Biografien & Erinnerungen
Rozka - eine Hundegeschichte

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"Rozka - eine Hundegeschichte"
Veröffentlicht am 20. August 2011, 6 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Rozka - eine Hundegeschichte

Rozka - eine Hundegeschichte

Rozka

 

Rozka war ein kleines semmelblondes Etwas, kaum größer als eine Katze, als ich sie das erste Mal sah. Ihr Fell war gepflegt, die Haare frisch gebürstet und sie war äußerst tollpatschig. Mehr stolpernd als laufend, begleitete sie den russischen Wachsoldaten, der beim Eingangstor des Schlosses Wache hielt – immer fünf Schritte vor und wieder fünf zurück.

Auch aus Russland stammend, sollte die kleine Hundedame das Maskottchen der Besatzungssoldaten werden, die in unserer Stadt im Schloss einquartiert waren.

Der rechte Trakt des Gebäudes war ausschließlich den Russen vorbehalten, im anderen Teil waren Wohnungen und Büros der Erdölgesellschaften untergebracht.

Links im Parterre, gleich neben dem Haupttor war die Telefonzentrale, in der meine Mutter als Telefonistin beschäftigt war. Sie hatte abwechselnd Tag- oder Nachtdienst und manchmal durfte ich – damals ein Mädchen von knapp zehn Jahren – sie besuchen. Klopfenden Herzens schlich ich dann immer am russischen Wachposten vorbei, der aber keinerlei Notiz von mir nahm.

Im Sommer spielten die Soldaten oft Fußball im Schlosshof und mitten unter ihnen lief auch ein riesiger Schäferhund umher. Vor dem Hund hatte ich Angst, aber Rozka, seine Nachfolgerin, gefiel mir so gut, so dass ich nun jeden Tag nach der Schule zum Schlosstor ging, in der Hoffnung, sie wieder zu sehen Doch meist vergeblich, denn für Rozka hatte bereits die `militärische Ausbildung` begonnen und sie musste mit den Soldaten auf den Exerzierplatz oder zum Schießstand.

Da sie eine gelehrige Schülerin war, beherrschte sie bald die verschiedensten russischen Kommandos, sie blieb zum Beispiel wie angewurzelt stehen, wenn jemand `Stoj` rief und verstand es auch sich völlig geduckt lautlos an den vermeintlichen Feind anzupirschen. Sie konnte richtig robben, indem sie die Hinterläufe völlig ausgestreckt ließ und sich nur mit den Vorderpfoten vorwärts zog.

Auch auf dem Schießplatz zeigte sie keinerlei Angst und lag stundenlang ruhig neben den Soldaten.

So gehorsam sie auch tagsüber war, abends und später auch nachts wollte sie von ihren Ausbildern nichts mehr wissen. Da wechselte sie auf die österreichische Seite, ging hier von Tür zu Tür, holte sich Streicheleinheiten und ab und zu kleine Leckerbissen. Oft kam sie auch zu meiner Mutter in die Telefonzentrale. Hier schien es ihr besonders gut zu gefallen, denn sie kam immer öfter und blieb immer länger. Des Öfteren kratzte sie auch nachts an der Tür und wartete geduldig bis ihr geöffnet wurde.

Den Soldaten gefiel diese Entwicklung nicht, denn ihnen war der Kontakt zu Zivilpersonen streng untersagt und genauso wollten sie es mit Rozka halten. Anfangs lachten sie zwar über die kurzen Ausflüge des Hundes und holten ihn zurück, doch mit der Zeit wurden sie immer zorniger und schlugen den Hund, wenn er auf ihr Rufen nicht sofort reagierte.

Einmal war Rozka drei Tage lang nicht zu sehen. Am vierten Tag kam sie halb verhungert wieder zu ihren österreichischen Freunden – die Soldaten hatten sie zur Strafe im Keller eingesperrt.

Inzwischen hatte sie auch ein gutes Zeitgefühl entwickelt und wusste ganz genau wann meine Mutter Dienstschluss hatte, denn kaum hatte meine Mutter das Tor passiert, sah man auch Rozka, die ihr in angemessenem Abstand folgte.

Um dem Hund keine weiteren Schwierigkeiten zu bereiten, scheuchte ihn meine Mutter immer wieder zurück, was Rozka nur knurrend zur Kenntnis nahm.

Es war offensichtlich, Rozka wollte desertieren und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit zum Absprung. Die sollte auch bald darauf kommen.

Eines nachts – der Hund war wieder einmal schon längere Zeit nicht mehr gesehen worden – klopften Soldaten an die Tür der Telefonzentrale und forderten energisch Einlass.

Erschrocken öffnete meine Mutter die Tür. In gebrochenen Deutsch forderte sie einer der Russen auf, den Hund sofort herauszugeben, denn der müsse auf Anordnung des Kommandanten erschossen werden, weil er immer wieder davonlaufe.

Wahrheitsgemäß beteuerte meine Mutter, Rozka schon längere Zeit nicht mehr gesehen zu haben. Zornig durchsuchten sie das Zimmer und sahen in jeden Kasten. Meine Mutter hatte Angst und hoffte nur, dass Rozka nicht gerade in diesem Augenblick an der Tür kratzen würde. Gott sei Dank blieb sie verschwunden.

Als meine Mutter am nächsten Morgen nachhause kam, glaubte sie ihren Augen nicht zu trauen. Rozka saß vor unserer Haustür und sah sie bittend an. Diesem Blick konnte niemand widerstehen, auch meine Mutter nicht.

Ungeachtet der Schwierigkeiten, in die sie kommen konnte, schnappte sie kurzerhand die Hundedame und brachte sie zu meinen Großeltern, die in einem anderen Ort  - fünf Kilometer weit entfernt – wohnten. Hier war sie erst einmal in Sicherheit.

Einige Monate später holten wir Rozka zu uns.

Anfangs gab es Verständigungsschwierigkeiten, denn sie verstand kaum deutsch und wir sprachen nicht russisch. Doch nach einiger Zeit gehorchte sie aufs Wort und führte uns stolz alle Kunststücke vor, die sie bei den Soldaten gelernt hatte.

Sie blieb uns noch viele Jahre eine treue Gefährtin, doch Uniformen hasste sie bis an ihr Lebensende und Briefträger und Gendarmen betrachtete sie immer als ihre ganz persönlichen Feinde.

 

 

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ulla Re: Ein erfreuliches Ende -
Zitat: (Original von baesta am 29.08.2011 - 22:31 Uhr) für den kleinen Hund. Ich darf mir gar nicht vostellen, was er alles noch hätte durchmachen müssen.

Liebe Grüße
Bärbel


Eine meiner schönsten Erinnerungen an die Kindheit, es war wirklich ein ganz lieber Kerl, der nicht beim militär bleiben wollte, leider habe ich kein Foto mehr.
Danke fürs Lesen
glg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Ein erfreuliches Ende - für den kleinen Hund. Ich darf mir gar nicht vostellen, was er alles noch hätte durchmachen müssen.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: dies zu lesen -
Zitat: (Original von Jerade am 22.08.2011 - 08:54 Uhr) weckt erinnerungen...

schön geschrieben
und gern gelesen
lg jerade


Danke jerade
schön, dass du da warst
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: ****** -
Zitat: (Original von erato am 21.08.2011 - 18:54 Uhr) Anrührend schön
und voller Lebensgeschichte..., liebe Ulla.

GglG Thomas


Ab und an ein Blick auf eine altes Foto und die passende Geschichte dazu schreibt sich von selbst...
Danke für dein treues Lesen, freue mich immer sehr dich zu sehen
gglg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: Da war sie wohl russischer als ... -
Zitat: (Original von pekaberlin am 21.08.2011 - 17:35 Uhr) ... ihre Ausbilder! Großes, ja riesiges Herz, Freunden ewige Treue haltend und unerbittlich gegen jeden Feind, sobald er sich als dieser erwiesen hat.
Eine wunderschöne Geschichte, Ulla! Und ebenso wunderbar geschrieben!
Liebe Grüße Peter


Es ist in der Tat eine der schönsten Erinnerungen an meine Kindheit, diesen Augen konnte wirklich niermand widerstehen.
Danke für deinen ausführlichen Kommentar und noch einen netten Abend
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
erato ****** - Anrührend schön
und voller Lebensgeschichte..., liebe Ulla.

GglG Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Da war sie wohl russischer als ... - ... ihre Ausbilder! Großes, ja riesiges Herz, Freunden ewige Treue haltend und unerbittlich gegen jeden Feind, sobald er sich als dieser erwiesen hat.
Eine wunderschöne Geschichte, Ulla! Und ebenso wunderbar geschrieben!
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: WOW - mein heutiger FAVO -
Zitat: (Original von FLEURdelaCOEUR am 20.08.2011 - 12:11 Uhr) (Hier passt es mal ;-)) ) Liebe Ulla, deine Geschichte hat mich zutiefst berührt und erfreut.
Erinnert mich nicht nur an eigene Kindheitserlebnisse, sondern auch
an manche Tiergeschichten vom großen Friedrich Wolf .....

GlG fleur



Danke für den Favo und die Bewertung, freue mich sehr darüber.
Kindheitserinnerungen, manchmal ist es, als wenn es erst gestern gewesen wäre...lach
liebe Grüße in deinen Abend
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR WOW - mein heutiger FAVO - (Hier passt es mal ;-)) ) Liebe Ulla, deine Geschichte hat mich zutiefst berührt und erfreut.
Erinnert mich nicht nur an eigene Kindheitserlebnisse, sondern auch
an manche Tiergeschichten vom großen Friedrich Wolf .....

GlG fleur

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