Romane & Erzählungen
Und er nahm hinweg die Sünde der Welt?

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"Und er nahm hinweg die Sünde der Welt?"
Veröffentlicht am 17. Juni 2011, 26 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

ein moderner Nomade
Und er nahm hinweg die Sünde der Welt?

Und er nahm hinweg die Sünde der Welt?

Beschreibung

Ein Kapitel aus meinem Romanprojekt "Stumme Tage" , dass nie fertig zu werden scheint ... Thema dieses Kapitels: Christentum und Kirche

12

 

Gaben

 

 

„Willst du noch etwas von dem Nachttisch?“, fragte Marc.

Janet lehnte sich weiter zurück in den Armstuhl. Sie blickte Marc über die zuvor reich gedeckte Tafel an. 

„Was ist? Also, noch was von der crème brulé? Es ist noch genug für den ganzen Block da!“

Janet richtete sich auf, setzte die Ellenbogen auf die Tischkante, faltete die Hände vor dem Mund und senkte den Kopf leicht.  Marc hatte den Eindruck, sie wolle nun zu einem verspätetem Gebet ansetzten. Janets langen Haare vielen  gleich einem Vorhang seidig von den Schultern und rahmten ihr zartes Gesicht ein. Sie öffnete abrupt die Augen und sah Marc direkt an. Wie schön sie ist, kam es Marc in den Sinn. 

„Marc ...“

„Hä ...?“ kam kaum hörbar eine Antwort. 

„Hast du noch was von der ... Vorspeise?“ Janets Hände verdeckten das Grinsen auf den Lippen, jedoch verrieten die Augenwinkel den Schelm. Marc fing sich wieder und sah sie belustigt an.

„Von der Vorspeise? Willst du etwa noch mal essen?“

„Klar, warum nicht?“

Marc legt seine Servierte neben sein silbernes Besteck und schob mit den Kniekehlen den Stuhl zurück als er aufsprang. Fast wäre der Stuhl umgefallen. 

„Nur keine Panik! So viel Hunger habe ich auch nicht.“

„Ich will nur schnell nachsehen, ob sie noch warm sind.“ Man soll das Eisen schmieden, wenn das Feuer noch heiß ist, ging es ihm auf dem Weg in die Küche durch den Kopf. Er glaubte ihren Blick im Rücken zu spüren. In der Küche trank er ein großes Glas kaltes Wasser direkt aus dem Wasserhahn. 

„Janet, sie sind noch gut, die Soße ist nicht geronnen“, rief er zurück in das Esszimmer.“

„Hast du auch noch etwas von dem köstlichen Aperitif?“ 

„Moment ..., nein ..., ich hatte nur noch ein wenig“, log Marc und versteckte die kaum angebrochene Flasche ganz oben im Schrank hinter dem Weinessig. Der Anblick des Essigs ernüchterte ihn sogleich. 

„Schade, er war so lecker und süffig.“

„Eben“, rief er aus der Küche.

„Wie bitte?“

Marc schob die matte Glasscheibe der Durchreiche zum Esszimmer auf. 

„Eden, der flüssige Garten Eden, stand auf dem Etikett.“, behauptete Marc. 

„Genau, so himmlisch!“, lachte Janet. „Kann ich dir etwas helfen?“

„Nein, bleib ruhig sitzen. Ist schnell gemacht.“

„... und ich dachte, es wäre was ganz besonderes ...“ neckte Janet.

„Ist es auch! Und dennoch schnell gemacht, wenn man alles da hat. Außerdem hatte ich zu viele von den Entenbrust-stückchen angebraten.“

Janet stand mittlerweile im Türrahmen der Küche und sah ihn amüsiert an. Marc hatte sie nicht bemerkt. 

„Sie sind gleich fertig“ rief Marc.

„Ich bin noch nicht taub“, sagte Janet leise hinter ihm.„Wollte nur mal zusehen, wie du sie zubereitest ... Außerdem ist deine Disney-Schürze herzallerliebst!“

„Jetzt aber raus aus meiner Küche!“

Janet ging zurück in das Speisezimmer. Sie nahm ihren Californain Rosé mit ans Fenster und blickte hinunter auf das nächtliche Manahtten. Marc hatte ein tolles Apartment. Nicht wirklich sehr geräumig, aber er hätte vermutlich für die gleiche Kaufsumme auf der anderen Seite des Hudson eine großzügige Vorstadtvilla erstehen können. Dies hätte jedoch nicht zu Marc gepasst. Er war Stadtkind und wäre als eingefleischter Single unter den ganzen Familiennachmittagen und Nachbar-BBQs verkümmert. Marc‘s Welt war das pulsierende Leben in Manhattan. Hier fand er die Themen zu seiner Arbeit im Feuilleton. Hier fühlte er sich wohl. Hier gehörte er hin. 

„Auf dich! Den Küchenchef!“ und prostete ihm zu. 

„Nicht doch. Es sind doch nur kandierte Wildentenbrüste ... mit begleitender Dattel, eingewickelt in Parmaschinken an scharfer Annas-Cury-soße mit untergehobenem nicht geronnenen Eigelb und gestreift mit crème fraiche ...“, grinste unverkennbar stolz Marc, als er seine Kreation an den Platz von Janet gekonnt servierte. Sie setzten sich wieder an den Tisch. Janet begann mit Genuss die beiden Päckchen, wie sie es nannte, zu verspeisen. 

„Und du? Ist du nichts mehr?“

„Nein, ich kann nicht mehr und muss auf meine Linie achten.“

Janet leckte das Besteck ab. „Mir ist das egal“.

Gefalle ich dir auch mit Bauch, dachte Marc und spülte den Gedanken mit einen großen Schluck Wein herunter. 

„Janet, ich bin froh, dass du endlich mal wieder richtig was isst. Bei all den Sorgen hast du das Essen in der letzten Zeit wohl vergessen.“

Janets Blick verfinsterte sich und sie legte das Besteck zurück neben den Teller.

„Es tut mir leid, Janet, ich wollte dir jetzt nicht den Abend verderben.“, sagte Marc aufrichtig. 

„Ist schon gut ..., es war jetzt nur so ein Moment. Und du hast natürlich recht. Ich bin wohl kein guter Gast in letzter Zeit. Dabei hatte ich mich so gefreut, als du mich eingeladen hattest. Ich sollte besser gehen.“

„Janet ... bitte nicht. Es ist doch noch früh am Abend. - Und ich habe auch noch die restlichen Gänge in der Küche ...“

Janet lachte auf einmal wieder. 

„Du hast recht. Mit Trübsal blasen ist auch keinem geholfen. Es tut mir wirklich gut aus meinen vier Wänden herauszukommen und mit dir ein solch tolles Essen zu geniessen. Cordon-bleu kann ich nur sagen!“

„Danke für die Blumen!“ entgegnete Marc erleichtert. 

„Du hast es dir verdient!“

„Willst du nun den zweiten zweiten Gang?“

„Jetzt hör aber auf. So verhungert bin ich nun doch wieder nicht.“, empörte sich Janet. 

„Einen kleinen Expresso?“, fragte Marc.

„Danke, ich nehme gerne noch einen Aperitif aus dem Küchenschrank ...“

Das hast du gesehen?“ fragte Marc erschrocken und wurde rot.

„Ja, und ich danke dir für deine Umsicht. Ich bin ein großes Mädchen. Den vertrag ich noch und außerdem schmeckt der vor deinem Kamin bestimmt ganz toll.“

„Na, denn“, sagte Marc auf dem Weg in die Küche. Fast wäre der Essig noch in die Spüle gefallen. 

Sie machten es sich von dem kleine Kamin in den postmodernen Sesseln bequem. Marc blieb bei seinem Rosé. Janet schaute auf das kristallene Likörglas.

„Wie hieß der noch? Eden, richtig?“, fragte Janet.

Marc räusperte sich.

„Ja, irgendwas mit himmlischem Likör ...“

„Das ist bestimmt die Hausmarke von Reverend John.“

„Von wem?“

„Von Reverend John, dem Geistlichen aus der Piermont Reformed Church. Ich habe dir doch von Ihm erzählt. Oder besser von meinen Halluzinationen. Dem Geist von Reverend John.“

„Du meinst von deiner Begegnung mit seiner Seele?“ fragte präzisierend Marc. 

„Seltsam, dass du Seele sagst und nicht Geist.“

„Ist da ein Unterschied?“, fragte James.

„Sicher. Ein Geist ist eine Erscheinung einer verstorbenen Person mit all seinen Eigenschaften - nur eben ein wenig, äh, transparent?“

„Ja ..., eben seine Seele.“

Janet sah Marc leicht verwirrt an. 

„Du meinst ein Geist und die Seele ist dasselbe?“

„Nein, ich denke ein Geist ist die körperlose Seele eines Menschen, die weiter existiert, da sie noch nicht fertig ist. Oder die sich, äh ..., verlaufen hat ...“

Janet schwieg eine Weile. 

„Du meinst im Ernst die Seele oder der Geist von James ist noch da. Irgendwo da draußen?, fragte Janet leise.

„Ja“.

„Das glaubst du wirklich?“

„Ja, du vergisst, dass ich mal Theologie studiert habe und beinahe Priester geworden bin.“

„Ja, ja“, grinste Janet, „Du kamst nur nicht mit dem Zölibat zurecht, nicht war?“

„Ja und, nein.“

„Ja und, nein? Was soll das denn jetzt heißen?“

„Ich hatte diesen Satz vom Zölibat mal irgendwo, in einem Film aufgeschnappt. Das fand ich cool und ist auch um so vieles leichter.“

„Das verstehe ich jetzt nicht. Wie meinst du das?“

„Wenn man irgendwie auf dieses Thema gerät und die Leute mitbekommen, dass man das Priesteramt nicht gewählt hat, dann glauben die gleich, dass man nicht überzeugt gewesen sei.  Dass man nicht glaubt. Es ist so viel einfacher zu sagen: Ich kam mit dem Zölibat nicht zurecht ... - da hat man die Lacher gleich auf seiner Seite und kann zu einem anderen Thema schwenken ...“

„Und? Glaubst du?“, fragte Janet vorsichtig. 

„Der Glaube ist eine Gabe, die mich noch nicht erreicht hat, glaube ich ...“

„Du nennst das eine Gabe? Somit etwas gutes? Etwas positives?“

Marc schaute ins Feuer. Er spürte die Wärme auf seinem Gesicht. Auch die Wärme des Alkohols. 

„Du willst heute Abend wirklich über Gott und den Glauben sprechen?“, fragte Marc nach eine Weile. 

„Ja, warum denn nicht. Ich bin zwar eigentlich Atheist und halte nicht viel von der Kirche, aber sicher, ja sprechen wir heute Abend über den Glauben. Bei meinem Erlebnis mit ... mit dem toten Reverend John weiß ich so wie so nicht mehr was eigentlich los ist, wenn ich es mal so ausdrücken darf.“

„Kirche und Glaube, das ist so eine Sache. Da kann man geteilter Meinung sein.“

„Die Kirche, als Instanz, ist mir egal. Was mich interessiert  ist, warum du sagtest, das Glaube eine gute Gabe sei, die dich noch nicht erreicht habe.“

Marc stellte sein Glas auf einem Tischchen ab. 

„Ich hätte jetzt gerne einen Cappuccino. Möchtest du auch einen?“

„Nein, aber gerne einen Espresso.“

„Doppelt?“

„Doppelt!“

Marc stand auf und ging in die Küche, um die Kaffees zuzubereiten. Lange hatte er nicht mehr an sein Theologiestudium gedacht. Er lebte nun wirklich nicht wie eine Mönch im Zölibat. Dabei musste er lachen. So schnell wir aus einer Ausrede Wirklichkeit. Er hatte es sich selbst auch zu einfach gemacht. Keine Lacher mehr auf seiner Seite. 

„Es duftet köstlich.“ rief Janet zu ihn herüber.

Himmlisch meinst du wohl ...“ und reichte Janet die Expressotasse.

„Ja, das ist dein Stichwort. Also, warum Gabe?“

„Ich sehe schon, du lässt nicht locker.“

„Wir müssen nicht darüber reden, wenn es dir unangenehm ist“, meinte Janet. 

„Kein Problem, ich habe mir nur lange keine Gedanken mehr zu Religion und Glaube gemacht. Vielleicht tut es auch mir gut darüber zu reden. Ich lebe heute ganz anders als früher im Studium. So wir alle glaube ich. Gleichgültig und oberflächlich. Kirche. Glaube. Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Diese Fragen stellen wir uns heute nicht mehr. Diese Fragen stelle ich mir schon lange nicht mehr. Warum weiß ich eigentlich auch nicht. Es ist halt so. Unser Leben ist so. Mein Leben ist so. Wir begnügen uns damit irgendwo und irgendwann um die 60er durch Love und Peace gezeugt worden zu sein. Danach mussten wir uns irgendwie durchschlagen. Ãœberleben. Bitte möglichst erfolgreich und ohne sich über die Fragen nach dem „Warum?“ und dem „Woher?“ stellen zu müssen. Wir wollen das Leben geniessen, eben so gut wie möglich zurechtkommen. Später, irgendwann sterben wir dann zwangsläufig. Was und ob nach dem Tode dann noch etwas ist oder kommt? Danach fragte heute keiner mehr. Ein Leben nach dem Tod? Das ist keine aktuelle Frage mehr. Sie ist nicht relevant, wenn man sich gerade von einer Miete zur anderen oder von einer Party zur anderen durchschlägt. Wenn die eigenen Zigaretten oder besser doch die Cornflakes für Kinder kaufen gehn keine Gewissensfrage mehr ist.“

„Ich verstehe. Aber woher kommt denn diese Gleichgültigkeit, diese Abstumpfung? Ist es der soziale Hintergrund. Die soziale Stellung? Bildung?“, fragte Janet betroffen.

„Da müsstest du einen Soziologen oder Psychologen fragen, das kann ich dir nicht beantworten.“

„Und was sagt die Kirche dazu?“, drängte Janet. 

„Oh, die Kirche?“

„Ja sicher, sie soll doch Frieden und Hoffnung bringen.“

„Die Antworten der kirchlichen Lehre sind derweil so bedrückend, das man am Ende lieber gar nicht mehr wissen will woher man kommt und wo es hin gehen soll.“

„Was?“

„In der kirchlichen Lehre geht man davon aus, dass man bei der Geburt eine Seele erhält. Es liegt jedoch an einem selbst wie man sie hegt und pflegt in einem mehr oder weniger langem oder kurzem irdischem Leben. Zunächst hat man nur eine Chance, wenn man in die Kirche hineingetauft wird. Entscheidet man sich für ein kirchliches Leben und befolgt brav die Regeln und empfängt angebotenen, kirchlichen Sakramente, dann ist alles gut und der Himmel steht einem zu. Tut man das nicht, so sagt die Kirche, wird unsere Seele unter ewiger Verdammnis in der Hölle bis zum jüngsten Gericht braten. Die Chance ist vertan.“

Janet war etwas erstaunt über Marc Ansichten und seine Härte bei diesem Thema. So kannte sie ihn gar nicht. 

„Ich muss zugeben, das ich keineswegs eine gute Kirchgängerin bin, aber, Marc, gehst du da nicht ein wenig zu hart mit dem Christentum ins Gericht?“

„Mit der Kirche, ja, mit dem Christentum nicht.“

„Da kann ich dir jetzt nicht folgen, ist das nicht das Selbe?“

„Keineswegs. So sehe ich das jedenfalls.“

„Meinst du jetzt die Kreuzzüge oder die Inquisition?“

„Nein, im frühen Christentum kannte man noch die so genannte Präexistenz der Seele.“

Janet schaute ihn mit großen fragenden Augen an. 

„Die Präexistenz der Seele weist auf die Reinkarnation hin. Auf die Wiedergeburt.“

„Aber die Wiedergeburt ist doch soweit ich weis Teil der asiatischen Religionen. Einer ihrer Grundpfeiler. Im Christentum habe ich noch nie gehört, dass man wieder geboren werden kann um seine Seele zu läutern, oder einfach eine neue Chance bekommt.“

„Du hast recht, dass sagt die Kirche heute so. Das heisst seit dem 5. oder 6. Jahrhundert. Bei irgendeinem Konzil - ich hab vergessen welches - hat man entschieden ..., nein man hat diese Wahrheit über die Reinkarnation verdammt. Die frühchristlichen Evangelien zu diesem Thema wurden gestrichen oder erschienen nicht mehr in der Bibel.“

„Das ist ja unerhört!“, rief Janet empört aus. 

„Das finde ich auch. Nur, wer glaubt einem das heute noch? Du siehst wie viel einfacher es ist zu sagen: Hey Leute, es war toll, aber ich kam einfach nicht mit dem Zölibat zurecht!“ 

„... tust du ja auch nicht“, grinste Janet. 

„Nein, in der Tat nicht“ und nahm doch noch einen Schluck Wein aus seinem Glas. 

„Gab es bei den ursprünglichen Christen ein Zölibat?“

„Nein, sicher nicht. Das wäre eine allzu unmenschliche Bürde. Eine Regel. Ein Dogma. Ein Religionsgesetz. Was wäre, wenn man sich nicht daran gehalten hätte? Wenn man diese Regel gebrochen hätte? Die Seele wäre doch auf ewig verdammt gewesen - laut Kirchengesetz. Das kann nicht Gottes Gnade sein. Gnade kann logischerweise nur derjenige erfahren, der in Ungnade gefallen ist. Empfängt er jedoch Gnade, dann kann er nicht mehr auf ewig verdammt sein.“

„Gottes Gnade und die Ewige Verdammnis passen also nicht zusammen?“

„Nein, richtig!“

Janets Blick verfing sich im Feuer. Marc lehnte sich vor und flüsterte in Ihr Ohr: 

„... im Ãœbrigen soll Jesus verheiratet gewesen sein und eine Tochter, Sarah, gehabt haben. Jesus lebte somit wohl kaum im Zölibat. Wie soll dann ein Priester dafür in die ewige Verdammnis kommen?“

„Wie bitte? Gottes Sohn hat Nachkommen?“

„So sagt man.“

„Wenn Gottes Sohn Nachkommen gehabt hätte, wären die dann nicht auch ... göttlich?“

„Welch ein Abtraum für die Kirche, nicht war?“, grinste Marc. 

„Woher hast du das denn? Wohl kaum aus dem Theologiestudium, oder?“

„Nein ich hatte vor meiner Arbeit in der Redaktion kurzzeitig für einen Verlag als Lektor gearbeitet. Da gab es damals einen Autor, der doch tatsächlich auf Grund von Recherchen meinte Beweise zu haben, das Gottes Sohn Kinder hatte. Er baute seinen Roman darauf auf. Es ging dabei um die Erschütterung der Grundfeste der Römisch-Katholischen Kirche. Ein spanendes Manuskript.“

„Und, war was dran?“

„Ich weis nicht, dem Verlag war das Thema im konservativen Amerika zu heiß. Keine Ahnung was daraus geworden ist. Leider hatte ich keine Gelegenheit es vollständig zu lesen.“

„Bestimmt ein spannender Roman, aber eben nur Fiktion“

„Nicht so ganz. Schau mal auf den Islam: Maria, Moses, und all die anderen kommen darin, wenn auch phonetisch in abgewandelter Form auch vor. Ist auch kein Wunder bei gleichen historischen Grundlagen. Jesus ist im Islam ein Prophet. Ein wichtiger Prophet, zeitlich vor Mohammed. Aber eben nur ein Prophet und nicht, nicht Gottes Sohn.“

„Im Islam? Jetzt bin ich aber baff.“

„Nicht nur dort: INRI - Jesus von Nazareth, König der Juden ...“ 

„Und alle schlagen sich gegenseitig im Namen der Religion die Köpfe ein. Schau mal in Jerusalem, ist das nicht der Geburtsort all dieser Religionen?“

„So scheint es.“

„Nicht zu fassen!“

„Alle drei monotheistischen Weltreligionen haben die gleichen historischen Grundlagen. Alle kennen nur einen Gott. Ich wage zu sagen, den gleichen ... Sie alle sind Träger des Buches.“

„Welches Buch? Etwa die Bibel?“

Die Heilige Schrift wäre besser, aber nein, das alte Testament. Letztens bat mich einer um Auskunft, wo er denn eine Ãœbersetzung der jüdischen Thora finden könnte. Fast hätte ich gesagt: Hier nimm das alte Testament, eine mehr oder weniger gelungene und wenig verfälschte Ãœbersetzung der hebräischen Version, die wiederum Teile der 9.000 Jahr ealten erwiesenermaßen ältesten menschlichen schriftlichen  Ãœberlieferung des Gilgamensch-Eposes enthält ...“ und auch dem Koran nicht gänzlich fremd erscheint. Aber im Koran bin ich nicht sonderlich firm, wenn du erlaubst. “

„Wenn also die drei großen Weltreligionen alle womöglich an den gleichen Gott glauben, warum bekämpfen sie sich dann?“, fragte Janet erregt. 

„... wenn wir das lösen könnten, dann gäbe es wohl mal einen wirklich verdienten Friedensnobelpreis!“ 

„Wenn drei Religionen von einem Gott ausgehen, warum lässt er das dann zu?“

„Was? Dass drei Religionen an ihn Glauben? Wäre doch egal.  Jede Kultur hat seine plausiblen und berechtigten Gründe es so oder so zu interpretieren, meinst du nicht?“

„Nein, ich meine: Warum lässt er zu, dass sie sich bekämpfen? Warum lässt Gott Hunger und Armut zu? Krieg, Mord, Todschlag, Vergewaltigung, Ungerechtigkeit und all das andere Elend? Er hat doch seinen Sohn als Erlöser auf die Erde geschickt!“ 

Marc lächelte.

„Da ist wohl was schiefgegangen, nicht war? Hat halt nicht geklappt. Ein Versuch war‘s wert.“

Janet schlug Marc leicht auf die Schulter. 

„Jetzt hör aber auf. Und sowas sollte Priester werden!“

„Ich finde wir kommen der Sache jetzt näher. Es wird nun spannend. Verzeih‘ mir, ich wage mich jetzt auf Glatteis mit meiner Theorie, die mich schließlich bewegte nicht ins Priesteramt einzutreten.“

„Na, dann bin ich jetzt mal ganz Ohr.“

Marc seufzte und hohle einmal tief Luft. Es schien ihm schwer zu fallen sich weiter zu äußern.

„Die kirchliche Lehre sagt: Gott hat uns seinen Sohn auf die Erde geschickt, um uns durch seine Erlösertat von all den Sünden zu befreien. Jesus nahm hinweg die Sünden. Offensichtlich nicht, denn warum gibt es gleich danach und auch noch heute, 2000 Jahre später immer noch all die Zwietracht, die Boshaftigkeit, das Gegeneinander? All die Zuwiderhandlungen gegen die Zehn Gebote des alten Testaments? Du sollst nicht töten! Du sollst nicht falsches Zeugnis abgeben! Du sollst nicht stehlen!“ 

Du sollst nicht die Frau eines anderen begehren ..., dachte Marc. „Und so weiter. Da sind doch alles Sünden! Nein, Jesus hat uns nicht von den Sünden erlöst! 

„Was dann?“

„Er hat uns Schutz gebracht.“

„Schutz?“

„Schutz, oder eine Garantie, wenn du so willst. Er hat uns die Garantie gegeben, dass wir, das unsere Seele sich nicht in ewiger Verdammnis auflöst, sondern das wir die Chance haben  es wieder gut zu machen unsere Seele rein zu waschen. Solange die Seele in unserem Körper weilt, unterliegt auch sie dem universellen Gesetz von Ursache und Wirkung. Das heißt, dass was ich falsch gemacht habe, kann ich auch versuchen wieder gut zu machen. Unsere Seele hat förmlich die Aufgabe, und die Verpflichtung die Unordnung, die wir in die Welt gebracht haben wieder in Ordnung zu bringen. Das sehe ich als Aufgabe und berechtigte Existenz einer Seele an. Jesus, Gottes Sohn ist für uns am Kreuz gestorben, - er ist gestorben - mausetot! - und doch wieder auferstanden. Wiedergeboren. Reinkarnation! Da klingelte es bei mir! Die Kirche betont Thomas, den Ungläubigen, sagt jedoch das Jesus von den Toten tatsächlich auferstanden ist. Weil er Gottes Sohn sei. Sind wir nicht alle wie Gott? Hat er uns nicht nach seinem Ebenbild geschaffen? Wenn wir nach seinem Ebenbild geschaffen sein sollen, ist Jesus dann nicht erst recht wie er, wir wir? Und selbst wenn Jesus nur ein Prophet war. Egal. Er ist auferstanden. Er wurde wiedergeboren. Basta! Also können auch wir wiedergeboren werden. Wir erhalten die Chance zu Geben und zu Empfangen. Die Chance Unrecht wieder gut machen zu können, wenn nicht in diesem Leben, so dann doch in einem weiteren. Wir können die Blockade des Allzumenschlichen langsam abbauen. Damit ist die Ewige Verdammnis aufgehoben. Das ist die Gnade Gottes. Die Verdammnisverordung der Kirche ist damit aufgehoben. Das ist für mich die Absurdität der Kirche!“


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bartelsontour
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bartelsontour Re: -
Zitat: (Original von Nadezda am 28.06.2011 - 22:29 Uhr) Herzlichen Glückwunsch! Ich Überzeugungsatheist, bin tatsächlich an einem Text über Religion kleben geblieben. Das sind wirklich ein paar sehr interresante Gedankengänge, die du da aufwirfst. Einer meiner Großväter ist Pastor, ich selbst bin christlich erzogen, also auch nicht so ganz themenfremd, aber solche Diskussionen wurden bei uns nie geführt. Der Text regt zum nachdenken an. Du solltest nicht denken,daß das Buch nicht fertig wird. Wäre schade drum
LG Nadezda


Freut mich dich hier auch begrüßen zu dürfen. Ich bin zwar nur ein Gelegenheitsgast auf dieser Seite, da ich oft weder die Ruhe noch die Zeit habe. Meist schreibe ich nur im Winter (Bei mir ist gerade Winter). Dein Kommentar zu dem religiösen Thema hat mich sehr erfreut. Besonders, wenn es zum Nachdenken anregt. Das ist das schöne, wenn man Fiktionen schreibet. Es bleibt einem selbst überlassen, wie man es formulieren möchte und welche Wirkung es haben könnte. Inhaltlich beruht das im Kern übrigens auf recherchierbaren historischen Tatsachen. An einer kleine Stelle hinkt es ein wenig mit der Plausibilität, war jedoch notwendig für die weitere Handlung. (Jesus soll auferstanden sein ... nicht wiedergeboren ...) aber über die Definition kann man sich durchaus verständigen.) Janet muss die Seele ja irgendwie wieder in ihren Mann kriegen ... da muss eine Option offen bleiben. Aber ich will nicht zu viel verraten. ;-) Aus der meiner ehr zurückhaltenden persönlichen Stellung in Glaubensfragen, mit ebenfalls christlicher (Teil-)Erziehung, muss ich jedoch zugeben, dass das eigene Schreiben mal wieder persönliche Fragen aufgeworfen hat, die von mir nicht mehr eindeutig zu beantworten sind. Mit ein Grund, warum ich Schreibe.
Wenn einen Zusammenhänge interessieren, sollte man sich damit beschäftigen. Durch ausführliche Recherche, die oft sehr wissenschaftlich und komplex ist, kommt man schon mal ins schleudern. Wenn man es dann mit eignen Worten in einem Roman verwenden will, muss man es selbst erst einmal verstehen. Das wirklich nicht immer einfach. Für mich ist das Schreiben so ein wenig zur Kompensation von nichtvorhandenen eigenen Studiengängen im MINT-Bereich geworden - nun ja zumindest für den "Hausgebrauch".

(da hab' ich schon wieder einen Schreibanfall ...)

Lieben Gruß,
Ernst

PS: schau mal hier rein: "Baukasten Gehirn", damit geht's weiter
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster warum meinst Du denn, dass Dein Buch nie fertig wird, - so etwas darfst Du nie denken. Das wird ich glaub an Dich,
mach Du das gefälligst auch ;-)

Klasse neues Profil sieht nach Poolentspannung aus

Liebe Grüße
Ute
Vor langer Zeit - Antworten
MikDenter Interessante Momentaufnahme mit sehr interessantem Thema. :-) Viele Grüße, Mik
Vor langer Zeit - Antworten
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