Beschreibung
Artikel der Protagonistin Janet Singh im zweiten Teil als Überleitung von Religionsfragen zum weiteren Verlauf des Geschehens.
Folgeartikel in meinem Romanprojekt "Stumme Tage"
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(Anmerkung: weiterer Artikel in der Times von Janet Singh - Ehefrau des Protagonisten des ersten Teils)
Aus Wissenschaft und Medizin:
Baukasten Gehirn
Sie tanzen zu heißen Rhythmen mit Ihrem Partner. Mit Leichtigkeit gleiten ihre Schritte im Takt der Musik präzise über die glatte Tanzfläche. Wie von selbst bilden Ihre und seine Bewegungen eine harmonische Einheit. Sie reagieren auf die Tempi der Musik. Fühlen seine Muskelstränge in der Schulter. Eine winzige Bewegung seiner Augen deutet eine schwungvolle Linksdrehung an. Sie nehmen seinen Duft bewusst wahr. Ein leichter Druck zwischen Ihrer Wirbelsäule und dem Rippenansatz deutet an, näher an Ihn zu tanzen. Vielleicht bekommen Sie eine Gänsehaut. Sie flüstern ihm was ins Ohr.
Alles geht von allein. Dabei ist die in Wahrheit ein hochkomplexes Zusammenspiel vieler Bereiche in Ihrem Gehirn. Eine Meisterleistung. Es ist für unser Nervensystem im weiteren Sinne und für das Gehirn im speziellen in Problem, dass es so vieles auf einmal tun muss.
Es ist nicht leicht, zugleich zu tanzen und zu flirten, besonders dann, wenn man jenen Tanz gerade lernt.
In der Tat ist es für jeden schwer zwei Dinge auf einmal zu tun, wenn nicht zumindest eines davon automatisch getan werden kann. Spontanes Multitasking ist nicht gerade eine Stärke unseres Gehirns. Versuchen Sie mal zwei Sprachen lateinischen Ursprungs gleichzeitig zu lernen. Es wird ihnen nicht leicht fallen. Sicher, etwas europäisches wird wohl dabei herauskommen, aber wird man Sie verstehen? Warum ist dies also bei den meisten Menschen der Fall? Warum ist das so schwer?
Wenn wir einen Bauplan für das Gehirn entwerfen würden, wie würde der aussehen?
Eine Möglichkeit ein Nervensystem zu planen wäre zunächst einmal alles aufzulisten, was getan werden müsste, um dann ganz spezielle Unterroutinen bzw. Subsysteme zu schaffen, die diese Aufgaben ausführen und die strengen Anforderungen erfüllen. Man würde an ein Subsystem für das Atmen und das Gehen denken. Das Sprechen wäre ein Anderes. Ein Viertes vielleicht für das Riechen oder das Fühlen usw. Als Hardware könnte man jedes dieser Systeme kategorisieren. Hardware daher, weil jedem System nur ganz bestimmte, technisch vorprogrammierte Bahnen vorgegeben sind um diese eine Aufgabe zu erfüllen.
Wichtig wäre auch die Konstanthaltung der Körpertemperatur. Eine Analogie wäre zum Beispiel die Heizung eines Bürogebäudes. Diese kann sehr aufwendig gestaltet sein und verbraucht viel Platz und Energie. Sie ist jedoch wertlos, wenn man keine Wärme im Sommer benötigt. Das System der Heizung ansich ist jedoch sehr effektiv. Wenn es also wichtig erscheint, immer eine konstante Raumtemperatur zu erzielen, dann wird man sich für eine kombinierte Heiz- und Kühlfunktion eines modernen automatischen Klimasystems entscheiden.
Da das Atmen von überlebenswichtiger Funktion für uns ist, wird man sich für ein automatisches Atemkontrollzentrum entscheiden müssen, welche in das Gehirn eingebaut ist. Dieses spezialisierte System nimmt einen Teil der verfügbaren Kapazitäten des Gehirns weg. Obwohl es einzig und allein auf das Atmen konzentriert ist, das Atmen aber so wichtig ist, gibt man gerne Raum und Flexibilität zugunsten des automatischen und autonomen Kontrollsystems her.
Auf diese Weise wird klar, warum man atmen und gleichzeitig gehen kann oder atmen und diesen Artikel in der Times lesen kann.
Ein automatisches Atemzentrum, ein Zentrum zur Koordination der Motorik, ein Kontrollzentrum für die Aufnahme von Sinnesreizen wie z.B: die Aufnahme des Geruches Ihres Tanzpartners. Automatische Zentren für die Überwachung und Steuerung der physiologischen Funktionen des ganzen Körpers: Wir müssen uns z.B. keine Gedanken machen, unseren Apfel nun bewusst zu verdauen oder mit dem Augenlied zu schlagen. Überwiegend sind diese Funktionen durch einen genetischen Code im Gehirn bereits programmiert.
Trotz dieser Vielzahl von automatischen Zentren ist glücklicherweise noch viel Gehirnmasse übrig, der nicht auf spezielle Funktionen festgelegt ist.
Weitgehend frei von spezifischen Aufgaben scheinen die evolutionsgeschichtlich jüngeren Teile des Gehirns zu sein. Dies Teile scheinen durch Erfahrungswerte aus der Umwelt frei programmierbar zu sein. Gewöhnlich nutzt unser Gehirn diese freien Kapazitäten um Informationen zu speichern, die für alles Mögliche als sinnvoll betrachtet wurden. Nicht jedoch unbedingt für etwas ganz Bestimmtes. Die unglaubliche Masse an Informationen die Sie in diesem Moment gespeichert haben, macht Sie zu dem kreativen, geistreichen, listigen, aufgeweckten, leistungsfähigen und faszinierenden Wesen, das Sie im Vergleich zu den allermeisten Geschöpfen dieser Welt sind.
Die meisten niedrigeren Organismen verfügen über einen festgelegten Schaltkreis der von einem genetischen Code von der Natur für bestimmte Fähigkeiten festgelegt wurde. Die begrenzte Masse an „Gehirn“ dieser Organismen kann zwar verblüffende Fähigkeiten in der Natur hervorbringen, jedoch bleiben diese speziell und automatisiert. Eine Fischart im Amazonasgebiet schafft es doch tatsächlich durch eine besonderes Formung des Gaumens sowie eines akkuraten „Insektendetektors“ aus dem Wasser heraus mit einem Wasserstrahl bis zu einer Entfernung von einem Meter fliegen aus der Luft zu schießen um sie dann nach dem Fall zu fressen. Lebewesen, die auf der phylogenetischen Skala höher anzusiedeln sind haben mehr freie Kapazitäten, die durch Erfahrung programmiert werden können: Bob, ihr Hund als Beispiel.
Eine nahezu unerschöpfliche Kapazität ihre Gehirne so zu programmieren, wie es erforderlich scheint, haben wir Menschen.
Funktionen, die als Übung oder Erfahrung wie auch neue Verhaltensweisen, die wir erfolgreich erlernt haben gehen in unser Gehirn über. Wie auch das Gehen oder das Atmen können diese neuen Erkenntnisse fast automatisch angewandt werden. So mussten Sie als Beispiel oft über Monate oder möglicherweise jahrelang das Autofahren erlernen um es zu Automatisieren. Wir können uns mit dem Beifahrer über komplexe Themen austauschen ohne über das Fahren als solches nachzudenken. Manche Tagesereignisse lassen uns meilenweit an der geplanten Ausfahrt vorbeifahren, ohne das es uns bewusst wird. Manch einer wundert sich am Montagmorgen, wie er eigentlich zur Arbeitsstelle gekommen ist. Die Fahrt war automatisch und ist bereits aus dem Kurzzeitgedächtnis entschwunden.
Warum ist dann das
Telefonieren im Auto gefährlich?
Das Fahren ist mir einprogrammiert, das Sprechen auch, mögen Sie argumentieren. Wie kommt es dann zu Unfällen? Solange Sie über eine Freisprechanlage verfügen ist, mag dies kein unmittelbares Problem darstellen. Halten Sie jedoch das Mobiltelefon mit Ihrer Hand am Ohr bringen Sie das automatische System durcheinander. Die festgelegte und antrainierte Aufgabe Ihrer Hand fällt in diesem Moment aus. Das Programm gerät ins stocken. Diese Routine steht nicht mehr zur Verfügung. Eine Fehlermeldung des Programms verlangt nach einer spontanen kreativen Lösung um dieses Defizit auszugleichen. Diese kann nicht mehr im automatisierten Bereich entspringen sondern muss durch andere Areale kompensiert werden. Konzentration wird verlangt. Diese ist aber durch Ihr Gespräch eingeschränkt.
In den Entwicklungsgeschichtliche jüngeren Teilen des Gehirns sind die neu erworbenen Fähigkeiten, wie auch das automatische Autofahren, nicht gleich einem Zentrum, wie des Atmens, räumlich begrenzt festgelegt. Diese sind in vielen Teilen des Gehirns, meist im Neokortex verteilt. Diesen Zustand bezeichnet man auch als diffus. Um auf die einleitende Analogie des Klimagerätes zurück zu kommen: Das Klimagerät hat zwar einen festem Platz, jedoch ist die Kühlfunktion im ganzen Gebäude verteilt.
Janet Singh