Fantasy & Horror
Verhängnis

0
"Verhängnis"
Veröffentlicht am 03. August 2011, 28 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Rainer Güllich, Jahrgang 1954, lebt in Marburg/Hessen. Als begeisterter Leser schon ewig von dem Wunsch getrieben selbst zu schreiben, nahm er an einem Kurzkrimiwettbewerb teil, der im Rahmen des 1. Marburger Krimifestivals stattfand. Er kam auf einen der vorderen Plätze und sein Kurzkrimi ?Hass? wurde in der regionalen Presse veröffentlicht. Dadurch motiviert belegte er seinen ersten Schreibkurs in kreativem Schreiben. Weitere schlossen sich an ...
Verhängnis

Verhängnis

Verhängnis

Die Spitzen der Tannen wiegten sich
im Wind. Am nachtschwarzen Himmel strahlte der Mond in fahlem Licht. Zwischen
den Bäumen huschten dunkle Schatten durch die Nacht. Sie bewegten sich im
gleichmäßigen Rhythmus. Wenn das Mondlicht auf einen der Schatten fiel, blitzte
graues, struppiges Fell auf und war im nächsten Moment wieder im Dunkel
verschwunden.

Wölfe!

Hecheln war zu hören, ab und zu ein
befehlendes Knurren. Der Leitwolf gab die Richtung an. Zielstrebig durchquerte
die Meute den Wald.

Nach einiger Zeit wurde der Baumwuchs
lichter, der Wald öffnete sich. Unterhalb eines kleinen Hügels lag im Mondlicht
ein kleines Gehöft. Die Meute machte halt. Das Leittier, ein großer Wolf mit
einem hellen Streifen im grauen Fell, gab einen bellenden Ton von sich, die
Meute schwärmte aus und lief in breiter Front auf das Gehöft zu.

 

Magnus blies die Kerze aus und
schlüpfte unter die Decke. Das grob gezimmerte Bett stand in der hintersten
Ecke des niedrigen Raumes. Seine Frau seufzte, drehte sich und wendete ihm den
Rücken zu.

Marie ging immer früher zu Bett als
ihr Mann. Er blieb noch einige Zeit am Tisch, der in der Mitte des Raumes
stand, sitzen und flocht im trüben Licht zweier Unschlittkerzen Körbe aus
Weidenzweigen. Ein Zubrot, denn seine Arbeit als Schafbauer brachte nicht genug
zum Lebensunterhalt ein. Doch auch mit dem Korbverkauf konnten sich seine Frau
und er gerade so am Leben halten.

Bevor er begonnen hatte an dem
angefangenen Weidenkorb zu arbeiten, hatte er die Schafe in der Schutzhütte,
die aus rohen Brettern gearbeitet war, untergebracht. Die Tiere des Nachts im
Pferch zu lassen, war zu gefährlich. Dazu gab es zu viele Raubtiere im
angrenzenden Wald.

Er schloss die Augen, versuchte an
nichts zu denken und wartete auf den Schlaf. Doch der wollte nicht kommen. Die
Unruhe, die er in sich spürte, hatte ihn schon den ganzen Tag begleitet. Er
wusste aber nicht zu sagen, woher sie kam.

 Er schreckte auf. Ein Geräusch hatte
ihn geweckt. Er war also doch eingeschlafen. Doch was war das für ein Geräusch
gewesen? Ein Kratzen und Jaulen. Die Hütte! Die Schafe!

Magnus stürzte aus dem Bett. Seine
Frau erwachte. „Was ist los? Schlaftrunken rieb sie sich die Augen.

„Die Schafe! Ich glaube, es sind Wölfe
draußen!“ Magnus schrie es fast.

Er packte die an der Tür lehnende Axt
und stürmte hinaus.

Tatsächlich! Drei, fünf … nein sechs
Wölfe umstanden die Schutzhütte, einer, der größte, kratzte mit seinen Krallen
an der Tür. Die Schafe blökten ängstlich.

 Links … rechts, zwei Schläge mit der
Axt. Zwei Wölfe flogen zur Seite. Dem nächsten Wolf, der auf ihn zustürzte,
einem räudigen Tier mit nur einem Auge, hieb er die Axt mit aller Wucht in den
Schädel.

Als er versuchte die Axt aus dem Kopf
des tödlich getroffenen Tieres herauszuziehen, spürte er einen stechenden
Schmerz in seiner linken Wade und ein Reißen. Etwas Warmes rann ihm das Bein
herunter. Der Wolf, der sich eben noch an der Tür befunden hatte, hatte ihn
gebissen. Er sah einen weißen Streifen im Fell der Bestie.

Er achtete nicht darauf, die Waffe
wurde frei und er schlug mit ihr auf den nächsten Wolf ein. Er traf ihn nur mit
der flachen Seite der Axt, doch es genügte, um das Tier zum Flüchten zu
bringen. Auch die übrigen Wölfe suchten das Weite.

Magnus stöhnte und ließ sich zu Boden
sinken. Jetzt spürte er den Schmerz in seiner Wade.

„Was ist? Ich komme!“ Marie kam auf
Magnus zugelaufen.

Er krempelte sich das Hosenbein hoch
und betrachtete sich seine Verletzung. Eine tiefe Wunde. Der Knochen schien
jedoch nicht verletzt. Blut lief ihm das Bein hinunter.

Marie schaute entsetzt auf die
Verletzung. „Warte, ich hole etwas zum Verbinden.“

Sie verschwand.

Magnus zog sich an dem breiten
Türriegel aus Holz hoch und humpelte Marie entgegen.

Sie hatte aus einer Schranklade ein
Tuch gerissen, wollte gerade zur Tür hinaus als Magnus in den Wohnraum trat. Er
trat an das Regal, das rechts von der Eingangstür stand, nahm die Flasche
selbstgebrannten Korn herunter. Er kippte etwas von der klaren Flüssigkeit auf
den tiefen Riss in seinem Bein.

„So“, sagte er, „jetzt kannst du mich
verbinden.“

Marie band das Tuch fest um Magnus
Unterschenkel. Der Blutstrom ließ sich stoppen.

„Nochmal Glück gehabt. Den Schafen ist
nichts passiert. Meine Verletzung ist nicht wirklich schlimm. Was sind das doch
für feige Bestien!“ Magnus nahm einen tiefen Schluck aus der Schnapsflasche und
seufzte erleichtert.

 

Am nächsten Tag war die Wunde
erstaunlicherweise schon recht gut verheilt. Magnus konnte seiner gewohnten
Arbeit nachgehen. Er hatte ein großes Verlangen nach Flüssigkeit und trank sehr
viel. Ab und zu spürte er ein merkwürdiges Ziehen in seinem Körper, das aber
schnell wieder verging.

Nachts wachte er auf. Das Ziehen in
seinen Muskeln hatte sich verstärkt. Ein brennender Durst quälte ihn. Er erhob
sich leise von seiner Lagerstatt. Marie sollte ihren wohlverdienten Schlaf
genießen können. Er verließ die Hütte, nahm den Krug Wasser mit nach draußen.
Er leerte ihn auf einen Zug. Der Durst wollte nicht weichen.

Es war auch eigentlich nicht der
Durst der ihn quälte … da war etwas anderes. Es war … er wollte Blut. Er gierte
nach Blut. Er war nicht erstaunt darüber. Es kam ihm ganz natürlich vor.

Da … wieder dieses Ziehen. Sehr stark
sogar. So stark, dass es schmerzte. Sein Körper zog sich zusammen. Er wurde
regelrecht auf die Knie gezwungen. So hockte er dann auf Händen und Füßen. Vor
sich sah er seine Hände. Haare wuchsen darauf. Seine Finger klumpten sich zu
hundeartigen Pfoten zusammen, schwarze Klauen wuchsen daraus hervor. Er spürte
wie seine Nase schrumpfte, die Kiefer sich verlängerten und sich eine
wolfsähnliche Schnauze bildete. Die Gier nach Blut wurde unsagbar quälend. Sie
musste gestillt werden.

Er hob seinen Kopf gegen den
Nachthimmel und stieß einen heulenden Ton aus. Wie ein Wolf. Er war ein Wolf!

Mit langen Sätzen stürmte er den
Hügel hoch in den Wald hinein. Er war auf Jagd! Wie selbstverständlich lief
zwischen den dicht stehenden Bäumen des Waldes dahin. Als hätte er nie etwas
anderes getan. Das geringe Mondlicht reichte aus, um seine Umgebung gut
erkennen zu können. Plötzlich zog im ein Geruch in die Nase. Er blieb ruckartig
stehen. Wild!

Langsam und vorsichtig schlich er in
die Richtung aus der er die Witterung aufgenommen hatte. Da waren sie: Drei
Rehe auf einer kleinen Waldlichtung.

Vier schnelle Sprünge … er hatte das
zu ihm zuerst stehende Reh fest am Nacken gepackt. Die anderen Rehe flohen in
weiten Sprüngen davon. Er biss zu. Ein Knacken war zu hören. Blut lief ihm ins
Maul. Die warme, metallisch schmeckende Flüssigkeit lief ihm die Kehle
hinunter. Dann fraß er das warme, noch zuckende Muskelfleisch, bis seine Blut-
und Fleischesgier gestillt war.

In gemächlichen Trab machte er sich
auf den Rückweg.

 

Als Magnus am nächsten Morgen
erwachte, wusste er im ersten Moment nicht wo er sich befand. Es fiel ihm
schwer sich zu orientieren.

Doch plötzlich kam die Erinnerung an
die letzte Nacht.

„Um Gottes Willen“, dachte er. Er war
zum Wolf geworden. Zum Werwolf. Sicher hatte er von diesem Mythos schon gehört.
Schon seine Großmutter hatte ihm als Kind davon erzählt. So recht daran
geglaubt hatte er bisher nicht. Jetzt hatte er die Gewissheit, dass nicht alles
was die Alten erzählten, nur Aberglaube war.

Was sollte er nur tun? Den
Erzählungen nach würde er sich nun jede Nacht in einen Wolf verwandeln, der mit
einer unsäglichen Blutgier behaftet war. Er würde seine Opfer auch unter
Menschen suchen.

Wer würde sein erstes Opfer sein?
Marie? Sie lebte mit ihm unter einem Dach.

Er musste Marie warnen. Sie musste
ihn verlassen. Oder er konnte sich in die Wälder zurückziehen und ein einsames
Leben führen. Doch musste er tagsüber ein Leben als Mensch und nachts als Tier
führen. Eine grausige Vorstellung.

Er konnte aber auch seinem Leben ein
Ende setzen. Was blieb ihm denn noch anderes? Alles andere war doch
unmenschlich und grausam.

Er erhob sich aus dem Bett und weckte
Marie.

Er klärte seine Frau über seinen
Zustand auf.

Sie glaubte ihm nicht. „Was erzählst
du denn da? Warum willst du mich denn mit so einer Geschichte zum schaudern
bringen? Das ist eine Geschichte für alte Frauen und kleine Kinder. Mir kannst
du so etwas nicht erzählen.

„Ich wollte es wäre nur eine
Horrorgeschichte. Aber es ist die Wahrheit. Glaube mir. Es gibt keinen Grund
für mich, dir Angst zu machen.“

Die Furcht, die in seinen Augen
stand, überzeugte sie. Sie war entsetzt.

Doch sie versuchte die Ruhe zu
bewahren. „Wir müssen einen kühlen Kopf behalten und in Ruhe überlegen was zu
tun ist.“

„Was können wir schon tun? Mir bleibt
nichts anderes als mir das Leben zu nehmen.“ „Du hast wohl den Verstand
verloren! Nein, nein. Es wird nicht aufgegeben! Du bist jetzt noch wegen deines
Zustandes verwirrt und voller Angst. Am besten suchen wir Silvanus, den Magier
auf. Er wird uns vielleicht einen Rat geben können. Er kennt sich doch in alten
Mythen aus. Vielleicht gibt es ja doch Hilfe. Gib bitte nicht auf.“

„Gut, du hast Recht. Lass uns gleich
losgehen. Der Weg ist weit.“

Silvanus, der Magier, wohnte etliche
Meilen entfernt. Er lebte in einer Hütte am Rand eines undurchdringlichen
Urwalds, dessen Inneres noch kein Mensch betreten hatte.

 

Kurz nach Mittag, als die Sonne hoch
am Himmel stand, erreichte das Ehepaar die Wohnstatt des Magiers. Er saß auf
einer Bank und ließ sich von den Sonnenstrahlen bescheinen. Er trug, trotz der
Hitze, seinen langen Mantel. Ohne diesen hatte man ihn noch nie gesehen hatte.
Ein spitzer Hut krönte seinen Kopf, darunter lugte weißes Haar hervor. Er
richtete seine braunen Augen auf die beiden Ankömmlinge.

„Holla, der Schäfer mit seiner Frau!
Was führt euch zu mir?“ Er rieb sich mit der Hand über seine große, fleischige
Nase.

„Wir brauchen eure Hilfe, großer
Meister.“ Magnus hatte den Zauberer erreicht und verbeugte sich vor ihm. Er gab
Marie einen Wink, dasselbe zu tun.

Die kniete sich nieder.

„Nein, nein! Nicht doch!“ Silvanus war
aufgesprungen und zog Marie auf ihre Füße.

„Was machst du denn da? Man kniet nur
vor Gott nieder. Nie vor einem Menschen.“ Der Zauberer schaute überrascht.

„Aber Ihr seid unsere einzige
Hoffnung. Ihr beherrscht die Magie, kennt Euch in der Schwarzen Kunst aus. Ihr
seid ein Mann mit Macht. Dem darf man ruhig huldigen.“ Marie schaute Silvanus
ins Gesicht.

„Ihr sollt mir nicht huldigen. Doch
lassen wir das. Setzt euch zu mir auf die Bank und nennt mir euer Begehren.“

Magnus und seine Frau nahmen auf der
rauen Holzbank Platz. Der Mann ließ seine Frau reden. Sie konnte besser mit
Worten umgehen als er.

Marie erzählte Silvanus von dem
Überfall der Wölfe, der Verletzung ihres Mannes, dessen Angst und Todeswunsch
und dem Entschluss ihn, Silvanus, aufzusuchen. Als Marie geendet hatte, schaute
sie den Zauberer flehend an.

„Nun denn“, erhob dieser seine Stimme.
„Ein wirklich schlimmes Ereignis. Doch bist du nicht ganz verloren.“ Er schaute
Magnus in die Augen.

„Gibt es tatsächlich noch Hilfe?“
Magnus rang die Hände.

„Ja, du musst den Wolf töten, der dir
diese Verletzung zugefügt hat und der Fluch, der auf dir lastet, wird
verschwinden. Deine Frau erzählte gerade, dass dich ein Wolf mit einem hellen
Streifen im Fell verletzt hat. Du kannst ihn also erkennen. Ein Glück für dich.
Gib Acht: Ich habe die Waffe für dich mit der du den Wolf töten kannst.“

Der Magier erhob sich von der Bank,
verschwand in seiner Hütte und kam in wenigen Augenblicken wieder heraus. Er
hielt einen mannshohen Spieß in seiner Hand, dessen Spitze hell im Licht
blitzte.

„Die Klinge des Spießes besteht aus
reinem Silber. Du musst sie dem Wolf direkt ins Herz stoßen. Er muss mit dem
ersten Stich sterben. Gelingt dir dies nicht, so bleibt der Fluch an dir
haften. Wahrscheinlich ist allerdings, dass die anderen Wölfe über dich
herfallen und dies würdest du schwerlich überleben. Tötest du ihren Anführer
mit dem ersten Stich, werden sie fliehen. Und warte nicht zu lange, den Wolf zu
töten. Mir jeder Verwandlung von dir in einen Werwolf, wird die Kraft der Wölfe
in dir stärker und du wirst immer weniger den Wunsch verspüren, erlöst zu sein.
Suche den Kampf noch heute. Morgen ist es vielleicht schon zu spät für dich.“

„Ich danke Euch, edler Magier. Ich
will alles tun was Ihr gesagt habt. Was bin ich euch schuldig?“ Magnus hatte
die Worte des Magiers förmlich in sich aufgesogen.

„Schuldig? Nichts. Du bist mir nichts
schuldig. Ich wäre ein übler Geselle, wenn ich deine Not für mich ausnutzen
würde. Nur um eines bitte ich dich. Bring mir das Herz des Wolfes. Schneide es
ihm nach seinem Tod heraus und bringe es mir unverzüglich. Ich kann es für
meine magischen Medizinen verwenden.“

„Das werde ich tun. Ich hoffe, ich
kann Euch das Herz des Wolfes noch heute Nacht bringen.“

„Ich werde auf dich warten. Doch nun
geht. Euer Weg ist weit.“

Magnus und Marie verabschiedeten sich
und machten sich eilig auf den Weg nach Hause.

 

Die Schafe befanden sich alle im
Pferch. Sie würden heute Nacht draußen bleiben. Sie waren die Köder. Zusätzlich
hatte er ein Schaf getötet und den blutigen Kadaver in die Mitte des Geheges gelegt.
Dieser Einladung nach Beute würden die Raubtiere wohl nicht widerstehen können.

Die Schafe hatten sich in einer Ecke
des Pferchs zusammengedrängt und blökten ängstlich. „Umso besser“, dachte
Magnus. Auch das Blöken würde dazu dienen die Wölfe anzulocken.

Die Dunkelheit war schon
hereingebrochen. Der auf dem Hügel liegende Wald war nur noch als schwarze
Silhouette zu erkennen. Der Mond spendete glücklicherweise genug Licht. Magnus
würde die Wölfe gut unterscheiden können. Hätte er Fackeln aufstellen müssen um
genug sehen zu können, hätten sich die Wölfe womöglich fern gehalten. Kein Tier
liebte Feuer.

Magnus sah den wolkenlosen Himmel und
das Mondlicht als gutes Zeichen an.

Er hatte sich hinter der Tür des
Schafstalles versteckt, er hatte sie offen gelassen, um schneller ins Freie zu
gelangen. Den Spieß hatte er griffbereit neben sich liegen.

Er brauchte seine Geduld nicht lange
zu strapazieren. In der Ferne war Heulen und Knurren zu hören. Sie kamen!

Magnus richtete sein Augenmerk auf
den vor ihm liegenden Hügel. Graue Schatten huschten lautlos den Hang hinunter.
Die Schafe blökten laut, liefen auseinander, um sich schnell wieder
zusammenzudrängen.

Die Wölfe sprangen über die Gatter.
Der Leitwolf mit dem hellen Streifen im Fell war der erste der sich auf den
Schafkadaver stürzte.

Mit einem Satz sprang Magnus aus
seiner Deckung, stürzte sich mit vorgerichtetem Spieß auf den Leitwolf und
stieß ihm die Waffe zielgenau seitlich in die Brust. Ein kurzes Aufheulen des
Tieres, dann brach es wie ein gefällter Baum zu Boden. Magnus hatte genau ins
Herz und damit ins Leben getroffen.

Die anderen Wölfe standen für einen
Moment wie erstarrt, dann flüchteten sie den Hügel hinauf, in das schützende
Dunkel des Waldes.

Magnus stand vor dem getöteten Wolf,
atmete schwer und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Anspannung und
Angst hatten ihm den Schweiß aus allen Poren getrieben. Er zog den Spieß aus
dem Körper des Tieres, zog ein Messer aus seinem Gürtel und begann das Tier aus
seiner Decke zu schlagen.

Marie kam aus der Hütte und trat zu
ihm.

„Lass das“, sagte sie. „Schneid dem
Wolf lieber das Herz heraus und mach Dich auf den Weg zu Silvanus. Er erwartet
dich. Dem Tier das Fell abzuziehen kann ich übernehmen. Es wird mir eine Freude
sein.“

Sie nahm ihren Mann in ihre Arme und
drückte ihn inniglich.

Er erwiderte ihre Liebesbezeigung und
machte sich dann daran, dem Raubtier das Herz herauszuschneiden. Er schlug das
blutverschmierte Herz in ein Tuch ein, das Marie ihm mitgebracht hatte und
machte sich auf den Weg zur Hütte des Zauberers.

 

Es war noch weit vor Mitternacht als
Magnus die Hütte des Magiers erreichte. Silvanus saß an einem Tisch an der
hinteren Wand seiner Wohnstatt. In der Mitte des Raumes war eine offene
Feuerstelle. Ein kleines Feuer erhellte den Raum. Der sich bildende Rauch zog
durch eine Öffnung in der Decke des Raumes ab.

Magnus ließ das Tuch mit dem sich
darin befindenden Herz schwer auf den Tisch fallen.

Silvanus erhob sich ruckartig. „Du
hast es geschafft? Du hast den Wolf erlegt? Ist es auch der Richtige?“ Der
Magier erschien sehr erregt.

„Ja, natürlich. Es ist der Richtige.
Ich konnte ihn an seinem hellen Streifen im Fell gut erkennen.“

„Du Gesegneter! Ist dir eigentlich
klar wie viel Glück du bei der ganzen Sache gehabt hast? Nun, es ist egal. Gib
mir das Herz und schau was geschieht.“

Er nahm das Bündel, wickelte das Herz
heraus, legte es in die Flammen der Feuerstelle und streute ein Pulver, das er
aus einem Beutel aus seinem Gürtel nahm, darüber. Der Magier hob beide Arme
über das Feuer und sprach einen Zauberspruch. Das Feuer schlug urplötzlich hohe
Flammen, dunkler Rauch stieg auf und hüllte das Innere der Hütte ein.

Doch der Rauch verschwand schnell
wieder. Magnus traute seinen Augen nicht: In der Mitte des Raumes stand ein
mittelgroßer, kräftiger Mann. Er war Silvanus wie aus dem Gesicht geschnitten.

Silvanus ging auf den Mann zu und
umarmte ihn.

„Mein Bruder“, sprach er mit
stockender Stimme. „Du bist erlöst. Dem Himmel sei Dank! Endlich kannst du
wieder unter uns Menschen weilen, dein Leben als Wolf ist beendet.“

Zu Magnus gewandt, sagte er: „Ich
danke dir! Wie du siehst hast du nicht nur dich selbst von einem elenden Leben
als viehische Kreatur gerettet, sondern hast auch meinen Bruder erlöst, der
schon über Jahre in der Gestalt dieses Werwolfs sein Dasein fristen musste. Er
hatte nicht das Glück wie du und kannte den Wolf nicht, der ihn eines Nachts
gebissen hatte. Ich konnte ihn in seiner Gestalt als Wolf nicht erlegen. Auch
sonst kein Mensch. Nur ein Werwolf kann einen anderen Werwolf erlegen. Es ist
geglückt! Sei bedankt! Nun geh zu deiner Frau und freut euch eures Glückes.“

Der Schafbauer bedankte sich, verließ
die beiden glücklichen Brüder und machte sich auf den Weg nach Hause. Kurz vor
Mitternacht erreichte er sein Gehöft. Die Schafe blökten.

 

Mit schwerem Kopf wachte Magnus am
nächsten Morgen auf. Seine Muskeln waren verspannt. Er hatte einen Albtraum
gehabt. Er war wieder zum Werwolf geworden und hatte seine Frau getötet. Eine
schreckliche Fantasie.

Er richtete sich auf. Auf seiner
nackten Brust klebte getrocknetes Blut. Er schaute um sich. Neben ihm lag
Marie. Ihre Augen starrten starr und leblos an die Decke, ihre Kehle war
zerrissen, was von ihrem Körper noch übrig war, war voller Blut.

 

 

http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479810.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479811.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479812.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479813.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479814.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479815.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479816.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479817.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479818.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479819.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479820.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479821.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479822.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479823.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479824.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479825.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479826.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479827.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479828.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479829.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479830.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479831.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479832.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479833.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479834.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479835.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_479836.png
0

Hörbuch

Über den Autor

Epilog
Rainer Güllich, Jahrgang 1954, lebt in Marburg/Hessen. Als begeisterter Leser schon ewig von dem Wunsch getrieben selbst zu schreiben, nahm er an einem Kurzkrimiwettbewerb teil, der im Rahmen des 1. Marburger Krimifestivals stattfand. Er kam auf einen der vorderen Plätze und sein Kurzkrimi ?Hass? wurde in der regionalen Presse veröffentlicht. Dadurch motiviert belegte er seinen ersten Schreibkurs in kreativem Schreiben. Weitere schlossen sich an und als Folge davon erschienen in kurzer Zeit seine beiden ersten Krimianthologien. Der Kriminalroman ?Unter Druck - Ein Marburg Krimi? folgte.

Leser-Statistik
27

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Epilog Re: ***** -
Zitat: (Original von roxanneworks am 22.08.2011 - 12:06 Uhr) Hallo...
habe mir ein Lesezeichen gesetzt....werde also noch einmal wieder kommen

Dein Schreibstil gefällt mir....

liebe Grüße
roxanne

Liebe roxanne,
ich liebe es natürlich, wenn mein Schreibstil gefällt.
Liebe Grüße
Rainer
Vor langer Zeit - Antworten
Epilog Re: ach je... -
Zitat: (Original von Seelenblume am 20.08.2011 - 17:27 Uhr) Hallo Rainer, jetzt habe ich es fertig gelesen, war voll gefesselt,
also es war kein Albtraum, etwas wahres musste dran sein!
Wow!
Wirklich Klasse, ein Ende welches nachdenklich macht!
Herzlichst von Seelenblume

Liebe Esther,
freut mich sehr, wenn Dich die Geschichte gefesselt hat. Was will man mehr.
Liebe Grüße
Rainer
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks ***** - Hallo...
habe mir ein Lesezeichen gesetzt....werde also noch einmal wieder kommen

Dein Schreibstil gefällt mir....

liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
Epilog Re: .... -
Zitat: (Original von Seelenblume am 03.08.2011 - 20:48 Uhr) Hallo Rainer, ich werde dies in Etappen lesen, aber der Anfang gefällt mir schon sehr... herzlichst zu dir

Liebe Esther,
normalerweise soll sich so ein Text ja steigern. Wenn Dir der Anfang schon gefällt ...
Liebe Grüße
Rainer
Vor langer Zeit - Antworten
Epilog Re: hat ihn Silvanus etwa reingelegt? -
Zitat: (Original von UteSchuster am 03.08.2011 - 23:40 Uhr) und ihn gar nicht befreit aus seinem Wehrwolfdasein?

Ich wollte zuerst nur reinlesen, aber ich kann Deinen Texten einfach nicht widerstehen.

Liebe Grüße
Ute

Liebe Ute,
das ist natürlich schön, wenn Du meinen Texten nicht widerstehen kannst.
Wünsch Dir einen schönen Tag!
Rainer
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster hat ihn Silvanus etwa reingelegt? - und ihn gar nicht befreit aus seinem Wehrwolfdasein?

Ich wollte zuerst nur reinlesen, aber ich kann Deinen Texten einfach nicht widerstehen.

Liebe Grüße
Ute
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
8
0
Senden

57215
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung