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Unruhig knackte sie an ihren Fingerknöchelchen, diese Zappeligkeit konnte sie sich immer noch nicht abgewöhnen. Eine alte Angewohnheit, trivial, wirkungslos, aber ganz einfach automatisch.
Irgendwas war anders, sie rutschte nervös auf ihrem Bürostuhl hin und her, sah sich kurz um und staunte über ihre ungewöhnliche Hektik.
Naja, alles beim alten eben, arbeiten gehen, nach Hause kommen, Katze füttern, Müll raus bringen, immer der gleiche Typ auf der Couch vor der Glotze, sie konnte ihn echt nicht mehr
sehen.
Doch heute hatte sie das seltsame Gefühl, etwas würde sich verändern. Sie würde zwar noch arbeiten, nach Hause kommen, Katze füttern, Müll raus bringen und dem Penner auf der Couch einen Kuss aufdrücken, doch das würde das letzte Mal sein.
Es würde anders werden, nicht mehr so automatisch wie die Wochen zuvor es schon geworden ist, denn Abschied ist neu und neu ist aufregend.
In der Bahn stank es nach Schweiß und Feierabendbier, sie drängte sich durch die Mengen ganz dicht an die Türen, so konnte sie als erste dem
Geruchsschlachtwerk, ebenso wie den typischen ausdruckslosen Großstadtgesichtern entfliehen.
Noch eine Station, Tür ging auf und sie türmte aus der Menge. Frische, kalte Luft schlug ihr ins Gesicht und sie war dankbar, den unausweichlichen Gerüchen der Industriezombies zu entkommen. Ein paar Meter noch, Treppe hoch, Tür auf. Gut, in der Wohnung roch es nicht unbedingt angenehmer. Ihr bescheidenes Apartment versank im Müll der letzten 3 Tage, die Katze pisste auf den Teppich und der Alte roch auch nicht viel besser.
Kein Wunder auch, zu besoffen um den Müll hinauszubringen, das Katzenklo zu leeren, von anderen scheinbar
selbstverständlichen Aktionen ganz zu schweigen.
Suri, so heißt nämlich unsere Heldin, mal ganz so nebenbei bemerkt, fragte sich nun, erstaunlicherweise zum allerersten mal, ob es allen Frauen in ihrem Alter so erging. Ob jeder Freund einer Freundin zum Liebesbeweis einen Waschentzug macht, rülpst und schmatzt, selbst im Schlaf und gibt weitere, Etikett- freundliche Geräusche von sich, auf die ich nicht weiter eingehen möchte, schließlich soll das ja eine anständige Lektüre werden und den Lesern nicht schlaflose Nächte bereiten.
Jedenfalls, möchte ich nun hiermit, ein
wenig vom Thema ablenken und mich wieder unserer Heldin widmen.Wie nun schon zuvor gesagt, Suri 25Jahre alt, nicht verheiratet, zu ihrem Glück, muss ich nun hier zufügen, da ihr Männergeschmack noch große Defizite aufweist, siehe oben.
Charakterlich ruhig, gelassen, leicht zu sehr introvertiert, gelegentlich auf den ersten Blick prüde wirkend. Nicht dass sie schlecht aussehen würde, denn das tat sie nun gar nicht, es ist wohl eher ihr Auftreten, dass so zurückhaltend und etwas ergraut wirkt, was sie wohl stark in Partnersuche einschränkte. Wenn man so das Objekt ihrer Begierde in Augenschein nimmt, eine kurze
Beschreibung scheint ja als Beweis auszureichen.
Natürlich, schlechter Geschmack hin oder her, als sie ihn kennen lernte verstand er sich noch
auf den Künsten der Körperpflege und nahm auch gelegentlich Anspruch von mehr- oder weniger wertigen Pflegeprodukten. Doch innerhalb kürzester Zeit, ließ dieses nach und aus Parfüm wurde Billigdeo und aus Billigdeo ,wurde an guten Tagen, wenn überhaupt ein frisches Hemd.
Nun sah sie ihn an, so wie er halb aufrecht sitzend auf der Couch schlief,
der Kopf leicht zur Seite gesunken, ein wenig zu sabbern schien, sah er ja sogar ganz niedlich aus. Erinnerte sie ein wenig an einen treuen Hund- haarig war er ja auch genug.
Dumm nur, dass Suri kein Hundefreund war und diesen, dem launischen Stubentiger vor zog.
Sie fühlte sich nicht mehr wie Freundin... eher wie Mutter, Oma? Frauchen?! Da wurde ihr nun jedenfalls klar, ihr Gefühl von eben vorhin hatte sie nicht im Stich gelassen, das hier würde ein Abschied werden und einen kurzen Moment hatte sie den Affekt, ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn sie die Trennung nicht schmerzen
würde. Doch der heutige Tag schien grundlos von der Norm abzuweichen und die prüde Suri verwarf ihr schlechtes Gefühl schnell wieder, kompensierte dies mit ihrer zynischen Art „Sein beachtliches Ausmaß an Dummheit, das ja schon bewundert werden müsste, schmerzt genug“
Suri drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Stirn, warf sich eine Tasche über die eine Schulter, die aufgehetzte Katze über die andere und öffnete ihre Tür in die Freiheit.
Nur ein kurzer Blick zurück.
„Ich werde nichts vermissen.“