Beschreibung
Situationskomik in Berlin und anderswo
Wikipedia weiß Folgendes: „Das Schlüssel-Schloss-Prinzip beschreibt die Funktion von zwei oder mehreren komplementären Strukturen, die räumlich zueinander passen müssen, um eine bestimmte biologische Funktion erfüllen zu können …“ Dieses Prinzip ist nicht auf die Biologie beschränkt, es gibt Analogien im Alltag. Hier müssen die komplementären Strukturen mental zueinander passen, sonst funktioniert es nicht. Dann wird der Code eben nicht geknackt und die Methode Versuch und Irrtum führt nur tiefer in den Schlamassel hinein.
In einem China-Restaurant im Berliner Nordosten. Ich habe eben bei der hübschen und anstelligen Kellnerin bestellt. Nun telefoniert sie am Tresen. Da will einer ordern und liefern lassen, das Gespräch scheint sich im Kreis zu drehen. Die beiden können sich nicht einigen, ich höre kaum hin. Dann kommt die Chinesin zu mir und bittet mich, den Straßennamen zu erfragen, ihn aufzuschreiben. „Hallo, wo soll’s hingehen?“ – „In die Reichenberger Straße – mit R, bitte!“ Die Kundin ist gut zu verstehen. Ich schreibe es auf, dazu noch die Hausnummer, reiche den Zettel weiter – und kann mir jetzt den absurden Dialog der beiden rekonstruieren: „Ihre Adresse?“ – „Reichenberger Straße …“ – „Moment, Leichenberger Straße?“ – „Nein, Reichenberger!“ – „Wie, Eichenberger?“ Und so noch eine Weile fort. Bleibt nur eine Frage ungeklärt: Warum bestellt man Chop Suey in Weißensee, wenn man in Kreuzberg wohnt?
Ein anderes Mal sitze ich im Zug von Berlin nach Eberswalde. Einer verschwindet in der Toilette. Von meinem erhöhten Platz habe ich ihre behindertenfreundlich breite, runde Schiebetür gut im Blick. Sie ist mit einem lustigen Jägerbild tapeziert, der Jäger mit Hütchen und kleinem Hund. Nun kommt eine Frau um die fünfzig und will auch hinein. Von innen verschlossen, lässt der Türgriff sich nicht betätigen. Sie will es nicht glauben, will unbedingt hinein und zieht und drückt und drückt und zieht – vergeblich, der Griff gibt kein Jota nach. Kurzes Nachdenken, dann gleitet ihr Blick den Jäger aufwärts. Über ihm zwei rot beleuchtete Großbuchstaben: WC. Ihr kommt eine Idee: In der U-Bahn öffnet man die Tür, indem man die runde Taste mit den gelben Lichtpunkten berührt. Also wendet sie hier die gleiche Methode an. Sie hat Mühe, den roten Button zu erreichen. Auf Zehenspitzen und über Kopf drückt und drückt sie … Danach bearbeitet sie erneut die widerspenstige Tür, stemmt sich sogar gegen sie. Endlich gibt sie auf und kehrt unverrichteter Dinge zu ihrem Platz zurück, kein Fünkchen Verständnis im Blick.
Aber erst die anderen, die eine Zugtoilette von innen nicht verriegeln - daheim schließen sie ja auch nicht ab, sie verhalten sich ganz natürlich, finden sie … Wenn du die Tür ahnungslos geöffnet hast und der Benutzer wenig präsentabel vor dir steht oder hockt – wie er dich dann vorwurfsvoll anfunkelt: Wie konntest du Schamloser, Unverschämter ihm das antun …