Vollständige Version der Geschichte "Schattengeflüster" Inhaltsverzeichnis: I. Die Duellanten II. Ein nächtlicher Ausflug III. Nacht der Geheimnisse IV. Lodernde Nacht V. Narrenmond VI. Gerechter Lohn
Vorsichtig schlich Alaron gefolgt von seinem Diener durch die nächtlichen Straßen von Arnulfsheim. Sein Atem ging schnell und dies lag nicht nur an der ungewohnten nächtlichen Betätigung, er konnte es immer noch nicht fassen, von einem Emporkömmling so gedemütigt worden zu sein. Knirschend schloss sich seine linke Hand um das, mit Leder umschlagene, Heft seines Rapiers, als die Erinnerung wieder in ihm aufstieg.
Es hatte einfach ein gemütlicher Abend in einer billigen Taverne werden sollen, zusammen mit so genannten Freunden und einigen leichten Mädchen. Die Feier war nur langsam in Gang gekommen, doch als sie gegen Mitternacht ihren Höhepunkt erreichte, war es dann doch ein Spaß gewesen, den er sich schon viel zu lange nicht mehr gegönnt hatte. Und es war weder ungewöhnlich noch überraschend zu nennen, dass die Anwesenden in dieser Zeit unter den rauen Späßen der jungen Gecken hatten leiden müssen. So war es immer schon gewesen und bisher hatte sich auch niemand beschwert, also warum hatte dieser seltsame Ausländer so einen Aufstand machen müssen, fragte er sich bestimmt zum hundertsten Mal seit den Ereignissen der letzten Nacht.
Er hatte doch nur vor seinen Begleitern etwas angeben wollen und hatte daher der Schankmagd, gerade als sie den Fremden mit dem seltsamen Akzent bediente, ihre Geldkatze entrissen. Unter dem Gejohle der anderen hatte er diese vorne in seine Hose gesteckt und das verunsicherte Frauenzimmer aufgefordert sich zu holen was ihr gehörte und zwar zärtlich. Es war doch nicht seine Schuld gewesen, dass sie, bei ihrem erschreckten Getue, die Karaffe mit Wein umgestoßen hatte, so dass sie zu Boden fiel und die Stiefel und Beinkleider des Fremden mit der roten, klebrigen Flüssigkeit bespritzte. Und als wäre dies nicht genug der Torheit gewesen, hatte sich das dumme Ding noch, während sie Entschuldigungen stammelte, in die Hand geschnitten, als sie die Scherben aufsammelte. Was für ein überaus köstlicher Anblick war dies gewesen und wie sehr sie alle darüber hatten lachen müssen.
Nur dem Fremden hatte es nicht gefallen, auch wenn er, schweigend in seiner dunklen Ecke sitzend, sich nicht um Alaron und seine Freunde gekümmert hatte. Umso heftiger war die folgende Reaktion ausgefallen, als sich der Fremde von seinem Platz erhob und jeder dachte, dass sich die Magd sich nun noch ein paar saftige Schläge einfangen würde. Dem Mädchen mussten ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen sein, denn zitternd hatte sie die Beine des Mannes umklammert und immer panischer um Verzeihung für ihr Ungeschick gebeten.
Doch anstatt sie zu schlagen, hatte der fremde Herr sie mit erstaunlicher Leichtigkeit auf die Füße gezogen, sie auf einen Stuhl gesetzt und ihr ein Tuch gegeben, um sich die Wunde zu verbinden.
Fassungslos hatten Alaron und seine Bekannten die Handlungen des Fremden beobachtet und waren dann, in Ohren betäubendem Gelächter ausgebrochen. Er konnte sich nicht mehr erinnern, auf welche Weise sie den Fremden verspottet hatten, aber eines war klar gewesen, wer sich so gegenüber einer Schankmagd verhielt, der konnte nur ein Emporkömmling und nicht von wahrem Stand und Namen sein.
Doch der Fremde hatte nicht auf ihre Beleidigungen reagiert, bis das weinende Mädchen verbunden war und sie sich etwas beruhigt hatte, erst dann hatte er sich Alaron und seiner Gesellschaft zu gewandt. Und seine Reaktion hatte dabei nicht nur aus Worten bestanden, sondern direkt ohne Vorwarnung gehandelt, wie es wohl unter Bauerssöhnen das übliche Vorgehen war.
Sein Kiefer schmerzte noch immer von dem Hieb, der ihn zu Boden geschickt hatte und in seinen Ohren klangen immer noch die Schreie des Entsetzens, seine eigenen und die seiner Kumpane, als der Fremde einen Dolch gezückt hatte.
Noch betäubt von dem Schlag hatte auf dem Boden liegend sein Verhängnis erwartet, doch der Fremde hatte ihm nur, meiner einzigen beinahe beiläufigen Bewegung der Klinge, den Schritt der Hose aufgeschlitzt, die Geldkatze an sich genommen, ebenso wie Alarons eigene Börse. Immer noch wortlos hatte er dem Mädchen die Geldkatze und auch Alarons Börse gegeben, bevor irgendjemand dazwischen gehen konnte. Er selbst hatte diesem seltsamen Verhalten fassungslos zu sehen müssen, als ihm einer seiner Saufkumpane auf die Füße geholfen hatte. Auf eine solche Weise war er noch nie so gedemütigt worden und Zorn hatte seinen Schrecken verdrängt.
Wie konnte es dieser dahergelaufene Ausländer auch wagen, ihn, den Sohn des Barons von Bingen, so zu behandeln. Diesem Zorn hatte auch mit Worten Ausdruck verliehen, die der Fremde amüsiert über sich ergehen ließ. Da dies in keinster Weise die angemessene Reaktion für einen solchen Frevel sein konnte, hatte er den Fremden daraufhin zum Duell gefordert.
Und zum ersten Mal, seit Beginn dieser unseligen Episode, hatte man eine Reaktion auf dem Gesicht des Fremden ablesen können, allerdings keine mit der Alaron gerechnet hatte, statt Furcht zu zeigen, schien der Fremde sich ganz im Gegenteil zu freuen. Als einzige Antwort hatte er die Wahl der Waffen getroffen, Schwerter waren seine Forderung gewesen und als Zeit hatte er sich Mitternacht des folgenden Tages ausgebeten.
Erst hatte Alaron ablehnen wollen, aber schnell reifte die Erkenntnis in ihm, dass es wohl besser wäre, wenn die Zahl der Beobachter für das Duell möglichst gering bleiben würde. Schließlich sollte dieser Bauerntölpel nicht so einfach davonkommen und die ehrenhaften Regeln eines Duells waren einfach zu gut, um für einen solchen Schandfleck wie den Fremden, Beachtung zu finden, weswegen sie für diesen gar nicht gelten konnten. So willigte er also ein und wählte den Hinterhof eines Schlachters, der seinem Vater Treue schuldete, als Ort für den Waffengang.
Mit einem Nicken nahm der Fremde dies hin und verließ dann die billige Schänke, ohne weiter behelligt zu werden.
Allerdings hatte durch diese Ereignisse nun auch die Feier ihr Ende gefunden und schon bald hatten sie sich alle auf den Weg nach Hause gegemacht, dass sie diese bewusste Taverne nie mehr besuchen würde, stand für alle Beteiligten der kleinen und abrupt beendeten Feier außer Frage. Und doch hatte niemand den Schneid besessen Alarons Börse von der Magd zurückzufordern.
Während er nun so seinen Gedanken nachgegangen war, hatten er und sein Diener, der als Sekundant fungieren würde, schon beinahe den Hinterhof erreicht. Seine Vorbereitungen für dieses besondere Ereignis hatte er schon während der Tagesstunden abgeschlossen, schließlich sollte dieser Bauernlümmel nun bekommen, was er verdiente und dies nicht zu knapp. Noch war die Zeit zu kurz gewesen, um ihn zum Gespött seiner Bekannten zu machen und dies sollte auch so bleiben. Von seinen anderen Dienern war nichts zu sehen, sie würden erst auf seinen ausdrücklichen Befehl eingreifen, da er nicht glaubte große Mühe mit dem Bauerntrampel zu haben.
In der Taverne war er betrunken gewesen und der Fremde hatte ihn überrascht, nur deswegen hatte er ihn so behandeln können. Severan, sein Diener, eilte an seinem Herren vorbei und öffnete das Holzgatter, damit sie auf den Hinterhof gelangen konnten. Die Luft war erfüllt von kupfrigem Blutgeruch, und das Öffnen des Gatters sorgte für einen frischen Schwall dieses ganz besonderen Duftes, so dass er kurz die Luft anhalten und seine Übelkeit niederkämpfen musste. Ohne den Diener eines Blickes zu würdigen schritt er durch die Öffnung und trat auf das Gelände, hinter sich konnte er hören, wie das Gatter wieder geschlossen wurde.
Als er sich im Hof umsah, verspürte er kurz ein Gefühl der Erleichterung, scheinbar war sein Gegner nicht aufgetaucht, was die ganze Angelegenheit doch noch zu seiner Zufriedenheit lösen würde und das vollkommen ohne Risiko. Doch gerade als er sich dieser Illusion hingeben wollte, trat der Fremde aus den Schatten, gefolgt von einer buckligen Gestalt, die in einen schwarzen Kapuzenumhang gehüllt war. Angewidert verzog Alaron das Gesicht, auch wenn ihm hätte klar sein können, dass er von einem solchen Mann nicht viel erwarten konnte, war es doch einfach unmöglich einen Krüppel als Sekundanten für ein Duell zu bestimmen.
„Ah, Ihr seid pünktlich. Ich wäre sehr betrübt gewesen, wenn ich hätte warten müssen. Dies ist mein Sekundant Grohil. Ich bin bereit, wenn Ihr es auch seid.“
begrüßte der Fremde Alaron mit leichtem Spott in der Stimme, deutete kurz auf seinen Begleiter, der sich nach einer schwerfälligen Verbeugung wieder etwas zurück zog. Alarons Gesicht erstarrte zu einer eisigen Maske, bevor er nun selbst seinen Sekundanten vorstellte und dem Diener seinen Mantel übergab.
Leise schabend zog er nun die Klinge aus der Scheide und der Stahl funkelte hell im Licht des, nur zur Hälfte sichtbaren, Mondes. Prüfend schwang er die Klinge einige Male, so wie er es bei seinem Fechtlehrer gesehen hatte, auch wenn er sich nicht sicher war, warum dieser immer wieder darauf bestanden hatte.
Sein Gegner schien immer noch die Ruhe selbst zu sein, das Gesicht im Schatten verborgen, da der Mond in seinem Rücken stand. Doch nachdem nun Alarons Stahl seine schützende Hülle verlassen hatte, kam auch Bewegung in den Fremden. Mit einem leichten Rucken der Schulter glitt der Mantel zu Boden und Alaron konnte nur verächtlich schnauben, billige Theatralik und die Kleidung des Fremden war immer noch keine Spur besser geworden als in der Nacht ihres Zusammenstoßes.
Selbst die Scheide an der Seite des Fremden war alt und abgenutzt, und so etwas brachte zu einem solchen Ereignis mit, dachte sich Alaron leicht hämisch grinsend. Er hatte also einfach nicht seine Armut zeigen wollen und offenbar hatte er gehofft, auf diese Weise die Gunst der Schankmagd erlangen zu können. Es war schon erbärmlich, wenn man sich nicht einmal eine billige Schankmagd leisten konnte, führte Alaron, äußerlich ungerührt, doch innerlich jubilierend, den Gedanken fort. Sirrend zog der Fremde nun auch seine Klinge und obwohl die Klinge alt aussah, so schien sie doch scharf und gut gepflegt zu sein. Konnte er da etwa ein leises Schnaufen des Fremden hören, fragte sich der Jüngling hämisch. Ein selbstzufriedenes Lächeln erschien auf den Lippen des jungen Adligen, offenbar hatte der Fremde sich überschätzt. Das war doch mal ein glücklicher Gedanke.
„Lasst uns endlich anfangen, ich habe noch eine Siegesfeier vor mir und die Nacht wird immer kürzer.“
Alarons Worte sollten den Fremden reizen, doch dieser nickte ihm als Antwort nur zu und hob seine Klinge mit der Breitseite vors Gesicht.
Langsam und vorsichtig näherten sich nun die beiden Kontrahenten einander, die Schneiden der Klingen fingen funkelnd die Lichter des Mondes und der Sterne.
Kaum war dieser in Reichweite als Alaron schon einen wuchtigen Hieb gegen das Gesicht seines Gegners führte. Die Parade kam beinahe zu langsam und der Fremde taumelte einen Schritt zurück, scheinbar aus dem Gleichgewicht gebracht vom Schlag des jungen Mannes. Freude über diesen guten Anfang und das Adrenalin in seinem Blut beschleunigten den Herzschlag Alarons.
Es schien beinahe einfach zu werden, wahrscheinlich hatte er seine Diener umsonst hier platziert. Aber die war nun egal, es galt dem Emporkömmling zu zeigen, wo sein rechter Platz war. Erneut versuchte er einen Ausfall, dieses Mal zielte er auf die Brust seines Gegners, doch nur als Ablenkung. Absichtlich hatte er einen so vorhersehbaren Zug gemacht und die Reaktion des Fremden hätte ihn beinahe laut auflachen lassen.
Dieser ging auf die Finte ein und wurde auch schon mit einem tiefen Schnitt am Waffenarm dafür belohnt. Dunkel glänzte das Blut auf Alarons Klinge, während der Fremde weiter zurückwich und versuchte aus der Reichweite der Waffe zu gelangen.
Die Wunde war tief und Alarons Blick entgingen die Blutstropfen nicht, die den Weg seines Gegners markierten. Diese Chance würde er nicht ungenutzt verstreichen lassen und drang so wieder auf seinen Feind ein, der jedoch dieses Mal die Attacken des Edelmannes parieren konnte.
Immer wieder krachten die Klingen gegeneinander, doch die Gegenwehr des Fremden schien langsam zu erlahmen. Das harte Training und das ungerechte Verhalten seines Fechtlehrers schienen sich nun auszuzahlen, für die Zukunft sollte er vielleicht seine Streitigkeiten öfter auf diese Weise erledigen, dachte er bei sich, während er wieder einen Angriff startete. Hinter sich konnte er das erfreute Gemurmel seines Dieners hören, als er die Klinge des Fremden nach oben lenkte und dann direkt auf das Herz seines Feindes stossen wollte.
Waffenstahl klirrte und der junge Adlige riss vor Verblüffung die Augen auf, als sein Gegner sich leichtfüßig aus dem vermeintlichen Todesstoß drehte und seine Klinge mit einer geschickten Drehung nach unten ablenkte. Getragen durch seinen eigenen Schwung stolperte er so nach vorne und die Faust seines Gegenspielers traf ihn direkt an Stirn. Geisterhafte Lichter explodierten in seinem Blickfeld, das überraschte Keuchen des Dieners nahm er gar nicht mehr wahr, als er rücklings zu Boden fiel. Der Fremde stand drei Schwertlängen von ihm entfernt als er sich wieder auf die Beine rappelte. Wie hatte dieser ungeschickte Tölpel nur so etwas vermocht, fragte er sich mit einem Fluch auf den Lippen.
„Das Spielchen beginnt mich zu langweilen. Lasst es uns beenden.“
hörte er die flüsternde Stimme des Gegners und es musste eine verirrte Reflexion des Mondlichts gewesen sein, die dessen Augen in einem hellen Leuchten hatte aufblitzen lassen.
Etwas hatte sich von einem Moment auf den anderen verändert, die ganze Haltung des Fremden war anders geworden, vorher war er etwas geduckt und leicht gebeugt vor dem Adligen gestanden, aber nun drückte seine Haltung Stolz und Erfahrung aus. Alaron blinzelte einige Male, da er sich nicht erklären konnte, wie eine solche Veränderung zu Stande kommen konnte.
Mit einem wütenden Schrei auf den Lippen, stürmte er auf den Fremden zu und schwang seine Klinge nach dem Hals des Gegners. Doch sie fuhr nur durch die leere Luft, erstaunlich schnell hatte sich der andere unter dem Hieb geduckt und mit einer Drehung des Körpers den gesamten Angriff des Edelmannes ins Leere laufen zulassen. Und als wenn dies nicht ausgereicht hätte, so bekam Alaron nun noch von hinten einen Tritt ins Gesäß, der ihn laut aufheulen ließ. Zornig fuhr er herum, nur um im letzten Moment die Klinge des Fremden vor seiner Brust beiseite schlagen zu können. Erschrocken wich er nun selbst einen Schritt zurück, um sein Gleichgewicht wieder erlangen zu können, doch bevor er sich richtig gefangen hatte, prasselten die Hiebe seines Gegners auf ihn ein. Nur mit äußerster Mühe konnte er sich diesem rasenden Angriff erwehren, Schweiß trat ihm auf die Stirn und sein Waffenarm erlahmte langsam, ob der starken Hiebe mit denen er konfrontiert wurde. Langsam wurde er so gegen die Rückwand des Schlachthofes gedrängt und er wusste, dass es sein Ende bedeuten würde, wenn er erst einmal an der Wand angelangt war.
„Sulvan, Marik, Engar! Greift endlich ein.“
rief er, mit Angst in der Stimme, seine Diener und gedungenen Schläger zu Hilfe, doch es geschah nichts auf seinen Ruf hin.
Beinahe nichts, denn sein Gegner zeigte plötzlich ein wölfisches Grinsen. Irritiert vernachlässigte Alaron, für einen Herzschlag, seine Deckung und als Lohn für ihm eine Lanze aus brennendem Schmerz durch das Fleisch seiner Wange. Eine klaffende Wunde hatte sich an seiner rechten Wange geöffnet, er konnte spüren, wie ihm das Blut über den Hals lief und den Kragen seines teuren Hemdes netzte. Er hatte kaum gezwinkert und doch stand sein Gegner wieder drei Schwertlängen von ihm entfernt und lachte leise.
„Schade, schade nicht wahr? Gute Diener sind schwer zu finden und ich fürchte, dass Ihr auf die Gesellschaft der Euren wohl verzichten müsst.“
Die Nackenhaare des Adligen stellten sich bei diesen Worten auf, gefolgt von einem Schrei als plötzlich klatschend ein Gegenstand vor ihm auf dem Boden landete. Es war Mariks Kopf, sein Gesicht war in einem stummen Schrei des Grauens verzogen und Panik wallte in den Eingeweiden des jungen Mannes auf.
„Wie…wer…..was seid Ihr?“
entrangen sich flüsternd die Worte von den Lippen des jungen Mannes, während er seinen Gegner mit vor Schrecken weiten Augen anstarrte. Dieser hatte sich immer noch nicht gerührt und erst jetzt fiel Alaron auf, dass die Wunde an dessen Arm nicht länger blutete. Worauf hatte er sich nur eingelassen, schoss es ihm durch den Kopf. Doch Hoffnung loderte in seinem Herzen auf, als er sah wie sich Severan von hinten an den Fremden anschlich, das eigene Schwert zum Schlag hoch über den Kopf erhoben.
Doch ebenso schnell wie der Funke der Hoffnung aufgelodert war, erlosch er auch wieder, als der Fremde sein Schwert nach vorne riss, es drehte und unter seinem rechten Arm nach hinten stieß, genau in das Herz des Dieners. Die Bewegung war so schnell erfolgt, dass Alaron ihr kaum hatte folgen können, der Gesichtsausdruck des Dieners zeigte nur grenzenloses Staunen, als der Fremde mit einer Drehung die Klinge aus dem sterbenden Körper riss und beiseite trat. Krachend schlug der Körper Serverans auf dem Boden auf und das Schwert rutschte klirrend direkt vor die Füße Alarons.
„Wie unartig. Und wie nutzlos.“
kommentierte der fremde Mann seine Tat und blickte dann wieder zu Alaron, der vor Schrecken nun vollständig erstarrt war.
Sein Gedanken rasten, doch er konnte keinen Ausweg aus dieser Situation finden, als er sich der Waffe in seiner Hand erinnerte. Mit einem Schrei der Verzweiflung rannte mit gehobener Waffe auf den Fremden zu und legte alles in einen letzten Schlag. Doch zu diesem Schlag sollte es nie kommen.
Mit erstaunlicher Schnelligkeit trat der Fremde im letzten Moment einen Schritt zur Seite und rammte sein Schwert von unten in den Körper des jungen Mannes, während seine freie linke Hand den Schwertarm seines Gegners blockierte. Alarons Schwung sorgte dafür, dass er sich selbst am Schwert des Fremden aufspießte und die Klinge vollständig durch den eigenen Leib trieb. Keuchend hing er gefangen im Griff seines Kontrahenten, Blut floss ihm aus dem Mund, da er sich auf die Zunge gebissen hatte.
Nur eine Handbreit trennte die Gesichter des Adligen und das seines Gegners, der nun seine Zähne in einem Lächeln entblößte. Die langen Eckzähne schimmerten im nächtlichen Schein der Monde und er beugte seinen Kopf nach vorne ans Ohr seines Opfers.
„Es ist nicht nur schwer gute Diener zu finden. Doch noch schwerer ist es angemessene Nahrung zu finden, ohne dass sich jemand einmischt.“
flüsterte er dem Sterbenden ins Ohr und riss mit einem Ruck das Schwert etwas höher. Nun endlich floss das junge Blut über die Klinge und mit einem letzten Aufstöhnen erstarb der Lebensfunke Alarons. Seine Muskeln entspannten sich nach einem kurzen Krampf, der Geruch des Blutes mischte sich mit dem der Ausscheidungen. Noch einmal funkelten die Zähne des Vampirs auf, bevor sie in den Hals des Mannes eindrangen, damit er endlich vom warmen Lebenssaft des Jungen kosten konnte.
Nachdem er sich gesättigt hatte, ließ er den kalten und blutleeren Körper des Adligen auf den Boden fallen. Mit dem Handrücken wischte er sich den Mund ab, zog seine Klinge vollständig aus dem Leichnam und schloss für einen Moment genießerisch die Augen.
Blaues Blut war einfach ein echtes Geschmackserlebnis, allein die Folgen der Inzucht, riefen einen wunderbaren Geschmack hervor, dachte er lächelnd bei sich. Beinahe hätte er in der Taverne nicht gehandelt, aber das Blut des Mädchens hatte ihn in Rage gebracht. Obwohl sie wertlos war, sogar noch wertloser als der arrogante Schnösel gedacht hatte, so war sie ein hervorragender Grund gewesen, um sich endlich wieder angemessene Beute zu sichern. Während er sein Schwert an der Kleidung des Toten reinigte, blickte er zu seinem Diener. So verkrüppelt er auch aussah, so stark und agil war er dennoch. Und sogar einigermaßen intelligent für einen Guhl.
„Zieh die beiden aus und dann in den Fleischwolf, wie die anderen….Die Herzen kannst du haben.“
wies er den Guhl an, der mit einem zufriedenen Aufschnaufen seine Arbeit begann. Die kleine Belohnung hatte er sich verdient, immerhin hatte er die kleine Sache mit dem Kopf nicht explizit befohlen und solche Kleinigkeiten mussten belohnt werden. Langsam richtete er sich auf und ließ seine Sinne in die Nacht hinausgreifen.
Ja, Arnulfsheim war genau das richtige Pflaster, um sich von den Streitereien der Heimat abzulenken.
Langsam aber beständig sank die Sonne am Horizont und badete die Stadt mit einem letzten Aufflackern ihres goldenen Lichts. Die Schatten in den Gassen und Straßen der Handelsstad wurden länger und dichter, bis schließlich auch der letzte Schein von den Dächern verschwunden war. Lampen wurden in den besseren Stadtvierteln entzündet und in den Tavernen begann man sich auf die Kundschaft der heutigen Nacht einzustellen. Denn diese Stadt würde niemals in einen wirklichen Schlummer fallen, immer gingen die Bewohner ihren Geschäften nach und die Nachtstunden waren für einige sogar die besten Stunden für ihr Gewerbe.Obwohl Arnulfsheim eines der Zentren des Handels darstellte, gab es hier mehr dunkle Geschäfte und schattenhafte Intrigen als an jedem anderen Ort oder war vielleicht gerade der Status, als wichtiges Handelszentrum, der Grund für diese Dichte an verwerflichen Taten.
Doch das junge Mädchen, welches sich gerade roten Puder auf die Wangen auftrug, hatte kein Interesse für solche Fragen und Gedanken. Für sie war allein wichtig, dass sie ihren Schnitt machte und dabei möglichst nicht allzu lange an den Herren ihres Interesses hängen blieb. Zufrieden musterte sie ihren Anblick in der Spiegelung ihrer Waschschüssel und blickte dann zu ihrer Zimmerkameradin, die sie ein letztes Mal in Augenschein nehmen sollte, bevor sie sich hinunter in den Schankraum begab. Gelangweilt blickte Gabrielle auf, musterte ihr Gegenüber nachdenklich und nickte dann zustimmend. So konnte sie sich unten im schwachen Schein der Kerzen präsentieren.
Ein leises Seufzen entrang sich dabei Gabrielles Kehle, denn ihre Zeit des Monats war gekommen und es war ihr bei Strafe verboten worden, sich den Gästen zu zeigen. Es könnte die Männer ja erschrecken und außerdem war es einfach nicht normal in diesem Gewerbe zu arbeiten, wenn diese bestimmte Zeit des Monats angebrochen war. Als würde es den Frauen der Gäste zu Hause anders ergehen und als würden es bei diesen anders ablaufen, dachte Gabrielle schnaubend und blickte Anezska hinterher, wie sie die gemeinsame Unterkunft verließ. Wobei Unterkunft schon beinahe angeberisch war, es war ein einfacher Verschlag unter dem Dach, nur mit einigen Brettern, durch die man hindurch sehen konnte, von den Schlafstätten der anderen Mädchen getrennt. Es waren immer zwei Mädchen zusammen untergebracht, damit es schnell auffiel, wenn eine verschwand. Dies war auch einer der Gründe, warum die Mädchen niemals zusammen mit ihrer Zimmerkameradin einen Kunden bedienen sollten.
Der Besitzer und seine Gattin waren in dieser Beziehung sehr vorsichtig geworden, als vor einigen Jahren ein Hurenmörder durch die Straßen von Arnulfsheim geschlichen war. Natürlich war er schnell von den Wachen gefasst worden, aber schnell war nicht schnell genug gewesen. Er hatte es immerhin noch geschafft fünf Mädchen zu töten und hätte es auch beim sechsten geschafft, wenn nicht gerade einige Wächter Schutzgeld abgeholt hätten und dabei auf durch die Schreie aufmerksam wurden und einschritten. Gabrielle war diese Regelung ganz recht, so hatte sie immerhin jemanden, der auf sie wartete und mit dem sie reden konnte. Anezska schien es ebenso zu sehen und so konnten die beiden Mädchen das Beste aus ihrer Situation machen. Nur an Tagen wie heute, vermisste Gabrielle die frühere Unabhängigkeit der Straße, wo sie einfach getan hatte, was ihr in den Sinn gekommen war.
Doch Trübsal blasen half ihr auch nicht weiter und so warf sie sich wieder auf ihr hartes Lager aus Stroh und alten Decken. Der Blick ihrer hellgrünen Augen wanderte ziellos über die Decke, während sie überlegte, womit sie sich in dieser Nacht beschäftigen sollte. Von unten konnte sie schon die ersten Gäste hören, aber es war noch viel zu früh, als das diese schon bereit wären den eigentlichen Grund für ihren Besuch in diesem Etablissement zu verfolgen. Leise begann sie ein Kinderlied zu summen, aber auch dies nur halbherzig und schon nach kurzer Zeit hörte sie auf damit. Jedes Mal erging es ihr so, wenn sie in diesen Umständen war, sie wurde ruhelos und eigentlich brauchte sie gerade heute das, was sie sonst immer etwas Überwindung kostete. Frustriert schlug sie mit der rechten Hand auf ihr Lager, sie musste einfach etwas tun, um sich abzulenken, auch wenn sie nicht arbeiten durfte.
„Idiotisches Männerpack. Wollen immer wie wilde Hengste sein und kneifen bei ein bisschen Blut den Schwanz ein, wie Straßenköter, wenn man einen Stein aufhebt.“
zischte sie zornig vor sich hin. Sie musste einfach raus hier, vielleicht auf der Straße ein paar Geldbörsen mitgehen lassen, um den Verlust der heutigen und der nächsten drei Nächte auszugleichen. Dieser Gedanke gefiel ihr und mit einem zufriedenen Lächeln über diese Idee erhob sie sich wieder von ihrem Lager und begann sich anzukleiden.
Sorgfältig wählte sie ihre Kleidung aus, schließlich wollte sie nicht auffallen, sondern möglichst in der Masse untergehen. So stand sie nach kurzer Zeit fertig angezogen mit einem einfachen Kleid und einem Umhang in der Kammer. Leise schob sie die Tür auf, blickte sich um, doch niemand außer ihr war hier. Nur einen kurzen Moment noch überlegte sie, ob sie sich wirklich fort schleichen sollte, doch da sie wohl niemand vermissen würde, vom möglichen Ausgleich ihrer Einbußen ganz zu schweigen, war die Entscheidung schnell gefallen. Mit sicheren, leisen Schritten durchquerte sie den Dachboden und erreichte den ersten Stock des Gebäudes.
Hier gab es richtige Zimmer, die allerdings für die zahlenden Kunden reserviert waren. Ohne sich zu beeilen ging sie zu Jorge, der auf einem Stuhl sitzend, den Hinterausgang bewachte. Oft genug wurde dieser Ausgang auch in die andere Richtung verwendet, schließlich hatten auch respektable Personen manchmal Lust auf etwas Zerstreuung. Daher saß hier immer ein Wachposten, der dafür Sorge trug, dass auch wirklich nur zahlende Kunden hereinkamen. Als Jorge nun die junge Frau erkannte, hoben sich seine Augenbrauen.
„Was hast du vor, Kleines? Du willst doch nicht raus, oder?“
In seiner Stimme schwang bei dieser Frage mehr als nur Sorge um Gabrielle mit, schließlich würde auch er bestraft werden, wenn man herausfand, dass er es gewesen war, der sie hatte gehen lassen. Gabrielle verdrehte die Augen bei diesen Fragen und trat näher an Jorge heran, bis sie nur noch einen Schritt von dem Sitzenden entfernt war. Sie nahm sich Zeit und musterte den Schläger, denn mehr war er eigentlich nicht, von oben bis unten.
Narben zierten seine Wangen und wie sie schon von einigen früheren Gelegenheiten wusste, waren dies nicht die einzigen Narben an dem Mann. Langsam sank sie neben ihm in die Hocke, als sie ihre Musterung beendet hatte und ein Lächeln erschien auf ihren vollen Lippen. Sie wusste genau, wie sie ihn herumkriegen konnte und allein dieser Kitzel nahm dem Abend schon einiges von seiner Langweile. Beinahe zögerlich langsam streckte sie ihre rechte Hand aus und strich sanft mit ihren Fingern über die Wange des Mannes. In seinen Augen konnte sie ihren Sieg schon sehen, nur sein Hirn musste die Botschaft noch verstehen.
„Sei nicht so, Jorge. Mir fällt die verdammte Decke auf den Kopf. Ich mache auch keine Dummheiten, ich will einfach nur nach draußen. Du brauchst dir keine Sorgen machen….. wenn ich wieder da bin, werde ich mich um dich kümmern.“
Ihre Stimme war etwas tiefer geworden und während sie ihm so ein eindeutiges Angebot machte, strich sie langsam mit dem Fingernagel ihres Zeigerfingers über sein Kinn und noch weiter nach unten, bis sie an seinem Schritt angelangt war. Glücklicherweise ist er nicht so abergläubisch wie die restliche, männliche Bevölkerung Arnulfsheims, dachte sie innerliche lachend, er würde ihr das geben, was sie heute brauchte und auch noch glauben, sie auszunutzen. Männer, manchmal könnte man sie einfach nur ersäufen und manchmal waren sie einfach zu niedlich. Ihre Gedanken wurden von einem heftigen Schlucken Jorges unterbrochen, der ihrer Attacke nichts entgegen zu setzten hatte. Sie hatte gewonnen, er würde sie gehen lassen und dafür sorgen, dass niemand dumme Fragen stellte.
„Alles klar. Aber sei wieder zurück bevor Anezska fertig ist.“
antwortete er mit mühsam beherrschter Stimme, die Hose war ihm viel zu eng geworden, aber er würde warten müssen und seinen Teil der Abmachung einhalten. Ruckartig erhob er sich von dem Stuhl und öffnete den Hinterausgang. Kurz blickte er sich draußen um, dann winkte er Gabrielle nach draußen. Im Vorbeigehen gab sie ihm noch einen sanften Kuss auf die Wange und schon war sie auf der Treppe hinter dem Gebäude. In diesem Moment hatte sie das Gefühl, dass ihr die ganze Stadt zu Füßen lag und mit einem Lächeln der Freude auf den Lippen machte sie sich davon.
Einige Stunden später stand Gabrielle lachend im Schatten eines Hauseinganges, ihr letztes Opfer war wirklich hartnäckig gewesen. Eigentlich sollte sie still sein, aber ein Hochgefühl erfüllte sie, dass ihr schon lange gefehlt hatte. Und der Gesichtsausdruck des Betrunkenen, als er dann doch die Kontrolle über seine Glieder verloren hatte und in einer Lache aus Pferdepisse gelandet war, dieser Gesichtsausdruck hatte ihrem bisherigen Erfolg wirklich die Krone aufgesetzt. Als sie das Freudenhaus verlassen hatte, war sie noch vorsichtig gewesen und bemüht nicht aufzufallen. Ihr erstes Opfer war ein Betrunkener gewesen, der aus einer benachbarten Taverne geworfen worden war, gerade als Gabrielle an dieser vorbeiging. Sie wäre dumm gewesen diese Chance nicht zu nutzen und so hatte sie dem Bewusstlosen schnell die Taschen geleert, bevor jemand anderes sie daran hindern oder es selbst tun konnte. Sie war gerade fertig gewesen, als sich schon die ersten Bettler sich über den Mann hermachen wollten und mit zornigen Stimmen auf Gabrielle einschrieen. Schnell hatte sie blind drei Münzen aus der Börse gezogen und sie genau zwischen die Bettler geworfen, den folgenden Tumult hatte sie genutzt, um zu verschwinden. Danach war es dann nur noch aufwärts gegangen für die junge Frau. Normalerweise war es nicht einfach die Betrunkenen Arnulfsheims um ihr Geld zu bringen, aber in dieser Nacht schien der jungen Frau alles zu gelingen. Mit einer Leichtigkeit, welche die besten Taschendiebe der Stadt in Neid erblassen lassen würde, hatte sie drei weitere Männer um ihr Geld erleichtert, ohne auch nur einmal dabei bemerkt worden zu sein. Scheinbar hatte sie ein Händchen dafür, die wirklich betrunkenen Männer zu erkennen, die sich auch am nächsten Tag nicht mehr an sie erinnern würden.
So stand sie nun im Schatten eines Hauseinganges und wog ihre eigene Geldkatze in der Hand. Sie war schwer und wenn auch nicht prall, so doch gut gefüllt mit dem Geld anderer Leute. Zufrieden streifte sie ihr Kleid nach oben und befestigte den Leberbeutel an ihrem Oberschenkel, ihrer Meinung nach das sicherste Versteck bei einer Frau. Sie atmete tief durch, bevor sie sich aus den Schatten löste und machte sich auf den Weg nach Hause, im ihren Inneren brannte immer noch das Hochgefühl der letzten Taten und in einem Anfall von Großmut nahm sich die junge Frau vor Anezska auch etwas von der Beute abzugeben. Schließlich hatte sie mehr als nur den Ausfall der nächsten Tage kompensiert und es konnte nicht schaden zu teilen.
Wie sie so durch die Gassen zurück in Richtung des Freudenhauses ging, sah sie einen gut gekleideten Mann mit langen dunklen Haaren an sich vorbeigehen, als sie gerade wieder auf die breitere Hauptstraße abbiegen wollte. Er konnte sie nicht im Dunkel gesehen haben und sie nahm sich die Zeit ihn näher zu betrachten. Die Kleidung musste teuer gewesen sein, der Spazierstock war aus dunklem Holz und mit einem Silberknauf geschmückt. Kurz rang Gabrielle mit sich, ob sie ihr Glück auf die Probe stellen sollte. Sie hatte genug für die Nacht und dieser Mann war nicht einmal betrunken. Doch irgendetwas in ihrem Inneren schien förmlich darum zu betteln, einen Versuch zu unternehmen, um diesem Mann sein Geld abzunehmen. Sie atmete tief ein, schloss die Augen und trat dann in den Lichtkreis der Laternen auf die Straße. Der Fremde war noch nicht allzu weit gekommen, da er einen aufdringlichen Bettler hatte abwehren müssen und dies gab den Ausschlag für Gabrielle. Mit einigen schnellen, aber leisen Schritten verringerte sie den Abstand zu ihrem nächsten Opfer. Als dieser den Bettler endlich mit einem leichten Schlag seines Stockes verjagt hatte, war die junge Frau auch schon auf wenige Meter herangekommen. Bisher war sie immer noch nicht bemerkt worden, der Bettler hatte ihr einen wirklich guten Dienst geleistet, ohne es zu wissen. Nun hieß es alles oder nichts für die junge Frau.
„Werter Herr? Entschuldigt bitte, ich brauche Eure Hilfe. Ich habe mich verirrt und traue mich alleine nicht mehr weiter.“
Ihre Worte hatten genau das richtige Maß an Verzweiflung und versteckter Hoffnung, ganz die Maid in Nöten. Und welcher Mann wollte nicht Ritter sein und auf diese Weise seine Kraft einer Frau beweisen? Langsam wandte sich der Fremde zu ihr um, seine dunklen Augen schienen sich in ihre Seele bohren zu wollen, so intensiv spürte sie den Blick auf sich ruhen. Ihr Herz schlug schneller und ihre Wangen röteten sich. So war sie noch nie angesehen worden, aber sie drängte das Gefühl der Verwirrung weg. Sie hatte jetzt keine Zeit für so etwas, sie musste einen klaren Kopf haben, wenn sie ihm sein Geld nehmen wollte.
„Wie könnte ich jemandem in Bedrängnis meine Hilfe verweigern? Lasst mich Euch sicher zu Eurem Zuhause geleiten.“
erwiderte der Fremde mit einer leisen und doch vollen Stimme. Ein fremder Akzent schwang mit, aber gerade in Arnulfsheim hatte dies nichts zu bedeuten. Hier gab es viele Ausländer, die auch schon viele Jahre hier lebten. Mit zwei großen Schritten war der Fremde nun bei ihr und hielt ihr seine behandschuhte linke Hand hin. Scheinbar überglücklich schlug sie die Augen nieder und machte einen leichten, unsicheren Knicks.
„Habt vielen Dank, mein Herr.“
flüsterte sie leise als Antwort und ergriff die dargebotene Hand. Sie fühlte sich stark und kräftig an, sie ließ sich näher ziehen und schlang ihren rechten Arm um seinen linken, als er ihr seinen Arm anbot. Mit wenigen Worten beschrieb sie ihm ihre vermeintliche Wohnstatt und drückte sich an ihn, als sie sich in Bewegung setzten. Deutlich konnte sie an seinem Gürtel einen schweren Beutel spüren. Ein Zittern durchlief den Fremden und er entschuldigte sich bei ihr dafür, er habe sie nicht erschrecken wollen. Schweigend gingen sie nun weiter, sie bemerkte nun auch wie kräftig und beinahe schon hart sich sein Körper unter den edlen Stoffen anfühlte. Dies wäre mal ein Freier nach ihrem Geschmack gewesen, aber sicher hatte er es nicht nötig für seine Frauen zu zahlen. Ärgerlich stutzte sie über diesen Gedanken und schob ihn beiseite, sie durfte jetzt auf keinen Fall leichtsinnig werden und sich irgendwelchen Träumen verlieren.
Schließlich näherten sie sich ihrem vermeintlichen Ziel und voller Dankbarkeit umarmte sie den fremden Mann, als ihr angebliches Haus in Sichtweite war. Als Dank drückte sie ihm einen leichten Kuss auf die Wange und löste sich wieder von ihm, allerdings nicht ohne die Börse mitgehen zu lassen. Sie war an einem kleinen Hacken angebracht gewesen und dies hatte es ihr leicht gemacht, sie zu entwenden. So trennte sie sich von dem Mann, beobachtete noch kurz wie er im aufkommenden Nebel langsam aus ihrer Sicht entschwand und tauchte dann selbst im Nebel und den Schatten unter. Flink trugen sie ihre Füße durch die nahen Gassen, ihr letzter Spender sollte sie schließlich nicht einholen können. Und in diesem Gewirr würde ein so feiner Herr sie wohl auch kaum zu finden vermögen. Nachdem sie einige Entfernung zwischen sich und ihr Opfer gebracht hatte, lehnte sich Gabrielle an eine Hauswand und atmete tief durch. Was war nur diese Nacht los, dass sie soviel Glück verdiente. Die Börse wog schwer in ihrer Hand und langsam öffnete sie das Lederband, welches den Beutel verschloss.
Doch bevor sie den Inhalt erblicken konnte, tauchte ein Schatten vor ihr aus dem Nebel auf. Es war der Fremde, doch wie hatte er ihr so schnell und lautlos folgen können, schoss ein Gedanke in den Vordergrund bevor Angst und Überraschung über sie hinweg wallten. Er hatte nicht einmal „Diebin“ gerufen. Fassungslos und mit offenem Mund starrte sie ihn an. Seine Augen schienen im Licht der Monde zu leuchten und deutlich konnte sie sein Lächeln sehen.
„Du hast etwas, was mir gehört, kleines Mädchen.“
flüsterte er mit seiner leisen, vollen Stimme und dies brach den Bann des Augenblickes. So einfach würde er sie nicht bekommen. Gabrielle stieß sich von der Wand ab und wollte losrennen, als heißer Schmerz durch ihre rechte Schulter schoss. Schneller als sie es für möglich gehalten hatte, war sie vom Stock des Mannes an die Wand gedrückt worden und konnte spüren, wie ihre Knochen unter dem Druck nachzugeben begannen. Schockiert brachte sie keinen Laut hervor, ihre Eingeweide brannten heiß und die Knie wurden ihr weich. Und immer noch war der Blick des Mannes auf sie gerichtet, sie hätte in diesen dunklen Augen ertrinken können. Wäre sie doch nur zu Hause geblieben und hätte die Einsamkeit ertragen, statt sich auf ein solches Glücksspiel einzulassen, bereute sie nun… zu spät.
„Kleines Mädchen, du hast dir den Falschen ausgesucht. Und dafür wirst du bezahlen…..“
Gabrielle konnte die Worte des Mannes kaum noch wahrnehmen, immer mehr ertrank ihr Geist im funkelnden Blick. Schwärze senkte sich über ihr Blickfeld und ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte, wurde sie davon umfangen und fort getragen.
Langsam ließ der Fremde den Stock sinken und blickte das regungslose Mädchen an. Keinen Moment hatte er ihr Lügengebäude geglaubt und er hatte sie schon bemerkt, als sie ihn noch lange nicht gesehen hatte. Ihr Geruch erfüllte die Nacht mit einer köstlichen Nuance, der schwere kupfrige Geruch ihres Blutes, war wie der Duft von Rosen für ihn. Es war so einfach gewesen, sie unter Kontrolle zu bekommen. Sie würde ihm nun überall hin folgen, dazu musste er nicht eine Anweisung geben. Er hatte sie vollkommen in seiner Gewalt. Doch bevor er sie in sein Heim brachte, musste er sie noch einmal in Augenschein nehmen.
Mit ruhigen Bewegungen streifte er die Handschuhe ab, seine bleichen kräftigen Hände kamen nun zum Vorschein und beinahe zärtlich ließ er seine Finger über das Gesicht des Mädchens gleiten. Eine wahre Schönheit war sie nicht, aber zumindest für den Moment noch hübsch anzusehen, dachte er bei sich als er seine Hände wieder zurückzog und kurz an seinen Fingern roch. Ihr ganzer Körper verströmte diesen einzigartigen Geruch, der ihren Zustand verkündete. Dieser Duft war beinah unwiderstehlich und er konnte sich nichts Besseres für den Abschluss der Nacht vorstellen. Bei diesem Gedanken lächelte er, denn ihm war gerade doch noch etwas Besseres eingefallen. Ohne weiter Zeit zu verlieren, verließ er den Ort mit seiner neuen Begleitung und machte sich auf den Weg zu seinem Unterschlupf. Kaum angekommen gab er seinem menschlichen Diener einige Anweisungen für die Vorbereitung eines ganz besonderen Erlebnisses, welche dieser so schnell wie möglich umsetzte.
Wiegende Bewegungen ließen Gabrielle langsam wieder das Bewusstsein zurückerlangen. Es geschah nur langsam und zögerlich, als wolle sich ihr Geist vor etwas verschließen. Doch immer mehr kehrten ihre Sinne zurück, bis sie entsetzt über ihre Situation ihre Augen aufriss und dabei direkt in die dunklen Augen des Fremden blickte. Nackt saß sie auf ihm und konnte sein Glied in sich spüren, ebenso wie den Schweiß auf ihrer Haut, ihre Arme waren über ihren Kopf hochgezogen und gefesselt worden. Scheinbar hatte sie ihn bis zu diesem Moment geritten, Angst und Übelkeit stiegen in ihr auf, da sie es sich nicht erklären konnte, wie das hatte geschehen können. Doch nun erst registrierte sie das Brennen ihrer Haut, Feuer brannte an Brüsten und Bauch. Fassungslos blickte sie mit geweiteten Augen an sich herunter und konnte gerade noch sehen, wie er seine Fingernägel über ihre Haut gleiten ließ und diese dabei mühelos zerschnitt. Blut floss ihn Strömen aus den spiralförmigen Mustern, die er ihr in die Haut gezeichnet hatte und mischte sich an ihrem Schoß mit dem Blut ihrer Menstruation.
Ein lautes Kreischen entrang sich ihrer Brust und erfüllte den Raum, nur um sich mit dem leisen Lachen des Mannes zu mischen. Genüsslich leckte er sich die blutigen Fingerspitzen ab und erwiderte ihre vergeblichen Versuche sich zu befreien mit stoßenden Bewegungen seiner Hüfte. Seine langen, raubtierhaften Fänge waren deutlich zu sehen und diese letzte Beobachtung, zusammen mit den Dingen, die er ihr angetan hatte, reichte nun endlich aus um den Verstand des Mädchens zu zerbrechen. Gabrielle wurde zu einem schreienden, zappelnden Bündel, welches ihm alles versprach, wenn er sie nur leben ließe. Sogar Anezskas Leben versprach sie ihm im Austausch für ihr eigenen Leben. In vollen Zügen genoss er ihr Flehen und ihre Bewegungen, bis er schließlich mit einer fast beiläufigen Bewegung seiner rechten Hand, die Kehle des Mädchens herausriss und seinen ganz eigenen Höhepunkt unter dem spritzenden Blut der jungen Frau fand.
Sein Körper bäumte sich auf, während der warme Lebenssaft seine bleiche Haut benetzte und in kleinen Strömen an ihm herab auf das Laken lief. Mit raubtierhafter Schnelligkeit schnellte sein Oberkörper nach oben, so dass sich seine Zähne in die weiche Haut seines Opfers bohren und er so von der Brust des sterbenden Mädchens trinken konnte. Nach einer scheinbaren Ewigkeit sank er zurück auf die mit Blut getränkten Laken und lag still da, beinahe wie eine Statue. Bedächtig leckte er sich das Blut von den Lippen und verharrte noch kurz unter dem Leichnam, bevor er sie achtlos von sich stieß. Wie köstlich doch die Angst das Blut der Sterblichen machte und wie fad sie sonst doch schmecken konnten. Kurz blickte er auf den zerstörten Körper der jungen Dirne, der immer noch an seinen Fesseln hing und erhob sich dann von dem Bett. Leider waren die Laken schon wieder ruiniert, er musste sich endlich eine Alternative einfallen lassen, es konnte nicht angehen, dass er jedes Mal die Wäsche verbrennen musste, nur weil er sich ein bisschen amüsiert hatte. Als er leise in die Hände klatschte erschien schon sein menschlicher Diener, der sich sofort daran machte die Laken abzuziehen. Anschließend löste er die Fesseln von den Armen der Leiche und wickelte den Leichnam des Mädchens in die Laken, bevor er das ganze Paket aus dem Raum schleppte.
In der Ferne konnte der Fremde das Näherrücken des Sonnenaufgangs spüren, die Nacht würde schon bald vorüber sein. Langsam trat er nackt ans Fenster und löschte die Kerzen mit einer Handbewegung, das Blut auf seiner Haut hatte langsam begonnen zu gerinnen und zeichnete verwirrende Muster auf seinen Leib. Seine Augen richteten ihren Blick zum Himmel und zum Mond, welcher schon so viele Jahre seine Taten stumm beobachtete und nun untoten Körper in seinem Licht badete. Völlig regungslos, wie eine Statue, stand er so am Fenster bis er es an der Zeit fand sich zurückzuziehen.
Wenn nur jede Nacht so köstlich sein könnte, wie diese.
Um ja keine Wort zu übersehen, fuhr Marcus, mit dem Zeigefinger über die Seiten des schweren Buches auf seinem Schreibtisch. Es war in schwarzem Leder gebunden und mit schwarzem Eisen beschlagen, nur Eingeweihte würden erkennen, dass dieses Leder einst den Körper eines Menschen geziert hatte. Ebenso schwarz wie der Einband, waren auch die Seiten dieses Buches, die Schrift im harten Kontrast dazu, war von einem hellen weiß. Es war nicht zu erkennen, auf welche Art und Weise dieses Werke geschrieben worden war, mit weißer Tinte auf schwarzem Pergament oder ob bei der Färbung des Pergamentes die Lettern ausgespart worden waren. Doch dies alles kümmerte den Zauberlehrling nicht, er war einzig am Inhalt des Buches interessiert. Auch wenn man ihn wohl verbrennen würde, wenn die falschen Personen Kenntnis von seinen privaten Studien erlangten. Doch auch diese Konsequenzen würden bald nichts mehr bedeuten, denn er war auf dem Weg wahre Macht zu erlangen, er würde stärker und besser sein als seine Lehrer, welche dies nie für möglich halten würden, dass sich der schüchterne und oft so tollpatschige Marcus mit solchen Werken des Verderbens befasste. Einfältige Narren, das waren sie, sie würden wahre Größe nicht einmal dann erkennen, wenn sie ihnen die Nase abbiss. Schon bald würde er über sie lachen und dafür sorgen, dass sie sich im Staub vor ihm wanden. Aber erst musste er lernen, diese neuen Kräfte zu beherrschen und zu schulen. Erst wenn ihm dies gelungen war, konnte er daran gehen sich zu nehmen, was ihm sowieso schon immer zugestanden hatte.
Ein gefährliches Lächeln erschien auf seinen Lippen, während er den Abschnitt zu Ende las. Heute Nacht würde er zum ersten Mal versuchen, dass gelernte Wissen anzuwenden und wenn es ihm gelang die Winde der Magie so zu lenken, wie es ihn diesem Buch geschrieben stand, dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er sein Ziel erreichte. Fast schon wehmütig schloss er das Buch und betrachtete es voller Hingabe und Bewunderung, wie wunderschön Leder und Metall sich ergänzten und dies war nur der Einband, der wahre Schatz lag zwischen den Seiten verborgen. Marcus konnte sich wirklich glücklich schätzen, dass er diesen Schatz in dem kleinen Nebenraum der Bibliothek seines Meisters gefunden hatte, als er wieder einmal damit beschäftig gewesen war, Staub und die Überreste von Nagetierauscheidungen zu entfernen. Sonst war dieser Raum immer verschlossen gewesen, aber darüber hatte sich Marcus keine Gedanken gemacht, er hatte einfach nur diese erniedrigende Aufgabe hinter sich bringen wollen und hatte stattdessen diesen Schatz gefunden.
Es war fast so gewesen, als hätte das Buch nach ihm gerufen. Zärtlich strich er nun mit seiner Rechten über den Einband, das Buch fühlte sich beinahe warm an, als wäre es ein Lebewesen und auch wenn dieser Eindruck wohl nur seine Phantasie entsprang, so war der Gedanke doch irgendwie tröstlich für den angehenden Magier. Nach dieser kurzen gedankenversunkenen Pause zog er ein dunkles Tuch hervor, welches er dazu benutzte, das Buch sicher einzupacken, damit es beim späteren Transport vor Schaden geschützt war. Anschließend legte er das Päckchen vorsichtig zu unterst in eine lederne Umhängetasche, in welche er dann die anderen Utensilien für sein nächtliches Experiment packte.Im Geiste überprüfte er ein weiteres Mal den Stand seiner Vorbereitungen und richtete sein besonderes Augenmerk auf die Vollständigkeit seiner Materialien, schließlich nickte er zufrieden, da er nichts vergessen hatte und ihm damit nichts mehr im Weg stand sein Experiment durchzuführen.
Genug getrödelt, befand er für sich selbst, noch war er seinem Lehrmeister Rechenschaft schuldig und dieser würde ihm garantiert keinen freien Abend gönnen, wenn er seine Aufgaben nicht erfüllte. Und so machte sich Marcus daran, seine anderen Studien vorzubereiten. Als erstes musste er einige Schutzkreise und Pentagramme zeichnen, die ihn vor den Gefahren bei einer Beschwörung der Magie schützen sollten. Natürlich war dies nur eine Aufgabe für Lehrlinge, richtige Magier hatten andere Mittel und Wege sich zu schützen. Es fiel ihm schwer sich auf die Aufgabe zu konzentrieren und mehr als einmal musste er von neuem beginnen, weil seine Linien nicht exakt genug waren, doch schließlich hatte er die leidige Aufgabe hinter sich gebracht. Nun musste er nur noch drei Absätze aus dem Buch des Feuers auswendig lernen, was für ihn sogar noch schwerer war, da er zu spüren glaubte, wie sich langsam der Abend näherte und Ungeduld an seinen Nerven zehrte. Endlich gelang es ihm die drei Absätze fehlerfrei aufzusagen, aber Erleichterung wollte sich nicht bei ihm einstellen, da er nun bei seinem Meister vorsprechen musste. Wenn dieser zufrieden war, konnte Marcus darauf hoffen, die heutige Nacht in der Stadt verbringen zu dürfen. Und dies war nun mal die Voraussetzung für die Durchführung seines Experimentes, so dass es kaum verwunderlich für ihn war, seinen Herzschlag in den Schläfen zu spüren, als er sein Zimmer verließ und sich auf den Weg zum Studierzimmer seines Meisters machte.
Unruhig und mit hämmerndem Herzen stand er vor der Tür seines Lehrmeisters und einen Moment zögerte er mit erhobener Hand, bevor er sie zur Faust schloss und laut anklopfte. Sein Herz schlug ihm nun bis zum Hals, immerhin hing sein ganzer Plan davon ab, dass er seinen Meister zufrieden stellte und nun da er vor dieser Hürde stand, wurde ihm vor Aufregung beinahe schlecht. Als dann endlich der Ruf von drinnen ertönte, atmete Marcus noch einmal tief ein, öffnete die Tür und trat dann in den Raum. Nun würde sich zeigen, ob er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte.
Selbstzufrieden lächelnd schritt Marcus durch die Straßen von Arnulfsheim, während in der Ferne der Sonne Licht den Horizont in rotgoldene Flammen tauchte. Seine Schritte waren federleicht und beschwingt, da er die Aufgaben für seinen Meister zu dessen vollster Zufriedenheit erledigt hatte. Es war schon beinahe unheimlich gewesen, wie sicher und gelassen er auf die Fragen reagiert hatte, nachdem er sich erst so viele Sorgen gemacht hatte. Aber das war nun egal, er hatte diese Nacht Ausgang erhalten und musste erst am nächsten Morgen wieder beim Unterricht sein und dies war alles, was für Marcus in Bezug auf seinen Meister zählte. Aber nun würde er als erstes die Freiheit außerhalb der Mauern genießen, immerhin hatte er noch ein paar Stunden Zeit, bis er am Ort seiner nächtlichen Unternehmungen sein musste. Und so beschloss Marcus erst einmal durch die Straßen der Stadt zu ziehen und sich am Leben zu erfreuen, bevor er sich auf den alten Friedhof schleichen würde, um dort sein Experiment zu beginnen. Und obwohl er es wirklich geplant und sich darauf gefreut hatte, seine Zeit in einigen der teuren Buchhandlungen und Tavernen zu verbringen, konnte er sich nicht darauf konzentrieren.
Immer wieder begannen seine Gedanken um sein Experiment und das Buch zu kreisen und je mehr er sich anstrengte, dies zu verhindern, desto bestürzender war es, wenn sie sich wieder ganz langsam und allmählich in den Vordergrund schoben und sein Denken darum kreisen ließen. Erst erschreckte ihn der Gedanke, dass das Buch vielleicht Macht auf ihn ausüben könnte, bevor er den Gedanken verwarf und sich klar machte, dass es einen anderen Grund hatte. Schließlich plante er das Experiment bereits seit einigen Wochen, hatte dabei viel Zeit und Aufwand in die Vorbereitungen gesteckt und so war es doch nur verständlich, wenn er endlich den Lohn für seine Mühen einstreichen wollte. Sich auf diese Weise beruhigend, machte sich Marcus nun auf den Weg zu einem alten Friedhof, welcher sich am Rand der gewaltigen Stadt befand und den er bereits vor Wochen für seine Experimente ausgesucht hatte.
Der Ort musste abgelegen sein und über große Mausoleen verfügen, wenn er ungestört seiner Arbeit nachgehen wollte. Beide Eigenschaften vereinte dieser Ort, er musste es nur noch schaffen, sich an den Priestern des Charon vorbei zu schleichen und in ein Mausoleum einzudringen, dann konnte er endlich anfangen. Marcus fiel es gar nicht auf, dass sein Plan immer noch auf sehr schwachen Füßen stand und von vielen Eventualitäten abhing, beinahe sorglos marschierte er durch die Stadt, während die Nacht langsam von der Welt Besitz ergriff. Zwei Stunden später hatte er endlich den Garten Charons erreicht und beobachtete ihn von einem nahegelegenen Versteck aus. Die Mauern waren nicht besonders hoch und die Priester Charons hatten hier keine ständige Unterkunft mehr. Das Gebäude, welches früher diesen Zwecken diente, schien verlassen, bis auf ein oder zwei Priester, die hier ihren Wachdienst verrichteten. Ob es wirklich zwei unterschiedliche Männer waren, konnte Marcus nicht sagen, die langen schwarzen Kapuzenmäntel verbargen zu viel, einzig an Haltung und Gang könnte man sie auf Entfernung unterscheiden. Nachdem er sich die Zeit genommen und drei Stunden ruhig wartend den Friedhof beobachtet hatte, begann der Zauberlehrling zu handeln.
Gerade eben war der Priester von seinem Kontrollgang zurückgekommen und verschaffte Marcus damit die benötigte Zeit für sein Eindringen. Der Frevel seiner Tat und die Konsequenzen, wenn er dabei gefasst werden würde, blitzten nur noch am Rande seines Bewusstseins auf und er maß diesen Umständen keinerlei Bedeutung mehr zu, immerhin stand er kurz davor endlich wahre Macht zu erlangen, fern von den Regeln seines Meisters und denen der Schule. In seiner Vorstellung hatte er sich förmlich über die Mauer fliegen sehen, aber nun musste er feststellen, dass es doch wesentlich anstrengender und schweißtreibender war, als er gedacht hatte. Doch schließlich glitt er schwer atmend auf der Innenseite der Mauer auf den Boden und nur der Mond, Aegis-Auge, war Zeuge für das Eindringen des jungen Mannes. Der fremdartige Geruch des Leichengartens drang ihm in die Nase, der Geruch von verrottenden Blumen und auch von Verwesung hing schwer in der Luft und ließen ihn kurz inne halten. Aber nicht aus Ekel, sondern weil er erkannte, dass dies wirklich ein Ort war, an dem er wahre Größe erlangen konnte.
Marcus konnte den Grund dafür nicht benennen, aber er konnte spüren, dass hier an diesem Ort alles genau so war, wie es für seine Zwecke sein musste. Er wunderte sich nicht einmal mehr, woher er dieses Wissen hatte, sondern eilte so schnell wie möglich zwischen den Gräbern hindurch auf die Mausoleen zu. Sein Herz schlug ihm wieder bis zu Hals, als er sich fragte, wie er den richtigen Ort erkennen sollte, doch kaum war er in der Nähe der Mausoleen angelangt, wusste er welches geeignet für seine Zwecke sein würde. Schnell huschte er im Schutz der tiefen Schatten heran und wollte gerade die Brechstange aus seiner Ledertasche ziehen, als seine Hände auch schon, wie von selbst, einige Zeichen in der Luft formten.
Kurz flackerte schwarzes Licht um seine Finger und den Eingang des Mausoleums auf, da schwang auch schon die schwere, massive Tür lautlos auf. Etwas überrascht verharrte Marcus für einige Sekunden, hatte er nicht gerade leise Worte gemurmelt, die er nicht einmal kannte. Woher war dieser Zauber gekommen, fragte er sich und Kälte wollte nach seinem Herzen greifen, bis er sich an einen solchen Zauber zu erinnern glaubte, den er im schwarzen Buch gelesen hatte. Ja, so musste es gewesen sein und sein Instinkt hatte ihn diesen Zauber versuchen lassen. Der Erfolg sprach für ihn, wenn dies nicht seine Bestimmung war, wieso sonst war ihm der Zauber so leicht von der Hand gegangen.
Seine Erstarrung löste sich und schnell huschte er in durch den Eingang des Mausoleums, bevor er die Tür hinter sich zu zog. Zufrieden hörte er den Riegel einschnappen und nun beschwor er eine Kugel aus Licht, denn jetzt musste er sich nicht länger verstecken und konnte seine Kräfte frei einsetzen. Das bleiche Licht der magischen Kugel enthüllte ihm das Innere des Grabmales. Es musste sich um ein altes Familiengrab handeln, denn hier über der Erde befand sich nur der Eingangsbereich mit dem steinernen Sarg des ursprünglichen Familienoberhauptes. Ein kurzer Blick auf die Zeichen, die in den Stein des Sarges geschlagen worden waren, zeigte Marcus, dass dieses Grab bereits vor zweihundert Jahren zum ersten Mal benutzt worden war und damit wirklich ideal für seine Zwecke sein würde.
Links und rechts vom dem zentral liegenden Steinsarg führten zwei Treppen nach unten, wo sich wohl die restlichen Gräber befinden würden. Und genau dort würde Marcus sein Experiment durchführen, ein siegessicheres Lächeln erschien auf seinen Zügen, das bleiche Glühen seiner Lichtkugel gab ihm dabei einen ungesundes Aussehen, wobei er selbst nicht die kleine schwarze Linie bemerkte, die sich nach dem Öffnen der Tür auf seinem linken Handrücken gebildet hatte. Schnell eilte er die linke Treppe nach unten, wo er in einem großen Raum angelangte, an dessen Wänden sich die Särge der übrigen Familienmitglieder befanden. Nun den Anweisungen des Buches folgend, stellte sich Marcus in die Mitte des Raumes und ließ kurz den Blick schweifen. Genau hier und in diesem Moment konnte er es fühlen, Macht hatte sich an diesem Ort gesammelt und er öffnete seinen Blick für die Winde der Magie. Ja genau hier, wo er stand gab es einen Knotenpunkt aus dunkler Energie, genau die Art von Energie, die ihm zu wahrer Größe und Unsterblichkeit verhelfen würde.
Fast schon andächtig ließ er seine Tasche zu Boden gleiten und kniete sich daneben, bevor er anfing die Zutaten für sein Experiment herauszuholen und neben der Tasche auszubreiten. Leise klirrend legte er zwei große Phiolen mit einer schwarzen Flüssigkeit auf den Boden, darauf folgten 5 schwarze Kerzen, ein kleines scharfes Messer, ein Tongefäß und schließlich das schwarze Buch, welches er nun von seinem Schutz aus Leinen befreite. Schnell hatte er die richtigen Seiten aufgeschlagen, aber nun stellte er überrascht fest, dass er sie gar nicht mehr zu lesen brauchte. Er wusste genau, was er nun zu tun hatte. Langsam griff er nach dem Tongefäß, öffnete es und begann den Inhalt um sich herum in einem perfekten Kreis auszuschütten. Salz rieselte auf den Boden und formte eine gleichmäßige Linie, als nächstes nahm sich Marcus die erste der Phiolen, brach deren Siegel und begann mit seinen Fingern arkane Schutzzeichen um den Kreis herum auf den Boden zu zeichnen. Als er dies beendet hatte, musste er dem unerklärlichen Drang widerstehen, sich das Blut von den Fingern zu lecken, denn nichts anderes befand sich in den Phiolen. Kurz kämpfte er gegen den Drang an und gerade als er glaubte ihn besiegt zu haben und nach der anderen Phiole griff, musste er feststellen, dass er das Blut bereits abgeleckt hatte.
Ein ungutes Gefühl wollte sich einstellen, aber diesem Gefühl wurde er leicht Herr. Schnell und konzentriert zeichnete er mit dem verbliebenen Blut einen Stern mit fünf Zacken in den Kreis, in dessen Mitte er sich nun befand. Seine Tasche und das Buch lagen außerhalb des Kreises, aber dies störe ihn nicht, schließlich musste er nur noch die Kerzen aufstellen, bevor er die Vorbereitungen für sein Experiment beenden konnte. So stellte er die Kerzen an die Spitzen des Pentagramms und entzündete sie mit einem Wort der Macht und ließ dabei seine Lichtkugel verlöschen. Das flackernde Licht der Kerzen erfüllte nun den Raum und ließ die Schatten beinahe lebendig wirken, Angst konnte der Zauberlehrling nicht fühlen, dazu war er nun zu sehr auf die richtige Ausführung seiner Handlungen konzentriert. Nachdem nun die Kerzen brannten, fehlte nur noch der letzte Schritt, um den Kreis zu schließen und damit die Voraussetzungen für die Durchführung des Zaubers zu schaffen. Seine Hände zitterten nicht als er sich nach dem Messer bückte und es an sein linkes Handgelenk hielt. Ein scharfer Ruck und schon begann Blut zu fließen.
Leise begann er nun die Worte des Rituals zu murmeln und wobei er dafür sorgte, dass Tropfen seines Blutes auf den Kreis aus Salz fielen. Er begann mit den Spitzen des Sterns, bevor er in regelmäßigen Abständen das Blut auf den Kreis fallen ließ. Schneller und schneller intonierte er die Worte, bis er schließlich spüren konnte, dass sich der magische Kreis geschlossen hatte. Mit einem Schlag veränderte sich das Licht der Kerzen, sie brannten nun mit schwarzen Flammen und doch war das Licht nicht verschwunden. Energie durchströmte den Zauberlehrling in der Mitte des Kreises wie ein starker Sturmwind und reinste Verzückung durchfuhr ihn in diesem Moment. Normalerweise verspürte er die Macht der magischen Energien nur schwach und dies waren für ihn schon Augenblicke, in denen er sich beinahe allmächtig fühlte. Doch was er nun empfand, war jenseits des schwachen Tröpfelns, welches er sonst fühlte. Wie ein Wasserfall strömte die Energie des schwarzen Windes durch seine Glieder und in seiner Hose breitete sich ein feuchter Fleck aus, als sein Körper versuchte die aufsteigende Erregung in einem Höhepunkt versiegen zu lassen. Aber dies genügte nicht, er musste die Energien irgendwie in eine Bahn zwingen. Und wieder schien er instinktiv zu handeln, richtete eine Hand auf das nächste Grab und sprach harsche Worte der Anrufung.
„Erhebe dich, mein Diener. Dein Geist mag vergangen sein, doch nun befehle ICH!“
Marcus wusste nicht einmal mehr, woher diese Worte kamen, doch sie schienen nur zu richtig und passend. Sein magischer Blick zeigte ihm, wie die Energien, die sich in dem Kreis sammelten, ein neues Ziel fanden. Mühelos drangen schwarze Ranken durch den steinernen Sarg und in dessen Inneres. Erst schien nichts zu geschehen, aber der Zauberlehrling konnte deutlich fühlen, wie sich das Skelett im Inneren des Sarges neu zusammensetzte. Er konnte spüren, wie sich Knochen neu verbanden und nun durch Magie an ihrem Platz gehalten wurden. Und als sich der Deckel des Sarges hob und krachend zu Boden fiel, konnte er nur mit Mühe einen Schrei des Triumphes unterdrücken, es war ihm gelungen und das beim ersten Mal.
Seine Augen hefteten sich auf das Skelett, welches immer noch vermoderte Fetzen seiner Begräbniskleidung trug, das sich mit knackenden Knochen aus dem Sarg erhob und sich gegenüber von seinem neuen Meister aufstellte. Fasziniert betrachtete der Zauberlehrling seine Schöpfung und war so von diesem Anblick gefesselt, dass er nicht auf die Reaktionen seines eigenen Körpers achtete. Seine Adern hatten sich inzwischen schwarz verfärbt, während seine Haut unnatürlich bleich geworden war. Doch diese Veränderungen waren durch den Ansturm der Magie verdeckt worden und er würde erst später feststellen, welchen Preis er für das Erlangen seiner neuen Macht gezahlt hatte. Gerade wollte Marcus dem Skelett den Befehl geben, die Arme zu heben und sich dem Kreis zu nähern, als es dies bereits auf seine bloßen Gedanken hin tat. Dies überraschte und erfreute ihn gleichermaßen und für einen Moment achtete er nicht auf seine Gedanken, so dass das Skelett gegen den Kreis lief.Mit einer krachenden Entladung schwarzer Energie wurde es zurück geschleudert und zerbarst in einer Explosion aus Knochenstaub an der Wand.
Ein Glucksen erklang nun in der Kammer, welches sich langsam zu einem lauten Lachen steigerte. Er hatte es wirklich geschafft, sein Meister würde vor ihm auf dem Boden kriechen und ihn um Gnade anwinseln. Endlich würden alle erfahren, zu was er wirklich fähig war. Immer noch wie irre lachend, streckte er beide Arme aus und deutete auf die verbliebenen Särge. Knirschend öffneten sich deren Deckel aus Stein und fielen dann krachend auf den Boden, als sich die Skelette erhoben. Sie formierten sich um den Schutzkreis, wie stumme Wächter, während der Zauberlehrling immer noch im Rausch seiner Macht schwelgte. Doch nun musste er sich im Umgang mit seiner Macht üben, damit er keine Überraschungen erlebte. Immer wieder und wieder entzog er den Skeletten nun die Energie, um sie dann so schnell wie möglich wieder erstehen zu lassen. Bei seinen letzten Versuchen genügten schon Gesten mit seinen Händen, um die Macht des schwarzen, magischen Windes zu kanalisieren und den Skeletten das Leben einzuhauchen. Anstrengung verspürte er keine, es war schon beinahe unglaublich, wie stark er hier an diesem Ort war. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf sein Experiment mit den Skeletten gerichtet, so dass er von dem Klatschen hinter seinem Rücken vollkommen überrascht wurde. Erschrocken fuhr Marcus herum und blickte auf die Gestalt eines Mannes, der hinter ihm auf der Treppe stand und dort klatschend an der Wand lehnte. Die Züge des Fremden waren fein geschnitten, die Haare dunkel und lang. Unter seinem rechten Arm klemmte ein Spazierstock mit einem silbernen Knauf und Belustigung war in seiner Miene zu erkennen.
„Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht. Du scheinst schnell zur lernen.“
Die Stimme war klar und kalt, wie sie so durch den Raum halte und die Belustigung fiel von dem fremden Mann ab, wie ein Mantel. Langsam richtete dieser sich auf und trat näher an Marcus heran. Sofort schoben sich zwei Skelette, auf den geistigen Befehls des jungen Magiers, zwischen sich und den Mann. Gefahr strahlte von diesem aus, in beinahe schon greifbaren Wellen, und der Zauberlehrling konnte sich nicht erklären, warum ein einfacher Mann ihn so beunruhigen konnte.
„Wer hat dich unterrichtet? Oder hast du andere Hilfsmittel für dich entdeckt, als die angestaubten Ideen deiner Lehrer?“
Die Fragen kamen wie beiläufig, doch Marcus konnte einen Seitenblick auf das Buch außerhalb des Kreises nicht verhindern. Sofort stand ein Skelett neben dem Buch und hob es auf, um es nach hinten zu den Särgen zu bringen. Diese Reaktion entlockte dem Mann ein raubtierhaftes Lächeln und er trat näher an die beiden Skelette heran, seinen Stock hatte er wieder in der Hand und mit einem leisen Klacken setzte er die Spitze auf den Boden.
„So, so. Du hast also das Buch von Varun gefunden. Und ich dachte, es wäre von einem Magier vernichtet worden.“
flüsterte der Fremde leise und blickte direkt in die Augen des jungen Magiers. Doch irgendetwas schien ihm nicht zu gefallen, denn er runzelte plötzlich die Stirn und unterbrach den Blickkontakt. Hatte Marcus gerade gespürt, wie irgendetwas versucht hatte den Kreis zu durchdringen oder bildete er sich das nur ein? Sein Blick wanderte über die Gestalt des Fremden und plötzlich erkannte er, womit er es zu tun hatte. Ein Vampir stand vor ihm und wahrscheinlich hatte er gerade versucht seinen Geist zu übernehmen. Ein kaltes Lächeln erschien auf den Lippen des jungen Mannes, so einfach war er nicht zu kriegen.
„Und wenn schon, das Buch gehört jetzt mir, Blutsauger. Und du machst dich besser von dannen, bevor ich dich von meiner Macht kosten lasse.“
knurrte er leise. Ein Ruck ging durch die Skelette und schon schoben sie sich näher an den Fremden heran, der aber in keinster Weise besorgt zu sein schien. Und er machte auch keine Anstalten sich zu entfernen, sondern lächelte nur immer noch raubtierhaft bei den Worten des jungen Menschen. Und plötzlich kam Bewegung in den Vampir, schneller als das Auge von Marcus folgen konnte, wirbelte er seinen Stock nach oben und führte zwei schnelle Hiebe, welche die Skelette in seiner unmittelbaren Umgebung einfach enthaupteten. Klappernd fielen die Knochen zu Boden, während der Vampir bereits seinen Stock mit beiden Händen griff und mit einem Ruck, die Klinge zückte, die sich im Inneren des Holzes verborgen hatte.
In einem funkelnden Halbkreis fuhr die Klinge auf das nächste Skelett herab und teilte es mit einem sauberen Schnitt genau in der Mitte, gleichzeitig schlug er mit der Gehstockscheide einer anderen Dienerkreatur den Brustkasten ein. So waren vier seiner Diener vernichtet worden, bevor Marcus auch nur die Gelegenheit gefunden hatte zu reagieren. Der Vampir stand wieder an seinem Ausgangspunkt, die zerstörten Knochen lagen kreisförmig um ihn herum verteilt und er blickte den menschlichen Magier wieder an.
„Gib mir das Buch und ich verschwinde.“
Die Forderung war nun frei von jeglichem menschlichen Gefühl und Marcus erschauerte bis ins Mark. Weder wollte er das Buch aufgeben, noch sich mit dem Monster messen, er wusste einfach noch nicht, ob seine Macht schon für eine solche Probe ausreichen würde. Kurz flackerte eine Frage am Rand seines Geistes auf, wie hatte der Vampir ihn eigentlich finden können, doch dafür musste er sich später Zeit nehmen, wenn es denn ein „Später“ überhaupt noch gab. Seinem geistigen Befehl folgend stürzten sich nun die verbliebenen Skelettdiener auf den Vampir, sie würden ihm aber nur Zeit zum Nachdenken erkaufen können und nicht viel mehr.
Wieder erfolgte die Reaktion des Ungeheuers mit übermenschlicher Schnelligkeit und Stärke. Wie in einem fein abgestimmten Tanz tauchte er zwischen den Skeletten durch und die Hiebe seiner Klinge waren funkelnde Bahnen aus Stahl, die mühelos durch die alten Knochen schnitten. Die getroffenen Gegner fielen zerschnitten und zerschlagen auf den Boden, die Klinge des Vampir wob ein tödliches Netz aus Stahl in die Luft, welches keine Möglichkeit des Entrinnens für die Skelettdiener bot. Nach wenigen Herzschlägen lagen die Knochen der wiederbelebten Körper auf dem Boden und der Vampir schnellte mit gezückter Klinge auf Marcus zu. Dieser konnte nur noch die Augen schließen und den Kuss des kalten Stahls erwarten, doch dieser blieb aus.
Das Geräusch einer Entladung von magischer Energie erfüllte den Raum und er konnte gerade noch sehen, wie der Körper seines Angreifers durch die Luft geschleudert wurde. Die Entladung war so stark, dass der Körper des Vampirs den Steinsarg zertrümmerte, gegen welchen dieser geschleudert wurde. Dies bedeutete jedoch noch kein Sieg für Marcus, denn beinahe augenblicklich war das fremdartige Wesen wieder auf den Füßen. Seine Kleidung schien zu schwelen, wo es von der Entladung des Schutzkreises getroffen worden war und das Gesicht hatte sich zu einer albtraumhaften Fratze verzogen, die mehr einem Tier als einem Menschen glich. In den dunklen Augen des Vampirs brannte ein unmenschliches Feuer und deutlich waren nun die langen Zähne zu erkennen, als er sich mit einem tierhaften Brüllen erneut auf Marcus stürzte. Doch wieder hielt der Schutzkreis stand und schleuderte den Vampir zurück, allerdings war dieser nun darauf vorbereitet und fing sich wieder, bevor er erneut gegen eine Wand oder einen Sarkophag geschleudert werden konnte.
Lauernd umkreiste das Nachtwesen nun Marcus und schien nach Schwachstellen in dessen Schutz zu suchen. Immer wieder zuckte die Klinge vor und wurde vom Schutzkreis abgewiesen, so dass sie sich schon nach wenigen Schlägen schwarz verfärbt hatte. Plötzlich ruckte der Kopf des Vampirs herum und ein dämonisches Grinsen erschien auf dem Gesicht. Er hatte das letzte Skelett entdeckt, welches immer noch das Buch hielt. Eisige Furcht erfasste das Herz von Marcus, als sich der Vampir nach vorne warf und mit einem einzigen gewaltigen Hieb das Skelett zerteilte. Geschickt fing er das Buch auf noch bevor es den Boden berührte und drehte sich dann zu Marcus um.
„Das hättest du auch einfacher haben können, Mensch. Nun….“
Doch weiter kam das Ungeheuer in Menschengestalt nicht, denn ein schwarzer Blitz zuckte von Marcus Hand aus dem Kreis und traf es mitten in der Brust. Die Wucht schleuderte den Vampir wieder gegen eine Wand und seine Kleidung fing Feuer. Kreischend und fluchend riss er sich die Kleidung vom Leib, wobei er sich hinter einem der Steinsärge in Deckung brachte.
„Ahhh. Komm doch raus, Blutsauger. Komm schon. Ich werde dir zeigen, was es bedeutet sich mit mir anzulegen.“
rief der junge Magier voller Triumph und schleuderte einen weiteren Blitz, der allerdings an der Deckung des Vampirs verpuffte, allerdings nicht ohne dem steinernen Material Schaden zuzufügen. Doch scheinbar wollte es dieser nicht auf einen magischen Schlagabtausch ankommen lassen, denn Marcus konnte nur noch einen Schemen erkennen, als das Ungeheuer mit einem gewaltigen Satz die Treppe erreichte und so außerhalb seines Blickfeldes war.
„Das wirst du mir büßen, Mensch. Wir sehen uns wieder.“
Die Worte waren nicht mehr als ein Fauchen, pure Bosheit lag in darin, doch Marcus konnte spüren, wie sich die Präsenz des Wesens schnell, sehr schnell von ihm entfernte. Erleichtert atmete er auf, doch erst nach einer Stunde verließ er den Kreis. Er brauchte das Buch, er hatte noch nicht einmal einen Bruchteil seines Wissens erlangt und nun hatte es dieses Ungeheuer gestohlen. Doch diesem Problem würde er sich stellen, wenn er den Ort hier verlassen hatte. An die Schule würde er nicht mehr zurückkehren, er hatte von der wahren Macht der Magie gekostet und würde nicht länger darauf verzichten. So schlich sich der junge Magier, der in einer einzigen Nacht der Nekromantie verfallen war, von dannen und sann auf seine Rache, während der Vampir an einem anderen Ort der Stadt seine Wunden leckte.
Er konnte es nicht glauben, dass dieser schwächliche Mensch ihn so leicht hatte verletzten können. Er hatte die Anrufung der schwarzen Magie gespürt und aus reiner Neugier hatte er herausfinden wollen, was es damit auf sich hatte. So war er dann über den jungen Magier gestolpert und es hatte sich als Glücksfall erwiesen, zumindest zum Teil. Nun saß er hier in seinem Unterschlupf und trank Blut aus einem Weinglas, während sein Diener ihm frische Kleidung brachte. Die Verbrennungen waren nicht allzu schlimm, aber schmerzhaft und demütigend. Doch Varuns Buch war die Sache wert gewesen, er hätte niemals damit gerechnet dieses Artefakt hier zu finden, hatte sogar geglaubt, dass es zerstört worden war. Seiner eigentlichen Suche half es bisher noch nicht weiter, aber immerhin hatte er schon den Ring gefunden. Dieser Ring lag nun neben dem Buch auf dem alten Schreibtisch und leuchtete sanft im Licht des Mondes. Nooch immer fehlten ihm die zwei anderen Gegenstände, doch Varuns Buch konnte ihm vielleicht bei der Suche helfen.
Varun war ein mächtiger Nekromant gewesen und er konnte einen Teil des Geistes in diesem Buch spüren, leise flüsternd schien es zu ihm zu sprechen und hatte dies sicherlich auch mit dem jungen Magier getan, der wohl nicht einmal den Einfluss des Buches bemerkt hatte. Seine kühlen Finger strichen über den Einband aus Menschenhaut, während er schon spürte wie sich seine Verletzungen durch den Genuss des Blutes zu schließen begannen. Ein wahres Meisterwerk lag da vor ihm, aber unbedeutend verglichen mit seiner eigentlichen Beute, sein Blick wanderte zu dem Ring. Dies war das erste von drei Stücken, es fehlten ihm nur noch zwei. Ein Amulett und ein Armband, sobald er diese Dinge in seinem Besitz hatte, würde er seine Kräfte soweit steigern können, dass sich ihm niemand mehr widersetzen konnte. Doch dies lag noch in der Zukunft und von solchen Gedanken ließ man sich nur zu leicht von der Gegenwart ablenken. Ruhig trank er das Glas in einem Zug aus und beugte sich neben dem Tisch herab, wo das gefesselte Mädchen lag, dessen Blut er gerade getrunken hatte. Ihr Atem ging schwach und schon bald würde er ein neues Gefäß brauchen, doch für heute Nacht war sie noch ausreichend. Mit einem geübten Griff öffnete er mit einem Fingernagel ihr Handgelenk und fing den roten Lebenssaft im Weinglas auf, bevor er über ihre Wunde leckte und diese so wieder verschloss.
Genüsslich trank er einen weiteren Schluck aus dem Weinglas, genoss den metallischen Geschmack, gewürzt mit der Verzweiflung des Mädchens. Schon bald würde die Sonne aufgehen und er würde wieder einen Tag warten müssen, bis er sich wieder auf die Suche machen konnte.
Keuchend rang Malcom um Atem, um seine Kehle hatte sich die eisige Hand seines Meisters geschlossen und hatte ihn ohne die geringste Kraftanstrengung von den Füßen gehoben. Langsam spürte er wie sein Blickfeld von ergriffen wurde und doch wehrte er sich nicht gegen den Griff, es wäre ohnehin zwecklos gewesen, hätte die Wut des Meisters nur noch weiter angestachelt. Und wenn er überleben wollte, durfte er gerade dies nicht tun. Regungslos hing er so in der Luft und wurde dann plötzlich von seinem Meister in die Ecke geschleudert, wo er erst einfach liegen blieb, bis sich seine Lungen wieder mit wertvoller Luft gefüllt hatten. Als er es dann, nach einer persönlich empfundenen Ewigkeit, schaffte sich auf die Knie zu rollen und den Blick zu seinem Herren zu heben, sah er nur den schwarzen Schatten seiner Gestalt, einzig in den Augen brannte ein rötliches Licht, aber das schlimmste an diesem Anblick war die absolute Regungslosigkeit mit welcher der Vampir einfach nur da stand. Malcoms Nackenhaaren stellten sich auf und sein Herzschlag beschleunigte sich erneut, nur zu gut kannte er die Launen seines Herrn.
„Lass es mich noch einmal wiederholen. Der Greis kann das kleine Schmuckstück nicht verkaufen, weil er es bei einer Wette an den Baron von Bingen verloren hat. Und da der Baron derzeit keine Gäste empfängt, weil er wegen des Verschwindens seines Sohnes außer sich ist, konntest du auch kein Treffen mit ihm vereinbaren. Habe ich etwas vergessen, Malcom?“
Diese Worte waren nicht mehr als ein leises Flüstern, doch die Wut dahinter war kaum verborgen, daher beeilte sich der Diener den Kopf zu schütteln und seinen Blick zu senken. Mit einem lauten Fauchen wandte sich der Schatten von dem Knienden ab, eine unwirsche Geste bedeutete dem Diener, dass er nun entlassen war. Und dieser wollte sein Glück nicht länger als nötig herausfordern und verschwand so schnell ihn seine Füße trugen, aus dem Arbeitszimmer.
Immer noch ohne die geringste Bewegung blickte er nach draußen und konnte hinter sich die eiligen Schritte und den pochenden Herzschlag seines Dieners hören, der sich schnell entfernte. Und auch wenn sein Äußeres keine Bewegung zeigte, brodelte es in seinem Inneren vor Zorn. Es hatte lang genug gedauert den Verbleib des Amulettes herauszufinden, Geld und Blut hatten für die Informationen fließen müssen und nun scheiterte der ganze Plan an einer solchen Nichtigkeit. Natürlich war er selbst Schuld am Verschwinden des jungen Adligen, der inzwischen schon in Bäuchen der guten Bürger der Stadt verdaut worden war. Doch dies setzte dem Ganzen die Krone auf, nicht nur das ihn dieser kleine, miese Magier gedemütigt hatte, nein, nun mussten auch noch die gewöhnlichen Menschen seine Pläne durchkreuzen. Seine Finger schlossen sich um den gläsernen Pokal auf dem Schreibtisch, mit einem Knirschen gab das Glas dem Druck nach und zerbarst in seiner Hand. Dickflüssig trat sein dunkelrotes, beinahe schwarzes Blut aus einigen Schnittwunden, aber er beachtete es kaum, da sich die Schnitte bereits wieder schlossen. Er hatte sich die ganze Zeit so sorgfältig im Hintergrund gehalten, seine Netze gesponnen, Fäden gezogen, um die Suche nicht zu gefährden. Und all dieser Aufwand musste nun von vorne beginnen, da er auf keinen Fall die Aufmerksamkeit von anderen Angehörigen seiner Art auf sich ziehen wollte.
Aus Gewohnheit holte er tief Luft und atmete langsam aus, als Lebender hatte ihm dies immer geholfen und auch als Untoten half es ihm, auch wenn es nur an der Erinnerung lag, die er noch an diesen Vorgang hatte. Er stand also wieder einmal vor einem Scheideweg, denn wenn er nun persönlich in Erscheinung trat, konnte es die Aufmerksamkeit von Hexenjägern und seinen, so genannten, Verwandten auf ihn lenken, wenn er aber wieder langsam begann ein Netz zu spinnen, konnte sein Interesse für eine Trophäe von der Schlacht bei Donnerbach, wo Manfred von Dornenhof besiegt worden war, ebenso Aufmerksamkeit erregen. Beide Möglichkeiten bargen ihre ganz eigenen Risiken, welche zum Scheitern seiner Suche führen konnten, aber wenn er einfach verharrte und keine Entscheidung traf, war seine Suche bereits jetzt gescheitert. Wieder holte er tief Luft und entließ sie in einem langen Stoß, während er die Vor- und Nachteile seiner verschiedenen Handlungsmöglichkeiten überdachte.
Es hatte keinen Sinn noch länger Zeit zu verschwenden, dachte er bei sich, lieber wollte er die ganze Angelegenheit schnell hinter sich bringen, so lange er wusste, wo sich das Amulett befand und sich danach ruhig verhalten, damit niemand den Zusammenhang zwischen Ring, Amulett und Armband herausfand. Ein leichtes Zucken umspielte seine Mundwinkel, als er daran denken musste, wie er das erste Mal von der Legende der drei Talismane gehört hatte. Vor Jahrhunderten waren alle drei Gegenstände von einem mächtigen vampirischen Magier erschaffen worden, welcher einen gewaltigen Anteil seiner Kräfte in diese Gegenstände hatte einfließen lassen und so aus ihnen den ultimativen Schutz für ein Wesen der Nacht geschaffen hatte. Wer die drei Talismane an sich band und trug, sollte laut der Legende, immun gegen das Licht der Sonne und jeder Art von Magie werden. Selbst die Runenwaffen sollen wirkungslos an dem Meister des Triskelons, wie die drei Gegenstände in der Legende als Einheit genannt wurden, abgleiten ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen. Doch Eifersucht, Neid und Missgunst hatten letztlich auch das Schicksal des mächtigen Vampirmagiers besiegelt, denn das Triskelon musste vollständig getragen werden, damit es seine Macht entfalten konnte und mit Hinterlist war es drei anderen Nachtwesen gelungen, dem Magier ein Stück zu entreißen. Danach war er so verwundbar wie jedes andere vampirische Wesen gewesen und sie hatten ihn in Stücke reißen können.
Der Erfolg war jedoch nur von kurzer Dauer, da jeder der drei Verräter ein Stück ergattert hatte und ein jeder für sich das Geheimnis des Schutzes ergründen wollte. So war das Triskelon getrennt worden und keinem der drei Vampire war es gelungen, dass Geheimnis zu enthüllen. So hatte der Kampf zwischen den drei Fürsten der Nacht begonnen, der gegenseitige Verrat und die offenen Kämpfe sorgten dafür, dass die Einzelteile sich in den Ereignissen der folgenden Jahrhunderte verloren. Es war eine typische Geschichte über Erfolg, Verrat und Verlust mächtiger magischer Artefakte und zu Beginn hatte er sie, wie andere Legenden auch, die einfach zu phantastisch waren, einfach nur abgetan. Doch dann war er in Düsterland über das alte Gemälde eines menschlichen Adligen gestolpert, auf dem er den Ring der Beschreibung nach wieder erkannte. Sein Interesse war geweckt worden und er hatte unauffällige Nachforschungen angestellt.
Der Ring existierte wirklich und war zu einem Familienerbstück geworden, erbeutet in einem der alten Kriege Düsterlands gegen seine Nachbarn. Von Generation zu Generation war es weitergeben worden und schließlich hatte er es hier in Arnulfsheim gefunden, in den Händen eines verarmten Barons, der mehr für Geld als für seine Familiengeschichte übrig hatte. Es war wirklich einfach gewesen, den Ring an sich zu bringen und nun lag er hier vor ihm auf dem Schreibtisch und strahlte mit kaltem Licht, sobald er sich ihm nährte. Es war beinahe so, als hätte sich der Ring nach einem Träger gesehnt, der seinem Erschaffer ähnlich war. Natürlich hatte er seine Suche nicht nur auf den Ring beschränkt, sondern auch versucht die beiden übrigen Talismane ausfindig zu machen. Bisher war es ihm aber nur gelungen den Aufenthaltsort des Amulettes ausfindig zu machen, vom Armband fehlte immer noch jede Spur. Auch das Amulett war zu einem Familienerbstück geworden, doch wie er gerade eben erfahren hatte, war er dieses Mal zu langsam gewesen, es vom ursprünglichen Besitzer zu erlangen. Ein Vorfahr dieses Mannes hatte es nach der Schlacht von Donnerbach vom Boden aus einem Aschehaufen aufgelesen und es als Zeichen der Familienehre an seine Nachkommen weitervererbt, bis es schließlich ebenfalls hier in Arnulfsheim angelangt war. Es war schon beinahe komisch, dass es ausreichte einfach abzuwarten, bis sich alles was selten und kostbar war, hier in dieser Stadt sammelte.
Ein Ruck ging nun durch die schattenhafte Gestalt, er hatte lange genug nachgedacht, seine Entscheidung war gefallen, während er über die alte Legende nachgedacht hatte. Heute Nacht würde er sich nehmen, was ihm zustand und dann eben mit den Konsequenzen leben müssen. Dies war auf jeden Fall besser als noch länger auszuharren und das Gesuchte in Griffweite zu haben und es doch nicht ergreifen zu können. Mit einem lauten Klatschen rief er nun Malcom zu sich, der inzwischen zu seinem Posten in der Nähe des Zimmers zurückgekehrt war, der Diener sollte alles für seine Rückkehr vorbereiten, denn diesen Unterschlupf würde er danach nicht mehr nutzen. Deutlich konnte er die Angst des Mannes wittern, auch wenn er ein treuer Gehilfe und Dienstbote war, so war er doch nicht vor Strafe sicher und er hatte sehr wenig Geduld mit unfähigen Helfern. Eifrig nickend zog sich Malcom zurück, nachdem er seine Anweisungen erhalten und seinem Herrn eine Wegbeschreibung zum Anwesen des Barons von Bingen gegeben hatte. Ohne weitere Worte zu wechseln ergriff der Vampir Stockdegen und Mantel, bevor er mit lautlosen, schnellen Schritten das Haus verließ. An der Tür hielt er noch einmal kurz inne und ließ seine Sinne in die Nacht hinaus greifen, er fühlte die menschlichen Herzen in der Nähe und auch die Witterung ihres Blutes. Eine so große Stadt war wirklich ein Erlebnis für die Sinne, doch damit konnte er sich erst befassen, wenn er seine Aufgabe erledigt hatte. Vielleicht stattete er der Freundin der kleinen Hure, welche er vor ein paar Nächten gefangen hatte, einen Besuch ab. Aneszka war der Name gewesen und vielleicht konnte sie die Darbietung ihrer Freundin noch überbieten. Kalt funkelten kurz seine Zähne in einem Lächeln auf, als er mit den Schatten der Straße verschmolz und sich auf den Weg zum Haus des Barons von Bingen machte.
Leise flatterte der Mantel des Mannes im Nachtwind, wie er so, von der Krone eines Baumes aus, das Anwesen des Barons beobachtete. Er hatte bereits vorher gewusst, dass der Baron von Bingen nicht gerade einer der ärmsten Einwohner Arnulfsheims war, doch sich ein Anwesen nur einige wenige Kilometer von der Stadt entfernt zu unterhalten, war nicht nur ein Zeichen für Wohlstand, sondern auch für Arroganz und Geltungssucht. Ein schwaches Lächeln kräuselte die Lippen des Untoten, als er so das Gelände betrachtete, auf den ersten Blick lag es friedlich vor ihm und schien nur darauf zu warten, dass er eindrang und sich nahm, was er wollte. Einen menschlichen Einbrecher hätte dies wohl zu einem übereilten Handeln verleitet, doch seinen scharfen Sinnen, waren die versteckten Wachen nicht entgangen, die schläfrig ihren Dienst versahen, ebenso wenig konnte ihm die Anwesenheit der Hunde verborgen bleiben, die sich seltsam still über das Grundstück bewegten. So scharf seine Sinne auch waren, allein auf diese würde er sich bei diesem Unternehmen nicht verlassen, magischer Schutz war käuflich und beliebt bei den Reichen und Mächtigen, außerdem war es die einzig wirkliche Gefahr für einen Angehörigen seiner Art.
So öffnete er seinen Geist für die Winde der Magie und betrachtete das Anwesen nun genauer. Und schon wurde das zarte Gewebe der Zauber, die um das eigentliche Wohnhaus gewoben waren für ihn sichtbar. Wie goldene Fäden rankten sie sich über die Außenmauer, konzentrierten sich auf Fenster und Türen des Hauses. Auf den ersten Blick schienen es nur Zauber zu sein, welche die Bewohner alarmierten, wenn jemand versuchte einzudringen. Aber diese konnten noch mit wesentlich gefährlicheren Zaubern verbunden sein, die sich im Haus befanden und die er nicht sehen konnte. Tödliche magische Fallen waren zwar selten, da Unfälle immer sehr endgültig waren, aber wer konnte schon sagen, wie versessen der Baron auf seine Sicherheit war. Doch im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Einbrecher war er selbst in der Lage die Winde der Magie zu nutzen und er hatte wesentlich mehr Erfahrung im Umgang mit der Magie, als ein menschlicher Magier sie je haben konnte. Unterschätzen würde er die Sicherheitsvorkehrung deswegen nicht, war sich aber sicher mit ihnen fertig werden zu können. Einzig die Abwesenheit von Zaubern an den Grenzmauern des Grundstückes erschien ihm seltsam, entweder waren dann hier die Kosten zu groß gewesen oder es lag ein anderer Zweck hinter diesem Umstand verborgen.
Doch die Nacht wurde nicht länger und er wollte sich nicht den Gefahren des Sonnenaufgangs aussetzen, so dass er nun den magischen Blick fallen ließ und sich ein letztes Mal die Standorte der Wächter und der Hunde einprägte, bevor er lautlos und geschmeidig wie ein Schatten am Stamm des Baumes hinab glitt. Kaum berührten die Sohlen seiner Stiefel den Boden, da huschte er auch schon zwischen den Schatten der nahen Bäume näher an die Mauern des Anwesens heran. Die Patrouille der Wächter war erst vor einigen Minuten hier vorbei gekommen und es würde noch einige Zeit dauern, bis sich die nächste blicken lassen würde. Seine Hände streckten sich nach der Mauer aus und ohne Mühe fanden sie halt in den Ritzen der Steine, so dass er sich beinahe wie eine Spinne nach oben ziehen konnte. Nach kaum zwei Herzschlägen war er oben angelangt und nach einem kurzen Rundblick schwang er sich über die Spitze der Mauer und landete federnd im Innenbereich des Anwesens. Er konnte keinerlei Lebewesen in seiner unmittelbaren Umgebung wahrnehmen, so dass er sich nun seine Zeit nehmen konnte, um die Schutzzauber des Gebäudes zu umgehen. Jeder Alarmzauber hatte eine vorgesehen Lücke für alle, die berechtigt waren den Zauber zu durchschreiten, meist wurde dies von einem Talisman gewährleistet. Doch wenn man das Gespinst des Zaubers genau untersuchte, konnte man sich auch ohne einen solchen Talisman daran vorbeischleichen, in dem man die Lücke auf die eigene Person ausdehnte.
Vorsichtig griff er nach dem schwarzen Wind der Magie hinaus und sandte die Energie mit schnörkellosen Bewegungen in feinen Fäden nach den goldenen Schutzzaubern des Hauses aus. Die Energie des schwarzen, magischen Windes glich Spinnenfäden, welche sich langsam um die goldenen Fäden des anderen magischen Gespinstes legten, wodurch der goldene Glanz langsam aber sicher gedämpft wurde. Nun galt es für den Vampir vorsichtig zu handeln, denn eine Auslöschung des Zaubers würde sicherlich auch bemerkt werden, so gab er nur langsam mehr Energie in seinen Zauber, bis sich langsam das Bild des Schutzzaubers änderte und dunkle schwarze Adern im Schutzzauber auftauchten. Diese Adern waren keine Fäden der schwarzen, vampirischen Magie, sondern zogen sich durch die ursprünglichen goldenen Fäden des menschlichen Zaubergespinstes, wo sie sich nun an bestimmten Stellen zu konzentrieren begannen. Der Sicherheitsmagier, der den Schutzzauber auf das Gebäude gesprochen hatte, war besonders darauf bedacht gewesen, die offensichtlichen Schwachstellen eines Hauses zu schützen. Allerdings schien er noch nicht viel Erfahrung im Umgang mit Kriminellen gesammelt zu haben, denn je höher am Gebäude die Schwachstelle war, desto schwächer wurde dort der Schutz. Und dort wo der Schutz am schwächsten wurde, dort konzentrierten sich auch die schwarzen Adern des vampirischen Zaubers, um dem Untoten den ungehinderten Zugang zum Haus des Barons von Bingen zu gestatten. Zufrieden sah er das Ergebnis seines Zaubers an und regte sich nun wieder, mit schnellen Schritten eilte er auf das Haus zu, als er plötzlich einen sich nähernden Herzschlag wahrnahm.
Zu schnell für einen Menschen und die Witterung im Wind verriet ihm den Urheber, einer der Hunde war irgendwie auf ihn aufmerksam geworden. Mit gefletschten Zähnen schoss das große Tier um die Ecke des Hauses und raste mit gewaltigen Sätzen direkt auf den Vampir zu. Um den Nacken des Tieres lag ein breites mit Stacheln bewehrtes Halsband, dessen Spitzen im Licht der Monde tückisch funkelten, als es sich ohne die geringsten Anzeichen von Furcht auf den untoten Gegner stürzte. Kein Laut war zu hören, als Tier und Ungeheuer aufeinander trafen, gleichzeitig funkelten die speichelbedeckten Fänge der Gegner auf und ein dumpfer Aufprall kündete in der Lautlosigkeit des Anwesens von der Begegnung. Knirschend schnappten die Kiefer des bulligen Hundes vor dem Gesicht des Vampirs zusammen, doch die Beine des Tieres traten nur durch die leere Luft, da es einfach aus der Luft gefangen worden war und vom harten Griff der untoten Bestie gehalten wurde. Mühelos hatte er das Tier im Sprung aufgefangen und hielt es nun am Brustkorb fest, seine kalten Finger hatten sich bereits beim Aufprall durch Fell und Fleisch des Tieres gebohrt. Leise fauchte der Vampir nun seinem tierischen Gegner ins Gesicht, bevor er ruckartig seine Hände nach außen riss und so den Brustkorb des Tieres öffnete. Blut bespritzte die dunkle Kleidung des Vampirs und zeichnete ihm ein, im Mondlicht, schwarzes Muster ins Gesicht, als er mit einer weiteren Bewegung das Herz des Tieres aus dem geöffneten Brustkorb riss. Ein Zucken lief durch den zerfetzten Körper des Tieres, als die Nerven endlich den Tod bemerkten und während alle Muskeln gleichzeitig erschlafften und sich der Geruch von Exkrementen zu dem des Blutes gesellte. Beinahe verächtlich ließ der Vampir das Herz des Tieres zu Boden fallen und setzte seinen unterbrochenen Weg fort, während er sich das Blut von den Fingern leckte. In seiner Hast in das Haus einzudringen, übersah er so das Funkeln eines kleinen Edelsteins am Halsband des Tieres, welches langsam zu verblassen begann. Für den Untoten war es nun endlich na der Zeit in das Haus einzudringen und sich seine Beute zu holen.
Das flackernde Feuer und das Licht der Kerzen erfüllten das Kaminzimmer des Anwesens mit dem Geruch nach verbranntem Holz und tauchten den Raum in ein unstetiges Licht, welches die Schatten über die Wände wandern ließ. An sich war dieser Raum durchaus gemütlich zu nennen, doch dieser Eindruck wurde durch das gerade stattfindende Schauspiel weitestgehend verdorben. Vor Zorn schäumend stand der Gregor, Baron von Bingen, über einem seiner Lakaien und ließ den Schürhaken immer wieder auf ihn nieder fahren.
„Was soll das heißen? Er hat einen Fremden zu einem Duell gefordert und keiner hat es beobachtet? Wo zum Teufel ist er hin? Er hatte doch mindestens 4 Mann bei sich…“
Wieder und wieder fuhr der Schürhaken bei diesen Worten auf den Diener nieder und traf ihn mit einem dumpfen Geräusch an Schultern, Armen und Rücken, da er sich schützend auf dem Boden zusammengerollt hatte. Und das alles nur, weil er seinem Herrn die letzten Informationen über das Verschwinden seines Sohnes gebracht hatte. Er konnte doch wirklich nichts für den Leichtsinn des jungen Adligen und musste nun den Zorn des Vaters über sich ergehen lassen, der ihm bereits einen gebrochenen Unterarm beschert hatte. Schwer atmend und mit gerötetem Gesicht hielt der Baron endlich in seinen Hieben inne und betrachtete den Diener mit vor Zorn funkelnden Augen. Sein Sohn war schon immer ein Narr gewesen, aber bisher hatte er es auf die Jugend geschoben, doch ein solches Verhalten war einfach nicht zu akzeptieren. Seine Gemahlin heulte sich seit dem Verschwinden, vor einigen Tagen, die Augen aus dem Kopf und dies zehrte an seinen Nerven. Dazu gesellte sich der Umstand, dass er einfach nicht in der Lage war diesen kleinen Bastard ausfindig zu machen. Selbst seine Mätressen waren im Moment sehr vorsichtig in seiner Nähe und dies schmälerte, zusätzlich zur Sorge um seinen Stammhalter, sein bisher gutes Leben, da eine ängstliche Gespielin einfach nicht so amüsant war, wie eine unbekümmerte. Wenn sein Sohn jetzt hier wäre, dann würde diesen undankbaren Spross seiner Lenden eine Tracht Prügel erwarten, die Ihresgleichen suchen würde. Doch leider war er nicht hier und der Diener war nicht einmal ansatzweise genug um seinen Zorn verrauchen zu lassen.
„Los, verschwinde und finde meinen Sohn. Mir ist es egal, was es kostet, aber finde ihn und bring ihn zu mir und wenn du ihn an seinen Haaren herbei schleifen musst. Und jetzt geh mir aus den Augen.“
knurrte er voller Zorn und drehte sich zum Kamin, wobei er fahrig in der Asche stocherte. Ächzend und stöhnend gelang es dem Lakaien mehr kriechend als gehend den Raum zu verlassen und dieser erbärmliche Anblick, ließ einen Wächter, der gerade anklopfen wollte, schwer schlucken. Offensichtlich waren die Überbringer schlechter Nachrichten nicht gut beraten, diese an den Baron weiterzugeben, aber der Wächter musste auch seiner Pflicht nachkommen. Und so straffte sich die Gestalt des Wachmannes und mit einem deutlichen Klopfen gegen die Tür trat er ein, verharrte an der Schwelle, auf eine Wort seines Herrn wartend. Dieser drehte sich nur langsam herum und musterte den Wächter mit durchdringendem Blick und bedeutete ihm mit einer abfälligen Handbewegung zu sprechen, während er sich in den alten Ohrensessel fallen ließ.
„Mein Herr, einer der Hunde wurde getötet. Der Körper wurde vollkommen zerfetzt und das Herz herausgerissen. Der magische Schutz des Hauses ist unangetastet, aber bisher konnten wir den Eindringling nicht finden.“
würgte die Wache so schnell es ging seinen Bericht heraus und wartete auf die Reaktion des Mannes. Erst schien nichts zu geschehen, aber dann sprang der Baron mit einem wütenden Aufschrei aus dem Sessel, wobei er wieder den Schürhaken schwang, den er bisher immer noch nicht aus der Hand gelegt hatte.
„Und weiter? Habt ihr den elenden Magier geweckt, damit er sich endlich sein Honorar verdient? Was stehst du hier noch so herum? Los, Mann, weck den Kerl oder soll ich dir vielleicht die Haut vom Gesicht ziehen lassen, damit du endlich etwas tust?“
brüllte Gregor den Wächter an, der sich unwillkürlich versteifte und noch blasser wurde, als er es eh schon gewesen war. Er wäre nicht der erste Diener dieses Mannes gewesen, der Haut oder ein Körperteil als Bestrafung eingebüßt hatte. Weder Wächter noch Baron hörten das leise Niedersinken eines Körpers auf dem Flur, dafür war das Gebrüll einfach zu laut gewesen. Als der Wächter nun herumwirbelte, um fluchtartig den Raum zu verlassen, schien er für den Baron einfach nach der Drehung zu erstarren. Aufbrausend ging er nun auf den Wächter zu, den Schürhaken drohen erhoben.
„Was ist los? Hast du noch etwas vergessen. Los jetzt, hol den Magier.“
knurrte er ungehalten, er würde diesem Lakaien schon Manieren beibringen, wenn er nicht einmal einfachste Anweisungen erfüllen konnte. Doch sein zorniges Gesicht erstarrte, als der Wächter einige Schritte rückwärts ging und vor ihm ein bleiches Gesicht unter dem Türrahmen auftauchte. Dunkle Flecken waren im Gesicht des Neuankömmlings zu sehen, die einen rötlichen Schimmer zu haben schienen. Ein Zittern lief nun durch den Wächtern, dessen Körper plötzlich erschlaffte und doch nicht zu Boden sank, als würde er durch irgendetwas aufrecht gehalten. Der Fremde legte kurz den Kopf schief und richtete seine dunklen Augen von dem Wächter, dessen Körper immer noch die Sicht auf den unbekannten Mann blockierte, auf den Baron. Ein Ruck ging nun durch den Wachmann und mit einem dumpfen Aufschlag fiel er zu Boden, während der Unbekannte eine schlanke Klinge zurückzog, deren Spitze mit roter Flüssigkeit bedeckt war.
Erschrocken wich der Baron zurück, den Schürhaken schützend vor den Körper gehoben, Schrecken hatte ihn erfasst und nur wenig von seinem aufbrausenden Gemüt übrig gelassen, als er fassungslos beobachtete, wie beiläufig der Fremde über den Leichnam stieg, um den sich nun langsam eine Lache aus Blut und anderen Körperflüssigkeiten ausbreitete.
„Wer bei Donars Hammer seid Ihr?“
presste der Baron zwischen seinen bebenden Lippen hervor und versuchte den Sessel zwischen sich und den Fremden zu bringen. Doch dieser schien ihm im Moment nicht nachsetzten zu wollen, sondern verbeugte sich galant, wie bei einer Audienz.
„Simon von Rabenfels, auch der herzlose Simon genannt, Baron von Bingen. So sehr mich Eure Bekanntschaft erfreut, so bin ich doch aus einem bestimmten Grund hier. In Eurem Besitz befindet sich ein kleines Amulett, goldene Fassung mit Onyx besetzt. Für Euch hat es nur einen geringen Wert, doch für mich bedeutet es viel, als Preis dafür biete ich Euch den Aufenthaltsort Eures Sohnes an.“
Die Stimme klang wie feinster Samt und schmeichelte den Ohren des Barons, als würden die Worte ihm direkt ins Ohr geflüstert werden. Doch sie trugen in keinster Weise zu seiner Beruhigung bei, immerhin stand er vor einem Mann, der gerade eben einen Wächter getötet hatte, ohne mit der Wimper zu zucken. Reflexartig griff er an seine Brust, wo sich das Amulett unter dem seidenen Hemd befand, er sah es seit dem Gewinn beim Würfeln, als einen Glücksbringer an und legte es nur selten ab. Doch im Moment schien ihn das Glück verlassen zu haben und wie er so in die dunklen Augen des Fremden blickte, schien es besser zu sein, das kleine Schmuckstück aufzugeben, als sich einer weiteren Gefahr auszusetzen.
„Einverstanden, Ihr erhaltet das Amulett und ich den Aufenthaltsort meines Sohnes. Und dann verschwindet Ihr.“
antwortete er mit mehr Sicherheit in der Stimme, als er eigentlich fühlte und versuchte sich nicht länger einschüchtern zu lassen. Immerhin war er nicht ganz waffenlos und im Gegensatz zu dem Wächter auf den Gegner vorbereitet. An ihn hatte er sich nicht anschleichen können und so waren die Chancen gerecht verteilt. Genau beobachtete er nun die Reaktion des Fremden auf seine Worte, dieser stützte die schlanke Klinge auf dem Boden ab und legte beide Hände auf den Knauf, ganz so als dächte er noch einmal über die Worte des Barons nach.
„Einverstanden.“
erklang dann wieder die leise, samtene Stimme des fremden Mannes, der sich als Simon von Rabenfels vorgestellt hatte. Wahrscheinlich hatte er sich den Titel nur gekauft oder ergaunert, dachte der Gregor zusammenhanglos, als er mit der linken Hand an seinen Hals griff und das Amulett an der Kette hervor zog. Ein kurzer, harter Ruck und die feine Goldkette riss, so dass er jetzt das Amulett Simon zu werfen konnte, er wollte der Klinge des Mannes auf keinen Fall zu nahe kommen. Geschickt fing dieser den Gegenstand aus der Luft und ein mattes, pulsierendes Leuchten ging von den schwarzen Steinen aus, als der Talisman die Hand des Mannes berührte. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf dem Gesicht und wortlos wandte er sich ab, um den Raum wieder zu verlassen, während er das Amulett einsteckte.
„Halt! Ihr habt Euren Teil des Handels nicht eingehalten. Wo ist mein Sohn?“
schnaufte Gregor mit kaum verhohlenem, aufkeimenden Zorn und machte einen Schritt auf den Eindringling zu. Dieser blieb nun ruckartig stehen und drehte nur leicht den Kopf in Richtung des Adligen.
„Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen. Euer Sohn ist tot und seine Überreste habe ich in einer Schlachterei entsorgen lassen. Inzwischen müsste halb Arnulfsheim ihn gekostet haben.“
Kalter Stahl schien nun in der Stimme Simons zu liegen, wo sie vorher glatt und samtig gewesen war. Fassungslos erstarrte der Baron von Bingen in seiner Bewegung als die Worte in seinen Geist drangen und er die Konsequenzen zu verstehen suchte. Sein Sohn war tot und dieser Mann musste der andere Duellant sein. Sein Atem stockte für einen Moment als es endlich begriff und bevor heiße Wut sein klares Denken überflutete.
„Mörder!“
Mit diesem wütenden Aufschrei stürzte er sich auf den Mörder seines Sohnes und schwang den Schürhaken in einem großen Bogen, er wollte diesem Mistkerl den Schädel einschlagen. Doch bevor der metallene Schürhaken sein Ziel treffen konnte, traf er klirrend auf Widerstand. Die Klinge des Fremden hatte seinen Schlag mühelos abgewehrt und glitt nun schnarrend über das Metall. Mit einem weiteren Aufschrei setzte er einen Faustschlag hinterher, doch nun handelte auch Simon. Sein Körper drehte sich schneller als das menschliche Auge folgen konnte, sein linker Arm schoss nach vorne und fing die Faust des Barons mit Leichtigkeit ab. Die Knochen in der Hand des Barons begannen zu knirschen, als Simon den Druck auf die gefangene Hand verstärkte und seine Augen schienen von einem inneren Feuer zu leuchten. Eine neue Erkenntnis durchzuckte den vernebelten Geist des Barons, als er diese glühenden Augen sah. Der Akzent, die Schnelligkeit der Bewegungen und die unglaubliche Kraft, all diese Dinge fügten sich zu einem Bild zusammen, welches sein Herz erstarren lassen wollte.
„Ja. Ich bin ein Vampir.“
flüsterte Simon leise, als er die Erkenntnis in den Augen des Mannes sehen konnte. Belustigung und Erregung schwangen in seiner Stimme mit, als er mit diesen Worten den Druck auf die Hand des Mannes verstärkte und spüren konnte wie die kleinen Knochen in der Hand zerbrachen. Doch bevor der Baron schreien konnte, schnellte seine rechte Hand nach oben, wobei er seine Klinge einfach fallen ließ, und schloss sich wie eine eiserne Klammer um die Kehle des Mannes, jeden Schrei so erstickend. Jetzt konnte er wieder das süße Aroma der Furcht wahrnehmen und wie das Herz im wilden Schlag im Inneren der Brust zu hämmern begann, flatternd spürte er den Puls des Mannes an seinen Fingern. Doch leider durfte er von niemandem hier trinken, da dies ihn verraten würde. Mit einem bedauernden Seufzen ruckte er mit seiner Hand herum und ein leises Schnappen verkündete das Brechen des Genicks. Sofort erschlaffte der zappelnde Körper und achtlos ließ er ihn auf den Boden fallen.
Nachdem es nun keine Zeugen mehr gab, musste er nur noch seine Spuren etwas verwischen. Dazu nahm er den Schürhaken vom Boden auf und ging mit schnellen Schritten zum Kamin. Mit wenigen Bewegungen verteilte er die brennenden Scheite und glühenden Kohlestücke im Raum und wartete bis sie Nahrung gefunden hatte. Teppiche und Vorhänge fingen schnell Feuer, welches sich bei der Suche nach weiterer Nahrung schnell im Raum ausbreitete.
Nun war es an der Zeit für Simon zu gehen, ohne einen Blick zurück zu werfen verließ er den Raum, stieg im Flur über die Leiche des toten Dieners, den er ja nur von seinem Leid erlöst hatte und wartete bis sich Rauch und der Geruch des Feuers weiter ausgebreitet hatte. Es dauerte nicht lange bis Wächter und Dienstboten schreiend durch das Haus liefen und dieses Durcheinander nutzte der Vampir, um das Haus unbehelligt verlassen zu können. Müßig dachte er darüber nach, wie seltsam es doch war, dass eine der größten Stärken der Menschen, die Nutzung des Feuers zu ihren Zwecken, gleichzeitig eine ihrer größten Ängste war. Er hatte das Haus schon verlassen und betrachtete, wie auch außerhalb des Gebäudes der Tumult um sich griff, als die Flammen schon aus den Fenstern des Kaminzimmers schlugen. Die Wachhunde hatten sich in ihrem Eifer auf einige fliehende Dienstboten gestürzt und zerfetzten ihnen den Kehlen, während die Wächter versuchten das Feuer noch zu löschen. Es war ein wirklich erbauliches Schauspiel und er fragte sich, ob die Menschen auch so um das Gebäude kämpfen würden, wenn sie wüssten, dass ihr Herr bereits tot war. Doch als das Aufwallen von Magie aus dem Gebäude spürte, war es für ihn an der Zeit zu verschwinden. Er hatte keinerlei Bedürfnisse sich mit einem Magier anzulegen, nachdem er sein Ziel erreicht hatte und auch dieser würde es kaum schaffen, den um sich greifenden Flammen noch rechtzeitig Herr zu werden.
Mit einem einzigen Sprung setzte er so über die Mauer und machte sich auf den Weg zurück in die Stadt, wo er sich zu seinem neuen Unterschlupf begeben würde. Diese Nacht war wieder erfolgreich gewesen, hoffentlich hatte Malcom neue Gefäße herangeschafft, damit er auch standesgemäß auf den Erfolg anstoßen konnte. Kurz fing sich das Mondlicht auf seinen Fängen, als dieser Gedanke ihm ein Lächeln entlockte, bevor er in den Schatten der Bäume verschwand.
Hell stand Aegis-Auge, der Mond, über den Dächern der Stadt und tauchte diese in seinen fahlen, grünlichen Schein bis der Wind wieder einige Wolken vor den Himmelskörper schob. Auf einem dieser Dächer bewegte sich nun eine Gestalt in im Schatten des Schornsteines, nachdem der Himmel nun wieder verhüllt war. Langsam wagte Malcom wieder zu atmen und wischte sich den Schweiß von seiner Stirn, welcher sich dort in dicken Tropfen gesammelt hatte. Mit großer Mühe versuchte der junge Mann seinen Atem zu beruhigen, während er das schwere Brecheisen aus der Hülle zog und es prüfend in der Hand hielt. Er war sich ziemlich sicher, dass ihn der Wächter auf der Zinne nicht gesehen hatte, aber warum hatte ausgerechnet jetzt der Mond zum Vorschein kommen und ihn den möglichen Blicken eines Beobachters preisgeben müssen, dachte er frustriert bei sich. Nur langsam beruhigte sich sein Herzschlag als er begann, die Dachschindeln neben dem Kamin aus ihrer Verankerung zu hebeln und sie hinter dem Kamin abzulegen. Sein Meister hatte ihm deutlich gemacht, dass dies seine letzte Chance sein würde, sich zu bewähren und den Blutkuss zu empfangen. Malcom spürte immer noch das Kribbeln im Magen, als an die Worte seines Meisters zurückdachte.
„Malcom, mein treuer Diener, ich weiß nun, wo sich der letzte Talisman befindet. Die beiden anderen Talismane haben zusammen eine schwache Verbindung geschaffen, die ich bis zum Magnus-Museum zurückverfolgen konnte. Irgendwo in diesem Gebäude befindet sich das Armband, aber ich kann es nicht betreten. Die Segen der Donarpriester sind zu stark, darum musst du es mir holen, Malcom. Und wenn du dich meines Vertrauens als würdig erweist, werde ich dich weit über das Maß der Sterblichen hinaus belohnen.“
Während sich die Nägel der letzten Dachschindel mit einem leisen Knarren aus dem Holz lösten, durchströmte den jungen Mann wieder ein Glücksgefühl, welches die aufkeimende Panik vollständig verdrängte. Er würde den Meister nicht enttäuschen, der Wächter hatte ihn nicht gesehen und seine Vorbereitungen waren schließlich umfassend gewesen. Den ganzen Tag hatte er sich im Museum umgesehen, so dass er nun eine ungefähre Ahnung hatte, wo sich der letzte der drei Talismane befinden würde. In den öffentlich zugänglichen Räumen war das Armband nicht zu finden gewesen, also musste es an anderer Stelle eingelagert worden sein. Schnell packte er das Brecheisen zurück in sein Futteral, bevor er sich geschickt durch das von ihm geschaffene Loch im Dach des Museums zwängte und von dort aus auf den Boden gleiten ließ. Der Gegenstand musste entweder hier auf dem Dachboden oder im Keller zu finden sein, mit etwas Glück konnte er schon bald wieder verschwinden.
Für einen Moment lauschte er auf die Geräusche innerhalb des Gebäudes und versuchte zu erahnen, ob der Rundgang eines Wächters ihn auch zu diesem Ort gelangen lassen würde. Doch alles blieb still, bis auf das leise Trippeln von Rattenpfoten und so nahm er die große Lederrolle von seinem Rücken. Mit, aus Gewohnheit geborener, Routine legte Malcom die Rolle auf den Boden, öffnete die Verschnürung und rollte dann das Leder auf. Leise klirrte es bei dieser Bewegung und seine Werkzeuge für den weiteren Verlauf des Einbruchs kamen nun zum Vorschein. Verschieden Dietriche, Feilen, Zangen, eine kleine Säge und mehrere flache Metallbleche befanden sich in genau passenden Steckfächern, die verräterische Geräusche verhindern sollten. Vorsichtig strich er über die Innenseite der Rolle und überprüfte so deren Inhalt, er brauchte nicht zu sehen, wo sich seine Werkzeuge befanden, alleine sein Tastsinn war ausreichend für die Überprüfung.
Zufrieden lächelte er, als er sich nun weiter im Raum umsah. Seine Augen begannen sich bereits an das schwache Licht zu gewöhnen, welches durch das Loch im Dach hereinfiel, scheinbar waren die Wolken wieder weiter geweht worden. Regale und große Kisten nahmen beinahe den ganzen Raum des Dachbodens ein und Malcom konnte nur mit Mühe ein leises Seufzen unterdrücken. Die Suche hier oben würde schon einige Zeit dauern, wenn er dann noch in den Keller musste, würde er es heute nicht Nacht gewiss nicht schaffen, den Talisman zu finden. Doch wenn er nicht endlich anfing, würde es noch länger dauern und so erhob sich der junge Mann vom Boden und begann die Regale zu durchforsten. Sehr zu seinem Glück hatte er schnell das System verstanden, welches der Ablage zu Grunde lag. Es dauerte zwar immer noch lange, nach dem Läuten der Glocken, waren es mindestens zwei Stunden, die er hier verbracht hatte, aber schließlich war er mit den Regalen fertig geworden und konnte sich endlich daran machen, die Kisten zu durchsuchen. Wieder lief ihm Schweiß über das Gesicht, aber dieses Mal war Anstrengung und nicht Aufregung die Ursache. Da er bereits so viel Zeit mit der erfolglosen Durchsuchung der Regale vergeudet hatte, hatte er sich nun entschlossen, die Kiste einfach aufzubrechen, statt die Schlösser mühselig mit seinen anderen Werkzeugen zu öffnen. Gerade als er bei der vierten Kiste angelang war und sich daran machte das Scharnier aus dem Holz zu hebeln, hörte er am anderen Ende des Dachbodens das Geräusch von schweren Stiefeln. Sofort drückte er sich zwischen die Kisten und verhielt sich so still wie möglich, denn die Schritte begannen sich nun zu nähern. Malcom hielt den Atem an, als ihm nun sein Fehler bewusst wurde. Das Loch im Dach würde der Wächter garantiert nicht übersehen und so würde seine Anwesenheit verraten werden. Er musste sich nun schnell etwas einfallen lassen, bevor es zu spät war, doch seine Möglichkeiten waren begrenzt. Schon griff er an seinen Stiefelschaft und zog die schmale Klinge seines Dolches hervor, als ihm sein Glück dann doch noch half.
„Verdammte Ratten. Elendes Viehzeug. Na wartet, jetzt reicht es mir. Ich hol das Gift.“
fluchte der Wächter aufgebracht, eine Ratte musste wohl durch sein Blickfeld gehuscht sein und so die Aufmerksamkeit von seiner eigentlichen Aufgabe abgelenkt haben. Die Worte waren noch nicht richtig verklungen, als sich die Schritte der schweren Stiefel bereits wieder entfernten und Malcom wieder alleine mit den Ratten auf dem Dachboden zurückgelassen wurde.
Erleichtert stieß Malcom den angehaltenen Atem aus, er hatte nicht einmal gemerkt, dass er die Luft angehalten hatte. Er hatte noch eine Chance bekommen und diese würde er jetzt nutzen, um seinen Fehler wieder zu korrigieren. Gewandt schwang er sich an den Balken des Daches zum Loch nach oben, schnell waren einige Schindeln notdürftig über das Loch gelegt und der letzte Spalt mit einem dunklen Tuch verdeckt. Die Tarnung würde des Tages niemanden lagen täuschen, aber jetzt und hier war sie auf jeden Fall besser als nichts. Dem jungen Mann war klar, dass er sich nun noch mehr beeilen und den Dachboden so schnell wie möglich verlassen musste, wenn er nicht doch noch hier entdeckt werden wollte. So machte er sich nun mit großer Eile daran, die nächste Kiste aufzubrechen, allerdings fand er auch hier nicht den gesuchten Talisman, sondern nur alte von Motten zerfressene Kleidungsstücke. Beinahe hätte er enttäuscht den Deckel der Kiste zugeschlagen, doch im letzten Moment bremste er seine Bewegung und schloss sie wieder lautlos.
Eigentlich hatte er noch fünf weitere Kisten vor sich, aber dafür würde die Zeit nicht mehr reichen und das letzte, was er wollte, war sich von dem Wächter hier erwischen zu lassen. Geschickt rollte er seine Werkzeugrolle wieder zusammen und schwang diese wieder auf seinen Rücken. Und gerade noch rechtzeitig, denn er konnte wieder die gedämpften Schritte des Wächters holen und ein leises melodisches Pfeifen. Beinahe geräuschlos schwang sich Malcom auf einen der Stützbalken und betrachtete nun von oben, wie der Wächter seine Bahn durch den Dachboden zog. In der linken Hand hielt der Wächter eine kleine Laterne, während sich in seiner rechten Hand ein kleiner Leinensack befand, aus dem er immer wieder einen kleinen Brocken Speck hervorholte und diesen in die dunklen Ecken des Raumes warf. Dabei pfiff er immer noch zufrieden sein kleines Liedchen, ohne Malcom zu bemerken, welcher an einer Stelle des Rundganges direkt über dem Wächter auf dem Balken kauerte. Dabei hatte der junge Mann den Dolch bereits wieder fest in der Hand, falls der Wächter durch bloßen Zufall nach oben sehen sollte, aber da der Wächter weiter friedlich pfeifend seines Weges ging, blieb ihm diese blutige Tat erspart.
Als der Wächter nun endlich wieder verschwunden war, steckte Malcom den Dolch wieder in den Schaft seines Stiefels zurück, packte den Balken fest mit beiden Händen und schwang sich so wieder auf festeren Untergrund. Das Beste würde es sein, dem Wächter auf seinem Rundgang zu folgen, vielleicht wurde er ja so in den Keller geführt und dann konnte er ja weitersehen. Und so begann der junge Mann dem Schein der Wächterlaterne hinterher zu schleichen, immer darauf bedacht keine Geräusche zu verursachen, was nicht unbedingt leicht bei den knarzenden Dielen des alten Gebäudes war. Den Weg durch die Ausstellungsräume kannte Malcom zwar schon, aber wenigsten erfuhr er auf diese Weise nun auch, wo sich der Ruheraum der Wachen befand. Im Moment war tatsächlich nur ein Wächter auf seiner Runde durch das Gebäude und das Glück verließ den Einbrecher nicht. Während er nun dem Wächter auf seinem Weg durch das Gebäude folgte, fragte sich der junge Mann erneut, warum die Menschen so ein Verlangen danach verspürten, sich die Relikte aus vergangenen Tagen anzusehen. Die wenigsten der Besucher waren alt genug, um sich auch nur entfernt an die Zeiten der ausgestellten Stücke erinnern zu können und das die glorreichen Taten längst verrotteter Helden auf sie abfärbten, konnten sie ja nicht allen Ernstes erwarten. Bei seinem Meister konnte er die Bindung zur Vergangenheit nachvollziehen, immerhin war dieser damals schon über den Boden der Welt gewandelt und so musste der Besuch eines geschichtlichen Museums, wie eine Reise durch die eigenen Erinnerungen sein. Aber bei normalen Menschen war es für ihn einfach unverständlich, einen Besuch in dem Museum der technischen Akademie, wo die Entwicklung mechanischer Geräte dargestellt wurde, konnte er noch nachvollziehen, aber ein Ort wie dieses Museum war nicht in seiner Gedankenwelt unterzubringen.
Doch diese Gedanken verdrängte er schnell wieder, da er sich weiterhin darauf konzentrieren musste, dem Wachmann unbemerkt zu folgen. Als sie dann endlich durch die zahllosen Reihen von Rüstungen, Gewändern und Waffen geschritten waren und den Keller erreicht hatten, atmete Malcom erleichtert auf. Den Weg kannte er nun und es sollte für ihn nun ein leichtes sein, sich an diesem Ort umzusehen und im Anschluss einen Weg nach draußen zu finden. Und als er sah, dass die verschiedenen Türen eine deutliche Beschriftung, in Form von Pergamentseiten, trugen, konnte er spüren wie sein Herz in freudiger Erwartung schneller zu schlagen begann. Kerzen verbreiteten ihren goldenen Schein im Hauptgang des Kellers und geschickt nutzte er die zwischen den Flammen lauernden Schatten, um dem Wächter zu folgen, bis dieser den Keller durch einen zweiten Aufgang wieder verließ. Erst dann gestatte er es sich etwas von seiner Anspannung abfallen zu lassen und die Beschriftungen der Räume durchzugehen. Das Ordnungssystem hier im Keller ergänzte sich mit demjenigen des Dachbodens, wo scheinbar nur Kleidungsstücke und Rüstungen gelagert worden waren, während sich hier die wirklich wertvollen Stücke des Museums befanden. Die Beschriftung an der Tür eines Raumes, ließ Malcoms Herz erneut zitternd schlagen.
Schmuckgegenstände unbekannter Herkunft wurden in diesem Raum aufbewahrt, kaum hatte er dies gelesen, da machte er sich schon daran das schwere Schloss der Tür zu öffnen. Der junge Mann kniete sich vor die Tür, breitete sein Werkzeug neben sich aus und begann den Verriegelungsmechanismus zu untersuchen. Nach einigen Minuten hatte er sich für verschiedene Werkzeuge entschieden und begann nun mit der Manipulation des Schlosses. Leise klickende Laute hallten durch die Stille des Kellerganges, allerdings zu leise, um gehört zu werden, wenn man nicht vollkommen still stand. Auch wenn er nicht wusste, wann die nächste Runde des Wächters erfolgen würde, trieb sich der junge Einbrecher nicht zu unnötiger Hast an, denn er wusste Hast und Eile vertrugen sich nicht mit seiner Tätigkeit. Er musste so ruhig wie möglich arbeiten, ansonsten würden seine Anstrengungen fruchtlos bleiben. Endlich schaffte er es mit Hilfe der schmalen, dreieckigen Metallbleche den Riegel des Schlosses anzuheben und mit einem leisen Klicken öffnete sich der Mechanismus. Nun war es an der Zeit sich zu eilen, schnell zog der Malcom die Tür auf und huschte mit seinem Werkzeug ins Innere des Raumes, bevor er die Tür wieder hinter sich ins Schloss zog. Lieber war er eingesperrt in diesem Raum, als die Türe offen stehen zu lassen und so die Wachen auf sich aufmerksam zu machen. Absolute Finsternis hüllte ihn nun ein, doch nicht für lange, da er eine Kerze aus einem Beutel an seiner Seite zog und mit dem geschickten Einsatz einer Zunderbüchse und einem Holzspan entzündete.
Flackernd tauchte die Kerze den Raum in ihr gelbliches Licht, welches von unzähligen Schmuckgegenständen reflektiert wurde. Die Augen des jungen Mannes weiteten sich vor Überraschung als er all diesen, in seinen Augen, verschwendeten Reichtum zu sehen bekam. Rubine, Diamanten, Smaragde, Gold und Silber, all dies lag funkelnd nun vor ihm, aufgereiht in Regalen und auf Werktischen, wo es wahrscheinlich gesäubert und für die Ausstellung vorbereitet wurde. Es war einfach unglaublich, wie seltsam die Menschen sein konnten, manchen bedeutete Geld offensichtlich gar nichts. Verzaubert vom Anblick des Geschmeides gestatte er es sich kurz durch den Raum zu gehen und seine Hände über verschieden Stücke gleiten zu lassen. Wenn er nur einige Stücke mitnahm, konnte er für Jahre sorglos leben und müsste sich doch nie wieder Sorgen um Geld machen. Dieser Gedanke führte ihn wieder zu seinem Meister und bedächtig zog er seine Hand zurück. Lächerlich worüber er sich Gedanken machte, wenn ihn sein Meister belohnte, würde er sich nie wieder Gedanken über Geld machen müssen, also konnte er sich die eitle Träumerei sparen und einfach seine Mission erfüllen. So begann er mit seiner Durchsuchung des Raumes, während seine Kerze kleine Wachstropfen auf dem kalten Steinboden hinterließ. Nach einer Stunde wollte er nun erschöpft eine Pause einlegen, als plötzlich ein dunkles Funkeln seinen Blick anzog. Verborgen unter einer gewaltigen Halskette aus massivem Gold, konnte der junge Mann eine Hälfte eines Armbandes hervor blitzen sehen. Es war genauso wie es sein Meister beschrieben hatte, Runen waren in das Gold des Talismans geschnitten und schwarzer, glatter Stein war in das Material eingefasst worden. Vorsichtig zog Malcom das Armband unter dem Halsschmuck hervor und betrachtete es genauer im Schein der Kerze. Ja, auch in den glatt polierten schwarzen Stein, waren die Ornamente eingeritzt und er konnte sein Herz schneller schlagen spüren, als ihn die Erkenntnis durchzuckte. Er hatte tatsächlich geschafft, was seinem Meister verwehrt geblieben war. Seine Hände begannen leicht zu zittern und er verstaute das Armband in einem Lederbeutel an seiner Seite, nur langsam wollten sich seine Nerven wieder beruhigen. Doch als seine Hände endlich aufhörten zu zittern, packte er sein Werkzeug zusammen, öffnete den Riegel der Kellertür und zog die Kellertür leicht auf.
Kein Geräusch war vom Kellergang aus zu hören und mit klopfendem Herzen schob sich der junge Mann durch den Türspalt hinaus auf den Gang, wobei er die Tür wieder hinter sich zu zog. Er machte sich nicht die Mühe die Tür wieder zu verschließen, mochten die Menschen doch denken, was sie wollten. Welcher Gegenstand vermisst wurde, würden sie so schnell nicht herausbekommen und bis dahin war er schon lange kein Mensch mehr, dachte er bei sich und schlich durch die Inseln aus Schatten wieder aus dem Keller. Den Weg nach oben auf den Dachboden hatte er sich genau einprägen können und so erreichte er diesen auch schnell wieder, ohne von den Wächtern bemerkt zu werden. Auch wenn sein Herz ihn zu Eile trieb, wurde der Einbrecher nicht unvorsichtig, schließlich musste er den Talisman auch bei seinem Herrn abliefern, sonst war die Belohnung nur ein Traum. Auf dem Dachboden angekommen, war er schnell wieder im Gebälk und machte sich daran seinen Durchgang wieder zu öffnen. Von draußen drang wieder das fahle, grünliche Licht des Mondes in den Dachboden ein, bevor sich der junge Mann wieder auf das Dach zog. Für den Abstieg wählte er nun wieder die Route, die ihn schon auf das Dach geführt hatte, dabei kümmerte er sich nicht um das Loch im Dach. Sollten die Wächter ruhig merken, dass sie übertölpelt worden waren und ihre Herren würden sicher die Peitsche dafür schwingen. Lächelnd kletterte er nun am Gebäude hinab und war schon nach wenigen weiteren Augenblicken in den Schatten der Gassen verschwunden. Nur der Mond war Zeuge dieses Einbruchs geworden.
Zufrieden lächelnd und schwer atmend erreichte Malcom schließlich den neuen Unterschlupf seines Meisters. Niemand war ihm hierher gefolgt und es war gut gewesen, den Unterschlupf zu wechseln, während sein Meister das Haus des Barons von Bingen in Brand gesteckt hatte. Immer noch kursierten Geschichten über den Vorfall in der Stadt, arm und reich beteiligten sich gleichermaßen an den Gerüchten, obwohl es immerhin schon einige Tage her war. Doch dies würde ihn schon bald gar nicht mehr kümmern, er hatte seine Aufgabe erfüllt und sein Meister würde zufrieden mit ihm sein. Allerdings fragte er sich inzwischen auch, was dieser mit den drei Gegenständen vorhatte. Sie mussten sehr wichtig sein, da sie bisher kaum Mühen gescheut hatten die Talismane in die Hände zu bekommen. Vielleicht würde ihn sein Herr heute Nacht ja auch einweihen, dachte er sich zufrieden lächelnd, während er durch das finstere Haus ging. Alle Heimlichkeit war von ihm abgefallen und er bewegte sich mit den sicheren Schritten eines erfolgreichen Mannes. Nach kurzer Suche fand er schließlich seinen Meister im Garten des Hauses vor, von hohen Wänden den Nachbarn verborgen, wie er mit einem wolfsähnlichen Geschöpf zu spielen schien. Verwesungsgeruch stieg dem jungen Mann in die Nase und er musste kurz den Atem anhalten, als er den verfaulenden Leichnam des Wolfes erkannte. Scheinbar hatte sein Meister Langeweile verspürt, da er diese Dienerkreatur erweckt hatte und nun mit dieser, wie mit einem Hund, spielte. Langsam und bedächtig näherte er sich, Angst durfte er keine zeigen, da er nicht die Instinkte des untoten Tieres wecken wollte.
„Ah, da bist du ja wieder Malcom. Du hast dir Zeit gelassen, die Nacht ist beinahe schon vergangen. Hast du, was ich dir zu holen aufgetragen habe?“
Ohne sich nach ihm umzublicken, hatte sein Herr gesprochen, aber dies war nichts besonders für Malcom. Der Vampir hatte scharfe Sinne und kein anderer Mensch hatte Zugang zu diesem Haus. Ein Einbrecher hätte seinen Fehler inzwischen schon bitter gebüßt. Er ging noch einige Schritte näher und ließ sich auf ein Knie herab, beugte ehrerbietig den Kopf, während er den Beutel von seinem Gürtel löste.
„Ja, mein Herr. Ich habe den gesuchten Gegenstand:“
Seine Erwiderung fiel kurz und knapp aus, doch die freudige Erwartung in seiner Stimme war nicht zu überhören. Mit einer Geste seiner Hände schickte sein Meister den untoten Wolf in eine Ecke des Gartens und wandte sich dann zu Malcom um. Im fahlen Mondlicht sah der Vampir noch unheimlicher aus als sonst. Seine Augen schienen gierige Funken zu schlagen, als er sich dem jungen Mann näherte und seine bleiche Haut wirkte noch bleicher als im Schein von Kerzen und Fackeln. Mit gesenktem Kopf hob der Diener den Beutel seinem Herrn entgegen und versuchte seinen Herzschlag zu beruhigen.
Absolut lautlos schritt der Untote über das Gras des Garten, seine Schritte schienen das Gras kaum zu knicken, und blieb dann vor dem knienden Mann stehen. Langsam und beinahe zögerlich nahm er den Beutel aus den Händen seines Dieners und öffnete die Verschnürung des ledernen Behältnisses. Kaum öffnete sich der Beutel, da drang auch schon ein schwaches Leuchten aus dessen Inneren. Zufrieden schüttelte der Vampir den Gegenstand aus dem Beutel auf seine ausgestreckte Hand und betrachtete ihn im Schein der Monde. Absolute Stille senkte sich nun über den Garten, einzig der Atem des Dieners war noch zu hören, der immer noch vor seinem Meister kniete.
„Das hast du gut gemacht, Malcom. Ich bin zufrieden mit dir.“
Leise flüsternd durchbrachen die Worte die Stille des Ortes und das Herz des Angesprochenen machte einen kleinen Satz. Diese Worte hatte er zu hören gehofft und sein Traum würde sich nun endlich erfüllen. Ohne es zu merken, leckte er sich über die Lippen und sog gierig die Luft ein, die er bald nicht mehr benötigen würde.
„Wirklich zufrieden. Du kannst deine Belohnung sicher kaum noch erwarten?“
fuhr der Untote mit seinen Worten fort, beugte sich nach vorne, um Malcom an seiner Schulter zu greifen und langsam auf die Füße zu ziehen. Die Blicke des Mannes und des Ungeheuers trafen sich und ein Lächeln erschien auf den Lippen des jungen Dieners, als er nur zu nicken wagte. Das Licht des Mondes rahmte den Kopf seines Meisters ein und er konnte nur das Lächeln erkennen, weil sich die langen Fänge von Rest des Gesichtes abhoben. Wie immer verspürte er einen kurzen Stich der Furcht als er auf diese Weise einmal mehr das wahre Wesen seines Herrn zu sehen bekam, aber dies war nun egal. In drei Nächten würde er selbst zu einem solchen Wesen geworden sein und dann würden sie sich die Nacht gemeinsam unterwerfen.
Plötzlich schoss die Hand des Vampirs nach vorne und umfasste Malcoms Hals. Mit unglaublicher Kraft wurde der Mann nach oben gehoben und für einen Moment vergaß er jegliche Gegenwehr. Sein ganzer Körper erstarrte im Schock, als er nun bemerkte, dass irgendetwas nicht richtig verlief. Unmenschliche Augen starrten ihn von unten aus dem Gesicht seines Meisters an und verzweifelt schlug er mit seinen Armen um sich. Doch es war als würde er gegen eine Statue schlagen, seine verzweifelten Schläge ließen den Vampir nicht einmal wanken.
„Leider weißt du zu viel, kleiner Malcom. Und meine Macht teile ich mit niemandem, nicht einmal mit einem so guten Diener. Du hättest nur versucht mich zu betrügen, wie es immer geschieht.“
Diese Worte fraßen sich in den Kopf des jungen Dieners, seine Augen weiteten sich in Unglauben und alle seine Muskeln erschlafften, so dass sich der Schritt seiner Hose dunkel färbte. Mit aller Macht wehrte er sich gegen den Griff des untoten Wesens, doch schon begann er zu spüren, wie ihm die Sinne schwanden. Der Griff raubte ihm die Luft zum Atmen und strampelnd trat er um sich, doch der Erfolg blieb aus. Sein Blick begann sich zu trüben und schwarze Schatten erschienen am Rande seines Gesichtsfeldes, als plötzlich scharfer Schmerz seine Brust durchzuckte. Feuer schien in seiner Brust zu brennen und er blickte an sich herab, nur um zu sehen, dass die andere Hand des Meister in seinem Brustkorb steckte und sich nun mit einem nassen Reißen wieder zurückzog. Mit offenem Mund sah er den Klumpen blutigen Fleisches in der Hand des Vampirs und einen Moment bevor ihn die Schwärze umfing, erkannte er sein eigenes noch zuckendes Herz.
Achtlos ließ Simon den Körper des Mannes auf den Boden fallen, ebenso wie das Herz des Menschen, bevor er sich das Blut von den Fingern seiner linken Hand leckte. Mit einem leisen Pfiff rief er den untoten Wolf herbei, welcher sofort begann, sich an der noch warmen Leiche gütlich zu tun. Es war Verschwendung, aber den Blutkuss würde er nicht weitergeben und sobald er die Talismane zum Triskelon vereint hatte, war ein Mitwisser nur gefährlicher Ballast. So war es besser gewesen und er hatte ihn schnell sterben lassen, dies war die wahre Gnade der Vampire. Langsam strich er über den nun blutigen Talisman und spürte, wie er sich mit seinen Gegenstücken verbinden wollte. Kalt lächelnd ging er in Richtung des Hauses zurück, schon bald würde er die Macht haben, die er so sehr begehrte. Dann würde ihn niemand mehr aufhalten können und auch keinen Tagesdiener mehr benötigen. Mit ruhigen Schritten ging er zurück in Richtung des Gebäudes, während hinter im das untote Wesen mit reißenden, schmatzenden Lauten von der Leiche fraß. Sein Blick wanderte kurz nach oben zum Mond, der seit Jahrhunderten der einzige Lichtspender in seinem Unleben gewesen war. Bald würde sich dies ändern und er konnte es kaum noch erwarten. Doch in dieser Nacht musste er sich noch in Geduld fassen, die Zeit für das letzte Ritual war noch nicht gekommen. Und mit diesen Gedanken verschwand Simon im Haus und ließ das fressende Wesen im Licht der Monde zurück, die als einzige Zeugen die Ereignisse beobachtet hatten.
Wolken bedeckten den mondlosen Himmel und tauchten so die Stadt in beinahe undurchdringliche Finsternis. Durch die Dunkelheit vor den Augen unbeteiligter Beobachter verborgen, kreisten Fledermäuse mit lautlosen Schlägen ihrer ledernen Schwingen um das Dach eines alten Hauses, für Menschen unhörbare Schreie kündeten von ihrer Aufregung. Die feinen Sinne der Tiere nahmen Veränderungen in ihrer Umgebung wesentlich schneller und besser wahr, als es den Menschen in ihrer Beschränkung der Sinne möglich war und diese scharfen Sinne hatten den unhörbaren Ruf eines mächtigen Wesens wahrgenommen, welches unbewusst seine Macht ausgreifen ließ. Verborgen in den Mauern des Hauses, blieb die Aufregung der Tiere dem Urheber des Aufruhrs verborgen, gerade eben hatte er die Vorbereitungen abgeschlossen, welche für die endgültige Bindung des Triskelon nötig sein würden.
Der Vampir hatte sich nach intensiven Studien von Varuns verfluchtem Buch für diese Nacht entschieden, die Vorzeichen waren günstig und seine Macht konnte sich jetzt vollkommen entfalten. Dies war besonders wichtig, da er nicht nur vorhatte, dass Triskelon neu zu verbinden und so den magischen Schutz wiederherzustellen, zusätzlich wollte Simon es noch mit seinem eigenen Wesen verbinden, damit niemand außer ihm die Macht des Talismans nutzen konnte. Die Anweisungen Varuns waren bei diesem Vorhaben sehr nützlich gewesen, so dass er eigentlich dem kleinen Nachwuchsnekromanten danken müsste, ihm ein solches Geschenk gemacht zu haben. Simons Blick wanderte über das Gewölbe und betrachtete mit einem zufriedenen Lächeln seine Vorbereitungen für das anstehende Ritual. Darauf bedacht keinen Fehler zu machen, hatte er mehrere Stunden für seine Vorbereitungen gebraucht, angefangen beim Zeichnen des Pentagramms, welches er in den Boden des Raumes geritzt hatte, bis hin zu den Kerzen, deren flackerndes Licht den Raum erhellte. Der Geruch von betäubenden Kräutern durchzog die stickige Luft des Gewölbes, doch dies störte den Vampir keineswegs, diese waren auch mehr für die beiden Opfer gedacht, die sich in der Mitte des Raumes befanden.
Er hatte einen jungen Mann und eine junge Frau gewählt, ein Pärchen, welches sich einfach den falschen Platz für ein Stelldichein ausgesucht hatte. Nun hingen die beiden Menschen, an Armen und Beinen gefesselt, mit Eisenketten gehalten von der Decke des Raumes. Vollständig entkleidet, hingen sie nicht nur einfach mit dem Kopf nach unten von der Decke, sondern waren von Simon auch so zusammengebunden worden, so dass sie den Herzschlag des jeweils anderen an ihrer Brust spüren konnten. Beide waren wirklich hübsch anzusehen, besonders bei der Frau bedauerte er es, sie nicht noch kosten zu können. Aber die Lebenskraft seiner Opfer durfte nicht beeinträchtig sein und schon ein kleiner Schluck konnte seine ganzen Bemühungen zunichte machen, darauf wollte er es nun wirklich nicht ankommen lassen. Immerhin gab es noch mehr geeignete Frauen in der Stadt und wenn er jetzt geduldig blieb, konnte er sich schon sehr bald alles nehmen, was er wollte und noch mehr.
Tief sog Simon den Geruch des Kellers ein, der Adrenalingeruch der beiden Menschen war berauschend und viel interessanter wurde es dadurch, dass der Mann ungewollt erregt war und gegen seine Partnerin gepresst wurde. Allerdings war dies nur eine kleine, bizarre Beigabe und würde nichts an seinen Vorhaben ändern. Langsam ging er nun in die Mitte des Raumes zu dem Steinblock, der sich unter den beiden Menschen befand. Alle drei Teile des Triskelons waren auf dem Stein in einem Dreieck angeordnet, drei in den Stein geritzte Rinnen teilten die Oberfläche und in der Mitte befand sich eine kleine Auffangmulde, sowohl Rinnen als auch Mulde würden bald ihren Zweck erfüllen. Als Simon nun seine beiden Gefangenen erreichte, konnte er deutlich wahrnehmen, wie sich der Puls der beiden beschleunigte. Beinahe zärtlich strich er über die beiden Leiber, als wolle er sie beruhigen und feine, rote Linien entstanden dabei durch die Berührung mit seinen scharfen Nägeln. Ein letztes Mal tätschelte er die beiden leicht auf ihre Schenkel, bevor er nun seine Augen schloss und sich ganz auf die Winde der Magie konzentrierte. Deutlich konnte er die verschiedenen magischen Ströme fühlen, von denen er nur einen einzigen benötigen würde und griff mit seinem Geist nach dem schwarzen Strom der Magie. Seine Lippen formten leise Worte, deren Klang beiden Menschen Schauer über den Körper laufen ließ, und der magische Wind begann auf die alten Formeln zu reagieren, erst langsam und dann immer schneller begann sich die Macht zu konzentrieren. Simons Stimme wurde lauter als ein unnatürlicher Wind im Gewölbe zu wehen begann und den Rauch der brennenden Kräuter verwirbelte.
Seltsame Muster formten sich im Rauch, während immer mehr der dunklen Macht in den Raum zu strömen begann. Blutiger Schweiß trat nun auf die Stirn des Vampirs, da es ihm immer mehr Mühe kostete die magische Energie im Zaum zu halten und für das Ritual zu binden. Seine Stimme hob sich zu einem lauten Schreien an und gerade als der Moment gekommen war, als er die Macht nicht mehr länger im Zaum halten konnte, griff er an seine Seite und zog mit einer flüssigen Bewegung sein Schwert. Ein roher, hellgrüner Schein leuchtete an der Schneide der Klinge auf, als Simon sie aus ihrer Scheide zog und dabei immer lauter und schneller die Formeln der Macht zu skandieren begann. Als sein Skandieren den Höhepunkt erreichte, schnellte die Klinge nach vorne und beschrieb einen grün leuchtenden Bogen auf Höhe der Hälse seiner Opfer. Für einen Moment schien nichts geschehen zu sein, doch dann öffnete sich der feine Schnitt an der Seite ihrer Hälse und das Blut begann zu fließen. Der metallische Geruch des Blutes begann den Raum zu erfüllen, als die ersten Tropfen des Lebenssaftes auf den Opferstein fielen und sich in der kleinen Kuhle sammelten. Doch aus diesen Tropfen wurde schnell ein stetiger Strom, der im sterbenden Herzschlag der beiden Menschen pulsierte und bereits nach wenigen Augenblicken die Kuhle gefüllt hatte. Das überschüssige Blut begann sofort durch die Rinnen abzulaufen und tropfte von dort auf den Boden, wo es sich langsam in den Linien des Pentagramms verteilte. Mit dem ersten auf den Altar gefallenen Tropfen Blut hatte sich der unnatürliche Wind innerhalb des Gewölbes gelegt, die magische Energie folgte nun der Spur des menschlichen Lebenssaftes und sammelte sich so in den Linien, des sorgfältig in den Boden geritzten, Pentagramms.
Auf dem Weg des Blutes füllte sich, im Rhythmus der sterbenden Herzen pulsierend, das Zeichen und genau in dem Moment, als die beiden Herzen nicht mehr länger schlugen, schloss sich die letzte Lücke des Pentagramms. Energie wallte auf und erfüllte den Raum für einen Moment mit undurchdringlicher Dunkelheit, einzig die schwarzgrün glühenden Linien des Zeichens waren in der Finsternis zu erkennen, bevor sich der Fluss des magischen Windes endgültig stabilisierte und die Finsternis dem schwachen Leuchten der Kerzen und des Schutzzeichens wich. Simon hatte beim letzten Aufwallen der Energie einen gewaltigen Schlag der Macht verspürt, da er sie durch seinen Körper in das Ritualzeichen lenkten musste, und war beinahe ins Taumeln geraten, doch mit eiserner Willenskraft hatte er sich auf den Füßen gehalten. Langsam wandte sich der Vampir nun den drei Stücken des Triskelons zu und betrachtete die leuchtenden Stücke des Talismans, die nun nur noch erneut an einander gebunden werden mussten, damit sie ihre Macht entfalten konnten. Er streckte seine Arme aus und richtete seine Handflächen auf die Oberfläche des Opfersteines.
„Es werde eins, was geteilt wurde. Macht erwache aus dem tiefen Schlummer der Jahre und erfülle die Welt erneut. Bei Namarals Macht rufe ich die alten Mächte an, bindet neu, was einst geteilt…“
Simons Stimme erfüllte das Gewölbe und wenn auch die Worte nicht unbedingt einfallsreich waren, so zählten doch Wille und Absicht nicht der Wortlaut. Die, im Pentagramm gefangene, Energie begann sich auf den Opferstein zu konzentrieren, das verbliebene Blut begann zu verdampfen, als sich Bänder aus schwarzer Energie um die Einzelteile des Triskelons legten. Für einen Moment erhoben sich Ring, Armband und Amulett von dem Stein und begann sich in einer Sphäre aus dunklen Fäden zu drehen, ihr Leuchten nahm immer mehr zu, wechselte von hellem grün zu einer dumpfen Rotton. Ein starker Blitz aus rotem Licht flutete einen Herzschlag lang den Raum und blendete Simons Augen, doch unbeirrt lenkte er weiter die Energie auf den Stein und das Triskelon. Als er wieder etwas sehen konnte, lagen die drei Stück wieder auf dem Stein, doch das die Stücke umgebende Leuchten war immer noch rot und der Vampir konnte die feinen roten Fäden aus magischer Energie erkennen, welche nun die Stücke verbanden. Zufrieden ließ er nun seine Arme sinken und drängte die magische Kraft zurück in das Pentagramm. Den ersten Teil des Rituals hatte er erfolgreich hinter sich gebracht, das Triskelon war erneut verbunden worden und seine Kräfte konnten nun von ihm genutzt werden. Aber er musste es immer noch an sich binden, damit niemand anderes die Chance bekommen sollte den Talisman zu gebrauchen.
Beinahe ehrfürchtig streckte er seine Hände nach den Teilen des Talismans aus, den Ring streifte er sich über den Ringfinger der rechten Hand, das Armband legte er um sein linkes Handgelenk und das Amulett hängte er sich um den Hals. Sofort spürte er wie die Kraft des Talismans seine Aura durchströmte und durch seine Glieder fuhr. So mächtig hatte er sich nicht einmal auf dem Höhepunkt des Ritualzaubers gefühlt, als er die Macht des magischen Kreises durch seinen Körper gelenkt hatte. Diese neue Macht hatte beinahe etwas lebendiges, wie sie einem Herzschlag gleich durch seinen untoten Körper zu pulsieren begann. Aber er wollte mehr, niemand außer ihm sollte über diese Macht gebieten. Und so breitete Simon seine Arme zu den Seiten aus, die Energien des Pentagramms lenkte er nun auf sich selbst. Diese gebündelten Kräfte trafen den Vampir mit der Wucht eines Hammerschlages und er musste sich am Opferstein festhalten, um nicht auf den Boden zu fallen. Wie schwarze Seidenfäden begannen ihn die Ströme der Magie zu durchdringen und nicht nur ihn, sondern auch das Triskelon. Immer stärker umgaben und durchdrangen ihn die Kräfte des schwarzmagischen Windes und seine Sinne begannen zu schwinden, während er wieder Worte der Macht murmelte, um eine Verbindung mit dem Talisman einzugehen. Nur mit Mühe konnte er sich noch auf den Beinen halten und als das letzte Wort verklang hätten der Zauber beendet sein und die Ströme der Magie unterbrochen werden sollen.
Doch statt einer Unterbrechung des Stroms konnte er spüren, wie die Macht noch stärker durch seinen Körper floss und ihn auf die Knie zwang. Etwas stimmte nicht, er konnte den Zufluss der Kraft nicht aufhalten, immer mehr Macht strömte in ihn und er konnte spüren, wie diese Macht vom Triskelon aufgesaugt zu werden schien, allerdings ohne ihn vor den Auswirkungen zu schützten. Obwohl er sich genau an die Anweisungen Varuns zur Bindung des Talismans gehalten hatte, war etwas unglaublich schief gegangen.
„Ha, mein kleiner Freund. Varun hat keinen Fehler gemacht, sondern du. Du hast einer alten Legende Glauben geschenkt, ohne dir Gedanken darüber zu machen, woher eine solche Macht kommen könnte.“
Wie klirrendes Eis bohrte sich eine fremde Stimme in Simons Kopf, der Tonfall drückte Belustigung und Häme aus. Was bei allen Dämonen der höllischen Ebenen war das, fragte sich der Vampir, während er spürte, wie aus seinem Mund Blut auf den Boden tropfte und dort verdampfte.
„Dämon trifft es sehr gut, kleiner Narr. Wie glaubst du denn, dass ein Magier sonst gewaltige Kräfte in einem Talisman binden könnte, die weit über das hinausgehen, was allen anderen Wesen eurer Sphäre, sterblich oder untot, möglich ist? Magie entsteht nicht einfach so, dies müsste selbst ein Idiot wie du wissen.“
Wieder bohrten sich die Worte in das Gehirn des Untoten und er hatte keine Möglichkeit sich gegen diese Art der Konversation zu verschließen. Zorn begann ihn zu erfüllen und er versuchte seine Kraft gegen den Eindringling in seinem Geist zu richten, doch vergeblich. Das Pentagramm hätte jede Wesenheit abgehalten in den Raum einzudringen, doch er hatte übersehen, dass sich in dem Talisman selbst, etwas verstecken könnte. Und dieser Macht war er nun schutzlos ausgeliefert, da er den Talisman bereits angelegt hatte.
„Gräme dich nicht. Immerhin bist du nicht der erste, der auf eine solch grandiose Falle hereinfällt und du wirst auch nicht der letzte sein. Dein Körper wird mir gute Dienste leisten, da ich meine Macht nicht verschwenden muss, um in deiner Sphäre weiter zu existieren. Und dank dir werde ich im Namen meines Herren viele Seelen sammeln können. Glivermoghed ist dein Untergang und ich danke dir für dein selbstloses Opfer.“
Mit diesen Worten begann der Dämon von Simons Körper die Kontrolle zu übernehmen und der Vampir spürte, wie sein Geist immer weiter zurückgedrängt wurde. Schwärze begann ihn zu umgeben, so nahe war er dem Tod seit dem Blutkuss, der ihn verwandelt hatte, nicht mehr gewesen. All sein Zorn half ihm nicht weiter und auch nicht das Begreifen, dass er in eine Falle getappt war, welche von diesem Dämon wohl schon vor tausend Jahren aufgestellt worden war. Welche Kräfte das Triskelon auch gehabt haben mochte, es gab sie nur, weil der Magier einen Dämon in die Stücke gebunden hatte und dieser musste die Legende um den Talisman gesponnen haben, in dem er die Träger der einzelnen Stücke beeinflusst hatte. In seiner Gier nach der absoluten Macht über den Gegenstand hatte Simons Versuch den Talisman an sich zu binden, für die Befreiung des Dämons gesorgt. Und nun musste er spüren, wie die in den höllischen Sphären geborene Wesenheit seinen Geist langsam Stück für Stück verdrängte, um den Körper des Vampirs als neue Heimstatt für sein Wesen zu erringen.
Gerade als sich die Finsternis des Todes um den Geist Simons schließen wollte, reagierte die uralte Magie seines Körpers auf den Eindringling. Schwarzgrünes Feuer loderte um den Körper des Vampirs auf und die Stücke des Triskelons wurden in einem Aufwallen der Magie vom Körper des Untoten gerissen und in den Raum geschleudert. Durch diese plötzliche Befreiung von dem fremden Einfluss überrascht sank der Körper Simons auf den Boden, wo er für einige Momente keuchend liegen blieb. Dies war wirklich knapp gewesen, offenbar hatte der Dämon die uralte Magie unterschätzt, die den Vampiren ihre Macht verlieh. Mit schmerzenden Gliedern und immer noch etwas Blut hustend kam er wieder auf die Füße und erstarrte als er das Triskelon erblickte. Die drei Teile des Talismans schwebten frei im Raum und nährten sich von der Macht des Kreises, den der Dämon nun vollständig übernommen hatte.
„Verdammter Untoter. Wenn du glaubst gewonnen zu haben, dann irrst du dich. Wenn ich deinen Körper schon nicht übernehmen kann, dann werde ich wenigstens dafür sorgen, dass du deine letzten Sekunden in dieser Welt bereuen wirst.“
Dieses Mal erklangen die Worte des Dämons nicht nur hinter der Stirn des Vampirs, sondern auch in der normalen Welt. Eiseskälte ging von dem Talisman aus und das Blut in den Rinnen des Pentagramms begann zu gefrieren, als die dämonische Wesenheit die Winde der Magie für seine eigenen Zwecke anzapfte. Das rote Glühen nahm immer mehr zu, so dass Simon seine Augen zusammenkneifen musste, doch er konnte erkennen wie sich langsam ein riesiger Körper zu formen begann. Die Proportionen waren verschoben, weder menschlich noch tierisch zu nennen und die Gestalt befand sich in einem ständigen Fluss der Veränderung, einzig der Kopf einer Echse auf den Schulter der dämonischen Gestalt behielt seine Gestalt bei. Funkelnd betrachteten die Reptilienaugen den Vampir, während sich der Körper aus der reinen Magie formte.
Simons Gedanken begann sich zu überschlagen, denn er hatte keinen Fluchtweg, da der Dämon den Kreis unter seiner Kontrolle hatte und ebenso hatte er keine Waffe, mit der er dem Höllenwesen wirklichen Schaden zu fügen konnte. Einzig magische Waffen verletzten diese Kreaturen zuverlässig und er hatte keine solche Waffe in seinem Besitz und selbst wenn, dann hätte er sie nicht mit zu dem Ritual genommen, um es nicht zu stören. Mit schnellen Schritten wollte er von dem entstehenden Körper zurückweichen, der inzwischen bereits feste Konturen gewonnen hatte, auch wenn sich die Gestalt immer noch einem Fluss der Veränderung befand. Doch er hatte die Schnelligkeit des Dämons unterschätzt, den kaum hatte Simon seinen ersten Schritt gemacht, schnellte schon eine der langen Gliedmasen nach vorn, mehr Tentakel als ein richtiger Arm, und traf den Vampir mit unglaublicher Kraft an der Brust. Simons Körper wurde vom Boden gehoben und nach hinten geschleudert, deutlich hatte er das Knirschen seine brechenden Rippen gespürt. Noch bevor er sich wieder fangen konnte, traf er mit dem Rücken gegen die unsichtbare Barriere des magischen Kreises und ein Stoß der reinen Energie drang durch seinen Körper und schleuderte ihn wieder nach vorne auf die Knie.
Keuchend und mit schwellender Kleidung rang er dort um die Kontrolle über seinen Körper, doch der Dämon dachte nicht daran ihn zu Atem kommen zu lassen. Ein vogelartiger Fuß schoss von der Seite auf Simon zu, traf ihn am Bauch und schleuderte ihn so gegen die Decke des Kellergewölbes. In eine Wolke aus Staub gehüllt, fiel der Vampir krachend auf den Boden und rollte sich mühsam auf den Rücken. Und gerade noch rechtzeitig gelang es ihm noch seine Arme gegen den Fuß des Dämons zu stemmen, der versuchte seinen Kopf zu zertreten. Fingerlange Vogelkrallen deuteten auf den geschundenen Körper des Vampirs und Simon spürte, dass der Dämon nur mit ihm spielte. Denn obwohl er seine ganze Kraft einsetzte, um den vernichtenden Tritt des Dämons aufzuhalten, konnte er deutlich spüren, dass der Dämon nicht seine ganze Kraft einsetzte. Dieser verstärkte nun langsam und unerbittlich den Druck auf Simons Arme und drückte seinen Fuß immer weiter auf den Vampir hinunter, bis eine seine Zehenkrallen nur noch Zentimeter vom Gesicht des Vampirs entfernt war.
„Na, wie fühlt es sich an, wenn man selbst der Unterlegene ist und nicht länger an der Spitze der Nahrungskette steht, mein kleiner Befreier? Du bist nichts und ich werde deinen Körper und die kümmerlichen Reste deiner sogenannten Seele verspeisen. Und du kannst nichts tun, um mich aufzuhalten.“
Trotz des Echsenkopfes, der sich nun nach unten beugte, konnte der Untote jedes Wort des Dämons deutlich verstehen und auch die Wahrheit hinter den Worten erkennen. Er lebte nur noch weil der Dämon lieber mit ihm spielte und ihn quälte, aber dagegen unternehmen konnte er nichts. Deutlich konnte er das hämische Funkeln in den geschlitzten Reptilienaugen sehen, als der Fuß sich wieder etwas senkte, so dass die Kralle nun genau über seinem rechten Auge verharrte, wenige Millimeter vor dem Organ. Und dies obwohl er sich mit aller Kraft gegen den Fuß des Wesens stemmte, doch es war einfach zu stark für ihn. Seine Gedanken rasten und suchten noch nach einer Möglichkeit sich von der Kreatur zu befreien, als ein kleiner Ruck des Fußes dafür sorgte, dass die Kralle in sein Auge eindrang und es ihm aus der Augenhöhle riss. Simon brüllte vor Schmerz auf und schaffte es den Fuß kurz zur Seite zu drücken und sich von der Kreatur wegzurollen. Doch bevor er wieder auf die Füße kam, wurde er von einem weiteren Schlag getroffen und gegen den Opferstein geschleudert. Krachend zerbarst der Stein durch den Aufprall und die einzelnen Splitter flogen durch den Raum, einige sogar gegen die unsichtbare Barriere, wo sie mit einem hellen Aufblitzten vernichtet wurden. Halbblind gelang es nun Simon wieder auf die Füße zukommen, nur um von einer klauenartigen Hand des Dämons wieder auf den Boden geschleudert zu werden. Einem Schatten gleich ragte das dämonische Wesen über dem verstümmelten Vampir auf und lachte laut auf.
„Du bist wirklich keine Herausforderung, weder geistig noch sonst. Es ist wirklich ein Wunder, dass du solange überlebt hast, Blutsauger. Und jetzt werde ich beenden, was ich angefangen habe.“
Die eisige Stimme des Dämons bohrte sich in Simons Ohren und schon spürte er den Griff der klauenartigen Hand an seinem Hals und wie er nach oben gezogen wurde. In seiner Verzweiflung griffen seine Hände nach dem nächstbesten Gegenstand, der ihm zwischen die Finger kam, als er so nach oben gehoben wurde. Direkt vor dem Vogelkopf hing er nun in der Luft und die lange Zunge des Wesens leckte über die leere Augenhöhle Simons, aus der Blut und andere Flüssigkeiten sickerten. In einem letzten Aufbäumen schlug er nach dem Kopf des Dämons, der sich keinerlei Mühe gab dem Schlag auszuweichen. Während die linke Hand des Untoten wirkungslos gegen das Schuppenkleid schlug, erreichte seine andere Hand mehr. Er hatte einen kleinen, scharfen Steinrest des Opfersteins in der Hand gehalten, der nun mit der ganzen Kraft des Vampirs gegen den Kopf des Dämons krachte. Unter gewöhnlichen Umständen wäre auch dieser Angriff wirkungslos geblieben, als versuche man mit einem Kiesel einen Felsblock zu zertrümmern, doch das vorangegangene Ritual hatte den Stein mit magischer Energie angefüllt. Und diese magische Energie reichte nun aus, um der Höllenkreatur eine Verletzung beizubringen. Krachend schlug der Stein auf Augenhöhe gegen den Kopf und mit einer scharfen Kante in das Auge des Dämons, welches mit erstaunlicher Leichtigkeit durchstoßen wurde. Mit einem lauten Kreischen wurde Simon durch die Luft geschleudert, als das Dämonenwesen ihn von sich schleuderte.
Unsanft landete der Vampir auf dem Boden, schaffte es aber dieses Mal mit einer Rückwärtsrolle auf die Füße zu kommen. Offenbar war das Wesen keinen Schmerz gewohnt und die lange Gefangenschaft hatte es nicht unbedingt auf eine körperliche Konfrontation vorbereitet. Immer noch wand sich die widernatürliche Kreatur vor Schmerzen, da der Stein immer noch in dessen Augenhöhle steckte. Ein grimmiges Lächeln erschien nun auf den Lippen des Vampirs, ausgleichende Gerechtigkeit gab es doch, doch nun musste er so schnell handeln, wie er es bisher noch nie getan hatte. Er hatte Glück gehabt und nun musste er alles daran setzten, dass Wesen zu bannen, bevor es sich wieder erholte. Sein Mund formte ein Wort der Macht und schon schleuderte er seinen Zauber gegen den Dämon, grünschwarze Strahlen rasten auf das Mischwesen zu und wanden sich um die Gliedmaßen des Wesens. Die Laute des Schmerzes gingen in ein Wutgeheul über, als der Chaosdämon erkannte, was der Vampir vorhatte und seine eigenen magischen Fähigkeiten gegen den Zauber einsetzte.
Doch der Vampir dachte nicht daran sich seine letzte Chance nehmen zu lassen und griff nun mit seinen eigenen Kräften nach der Energie des Pentagramms, nun da die Kontrolle des Dämons nachgelassen hatte. Wieder flossen die Winde der Magie durch den Körper des Untoten und er konnte spüren, wie sein Körper mit langsamem Verfall auf den Raubbau mit den magischen Energien reagierte. Doch alle Schäden konnte er heilen, wenn er nur Zeit dazu bekam und diese musste er sich nun erkaufen, egal was es kosteten mochte. Er wich einige Schritte zurück, so dass seine linke Hand die unsichtbare Barriere des Schutzkreises berührte, sofort schoss die Energie durch seinen Körper und wollte ihn davon schleudern. Doch der Vampir lenkte die Energieentladung gegen den Dämon, in einem schwarzglühenden Strahl traf der Schlag den Dämon und schleuderte ihn nach hinten, gegen die Barriere. Da die magischen Kräfte des Dämons durch den Bindezauber des Vampirs eingeschränkt wurden, konnte er es seinem untoten Kontrahenten nicht gleichtun und die Kraft der Barriere gegen seinen Feind lenken.
Mit einer unglaublichen Willensanstrengung hielt der Vampir seine Zauber aufrecht, auch wenn er bereits spürte, wie sein Leib zu altern begann und er dabei auf die Knie sinken musste. Aber auch das Höllenwesen litt unter den anbrandenden Kräften, besonders da der Körper aus reiner Magie geformt worden war. Stück für Stück verging der Körper des Dämons und löste sich in Nebel auf, bis schließlich die Stücke des Triskelons klirrend zu Boden fielen. Mit einer letzten Geste löste Simon den Zauber der Barriere, bevor sein Verstand sich ausschaltete und er hilflos auf den Boden des Kellergewölbes sank.
Stunden später kam der Untote wieder zu sich, er war schwächer als er gefürchtet hatte und konnte kaum ein Glied bewegen, doch er hatte sein „Leben“ bewahren können. Unendlich langsam drehte er sich auf den Rücken und schloss sein verbliebenes Auge. Er war ein Narr gewesen, ein einfältiger Narr. Alles hatte er auf eine Karte gesetzt und er hatte verloren. Seinen Diener hatte er selbst getötet und das Ritual hatte bestimmt die Aufmerksamkeit der meisten Magier in Arnulfsheim auf sich gezogen und ohne den Schutz des Triskelons würde er im Kampf keine Chance haben. Erst recht nicht in seinem jetzigen Zustand.
Und so lag Simon auf dem Boden des Kellergewölbes, umgeben von Blut und zerbrochenen Steinstücken und plötzlich entrang sich ein Lachen seiner Kehle. Erst leise, nur ein Glucksen, um dann immer lauter zu werden, bis es den ganzen Raum zu füllen schien. Er war schon so gut wie tot, aber er hatte sich schon seit Ewigkeiten nicht mehr so lebendig gefühlt, wie in diesem Moment, die Erkenntnis war einfach zu köstlich, um nicht darüber zu lachen. Immer noch lachend rappelte er sich auf die Füße und taumelte aus dem Gewölbe, ohne einen weiteren Blick an die drei Talismane zu verschwenden, die unschuldig funkelnd auf dem Boden lagen. Sollte sich jemand anders mit diesen Dingen herumschlagen, er musste nun zu sehen, dass er schnellst möglich das Gebäude verließ und so weit wie möglich weg war, bevor Hexenjäger und Magier hier auftauchten. Stolpernd und taumelnd schaffte er es schließlich die Treppe nach oben, nur um zu hören, wie jemand vor der Tür des Hauses mit lautem Schlagen Einlass forderte. Simon ersparte sich eine Antwort und taumelte weiter zur Speisekammer, wo er sich einen ledernen Trinkschlauch griff und hastig zu trinken begann. Er hatte den Schlauch kaum zur Hälfte geleert als er schon das Splittern der Haustür und die Schritte schwerer Stiefel hörte.
Die Zeit des Untoten begann abzulaufen und so ließ er den Schlauch einfach fallen und rannte aus der Küche die Treppe nach oben in Richtung des Dachgeschosses. Hinter sich konnte er die schweren Stiefel von Soldaten und die gemurmelten Gebete eines Donarpriesters hören, die nun nach und nach in das Haus eindrangen. Wahrscheinlich war auch ein Magier anwesend und mit einer solchen Zahl von Gegnern würde er nicht fertig werden. Flucht blieb die einzige Lösung für den Vampir, doch dies störte ihn nicht, denn für den Moment konnte er wieder fühlen, wie es sein musste lebendig zu sein. Über die Folgen der heutigen Nacht konnte er sich Gedanken machen, wenn er entkommen war. An diesem Gedanken festhaltend riss er eines der Fenster des Dachbodens auf und blickte nach draußen in die Wolken verhangene Nacht. Die Dunkelheit hüllte die Stadt ein und nur vereinzelte Lichter ließen Wärme und Sicherheit erahnen. Simon konzentrierte sich für einen Moment und spürte wie sich sein Körper zu verändern begann, der Stoff an Armen und Rücken zerriss, als aus seinen Armen große fledermausartige Schwingen wurden und sich auch der Rest seiner Gestalt dem tierhaften Kern seines Wesens näherte.
„Halt, in Donars Namen, du Ungeheuer!“
ertönte ein Schrei hinter der tierhaften Gestalt des Vampirs, doch er reagierte nicht auf die Aufforderung, sondern sprang einfach aus dem Fenster, um sich nach kurzem Fall in die Luft zu erheben. Sirrend durchbohrten Pfeile hinter ihm die Luft, ohne ihm auch nur nahe zu kommen. Kurz lachte er auf, bevor er schnell an Höhe gewann und schon bald den Bereich der Stadt hinter sich gelassen hatte.
Seine Pläne waren zerstört worden und er würde nun auf sehr unbequeme Weise nach Düsterland zurückkehren müssen, aber er hatte überlebt und gelernt. Dies konnte ihm keiner mehr nehmen und vielleicht war es wirklich an der Zeit der Heimat einen Besuch abzustatten. Alte Rechnungen mussten beglichen werden und jetzt schien die richtige Zeit zu sein, dachte Simon bei sich als er sich einige Kilometer von der Stadt entfernt in den Boden wühlte, um sich für den Tag eine behelfsmäßige Zuflucht zu schaffen. Kaum hatte sich der Vampir vollständig in den Boden gewühlt, als er das Nahen des Sonnenaufgangs zu spüren begann und wie dieser ihn in den todesähnlichen Schlaf seiner Art zu zwingen begann.
Weitere Nächte würden kommen und er würde sie zu nutzen wissen.
LadyLy Spätestens jetzt, - wären alle Zweifel verflogen, ich wünschte bloß diese auch Euch nehmen zu können. Wie ich es Euch schon sagte, es wirkt, als habet Ihr mich bei meinen Gedankenspielereien belauscht, als hättet Ihr von meinem Geist gekostet, ihm Farbe und Leben verliehen. Eine berauschende Geschichte. |
Chimera Re: Wunderbar... - Zitat: (Original von NeueDimension am 19.08.2011 - 08:24 Uhr) ...erzählte Geschichte. Ein echtes Highlight! Liebe Grüße Danke schön für die freundlichen Worte. Inzwischen sind auch alle Kapitel enthalten, falls Interesse besteht, das Ende der Geschichte zu erfahren. Gruß Chimera |
NeueDimension Wunderbar... - ...erzählte Geschichte. Ein echtes Highlight! Liebe Grüße |