Kühler Wind spielte sanft mit meinem Haar, während ich wie hypnotisiert das schimmernde Rot der untergehenden Sonnen betrachtete. Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf; zum ersten Mal ließ ich zu, wie sie unbefangen in meinem Kopf herumwirrten. Nach außen hin schien ich ruhig, atmete gleichmäßig, während der Wind mich mit seinen Spielchen zu provozieren schien. Doch ich rührte mich nicht von der Stelle, versuchte das Durcheinander in meinem Kopf zu ordnen, einen klaren Gedanken zu fassen. Abwechselnd spürte ich eine eigenartige, unangenehme Leere, dann wieder erdrückende Schwere auf der Brust. ‚Es war ein anstrengender Tag‘, würde meine Mutter jetzt sagen. Sie würde mich vorsichtig mit ihren sanften Armen umarmen, ihre Wange auf meinen Kopf legen und mir wortlos Trost spenden, während sie meine heißen Tränen mit einem Taschentuch wegtupfen würde. Der wohlbekannte Duft des Taschentuchs, der mich an herrliche Frühlingsblümchen erinnerte, würde Ruhe und Geborgenheit in mir verbreiten. Vielleicht würde sie mir ein kleines Liedchen vorsummen, das sie mir früher als Kind vorgesungen hat, um Albträume zu verjagen. Sie würde mich gleichmäßig und behutsam hin- und herwiegen, wie ein hilfloses Kind, das sich nach der Liebe seiner Mutter sehnt. Das Liedchen würde meine Sorgen verschwinden lassen. Ich würde fliegen, fliegen wie ein Schmetterling.. durch meine farbenfrohen, lebhafte Träume.
Doch sie war nicht mehr hier. Ihre Abwesenheit versetzte mir einen harten Stich ins Herz, doch ich rührte mich nicht. Die Realität war hart. Ungerecht.
Meine Gedanken fuhren Karussell, mir schwindelte, aber ich stand fest. Fester als je zuvor, klammerte mich an jede Erinnerung an meine verstorbene Mutter. Ungerecht.
Ich konnte es nicht fassen. Wieso? WIESO?! War es vorherbestimmt? Dass sie mich verlässt? Auf diese Art? So unerwartet? Dass sie eine so höllisch schmerzende Wunde hinterließ, die nie wieder zu heilen schien? Ungerecht. Das Leben war ungerecht.
Als mich die starken Arme meines trauernden Vaters von hinten umarmten, brach ich zusammen.
Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und versprach mir:
 "Wir werden das schaffen".
Zum allerersten Mal kullerte mir eine glühende Träne die Wange hinunter, die so viel Schmerz und Verzweiflung hinterließ, dass es schien, als wäre sie aus meinem Herzen getropft. Doch die Wirklichkeit stoch  weiter mit dem Dolch auf mein Herz ein, während die letzten Sonnenstrahlen mich beleuchteten, und die finsteren Schatten hinter mich fielen.Â