Kapitel 6
Nur sehr langsam erlaubte mir mein Kopf die Augen zu öffnen. Sobald auch nur der kleinste Lichtstrahl meine Pupillen berührte, wurde mein Gehirn von einem brennend stechenden Schmerz durchbohrt. „Verfluchte Nachwirkungen“, stöhnte ich, während ich versuchte mich zu orientieren. Ein schrilles Fiepen in meinen Ohrmuscheln verhinderte, dass ich die Geräusche meiner Umgebung in mich aufnehmen konnte. Und wieder einmal fühlte ich mich völlig verloren und hilflos. Wie ich dieses Gefühl hasste. Auch wenn es nur für eine kurze Dauer war. Nach einigen Minuten hatten sich meine Augen schließlich an das dämmrige Licht gewöhnt und auch das unangenehme Fiepen in meinen Ohren regulierte sich auf eine ertragbare Lautstärke.
Erkennen konnte ich trotzdem nur wenig. Schließlich gab es auf einer Lichtung nicht viel, was einem direkt ins Auge sprang, außer grünes Gras, eine bedrohlich wirkende Wand aus hohen Bäumen und ein kleines Bächlein, das wenige Meter neben mir vor sich hin plätscherte. Trotzdem sah ich mich ein wenig genauer um und erkannte den Grund für meine Ohnmacht. Direkt neben dem Bach ragte ein kleiner Fels aus dem Boden, der mit einer roten Schicht überzogen war, die für mich eine unliebsame Ähnlichkeit mit getrocknetem Blut hatte. Vorsichtig tastete ich mit meinen Fingerspitzen meine schmerzende Kopfhaut ab. Mit einem überraschten Stöhnen kommentierte ich meine Entdeckung einer beträchtlichen Beule. Stumm, aber mit fluchendem Blick betrachtete ich die Blutspuren an meinen Fingerspitzen.
„Und ich hatte schon gehofft unverletzt entkommen zu können…“, murrte ich und schaute mich erneut um.
Soria war nirgends zu entdecken. Mein Mundwinkel zuckte und stand langsam und mit zittrigen Beinen auf. In einer verstaubten Ecke meines Bewusstseins machte sich die Angst bemerkbar, dass sie eine tödliche Ankunft gehabt haben könnte. Über die Ironie, die sich dahinter verbarg, wollte ich gar nicht nachdenken. Doch glücklicherweise brauchte ich das auch nicht. Nachdem ich mich einige Schritte in Richtung Wald geschleppt hatte, schlüpfte das kleine Mädchen plötzlich zwischen den Bäumen heraus. In ihrem wilden Schopf hatten sich Äste und Blätter verfangen, ihre Kleidung war an einigen Stellen zerrissen und ihre Haut zerkratzt. Aber sonst schien es ihr gut zu gehen. Ich unterdrückte ein erleichtertes Seufzen, das mit Leichtigkeit meinen gesamten Brustkorb ausgefüllt hatte und sah sie kritisch an. „Du siehst aus wie eine Baumtänzerin. Was hast du gemacht? Mit Dornenbüschen gerungen?“, scherzte ich und bemühte mich dabei meine Stimme so fest klingen zu lassen, wie irgend möglich.
Soria zog eine schmollende und eingeschnappte Schnute, sagte aber nichts, sondern betrachtete nur mit einem Ausdruck der Sorge meine blutige Beule. Währenddessen suchte ich mir einen bequemen Platz, wo ich mich an einen Baum anlehnen konnte und ließ mich dort langsam nieder. „Also was hast du getrieben?“, wiederholte ich mich und hob dabei fragend die Augenbrauen. Doch ihre Antwort war nur eine Gegenfrage, während sie näher kam und sich neben mir auf das feuchte Gras niederließ: „Geht es dir gut? Die Wunde tut weh, oder?“ Ein gequältes Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. „Solange ich alles langsam angehe, ist wohl noch alles in Ordnung. Auch wenn ich mich nicht so fühle. Die Hauptsache ist, dass ich demnächst etwas zwischen die Zähne kriege… Nach nun mehr mehreren Monaten brauche ich einfach etwas, das mir meinen Margen füllt.“
Darauf sprang das Mädchen mit einem kecken Lächeln auf, tigerte flink zu einem nahen Baumstamm, wo eine kleine Anhäufung von Steinen lag. Sie schaufelte diese beiseite, klaubte etwas auf und kam wieder zurück, um mir stolz ihren versteckten Schatz zu präsentieren. Mehrere Früchte und Beeren hielt sie mir vor die Nase. Sie hatten solch saftige Farben und einen kaum merklichen, für mich aber unglaublich intensiven Geruch, dass mir augenblicklich das Wasser im Mund zusammenlief und sich meine Geschmacksnerven vor lauter Vorfreude zusammenzogen. Ohne ein weiteres Wort schlug ich gierig zu. Auch wenn es nur Beeren und Früchte waren, auch wenn noch Erd und Blattreste zwischen ihnen waren, so war es wohl die Mahlzeit, die ich in meinem Leben bis jetzt am meisten genossen hatte.
Dennoch war ich nach der letzten Beere noch weit davon entfernt gesättigt worden zu sein. Fürs erste sollte es allerdings reichen, damit ich nicht vor Hunger umkippte. „Puh, du bist eine wahre Lebensretterin.“, komplimentierte ich Soria, die mich stolz anlächelte, „Aber sag, wie lange war ich bewusstlos?“ Das Lächeln wurde schwächer und sie antwortete besorgt: „Ich glaub mehrere Stunden. Ich hatte unglaubliche Angst! Obwohl ich dich gekniffen hab, bist du nicht aufgewacht!“ „Du hast mich gekniffen?“, erwiderte ich nur trocken und sah sie mit einer gehobenen Augenbraue an. Sie setzte nur eine unschuldige Miene auf und wechselte schnell das Thema. „Neh, neh während ich die Früchte gesammelt habe, hab ich ein Dorf entdeckt. Meinst du die würden dir helfen?“, berichtete sie mit aufgeregter Stimme.
Ihrem Gesicht sah ich an, dass sie auf etwas ganz bestimmtes hinauswollte. Als ihr Blick kurz darauf zu meiner Wunde wanderte, war ich mir dessen auch sicher. Es war wirklich ein seltsames Gefühl zu wissen, dass jemand sich um einen sorgte. Für mich war es vor allem eine sehr seltene Empfindung, die mich das Kneifen ganz schnell vergessen ließ. Dann schob ich meine abschweifenden Gedanken beiseite und konzentrierte mich wieder auf die aktuelle Situation. Wahrscheinlich war es wirklich am sinnvollsten die Siedlung aufzusuchen. Immerhin bestünde dabei nicht nur die Chance endlich wieder etwas Fleisch zwischen meine Zähne zu kriegen. Die Wunde zu behandeln bevor sie sich entzündete, wäre sicherlich auch von Vorteil. Genauso wie zu erfahren, wo wir uns eigentlich befanden. Was dies anbelangt war ich nämlich völlig ratlos. Die flache Waldlandschaft erinnerte in keiner Weise an die hügelige Umgebung von Caliatia, was in mir die Befürchtung weckte, dass wir quer über das halbe Land geschleudert wurden.
„Wir sollten der Stadt wenigstens einen Besuch abstatten.“, meinte ich und stand langsam auf, um zu vermeiden, dass mich der Schwindel packte. Sie folgte mir mit besorgtem Blick und vergaß dabei selbst aufzustehen. „Soll ich die Stadt selbst suchen, oder willst du mich führen?“, fragte ich und beobachtete amüsiert, wie eine Schnute zog, quirlig aufsprang und zu mir ging. Dann schnappte sie sich trotzig meine Hand und fing an mich durch den Wald zu führen.
Ich musste mich nicht lange durch den Wald zu quälen, bis er sich erneut lichtete und den Blick auf die nahe Stadt freigab. Allerdings bezweifelte ich, ob man diese Stadt auch wirklich so nennen konnte. Meiner Einschätzung war es lediglich ein etwas größeres Dorf, dessen Bewohner auf die Idee gekommen waren eine etwa zwei Mann hohe Holzmauer zu errichten. Das war mir allerdings auch recht so. Je kleiner das Dorf, desto uninteressanter war sie für die Lichten und die Bewohner waren dementsprechend noch nicht von ihren kranken Gedanken geprägt. Zumindest hoffte ich das, während wir langsam auf das Tor zugingen. Die Abwesenheit von Wachen bestärkte diese Hoffnung. Aber trotzdem hielt ich mein rechtes Auge durchgehend geschlossen und unter einer Schicht verschmutzter Haare verborgen damit, ich nicht mehr als nötig auffallen würde. Mittlerweile hatte Soria meine Hand auch wieder losgelassen und versteckte sich nun halb hinter meinen Beinen, während wir auf der unbefestigten Hauptstraße standen und uns umsahen. Zuerst fiel mir auf, dass wir zwar einige misstrauische und neugierige Blicke der Bewohner ernteten, aber niemand schien sich an uns zu stören. Meine Laune stieg und ich ließ mein linkes Auge umherwandern.
Alle Häuser, bis auf eins, waren aus Holz gebaut. Einige davon wirkten eher schief als gerade, anderen sah man ihr Alter augenblicklich an. Aber kein einziges von ihnen zeigte die Spuren der Verwahrlosung. Insbesondere nicht jenes steinerne Haus, das alle anderen überragte. Obwohl noch zwei Häuserwände und ein überschaulicher Marktplatz, um den kreisförmig mehrere Läden und Stände aufgebaut waren dazwischen lagen, konnte man das Gebäude einfach nicht übersehen. Genauso wenig wie die grell gelben Fahnen mit der fast zur Unkenntlichkeit verschnörkelten Sonne Iodars, die an den Ecken des quadratischen Baus wehten. Das Glück war mir wohl doch nicht hold. Aber dank dem Drang zum Prunk und Auffälligen, der den Lichten wohl erblich weitergegeben wurde, wusste ich nun, wovon ich mich fernzuhalten hatte.
Nichtsdestotrotz würde es uns nichts nützen unsere Zeit weiter am Tor zu verschwenden. Mit vorgespielter Sicherheit, aber entschlossener Zielstrebigkeit folgte ich der Straße in Richtung Marktplatz, während ich meine Umgebung genau im Auge behielt. Auch wenn unsere Flucht erst wenige Stunden her war, hatten die Lichten trotzdem die Möglichkeiten Nachrichten schnell zu verschicken. Und in meinem aktuellen Zustand würde ich nicht hoffen können bei einer weiteren Konfrontation die Überhand behalten zu können.
Soria hielt sich weiterhin hinter meinen Beinen versteckt und schwieg, während sie mich unsicher zu imitieren versuchte. Als wir schließlich unbehelligt auf dem kleinen Marktplatz ankamen, bot sich mir ein Bild reger und Großteils freundlicher Beschäftigung. Immer wieder schallte Gelächter zu uns rüber und die vermischten Gerüchte verschiedener Speisen ließ meinen Magen aufheulen, was es mir erschwerte klar zu denken.
Als ich mir meinen Weg in die Mitte des Platzes bahnte, um einen besseren Überblick über die Geschäfte zu bekommen, stieß ich, wegen meinem geschlossenen Auge, mit jemanden zusammen. Sofort vernahm ich ein dumpfes Rumpeln, begleitet von einem derben Fluch. Ich drehte mich um und erkannte eine genervt dreinblickende Frau mittleren Alters, die mich mit einem auffordernden Blick beschoss. Zusammen mit ihren in die schmalen Hüften gestemmten Händen, dachte ich nicht einmal daran sie zu ignorieren und ließ meinen Blick zu Boden wandern. Verstreut über drei Schritte lagen die verschiedensten Gemüsearten am Boden. Wie es von mir erwartet wurde, bückte ich mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck und fing an ihre Einkäufe aufzuklauben und in ihren Korb zurückzulegen. Daraufhin ging die Frau neben mir in die Hocke, bedachte mich von Seite mit einem prüfenden Blick, rümpfte die Nase und meinte schließlich mit irritierter, aber zugleich versöhnlicher Stimme: „Du solltest aufpassen, wo du deine Plattfüße hinsetzt, Freundchen! Dann musst wegen solchen Ungeschicken auch nicht am Boden herumkriechen.“ Ich erwiderte ihren Blick mit einem gequälten Lächeln. Die hatte gut reden. Ich wette sie hatte noch nie versucht sich mit nur einem Auge über einen Marktplatz zur Mittagszeit zu schieben, nachdem sie aus dem größten Gefängnis der Lichten geflüchtet war.
„Tut mir leid, ich war gerade in Gedanken und habe Sie übersehen. Ich hoffe Sie nehmen es mir nicht allzu übel.“, antwortete ich, während ich beständig Äpfel und Kartoffeln zurück in den Korb legte. Ihr Gesicht nahm einen verblüfften Ausdruck an, während sie mich betrachtete. „Ich hab dich hier noch nie gesehen…“ Genau in dem Augenblick jagte Soria einem Kohlkopf hinterher, der zwischen den Beinen der anderen Marktbesucher hin und her rollte. Schließlich hatte sie ihn schnappen können und kam mit roten Backen zurück zu uns. Die Frau betrachtete nun auch sie verblüfft und fragte frei heraus: „Gehört ihr beide zusammen?“ Innerlich fluchte ich, aber zeitgleich fuhr ich Soria noch während sie den Kohlkopf mit beiden Händen auf Brusthöhe hielt, durch die Haare und meinte: „Richtig geraten. Sie ist meine kleine Schwester.“ Soria warf mir einen schnellen Blick zu, blinzelte einmal, sagte aber glücklicherweise nichts mehr und jagte schließlich dem nächsten Kohlkopf nach. Ein einfaches „So, so“ war alles, was die Frau dazu zu sagen hatte und machte sich nun wieder selbst daran ihre Einkäufe aufzuklauben. Als die Arbeit schließlich getan war und alles gerettet worden war, wollte ich die Gelegenheit nutzen und die Frau nach einem Arzt fragen. Doch bevor ich dazu kam, baute sich die zierliche Gestalt vor mir auf und drückte mir kompromisslos den Korb in Hand. Mit einem zufriedenen Lächeln bedachte sie mich mit dem gleichen auffordernden Blick, wie zu Beginn unseres Zusammentreffens. Mein Mundwinkel zuckte verärgert und ich entgegnete ihr nur mit all der Kühle meines verbleibenden Auges. Daraufhin schnaubte sie amüsiert und meinte: „Du bist schuld, dass ich alles vorm Kochen noch einmal richtig putzen darf. Stell dich also nicht an und tu einer Dame mit Rückenproblemen einen kleinen Gefallen. Immerhin wohne ich am anderen Ende des Dorfs!“
„So, so einer Dame, huh? Nun gut wertes Fräulein, um meine tiefe Schuld bei Ihnen zu tilgen, erfülle ich Ihnen gerne diesen einen letzten Wunsch.“, gab ich mit sarkastischer Freundlichkeit zurück. Aber ihr Lächeln weitete sich nur, während sie sich umdrehte und fröhlich pfiff: „Na dann immer mir nach, Bursche. Und guck diesmal, wohin du trittst!“
Mit Soria tauschte ich verdatterte und überraschte Blicke, zuckte dann aber mit den Schultern und folgte der zierlichen Frau. Das Mädchen sah dabei so verunsichert drein, wie ich mich fühlte. Mir wollte die Situation nicht gefallen. Aber uns blieb nichts übrig als stumm zu lächeln, um nicht unnötig Aufmerksamkeit zu erregen. Einen lautstarken Streit konnten wir uns wahrlich nicht leisten.
Bei dem Standort ihres kleinen, aber ordentlich wirkenden Hauses hatte die Frau nicht gelogen. Es lag wirklich am anderen Ende des Dorfes. Meine Arme kommentierten das mit einem erschöpften Schmerzen und die Wunde an meinem Kopf jagte mir ein rhythmisches Stechen durch den Schädel. Ich hoffte nur, dass aus dem Ganzen wenigstens noch ein paar Informationen herauszuholen waren.
Schließlich hielt mir meine Peinigerin noch immer siegreich lächelnd die Tür zu ihrer Stube auf. Stumm trat ich ein und fand mich in einem kleinen und beengenden Flur wieder, dessen Wände aus massiven glatten Holzbrettern bestanden.
„Würdet ihr bitte…“, setzte die Frau an, wobei sie verstummte, als ihre Augen an uns herab wanderten und unsere nackten Füße entdeckte, „eure Schuhe ausziehen.“, führte sie ihren Satz trotzdem in einem trockenen Ton zu ende. „Nun gut, das erspart euch das.“, meinte sie schließlich nach einem Moment nachdenklicher Stille und wandte sich dann wieder an mich: „Stell den Korb doch bitte auf den Küchentisch. Einfach bis zum Ende durch und dann links.“
Ich nickte noch immer schweigend, wobei ich mich noch für einige weitere Momente weigerte den Kontakt mit ihren forschenden Augen abzubrechen.
Schließlich aber riss ich mich los, folgte ihrer Bitte und betrat mit einem beklemmenden Gefühl die Küche. So wie das ganze Haus war sie ebenfalls nicht sonderlich groß, glänzte aber mit erstaunlicher Sauberkeit und guter Ausstattung. Erleichtert stellte ich den Korb auf den Tisch und drehte mich nach der Frau suchend um. Mit den Armen in die Hüfte gestemmt, stand sie wie eine überlegene Wächterin im Türrahmen und lächelte mich triumphierend an. Mein Mundwinkel zuckte. Diese Frau provozierte mich. Sie wusste ganz genau, dass es an meinem Stolz kratzte wie ihr Schoßhündchen springen zu müssen. Zudem weckte es in mir den Eindruck, als ob sie uns noch lange nicht gehen lassen wollte.
Darauf beugte sie sich ein Stückchen vor und kniff die Augen zusammen. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich unbewusst damit begonnen hatte ihr tödliche Blicke zuzuwerfen. Schnell kühlte ich meinen Kopf wieder ab, tat drei Schritte vorwärts und wollte mich mit den Worten: „Die edle Dame wird uns jetzt wohl nicht mehr brauchen… Dann…“, doch bis zu dem „entschuldigen wir uns jetzt“, sollte ich nicht mehr kommen. Plötzlich legte sie mir mit überraschender Stärke den Arm von Hinten um den Hals und zog mich lachend wieder in die Küche hinein. „Nicht so schnell Bursche.“, meinte sie schließlich, schubste mich mit sanfter Gewalt rücklings auf einen Stuhl und baute sich noch immer lächelnd, aber gleichzeitig herrisch vor mir auf. „Mit dir bin ich noch nicht fertig, Freundchen!“, meinte sie mit bedeutendem Unterton, drehte dann ihren Kopf zu Soria, die das ganze Spektakel erschrocken beobachtet hatte. Als ihre Blicke sich kreuzten zuckte das Mädchen heftig zusammen, als wäre sie so eben aus einer Schockstarre erwacht. „Und du gehst am besten den Flur entlang und betrittst den zweiten Raum auf der rechten Seite. Dort sollte alles bereit stehen… Du wirst wissen, was du zu tun hast, sobald du da bist.“, befahl sie Soria schließlich in einem sanften Ton, der bei mir trotzdem für stehende Nackenhaare sorgte. Wer zum Teufel war diese Frau? Dabei lag die Antwort auf der Hand, auch wenn ich es nicht wahr haben wollte. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir geradewegs in die Fänge einer Lichten gelaufen sind, war einfach zu lächerlich hoch. Schnell verdrängte ich meine Schuldgefühle und versuchte Soria einen beruhigenden Blick zuzuwerfen. Dann nickte ich, worauf sie zögerlich mit ängstlicher Miene umdrehte und sich auf den Weg machte.
Sobald sie den Raum verlassen hatte, verschwand das Lächeln aus meinem Gesicht, meine Augen zuckten zurück zu der Frau, die sich nun direkt vor dem Stuhl positioniert hatte. Langsam senkte ich meinen Kopf und fragte mit gefährlicher Ruhe: „Was hat das zu bedeuten?“ Doch ihre Antwort war nur ein verspieltes Kichern. Verfluchte Hexe.
Wütend biss ich mir auf die Lippe und wollte ruckartig aufstehen, als plötzlich mein rechtes Auge explodierte. Ein strahlender Schmerz schoss von dort aus durch meinen gesamten Kopf. Alle Sinne schwanden mir, laut stöhnte ich auf. Unfähig zu denken, wollten meine Hände reflexartig zu dem Auge wandern, doch ich konnte sie nicht bewegen. Es schien als lägen meine Arme unter einem Amboss. Nicht einmal die Finger konnte ich bewegen. Erst als der Schmerz wieder zurückging, verstand ich was geschehen war.