Scylla Jeruscha
Die goldene Kette
Eine Erzählung über Liebe, welche über den Tod hinaus geht
Scylla Jeruscha
Die goldene Kette
Mary Frances, eine junge Frau mit strahlenden, hellgrauen Augen, saß im heißen Sand, die Wellen drangen Stück für Stück vor und versuchten so, den Strand einzunehmen. Mit einem Finger drehte sie sich eine Strähne ihres dunkelroten Haares um den Zeigefinger, während sie gedankenverloren auf das Wasser sah. Kleine Wellen wogen sich sanft hin und her und wisperten ihre Geschichte vor sich hin. Sie sah zu den Wellen hinaus, auf hoher See waren sie nicht so sanft und verspielt wie an ihrem Stand. Mary Frances strich sich die Strähne, mit welcher sie eben noch gespielt hatte, hinter die Schulter und legte dann die Arme um ihre angewinkelten Beine, um ihren Kopf auf diesen zu betten. Eine etwas stärkere Welle schwappte an den Strand und umspülte ihre Füße, sie befeuchteten den Saum ihres Kleides.
Eine Träne stahl sich ihre Wange hinab, welche sie mit sanfter Gewalt davon wischte.
Sie sah der untergehenden Sonne entgegen, ihre nackten Füße bewegten sich im feuchten Sand. Dann sah sie ihn. Er kam den Strand entlang. Es war ein Mann, seine Kleidung war kaputt, er war dürr und ausgemergelt. Er war etwas bei ihr vor die Füße. Mit blutunterlaufenen Augen sah er sie an. „Hier, nimm, mein Kind. Ich kann...“ er brach ab, seine Muskeln spannten sich kurz an, dann entspannten sie sich gänzlich. Was auch immer er ihr hatte geben wollen, lag jetzt im feuchten Sand. Sie breitete die Beine auseinander und griff nach dem, ihr noch unbekannten Gegenstand. Es war eine goldene Kette, sie hob sie vorsichtig auf und besah sich das Fundstück näher. Um den klebenden Sand abzuwischen, kniete sie sich in den Sand und wischte ihn im Wasser vorsichtig ab.
Sie wollte vermeiden, dass Sandkörner weitere Kratzer auf dem Metall hinterließen. Es war ein rundes Amulett, gänzlich aus Gold. Sie hebt es aus dem Wasser, es tropft glitzernd hinab. Interessiert sieht sie darauf und entdeckt ein wunderschönes „P“ darauf. Und erkannte sie sofort. Dann sah sie wieder auf den Toten. Er sah aus wie ein Schiffbrüchiger. Sie raffte ihr Kleid zusammen und rannte nach Hause. „Mutter! Mutter! Am Strand ist ein Toter!“ Mary Frances rief bereits von weitem nach ihrer Mutter, fragend trat sie vor die Tür und sah ihre Tochter an. „Am Wasser... Mutter... da ist ein Toter. Er ist bestimmt von einem gekentertem Schiff... komm mit Mutter...“ Damit zog sie ihre Mutter in die Richtung des Strandes. Doch als sie dort ankamen, war er weg. Verwirrt sah sie sich um. „Mary... Maryschatz, hier ist nichts! Hast du wieder geträumt?“ fragte sie die Mutter streng. „Nein, nein, hier Mutter. Diese Kette,
kennst du sie noch? „ Mary´s Stimme überschlug sich in ihrer Panik fast.
Die Mutter sah ihre Tochter an, schüttelte den Kopf und ging davon.
Frühjahr
Mary und ihr Liebster liegen auf einer Decke, stille ist um sie herum, das wenige Licht, was auf die Lichtung fällt, tauscht den Ort in romantisches Licht. Mary dachte seit Tagen darüber nach, wie sie ihrem Liebsten ihre goldene Kette geben solle. Sie hatte sie von ihrer Oma Patricia erhalten. Nun wollte sie sie ihrem Liebsten geben.
Nun war es soweit.
Als Zeichen der Liebe tief am Waldesgrund, gab sie sie dem Liebsten in ganz zärtlicher Stund. Als er die Kette erblickte, küsste er sie leidenschaftlicher. An diesen Tag sollte sie sich noch lange erinnern.
Mary rannte soweit sie ihre Füße trugen, dann konnte sie nicht mehr. Sie warf sich ins Gras und weinte hemmungslos. Dann rappelte sie sich auf. Sie trug einige Steine zum nahen Wasser und richtete sie nebeneinander auf, so dass sie einen sicheren stand hatten. Sie riss sich ein langes Stück des Saumes vom Rock und befestigte damit 2 Stöcke, damit diese ein Kreuz bildeten. Mit einem anderen Stein schrieb sie darauf:
Mein Liebster
Er starb zu früh
Dann hing sie die goldene Kette über das Kreuz, welches sie in den Stein gesteckt hatte. Sie legte sich schluchzend vor das improvisierte Grabmal. So lag sie mehrere Tage weinend da, bis dass sich eine Gestalt zu ihr gesellte. Sie sah ihn an, nahm die Kette vom Kreuz und reichte sie der Gestalt.
„Nimm die Kette, aber bring mich zu meinem Geliebten dafür...“ flehte sie und sah die Gestalt mit verweinten Augen an. Diese reichte Mary die Hand und sie ergriff sie ohne zu zögern.
Der Gevatter Tot erfüllte Mary ihren letzten, sehnlichsten Wunsch und nahm sie mit in sein Totenreich, zu ihrem Liebsten.