Romane & Erzählungen
Für einen kleinen Moment Glück

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"Für einen kleinen Moment Glück"
Veröffentlicht am 18. Juni 2011, 6 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

www.sarah-thieme.de
Für einen kleinen Moment Glück

Für einen kleinen Moment Glück

Mein Name ist Sabrina, in wenigen Wochen werde ich 28 Jahre alt. Für viele klingt das sehr jung, eigentlich auch für mich selbst, und dennoch kämpfe ich täglich um mein Leben und das Überleben. Ich bin weder krank, noch würde mich jemand bedrohen. Nein im Gegenteil, ich habe nette Freunde, einen guten Beruf und eine wunderbare Familie. Das Leben selbst bedroht mich. Ich habe gleichermaßen Angst vor dem Leben und dem Tod. Seit Jahren attestieren mir die Ärzte Depressionen, doch ich möchte mich damit nicht zufriedenstellen. Nicht einmal abfinden. Ich kämpfe, ich kämpfe mich zurück.

In genau diesem Augenblick weiß ich noch nichts von dem Moment Glück, das ich gleich erfahren werde. Ich  sitze  im Sand an einem Menschenleeren Strand. Diesen Ort habe ich in den letzten Tagen meines Urlaubes ausfindig machen können. Der Skizzenblock für meine Zeichnungen liegt auf meinen ausgestreckten Beinen. Meine Augen halte ich noch geschlossen und lasse den feinen Sand durch meine Zehen und Finger gleiten. Ich genieße dieses Gefühl, wenn der Körper sich langsam beruhigt und ich den sanften Herzschlag spüren kann. Die Sonne brennt nicht mehr stark hinunter und auch der seichte Wind hier am Meer macht mir diesen Ausflug sehr angenehm. Meine Haare lassen sich von der nächsten  Brise einfangen und kitzeln abwechselnd meine linke und rechte Schulter. Es ist, als würde ich alles in mir aufsaugen. Die Geräusche der Wellen, das kreischen der Seemöwen, den Geruch des salzigen Wassers und das Gefühl der Wärme. Ich öffne meine Augen und beobachte das glitzern auf der Wasseroberfläche. Als tanzen die Sterne auf ihr. Eine Weile bleibe ich noch regungslos sitzen, schiebe aber bald den Block von meinem Schoß und erhebe mich. Ich weiß nicht wie viele Tage ich ihn schon mit hierher schleppe. An nicht einen einzigen Tag komme ich dazu etwas zu zeichnen. Zu sehr genieße ich die Einsamkeit mit mir und diesem wundervollen Ort. Die Wellen schlagen nur noch leicht ans Ufer, also schleiche ich langsam ein Stück weiter auf das Meer zu. Ich liebe das Geräusch, das die Sandkörner und Steinchen unter mir hervorbringen und versuche wieder, mir alles so fest wie möglich einzuprägen. Als das Wasser meine Füße berührt bleibe ich stehen. Die Sonne geht langsam unter. Wie gebannt blicke ich zum Horizont. Irgendjemand sagte mir, man könne es hören, wenn die Sonne das Meer berühren zu scheint. Ein leises Zischen. Noch mit meiner Kleidung am Leib laufe ich weiter in das Nass hinein. Es macht mir nichts. Heute nicht mehr. Ich schwimme ein wenig hinaus. Immer richtung Horizont, denn da geht es weiter. Als ich weit genug draußen bin, lege ich mich auf den Rücken und lasse mich von seichten Wellen, die von weither kommen, tragen. Es bedarf eines guten Körpergefühls, denn ich versuche ersteinmal nicht unterzugehen. Als ich im Blickwinkel sehe, dass die Sonne dem Meer immer näher kommt, schließe ich erneut meine Augen und lasse mich in die Tiefe ziehen. Langsam merke ich, wie das Meer meinen Körper immer mehr in Besitz nimmt. Ich spüre, wie das Wasser in meine Ohren dringt und mir auf den Körper drückt. Jetzt reiße ich die Augen auf. Ich kann es nicht abschätzen wie weit ich schon hinabgetaucht bin. Von hier unten kann ich die Sonne über mir erahnen. Sie ist hell und ich habe das Gefühl, die glitzernden Sterne von gerade eben würden über mir tanzen. Ein einziges Gefühl von Glück überkommt mich. Es durchströmt meinen Körper und ich wünsche mir, es würde nicht mehr aufhören. Mit ausgetreckten Armen und Beinen treibe ich nun unter Wasser und beginne zu atmen. Das letzte, an das ich mich erinnern könnte, wenn es eine Erinnerung danach gäbe, wäre die schwarze Tiefe, die mich nun umgibt.

In wenigen Tagen werden sie mich als vermisst melden, meinen Skizzenblock finden und das unausweichliche vermuten. Sie werden noch ein paar Tage suchen, bis sie mich bergen. Mein Anblick wird vielen einen Schauer über den Rücken jagen und meinen Vertrauten Trauer, Entsetzen und Hilflosigkeit bringen. Sie werden weder Drogen noch Alkohol im Leichnam finden, sondern lediglich zu hören bekommen. Depressionen – Schlimme Depressionen.  Und während ich dieses Schauspiel beobachte, wird mir bange ums Herz. Was habe ich alles hinter mir gelassen, für einen kleinen Moment Glück, der nur mir gehörte. Hätte ich nicht vorher schon so viel Glück verspüren können. Solche Menschen um mich herum zu haben und mit ihnen gemeinsam das Leben genießen zu dürfen. Sicherlich hätte ich ein paar Jahre weiter kämpfen müssen, sicherlich wären es harte Jahre geworden, und sicherlich wären nun nicht so viele Menschen, die mir immer etwas bedeutet haben im Unglück. Ich habe mich ums Leben gebracht, nur wegen der Suche nach dem kleinen Moment Glück. Meinen kleinen Moment Glück.

Als ich aufwache ist es noch dunkel. Mein Herz rast und mein Kopf dröhnt, als hätte ich eine lange Diskonacht hinter mir. Mein Schlafanzug ist schweißdurchtränkt und auch mein Gesicht scheint nass zu sein. Ich setze mich auf, knipse die kleine Lampe auf dem Nachtschränkchen an und blicke mich wie eine Fremde in meinem eigenen Schlafzimmer um. Dann plötzlich und unerwartet breche ich in einen Lachanfall aus. Ich lache, weil ich noch am Leben bin. Ich lache, weil es nur ein Traum war. Ich lache und weine zeitgleich. Ich lache vor Freude – vor Glück.

Mein Name ist Sabrina, in wenigen Wochen werde ich 28 Jahre alt. Für viele klingt das sehr jung, eigentlich auch für mich. Ich kämpfe mich täglich ein Stück mehr ins Leben zurück. Sie sagen es sind Depressionen. Und obwohl ich gleichermaßen Angst vor dem Tod und dem Leben habe, gebe ich alles, für die vielen kleinen Momente Glück.

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swordy
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Rehkitz Liebe swordy
Nur wer traurig und ängstlich sein kann, kann das Glück empfinden. Glück ist doch schon das wir schreiben können, und vieles mehr. Glück haben alle Menschen, nur sollte man mit dem Kleinen auch zufrieden sein. Zufriedenheit und Glück gehören zusammen.

Wunderschöne Feiertage und ganz liebe Grüße Rehkitz
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