige Feldpoststelle, die säuberlich die Briefe öffnete und durchlas. Solches Material durfte doch nicht in die Heimat gelangen, dann wäre doch der schöne Einsatz zur Verteidigung der freien Welt vorbei!

Dann kam der Tag, der dem kurzen Leben von S. eine tödliche Wendung gab. Auf Patrouille wurde der Wagen, in dem er Insasse war, aus dem Hinterhalt angegriffen und beschossen. Ein versprengtes Geschoss beendete dieses Leben auf sinnlose Weise in einem nicht minder sinnlosen Einsatz.

Jetzt ging sein Wusch doch noch in Erfüllung. Er war hier raus und kam wieder nach Hause, in einem Sarg mit den Füßen voran betrat er wieder deutschen Boden. Und nicht nur die Familie und die Bekannten waren gekommen um ihn gebührend zu begrüßen, nein, auch die Kanzlerin, der Verteidigungsminister und der Bundespräsident waren da. Sie beteuerten ihr aufrichtiges Mitleid, verteidigten den Einsatz

 

 

 

der Bundeswehr weiterhin vehement und ließen sich etwas vom Leichenschmaus einpacken als Wegzehrung für die Fahrt zurück nach Berlin, was man eben so sagt und macht.

S. liegt nun friedlich in Muttererde, gestorben war er in der Fremde, weil wir auch einen Teil vom kolonialen Kuchen abhaben wollen und natürlich Amerikas Freund Numero uno sind. Sein Name sowie Geburts- und Sterbedatum zieren den Grabstein. S. wurde ganze 25 Jahre alt.

Und genauso wie S. erging und wird es noch anderen Soldaten ergehen, denn der Michel trägt wieder Helm und Sturmgewehr, aber warum?

 

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RogerWright
Die Pflicht des Menschen ist seine stetige Vervollkommnung. Ich versuche dies jeden Tag ein klein bisschen, zumindest wenn es durch Bücher geschieht.

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RogerWright Re: Ein wichtiger Beitrag, ein schwieriges Thema! - Danke für diesen bestätigenden Kommentar, es freut einen immer, wenn einem auch mal geraten wird es ruhig mit schweren Themen zu versuchen.
Und in vielen Punkten muss ich einfach zustimmen. Man kann die sortige Bevölkerung nicht einach mit Nylonstrümpfen, Coca Cola und Kaugummi bewerfen und hoffen es funktioniert.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Religion gepaart mit den Missständen, die von den terroristischen Organisationen ausgenutzt werden, ohne die Lage selbst zu verbessern.

Nochmals Dank!
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Ein wichtiger Beitrag, ein schwieriges Thema! - Ich kann dich nur darin bestärken, auch schwierige Themen in diesem Forum aufzugreifen. Zweifelsohne gehört der Satz "Am Hindukusch wird unsere Freiheit verteidigt" zu den dümmsten in der deutschen Geschichte. Dennoch ist eine Welt ohne Waffen nicht vorstellbar. Ich bin gegen die Intervention in Afghanistan, doch ist mir klar, dass Frieden zu einem großen Teil auf Abschreckung beruht. Ein Pazifist bin ich daher nicht. Der Krieg am Hindukusch, der ja hier in Deutschland lange Zeit so nicht genannt werden durfte, beruht in erster Linie auf dem Missverständnis, dass der Krieg gegen den islamistischen Terror jederzeit mit westlicher Technologie zu gewinnen sei. Das stimmt nicht! Der Krieg gegen den Terror ist in Wahrheit ein Krieg gegen Hunger, Armut, Unwissenheit, religiösen Fanatismus und westliche Allmachtsphantasien. Und der wird nicht mit Waffen gewonnen, sondern nur mit gerechter Verteilung von Nahrungsmitteln und Bildung. Das westliche Modell lässt sich in keinem Fall 1:1 in andere Regionen dieses Planeten exportieren. Zu groß sind die kulturellen Unterschiede. Doch bedeutet das nicht, dass Ungleichheit, Unterdrückung, mittelalterliche Strafsysteme als Teil einer liebenswerten Identität dieser Länder akzeptiert werden dürfen. Das Thema ist schwierig. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß. Es gibt hunderte, wenn nicht gar tausende von Schattierungen. Am Ende bleibt jedoch die Erkenntnis: Alles ist besser, als eine Waffe, die auf mich gerichtet wird!

Sehr gut und sehr überzeugend geschrieben.

Beste Grüße

Doktor Seltsam
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Re: - Danke für den Kommentar!
Die Thematik dieses Einsatzes bietet natürlich ein infinites Spektrum zur Meinungsäußerung.
Hier schneidet sich praktischmein INterresse für politisches mit meinem pazifistischen Standpunkt und dieser Text ist dann der Schnittpunkt, wenn man es so definieren will.
Wie gesagt, vielleicht rege ich sogar zum Nachdenken an oder eben dazu, dass mansich mit dem Thema näher beschäftigt.
Natürlich kann ich es auch mit Brecht halten, der weusste, dass Kunst die Welt nicht ändern kann, aber vielleicht bewirke ich doch wenigstens ein wenig bei den Lesern, das würde ich mir ehrliuch wünschen.
Vor langer Zeit - Antworten
MysticRose Mir gefällt der Einstieg gut. O mein Gott, wenn ich nur daran denke, dass mein Freund Soldat wäre... Ich würde ausrasten. Nee, ich würde das gar nicht zu lassen. :O
Empfinde ich insgesamt als einen guten Text und da steckt sicher viel Recherche hinter oder du bist auf diesem Gebiet einfach Up To Date. Ich will es mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen, weil ich mich damit genauso gut wie mit Mathe auskenne: Nämlich gar nicht.
lg. A. Sarah
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Re: Re: Re: gut geschrieben, macht nachdenklich - Das stimmt leider, dass wir/ihr bei vielen Dingen im Dunklen gelassen werded oder etwas im machtpolitischen einfach untergeht. Aber dagegen ist man als kleiner Mann einfach machtlos.
GLG Chris

Und genau dort muss angesetzt werden. Wenn man Informationen hat, dann müssen diese der Masse zugänglich gemacht werden und das in einer Art, die man erstens versteht und zweitens möglichst wertungsfrei ist, damit sich jeder mal selber über das Problem den Kopf zerbrechen kann.
Der Einzelne mag dagegen nicht immer viel unternehmen können, aber die Masse kann und muss bei solchen Themen reagieren, denn '45 schwor man sich gewisse Grundsätze, die die Regierung der BRD bereits zu Zeiten ihrer Unabhängigkeit 1955 im Grunde ausgehebelt hatte.
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Re: gut geschrieben, macht nachdenklich - Natürlich erhebe ich nicht den Anspruch allwissend zu sein, was jede Thematik anbelangt. Was aber wahrlich stimmt, dass ist der Fakt, dass wir bei vielen Sachen im Dunkeln gelassen werden.
Und was mich doch zufrieden stimmt ist, dass die Leser beginnen darüber nachzudenken, auch wenn sie eben nicht so viel Hintergrundwissen haben.
Vor langer Zeit - Antworten
RogerWright Re: gut geschildert - Danke Boris,
genau die Frage oder die Fragen die sich stellen sind es, die hier den Nerv des Lesers treffen sollen.
Vor langer Zeit - Antworten
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