VOGELFREI
Vier Wochen alt erst-
aus einem hölzernen Höhlennest
kamst du in meine warme Hand.
Noch konntest du nicht allein futtern.
Zärtlich schmiegtest du dich an mich,
nahmst Atzung und trank.
Dann – nach wenigen Tagen –
picktest du schon allein Körnchen für Korn.
Bald gelang auch das Trinken in Tröpfchenform.
Das Gefieder juckte gar sehr.
Du kratztest und zogst Feder für Feder her.
Du wuchsest und wuchsest,
du fraßest und fraßest,
du piepstest und piepstest.
Heute bist du knapp 15 Wochen alt,
mauserst dich zum ersten male
und wirst langsam von Jüngling zum Mann.
Dein Krummschnabel beißt heftig und scharf.
Deine violettfarbene Nase leuchtet dunkel und tief,
dein Federkleid strahlt himmelblau,
deine Krällchen pieken meine Haut.
Deine Stimme wird fester und laut.
Lustig turnst du in deinem Häuschen,
spielst Clown und neugieriges Mäuschen,
neckst dich mit mir, busselst mit mir,
bist doch von einer andere Welt.
Zart sitzt du auf meiner Hand,
fliegst im Zimmer umher,
brauchst einen Bezug zu mir,
bist wie ein zärtliches Band,
gehörst den Lüften mehr,
lebt doch die Freiheit in dir.
Beispiel sollst du uns sein.
Leben möchten wir wie du,
in Freiheit bezogen vom Ich zum Du.
Sehnsucht spannt unsere geistigen Flügel,
wenn wir planend wandern über Hügel,
wenn wir liebend uns umfassen,
wenn wir von Fantasie uns treiben lassen,
wenn wir auseinander gehen
bis zum nächsten Wiedersehen,
wenn wir träumen und wachen,
wenn wir weinen und lachen,
wenn wir dienen und leben,
wenn wir nehmen und geben,
wenn wir zagen und hoffen,
immer aber bleibt die Tür zur Freiheit offen!
Das ist LEBEN –
Das ist GLÜCK –
Das ist IDEE –
Das ist GESCHICK –
Das ist FREIHEIT –
Das allein ist LIEBE
©HeiO 1977