Scylla Jeruscha
Es war einmal...
Eine Geschichte
über Freundschaft
Es war einmal...
Eine Geschichte
über Freundschaft
Kennst du das Leben?
Mit all seinen guten und schlechten Seiten?
Mit Freud und Leid?
Ja?
Dann kannst du dich glücklich schätzen.
Nein?
Du kannst einem Leid tun.
Du fragst dich jetzt wieso du einem Leid tun kannst? Wo du bislang doch nur schöne Erlebnisse hattest?
Ich kann dir sagen wieso du einem Leid tun kannst.
Nur wer in der Hölle war und durch das Feuer ging, kann den wahren Himmel sehen. Alle anderen sehen nur das, was sie kennen und als ihren Himmel vermuten.
Vorwort
Es war einmal... damit beginnt jedes bekannte Märchen. Und damit soll auch das Meinige beginnen. Es wird für viele unvorstellbar sein, ein schlechter Scherz oder unvorstellbar, aber was soll man machen? Kein Mensch kann sich aussuchen, wie sein Leben aussieht, welche Höhen und welche Tiefen darin vorkommen. So habe auch ich es mir nicht ausgesucht.
Mein Name ist Elisabetha Skila, aber ich habe mich vor einigen Jahren für die Schreibweise "Scylla" entschieden. Andere kennen mich auch unter dem Namen "Racheengel" oder "Ungeheuer". Ebenso ist einer meiner Spitznamen "Hel" gewesen, nach der nordischen Mythologie. Eine Göttin der Unterwelt. Welch Ironie, würde ich heute mit einem schiefen Grinsen im Gesicht sagen.
Ja, mein Leben war bei Gott nicht leicht, aber ich habe überlebt und das ist das, was zählt. Nichts anderes.
Wenn die Mädchen in meinem Umfeld wieder anfangen zu erzählen, wie schlecht es ihnen doch ging, wenn Vater betrunken nach Hause kam und ihre Mütter schlug oder anbrüllte. Klar, das ist nicht schön und ich würde es niemandem wünschen, aber Herr im Himmel, es gibt so viel schlimmeres. Insgeheim verspüre ich sogar eine leichte Art von Neid, wenn ich deren Berichte höre, wie sie erzählen, dass sie als Kind angeschrieen und ab und zu mal geschlagen wurden. Das wäre wie ein Urlaub gewesen.
Aber in diesem Bericht geht es nicht um diese Mädchen oder um mich, es geht um ein ganz besonderes Mädchen.
Ein Mädchen das bereits sehr früh keinen anderen Weg mehr sah, als den des Freitodes. Ich habe viele Jahre über dieses besondere, kleine Mädchen geschwiegen und die Erinnerung an sie in meinem Herzen getragen, doch heute, nach 13 Jahren, will ich dieses
Schweigen brechen und andere Menschen an ihrem Schicksal teil haben lassen.
Ihr Name wird in den folgenden Zeilen geändert, aber alle, die mit ihr zu tun hatten, werden sie erkennen und sich (hoffentlich im positiven Sinne) mit Tränen in den Augen an sie erinnern.
Oktober 1998
Ich war 8 Jahre alt, als ich Jennifer traf. Sie saß in Köln vor dem Tripple A und starrte starr gerade aus. Ihre blonden Haare hingen ihr über die Schultern und wehten im leichten Wind. Es war relativ warm für diese Jahreszeit. Aber der Wind war eisig. Und sie saß einfach nur da und tat... nichts. Die einzelnen Discobesucher gingen an ihr vorbei und sahen kurz auf das junge Ding, das auf dem kalten Boden saß, hinab, sie sprachen sie nicht an und reagierten auch sonst nicht. Nach einer Weile sah ich, dass sie aufstand und wieder hinein ging, ich sah mich um und folgte ihr dann. Ich war mal wieder meiner Oma abgehauen und wusste eh nicht, wo ich hin sollte und so kam mir das gerade recht. Ich lief über die leere Straße, die Straßenbahn kam auch nicht (um die Zeit fuhr sie wenns hoch kommt nur alle 30 Minuten, höchstens!) und ich rief sie. "Hey! Du da! Warte auf mich!" schrie ich und sah gerade noch, wie sie zusammenzuckte und stehen blieb. Ich erreichte gerade die andere Straßenseite, als
sie durch die Tür den Club betrat und ich sie aus den Augen verlor. Ich folgte ihr und staunte nicht schlecht, als ich feststellte, das hier nichtmal Aufseher standen und das Alter kontrollieren. Eigentlich war der Eintritt erst ab 16 Jahren erlaubt, dass wusste ich von Alex großem Bruder.
Er freute sich bereits wie ein Schlosshund, das er nächstes Jahr endlich in die Clubs der Stadt durfte. Tjaaaa... ich war also allen ernstes vor ihm in einem dieser Clubs, ich beschloss in diesem Moment, ihm das beim nächsten Treffen unter die Nase zu reiben. Ich grinste innerlich wie ein Honigkuchenpferd, so gut war ich drauf.
Im Club war es so unglaublich laut, voll, stickig und stinkig, dass ich erstmal einen Hustenanfall bekommen hatte. Ich merkte, wie mich jemand am Arm packte und aus der Menge zog, ich sah wie eine Tür sich hinter mir schloss und sah mich in dem neuen Raum um.
Es war nicht so voll, nicht so laut, ein Fenster stand offen und es waren hauptsächlich Mädchen anwesend.
Ich hörte einen Schrei und weinen, die Stimme der Person klang sehr jung und ich sah das Mädchen erschrocken an. Sie schüttelte den Kopf. "Du brauchst keine Angst haben. Hier passiert nichts weiter schlimmes" Sie lächelte seltsam und zog an einer Zigarette.
"Du rauchst? Du bist doch noch gar nicht alt genug!" staunte ich und sah sie mit großen Augen an. "Ich darf das. Ich bin Kindermodell!"
Ich staunte wieder und sah sie an, als sei sie etwas ganz besonderes. "Die Mädchen hier sind auch alles Modells, ich denke, du kannst auch eins werden, die Männer suchen immer nach geeigneten Darstellerinnen und du hast das passende Alter. Ab und zu dürfen wir sogar bei Filmen mitmachen. Wir kommen sicher groß raus!" Sie reichte mir ihre komisch riechende Zigarette und ich zog wie selbstverständlich dran.
Ich wollte nicht jetzt schon als verklemmt und prüde dastehen. So konnte das ja nichts werden.
Sicher ist sicher, lautete meine Devise.
Einige Minuten später kamen die Männer, von denen mir das Mädchen, das sich als Jennifer vorgestellt hatte, erzählte.
Sie meinten, ich könne sofort anfangen, meine Bezahlung wären Kleider, Schmuck, Spielzeug und Süßwaren. Ich schlug ein und durfte sofort mit Jennifer zusammen eine Photoreihe aufnehmen, was das für Photos waren, versprachen wir uns mit ins Grab zu nehmen.
Wir bekamen nach einer Weile angst vor den Männern, eines der Mädchen starb bei den Dreharbeiten zu einem Filmchen und wir gingen nichtmehr dort hin. Es wurde eine Razzia gemacht, schrieb die Polizei. Wir haben das damals nicht verstanden, jedenfalls wurde der Club erstmal dicht gemacht und die Männer
verhaftet. Wir schworen uns, die besten Freundinnen zu bleiben, für immer und ewig, bis das der Tod uns scheiden würde. Wir besiegelten das sogar mit einem Zungenkuss. Sie war die erste Frau, die ich mit Zunge geküsst hatte.
Sie kam zu einem Freund von Alex und mir mit, er hatte eine so große Wohnung und wir unser eigenes Zimmer, so das sie bei mir im Bett schlief. An einem Morgen, sie schlief noch, entdeckte ich die Schnittwunden an ihrem Arm. Sie hatte die selbe Macke wie ich. Sie schnitt sich gegen den inneren Schmerz.
Ich sprach sie an diesem Abend darauf an. Sie erzählte es mir. Sie erzählte mir, dass ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, als sie gerade zwei Jahre alt gewesen war.
Das sie zu ihrem einzigen, noch lebenden Verwandten gekommen war, zu ihrem Onkel hier nach Deutschland.
Und das er sie jede Nacht gegen ihren Willen berührt hatte. Das sie deswegen abgehauen war, im Club gelebt hatte. Das ich die erste Person sei, die ihr etwas bedeutete.
Nach einigen Tagen war sie fort. Ich verstand nicht, was los war. Sie war einfach weg, ohne ein Wort zu mir. Alex gab mir einen Brief von ihr, wo sie an uns alle schrieb.
Sie schrieb, dass Alex der beste Freund sei, den ich haben könnte.
Das ich nie den Mut und die Hoffnung verlieren dürfe.
Das ich die Liebe ihres Lebens gewesen sei.
Aber sie könne nicht mehr, sie will sterben und würde dich deshalb das Leben nehmen.
Die Übergriffe ihres Onkels habe sie nicht länger ertragen, sie hätte früher oder später zu ihm zurück gemusst und so würde sie lieber den Freitod wählen.
Wir riefen die Polizei und sie starrteten eine Suchaktion, sie nahmen ihren Onkel fest und fanden in seiner Wohnung Jennifer. Sie lag in ihrem Zimmer, einer völlig anderen Welt, als der, in der ich sie kennenlernte.
Plüschtiere, Satin und Puppen. Ein Beamter wollte sie wecken, als sie nicht aufwachen wollte, drehte er sie um und sah das Blut. Es war über ihre Bettdecke verteilt. Er konnte nurnoch ihren Tod feststellen.
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Ihr Onkel bekam 5 1/2 Jahre Freiheitsentzug, doch Jennifer ist fort und wird nie mehr zurückkehren.
Er kommt frei, sie ist durch seine Taten gestorben...
Ist das Fair? Nein!
Und dennoch werde ich die schöne - wenn auch kurze - Zeit mit ihr niemals vergessen.
sahara es gibt sehr viele menschen in der welt, bei denen das gleiche geschieht... doch niemand kümmert sich um diese menschen und das macht mich immer wieder aufs neue traurig... du schilderst die begebenheit sehr gut!!! ich hoffe das viele leute diese geschichte lesen und sich gedanken darüber machen... danke für die story... glg |