Beschreibung
Diese Geschichte ist schon einige Zeit alt, es war meine erste, eigene Geschichte, sie ist von 2003, ich habe sie von der Wortwahl und Grammatik ein wenig überarbeitet. Ich hoffe, sie gefällt euch.
Cover: http://view.stern.de/de/picture/1446509/Natur-Blumen-Kinder-Wald-Kind-Gelb-Wiese-510x510.jpg
Scylla Jeruscha
Even in Death
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Im Tod vereint
Scylla rannte. So schnell sie konnte. Ihr Atem ging stoßweise. Sie konnte nicht mehr. Sie wollte nicht mehr. Es war jede verdammte Nacht das selbe. Am frühen Abend nach hause, ihre Oma würde sie wieder anbrüllen, würde ihr vorwerfen, ein schreckliches Mädchen zu sein, ungezogen und frech. Und Scylla würde wiedereinmal nichts verstehen. Sie war doch erst sechs Jahre alt und so klein. Sie verstand das alles noch nicht. Sie machte nichts, war immer artig, gab keine Widerworte, aber trotzdem war es jeden Abend das selbe, die Schreie, die Schläge, ab und zu mit dem Kochlöffel oder einem Pantoffel und dann in die Kammer. Ohne Licht, ohne Sitz, in der Dunkelheit, zwischen den Spinnen. Es war so eng... und es wurde noch enger, wenn sie hörte, wie ihre Oma die Wohnung verließ. Dann kam immer einer der Beiden und bestrafte sie erneut.
"Heute nicht", der Gedanke war deutlich in ihrem Kopf zu hören. "Heute werde ich mich nicht wieder schlagen und anschreien lassen. Nein, heute nicht. Nie mehr. Und auch nie wieder in die Kammer. Ohne mich." Sie stand an der Ampel, die Straßenbahn fuhr an ihr vorbei. Chorweiler stand auf dem Schild. Sie rannte über die Straße, es war ihr egal, ob ein Auto kam oder nicht. Sie wollte nur zu dieser Bahn, einsteigen und weit weg fahren. Ja, in Chorweiler würde sie niemand vermuten. Dann fiel es ihr wieder ein. "Jana", sie wohnte in Fühlingen, an der Neusser Landstraße.
Dann sah sie ihn, er saß in einem dunkelgrauen PKW, er sagte seinem Freund, dass er sie gesehen hatte, sie bogen in eine Parkniesche ein. Scylla sah sich panisch um, wieso sie panisch wurde, dass wusste sie nicht. Aber sie würde wieder Zeit verlieren und das wollte sie verhindern.
Sie rannte zur Haltestelle, die Bahn stand zu ihrer Erleichterung bereits da, nur ob sie diese noch erwischte, dass wusste sie nicht.
Doch das Glück schien auf ihrer Seite zu sein, eine ältere Dame hielt ihr die Türe auf und Scylla stieg schnaufend und um Luft ringend ein. Sie war noch nie so schnell gelaufen, fast so, als würde es um ihr Leben gehen. "Danke sehr..." Scylla lehnte sich an das Plastik und Metallgestell und rang nach Atem. Ihr Herz schlug viel schneller als normal, was jedoch mehr an der Tatsache lag, dass die Beiden sie gefunden hatten und nicht daran, dass sie gelaufe war, als gäbe es keinen Morgen mehr.
Tränen sammelten sich in ihren Augen, die Angst stand ihr nun ins Gesicht geschrieben. Sie konnte nicht mehr, die ersten, dicken Tränen liefen über ihr Gesicht und fielen auf ihr T-Shirt, zogen ein und drangen auf ihre Haut.
"Was hast du den Kindchen?" Sie reagierte nicht. "Kann man dir helfen, Kleines?"
Scylla schluchzte nur ein undeutliches "Nein" und setzte sich dann auf einen der harten Plastiksitze, die Beine angewinkelt und auf die Sitzfläche gestellt, den Kopf auf die Beine gelegt, so fuhr sie in den Tunnel ein und stieg aus, sobald sie an der Haltestelle Chorweiler ankam, dort ging sie so schnell es ihr möglich war zur Bushaltestelle, sie wollte nicht auffallen.
Sie hoffte, nein, sie betete, dass die Beiden nicht wussten, wo sie hin wollte. Wenn sie vor ihr ankamen, dann war sie dem Tode nahe. Scylla fragte eine Frau, welche mit ihrer Tochter an der Haltestelle stand, welcher Bus den nach Fühlingen fahren würde, ihre Mama würde dort warten. Bereitwillig erklärte die Frau, sie würde die Kleine mitnehmen, sie würde auch nach Fühlingen fahren. Das kleine Mädchen war insgeheim sehr froh, dass diese Frau ihr den Vorschlag gemacht hatte und nickte dankbar.
Nach fünf Minuten schaukelte der Bus dann auch schon herbei und blieb ratternd und brummend an der Bushaltestelle stehen. Sie stieg mit der Frau und deren Tochter ein und setzte sich an einen der Fensterplätze. Sie fuhren noch nicht viele Stationen, da sagte die Frau bereits, dass sie an der übernächsten Station raus müsse, dass dann Fühlingen käme. Sie fuhren um eine Kurve, da sah Scylla den Wagen. Das Herz sank ihr in die Hose. Die beiden Männer gingen gerade an der alten Villa vorbei und zwar genau in die Richtung, in die der Bus fuhr. Scylla beschloss, hier auszusteigen und in die andere Richtung zu rennen, weg von den Beiden und weg vom Haus.
Als der Bus zum halten kam, sprang sie aus dem Wagen und rannte los, in der Hoffnung, die Bäume würden sie verstecken. Nach einer weile hörte sie Schritte hinter sich, sie war also
vorhin doch entdeckt wurden. Scylla rannte, so schnell sie ihre kleinen Füsschen trugen, hindurch zwischen Bäumen und Laub, zwischen Brennnesseln und Himbeersträuchern. Ihre Beine waren zerkratzt und blutig, doch es war ihr egal. Sie lief, so schnell sie konnte, als würde es um ihr Leben gehen.
Nach einer Weile schaute sie beim laufen über ihre Schulter, versuchte, ihre Verfolger zu erblicken, doch sie entdeckte niemanden. Sie rannte weiter, verzweifelt, sie wusste, dass die Beiden sie gleich wieder aufgeholt hatten und ihre einzige Chance zu entkommen, bestand darin, ein geeignetes Versteck zu finden. Sie lief immer weiter, nicht mehr wissend, wo sie nun war und wie der Bereich vor ihr aussah. Sie rannte, stolperte und rutschte einen Hang hinab, in eisig kaltes Wasser. Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Sie konnte doch nicht schwimmen.
Sie fühlte, wie sich das Wasser in ihre Lungen vorkämpfte, wie es sich in ihnen ausbreitete. Sie spürte die Kälte, die sich in und um sie herum ausbreitete. Wo waren ihre Verfolger? Hatte sie sie wirklich abgehangen?
Wenn ja, dann war für sie eins klar, der "Herr im Himmel", den ihre Großmutter anbetete, der hatte einen miesen Sinn für Humor.
Vor ihren Augen wurde es schwarz, dann sah sie sie. Ein junges Mädchen, nur unwesentlich älter als sie selbst, in einem langen, weißen Kleid. Ihr blondes Haar war zu einem Zopf gebunden und hing ihr nach vorne über die Schulter. Sie lächelte, als sie Scylla die Hand reichte und sie mit sich nahm. Es war ihre Freundin Jana, Scylla hatte nicht gewusst, dass Jana und ihr Vater vor wenigen Tagen bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren.
Noch an diesem Abend ging Scyllas Großmutter noch zur Polizei und gab eine Vermisstenanzeige auf. Doch das Mädchen wurde nie gefunden und ihr Gesicht auf einem Foto kam mit der Vermisstenanzeige zu den vielen anderen, vermissten Kindern, die man nie mehr finden sollte.