Kurzgeschichte
REGENBOGENBLUES

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"REGENBOGENBLUES"
Veröffentlicht am 08. Juli 2011, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich wurde in einem kleinen Dorf bei Nürnberg geboren. Studium und Beruf brachten mich nach Baden Württemberg. Die etwa 35 Jahre im Dreiländereck waren genug. 1999 zog es mich in meine alte Heimat zurück und seither lebe ich in Fürth.
REGENBOGENBLUES

REGENBOGENBLUES

Beschreibung

Gewidmet all den Frauen, die überall auf der Welt Ähnliches erlebt haben oder erleben müssen

Der junge Mann ist Soldat. Er hat sich verpflichtet, die demokratische Grundordnung zu verteidigen. Wenn es denn sein muss, sogar irgendwo auf der Welt, weit ab von seiner Heimat. Nun ist es soweit. Er hat seine Einberufung erhalten. Für einen sogenannten "zivilen Einsatz" im Ausland. Die wenigen Tage, die ihm noch bleiben, will er mit seiner Verlobten verbringen. Jede Minute erscheint ihm kostbar.

Auch ihr ergeht es nicht anders. Abschied ist so schwer! Deshalb versäumen die Beiden keinen Augenblick, um ihre Zweisamkeit und ihr Glück zu genießen.

Heute ist ihr letzter Tag und so sind sie zu einer Wanderung aufgebrochen. Die Sonne lacht von einem blauen Himmel, weiße Wolkenschiffe segeln über das Azur. Für die Mittagsrast haben sie eine Hütte gewählt, die ihnen in ihrer Abschiedsstimmung auch ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit schenkt. Sie beginnen ihre Zukunft zu planen. Sie: „Wie lange wirst du denn weg sein?“ Er: „Ich denke, der Einsatz kann nicht lange dauern. Wir sollen doch nur die neue  Schule aufbauen helfen.“ Sie: „Naja, vier bis sechs Monate werde ich wohl ohne dich auskommen müssen. Aber ich freue mich schon darauf, wenn du zurück bist. Ich wünsche mir dann, dass wir heiraten und ich dir endlich gemeinsame Kinder schenken kann. Du weißt, wie sehr ich Kinder liebe.“ Er: „Du hast Recht, mein Schatz. Die Zeit ist dann reif, eine echte Familie zu werden. Meine Eltern würden sich ganz bestimmt über ein Enkelkind freuen.“ Sie: „Und wenn deine Eltern das Kind hüten, kann ich wieder arbeiten gehen und dann sparen wir aufs Haus. Und damit du es weißt, ich will in Weiß heiraten!“ Sie küssen sich zärtlich und träumen sich ihre Zukunft in den rosigsten Farben.

Mittlerweile hat sich der Himmel verdunkelt. Heftige Böen verkünden das gleich losbrechende Gewitter. Doch die beiden sind in der Hütte wohl beschützt. Dann folgt Blitz auf Blitz, Donner auf Donne, und ein kurzer, aber heftiger Regenguss geht nieder. Als es aufgehört hat, setzen die beiden jungen Menschen ihre Wanderung fort. Der Weg führt an einer offenen Stelle vorbei. Von hier hat man bei gutem Wetter einen traumhaft schönen Blick in die Landschaft. Beide verharren dort und beobachten heute das Spiel der Wolken. Plötzlich reißt der Himmel auf. Ein dramatischer Anblick bietet sich unseren Wanderern: die dunklen Wälder, die geballten Gewitterwolken und aus einem kleinen, blauen Fleck ein goldener Sonnenstrahl, der ein Stückleuchtender Landschaft zaubert. Als sich sein Licht in den vielen, feinen Dampftröpfchen bricht, erscheint mit einem Mal ein in allen Farben leuchtender Regenbogen vor den schwarzen Gewitterwolken. Der Anblick ist so schön, dass die beiden Beobachter sich instinktiv an den Händen fassen, aneinander lehnen und nur noch Augen für dieses dramatische und großartige Schauspiel haben. Tränen der Ergriffenheit stehen beiden in den Augen.

Da beginnt der junge Mann eine ergreifende Melodie zu summen und der jungen Frau rinnen Tränen über die Wangen. Als er ihr mit seinem Taschentuch die Tränen von den Wangen tupft, fragt sie: „Was war das für eine seltsame Melodie?“ Er: „Es ist das Regenbogenlied. Ich habe es einmal für uns geschrieben. Und heute hat sich die Gelegenheit ergeben, dass ich es dir schenken kann.“ Dann beginnt er von Neuem, aber diesmal singt er auch den Text:

„Aus dem Licht der Sonne bist du geboren.

An dich hat sie ihre Farben verloren.

Plötzlich und unvermittelt schwingt dein Bogen,

Aus Millionen feinster Wassertropfen gewoben,

Hoch in den Äther des Himmels hinein

Nach dem allerletzten Gewitterschein.

 

Du erhebst dich aus dem dampfenden Erdenreich,

Verbindest Materie und Himmel sogleich.

Deinen Anfang und Ende sucht man vergebens

So wie Anfang und Ende jeglichen Lebens.

Deine leuchtenden Farben sind wie Zaubertinktur,

Augenblicke oft nur für deine herrliche Spur.

 

Dein Bogen überirdischer Schönheit ist pures Licht,

Steht ruhig am Himmel und flackert auch nicht.

Er immer für den Frieden und deine Hoffnung steht,

Aus denen die Liebe kommt, in die die Liebe geht.

Versöhnung und Hoffnung und Trost zugleich

Schenkt er für das ganze Menschenreich.“

Glücklich schmiegt sich die junge Frau an ihren Verlobten. Als das Lied zu Ende ist, sagt sie: „So ein schönes Lied! Und das hast du für uns geschrieben? Ich kann es fast nicht glauben.“Als der Regenbogen verblasst, setzen sie ihre Wanderung fort. Bald ist es auch wieder richtig schön und warm. Auf dem Rückweg nach Hause träumen sie weiter von ihrer gemeinsamen  Zukunft. Am nächsten Morgen ist der Abschied endgültig gekommen.

Die junge Frau hat den Soldaten zum Bahnhof begleitet. Sie nehmen sich ein letztes Mail in den Arm, halten sich fest, weinen. „Wie lange werden sie sich nicht wieder sehen? Wird er gesund zurück kommen? Wie viel Schreckliches wird er erleben? Wird er traumatisiert sein? Werden sie einander treu bleiben?“ Diese und andere Gedanken drängen sich ihnen in diesem Augenblick auf. Da greift der junge Mann in die Tasche und überreicht seiner Verlobten einen Briefumschlag. Auf ihre Frage, was darin sei, antwortet der junge Soldat: „Lasse dich überraschen und öffne den Brief erst, wenn du zu Hause bist. Und denke immer daran: Spätestens am Ende des Regenbogens werden wir uns wieder sehen!“ Dann lacht er, drückt ihr rasch noch einen letzten Kuss auf den Mund und die Zugtür schließt sich hinter ihm.

Zu Hause angekommen, öffnet die junge Frau den Umschlag und findet darin Text und Melodie für das Regenbogenlied. Sie lässt es einrahmen und hängt es gut sichtbar im Wohnraum auf. Täglich liest sie den Text oder singt oder summt das Lied. Das hilft ihr etwas in dieser Trennungszeit. Wenigstens alle vier Wochen erhält sie eine Nachricht. So weiß sie, dass es ihrem Geliebten den Umständen entsprechend gut geht. Das ist für sie besonders wichtig, denn sie trägt schon ein Kind ihrer großen Liebe unter dem Herzen.

Die Wochen vergehen. In wenigen Tagen – noch rechtzeitig vor der Geburt – soll ihr Verlobter wieder nach Hause kommen. Sie freut sich schon darauf und plant einen wunderschönen Empfang. Da erreicht sie eine E-Mail mit folgendem Inhalt: „Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Verlobter von seiner letzten Erkundungstour nicht zurück gekehrt ist. Auch eine Suche durch seine Kameraden blieb erfolglos. Damit gilt er als vermisst. Der Kommandant.“

Für die werdende Mutter bricht eine Welt zusammen. „Was ist ihr also geblieben? Das Regenbogenlied, das er ihr zum Abschied gab und das Kind unter ihrem Herzen. Die Erinnerung an ihre letzte gemeinsame Wanderung und die Erinnerung an ihre Zukunftspläne. Wut und Hass auf die Verantwortlichen, die ihn in diesen Einsatz geschickt haben … und … und.“Fragen über Fragen und Gedanken, die sie so schnell nicht abschütteln wird. „Wenn sie ihn doch irgendwo bestatten könnte! Wie, wenn er doch irgendwann wieder vor ihr steht?“

Aber das Leben geht weiter. Ihr gemeinsames Kind wird ihre ganze Kraft und Liebe brauchen und ihr gleichzeitig auch Trost spenden. Und das Regenbogenlied? Es gibt ihr die Gewissheit, dass sie sich doch irgendwann einmal am Ende des Regenbogens wiedersehen werden. Was wirklich geschehen ist, wird für sie immer ein Geheimnis bleiben. Aber es ist rasch erzählt.

Der letzte Einsatz verlief zunächst erfolgreich. Dann geriet die Handvoll Soldaten in einen Hinterhalt, bei dem es zu einer Schießerei kam. Sie mussten sich zurück ziehen. Der junge Soldat wurde verwundet. Sie mussten ihn zurück lassen. Im Sterben sah er sich über eine Regenbogenbrücke gehen, an deren Ende ihn die Wärme eines strahlenden Lichtes empfing. Er lächelte glücklich, denn er war sich sicher: er würde sie einmal dort wieder sehen. Seine Kameraden konnten bei einer Nachsuche nichts mehr von ihm finden.

© HeiO 24-06-2011

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Hörbuch

Über den Autor

NORIS
Ich wurde in einem kleinen Dorf bei Nürnberg geboren. Studium und Beruf brachten mich nach Baden Württemberg. Die etwa 35 Jahre im Dreiländereck waren genug. 1999 zog es mich in meine alte Heimat zurück und seither lebe ich in Fürth.

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NORIS Re: Das ist eine schöne -
Zitat: (Original von baesta am 13.07.2011 - 21:08 Uhr) aber auch traurige Geschichte und man stellt sich immer wieder die Fragen. "Wozu müssen Männer Kriege führen? Erreicht man etwas damit? Und was?"
Ich kann hinter diesen Auslandseinsätzem keinen Sinn entdecken, außer dass sie ihren Kopf für Machtmenschen hinhalten müssen.

Traurige Grüße
Bärbel


danke dir für deinen kommi...ob frauen weniger kriege führen würden....bei so viel zickenterror wirklich fraglich...-)))
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Das ist eine schöne - aber auch traurige Geschichte und man stellt sich immer wieder die Fragen. "Wozu müssen Männer Kriege führen? Erreicht man etwas damit? Und was?"
Ich kann hinter diesen Auslandseinsätzem keinen Sinn entdecken, außer dass sie ihren Kopf für Machtmenschen hinhalten müssen.

Traurige Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: Re: Re: -
Zitat: (Original von Louisa am 12.07.2011 - 12:16 Uhr)
Zitat: (Original von NORIS am 11.07.2011 - 20:04 Uhr)
Zitat: (Original von Louisa am 09.07.2011 - 10:14 Uhr) Ein Text von Dir!
Das sagt alles!
Mein Onkel hat auch im Krieg sein Leben lassen müssen.
Für Volk und Vaterland.
Liebevolle Grüße Gabriela
Den teil mit der Regenbogenbrücke ist sher gut durchdacht aber für meine
Seele doch sehr traurig...aber kennst mich ja......
Schönen Sonntag...deine Mimosa lächel lieb


danke für deine lieben worte und ein trostbussi für die mimose...lächel

heidemarie

lächel retuere Bussi deine ga


-)))
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: das muss ich morgen nochmal lesen, beim Überblättern war es mir zu traurig -
Zitat: (Original von UteSchuster am 12.07.2011 - 23:09 Uhr) so kurz vor dem Schlafengehen.

Liebste Grüße
Deine Ute


lies es in ruhe noch einmal...bin gespannt auf dein echo

bussi
heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster das muss ich morgen nochmal lesen, beim Überblättern war es mir zu traurig - so kurz vor dem Schlafengehen.

Liebste Grüße
Deine Ute
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriella Re: Re: -
Zitat: (Original von NORIS am 11.07.2011 - 20:04 Uhr)
Zitat: (Original von Louisa am 09.07.2011 - 10:14 Uhr) Ein Text von Dir!
Das sagt alles!
Mein Onkel hat auch im Krieg sein Leben lassen müssen.
Für Volk und Vaterland.
Liebevolle Grüße Gabriela
Den teil mit der Regenbogenbrücke ist sher gut durchdacht aber für meine
Seele doch sehr traurig...aber kennst mich ja......
Schönen Sonntag...deine Mimosa lächel lieb


danke für deine lieben worte und ein trostbussi für die mimose...lächel

heidemarie

lächel retuere Bussi deine ga
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: So sei verflucht -
Zitat: (Original von opahans am 09.07.2011 - 12:51 Uhr) der Krieg. Verflucht das Werk der Waffen.
Es hat das Volk nichts damit zu schaffen.
Ich erhoffe den Augenblick, daß die Regierung von Krieg spricht,
und keiner geht hin!

Du hast mir Tränen in die Augen getrieben...

LG opahans


ich fühle mit dir, lieber opa hans und bin ganz deiner meinung

lg heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: -
Zitat: (Original von Louisa am 09.07.2011 - 10:14 Uhr) Ein Text von Dir!
Das sagt alles!
Mein Onkel hat auch im Krieg sein Leben lassen müssen.
Für Volk und Vaterland.
Liebevolle Grüße Gabriela
Den teil mit der Regenbogenbrücke ist sher gut durchdacht aber für meine
Seele doch sehr traurig...aber kennst mich ja......
Schönen Sonntag...deine Mimosa lächel lieb


danke für deine lieben worte und ein trostbussi für die mimose...lächel

heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: -
Zitat: (Original von Luap am 09.07.2011 - 00:21 Uhr) Dieser Text geht tief unter die Haut...einfach nur schrecklich, was der Krieg alles auslöst...

Liebe Grüsse
Paul


....leider lernen die menschen nichts aus diesen erfahrungen und führen weiter kriege...das ist einfach schrecklich

lg heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Re: Der letzte Krieg -
Zitat: (Original von Katakombe am 08.07.2011 - 20:28 Uhr) ist noch nicht so lange her, da sind in unserer Familie alleine 3 Menschen, wie man damals salbungsvoll sagte: "für Volk und Vaterland" gestorben.
Was haben wir daraus gelernt? Keine Frau Merkel und kein de Maziere, kein Westerwelle und wie sie alle heißen, haben ein Kind, dass an der "Front" ist. Eine traurige, wahre Geschichte. Ira


...auch meine mutter hat ihren bruder verloren und ihre kusine den mann..

lg heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
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