Kurzgeschichte
Brief an das Christkind

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"Brief an das Christkind"
Veröffentlicht am 10. Februar 2007, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Jetzt, wo die Arbeiten an meinem Buch endlich abgeschlossen sind, werde ich mich wieder mehr dieser Plattform widmen. Ich bin also wieder DA. Leipziger Wahlbürger, ursprünglich aus der Eifel. 50 Jahre. Gelegenheitsschreiber, als Ausgleich zu meiner Arbeit als Webdesigner. Wer gerne dichtet, in Verlegenheit ist ob eines Anlasses und arg nach Reimen sucht, dem versuche ich gerne zu helfen. Ich mache nun für heute Schluss, denn es kommt ...
Brief an das Christkind

Brief an das Christkind

Ich bin nun schon 48 Jahre alt wie Du weißt liebes Christkind, und eigentlich dürfte ich ja schon längst nicht mehr an Dich glauben. Aber da der Glaube an Dich in meiner Kindheit so praktisch war und mir viele tolle Geschenke einbrachte, versuche ich es halt noch einmal. Ich hätte gerne zu Weihnachten etwas, das ich schon einmal besessen habe. Es war ein so tolles Geschenk, und da ich das alte nicht mehr finden kann, schreibe ich es erneut auf meinen Wunschzettel.

Und zwar wünsche ich mir ein Spatzerl. Ein so schönes, wie ich es damals zu meinem Geburtstag vom Internet geschenkt bekommen habe. Das aus dem Chat. Weißt Du so eins, das sich warm und weich anfühlt, und am besten eins mit warmen Füßen im Bett. Das alte Spatzerl fror so oft. Vielleicht kannst Du ja auch mein Altes wiederfinden. Das wäre natürlich noch viel besser, weil dieses Spatzerl einfach perfekt war. Wenn nicht, dann muss es aber fast genau so gut sein. Wenn Du jetzt nicht weißt was ich meine, beschreibe ich das Spatzerl einfach. Sonst bringst Du mir noch was Falsches, wie damals den Biologiebaukasten statt des Chemiebaukastens.

Also, es sollte ein weibliches Spatzerl sein, denn mit den männlichen kann ich nun rein gar nichts anfangen. Nicht zu groß sollte es sein. Ich meine höchstens so groß wie ich, damit ich ihm in die Augen schauen kann. Weich und warm erwähnte ich bereits. Dunkelrote Haare wären nicht schlecht, würde mich an das alte Spatzerl erinnern. Dann muss es mich so anlächeln können, das mir ganz warm um’s Herz wird. Es sollte wie ich Kaffee mögen und leider auch rauchen wie ich. Toll wäre es, wenn es morgens nicht ganz so grantig wäre wie das Alte.

Dann wünsche ich mir eins, das auch so gerne wie ich auf Flohmärkte geht. Das alte Spatzerl hat mich nämlich erst dazu gebracht, und das möchte ich jetzt nicht mehr missen. Wenn so ein Spatzerl schon Nachwuchs hat, ist das auch nicht schlimm. Das Alte hatte vier große Spatzerl. Hat mir sehr gefallen. Ich glaub‘ auch, das ich ganz gut mit ihnen umgehen konnte. Kochen muss das neue Spatzerl nicht können. Ich mach den Job in der Küche ganz gut. Solltest mal meine Aufläufe oder die Rouladen probieren. Du würdest Augen machen.

Was fehlt noch? Stimmt, das neue Spatzerl sollte meine Unterwäsche mögen. Früher hatte ich so gräßliche Unterhosen aus Frottee. Spatzerl hat mir dann neue gekauft. Sieht tatsächlich besser aus so. Das neue Spatzerl sollte auch im Bett zu gebrauchen sein. Ist aber nicht ganz so wichtig, obwohl das Alte ganz große Klasse war. Ist möglicherweise jetzt schwer, mich an weniger zu gewöhnen. Wie ich aber sagte, so große Bedeutung messe ich dem nicht bei. Viel wichtiger ist, dass ich es ganz toll lieb haben kann. Und das es mir auch ab und an ein kleines Kompliment macht. Ich bin nämlich für Komplimente sehr empfänglich.

Wenn das neue Spatzerl gerne schwere Sachen trägt, dann vergiss es. Dem Alten mußte ich ständig die Tüten, Taschen und Kisten abnehmen, und Du weißt doch wie sehr ich es hasse, wenn Spatzerl sich abschleppen. Das Neue sollte mit dem Wenigen, das ich zu bieten habe zufrieden sein. Ich hatte früher immer Angst, ich würde ihm nicht genügen.

Mir ist natürlich klar, daß es ein so beschriebenes Spatzerl eigentlich nur einmal auf der Welt geben kann. Deswegen wäre es ja auch so schön, wenn Du noch mal für nachsiehst. Eventuell hast Du ja mehr Glück als ich und Du entdeckst mein Altes irgendwo. Und wenn Du es gefunden hast und es ganz traurig ist, dann glaube mir, diesmal werde ich es glücklich machen. Ich werde auch nicht mehr so dumm sein, es achtlos irgendwo liegen zu lassen. So ein Spatzerl wird viel zu leicht still und krank, wenn man es vernachlässigt. Ganz besonders still und krank wird es, wenn man es anlügt. Soviel hab‘ ich gelernt.

Normalerweise ist so ein Wunschzettel viel länger. Mit vielen verschiedenen Wünschen. Ich denke deshalb, daß ich es mit meinem Wunschzettel nicht übertrieben habe. Und noch etwas: Sei so lieb und mache für mich einmal die Ausnahme, nicht bis Weihnachten zu warten. Schick’s mir so früh wie möglich. Ich werde jeden Tag an der Tür nachsehen, ob’s schon angekommen ist. Ich muss das machen, da meine Türklingel defekt ist. Ich höre leider nicht, wenn’s klingelt.

Ach ja, eh‘ ich’s vergesse. Es muss doch einen Fehler haben. Bitte schicke mir eins, das schnarcht. Das ist ganz wichtig, da ich auch scharche. Es sieht außerdem ganz lustig aus, wenn es so da liegt und Bäume fällt.

Dein Chablis
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Chablis
Jetzt, wo die Arbeiten an meinem Buch endlich abgeschlossen sind, werde ich mich wieder mehr dieser Plattform widmen. Ich bin also wieder DA.
Leipziger Wahlbürger, ursprünglich aus der Eifel. 50 Jahre. Gelegenheitsschreiber, als Ausgleich zu meiner Arbeit als Webdesigner.
Wer gerne dichtet, in Verlegenheit ist ob eines Anlasses und arg nach Reimen sucht, dem versuche ich gerne zu helfen.

Ich mache nun für heute Schluss,
denn es kommt jetzt, was kommen muss.
Die Müdigkeit fährt in die Glieder
und auch das Denken ist schon wieder

gebremst und fährt im Schneckengang,
drum zieht es mich mit Macht, mit Drang
in Richtung Bett, so wohlig weich.
'Mein lieber Schatz, ich komme gleich.'

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Chablis Re: köstliche Geschichte -
Zitat: (Original von Dragonfly am 18.02.2007 - 18:23 Uhr) Eine wirklich amüsante Sichtweise haben Sie! ich habe mich wirklich in diesem Brief wiedergefunden - Bravo!

Vielen Dank. Gott-sei-Dank verarbeite ich schlimme Erlebnisse Dank meiner rheinischen Natur offensichtlich ganz gut und ohne endgültige Konsequenzen.
Vor langer Zeit - Antworten
Dragonfly *deleted* köstliche Geschichte - Eine wirklich amüsante Sichtweise haben Sie! ich habe mich wirklich in diesem Brief wiedergefunden - Bravo!
Vor langer Zeit - Antworten
Chablis Re: Brief an das Chistkind -
Zitat: (Original von MarianneK am 10.02.2007 - 11:42 Uhr) Herrlich geschrieben, musste beim lesen öfters schmunzeln. Selbst wenn es ein Christkind gäbe, diesen Wunsch könnte es doch nicht erfüllen

Denke ich mir. Aber man darf ja mal wünschen gelle? Danke für die Einschätzung und Bewertung
Vor langer Zeit - Antworten
MarianneK Brief an das Chistkind - Herrlich geschrieben, musste beim lesen öfters schmunzeln. Selbst wenn es ein Christkind gäbe, diesen Wunsch könnte es doch nicht erfüllen
Vor langer Zeit - Antworten
Chablis Re: Brie an das Christkind -
Zitat: (Original von Rehmann am 10.02.2007 - 10:39 Uhr) Die Adresse von dem Christkind hätte ich auch sehr gerne !
Toll geschriebene Story !!!

Aus gut unterrichteten Kreisen wurde bekannt, dass es sowas wie das Christkind nicht gibt. Schade eigentlich. Danke für den sehr netten Kommentar.
Vor langer Zeit - Antworten
Rehmann Brie an das Christkind - Die Adresse von dem Christkind hätte ich auch sehr gerne !
Toll geschriebene Story !!!
Vor langer Zeit - Antworten
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