Biografien & Erinnerungen
So sind Großmütter eben

Angenehm, die ersten Sonnenstrahlen nach dem langen, kalten Winter.

Entspannt sitze ich auf meinem alten Sessel im hintersten Winkel des Gartens. und beobachte meinen kleinen Enkel., wie er unermüdlich Steinchen ins Biotop schmeißt. Wie er sich  freut, wenn das Wasser nach allen Richtungen spritzt. Wie schnell sich nur die kleinen Füße bewegen, wenn er wieder neue Steine holt.

Obwohl ich nachher alles wieder mühevoll herausfischen muss, lasse ich ihn lächelnd gewähren. So sind Großmütter nun mal.

Meine eigene Kindheit fällt mir dabei wieder ein. Auch meine Großmutter hatte viel Verständnis für mich und meine kleinen Streiche – ihre Geduld war schier grenzenlos. Halbe Nächte lang erzählte sie mir die abenteuerlichsten Geschichten, obwohl sie oft vor Müdigkeit kaum mehr sprechen konnte. Erfundene Märchen oder Begebenheiten aus ihrer Kindheit, mich interessierte einfach alles, ich konnte nie genug davon bekommen..

Bücher, um mir daraus vorzulesen, besaß sie nicht. Den einzigen Lesestoff im Haus meiner Großeltern lieferte Sonntag für Sonntag das Kirchenblatt.

Trotzdem durfte ich dort eine einigermaßen sorgenfreie Kindheit erleben.

Meine Spielsachen bestanden aus Holzscheitern, die ich kunstvoll zu Häusern und Höhlen aufschlichtete. Darin durften dann meine Kukuruzpuppen wohnen. Auch die Katze wollte ich einmal dazu überreden, davon war sie aber nicht begeistert.

Den Sommer über lief ich barfuss, sogar über Stoppelfelder und das war gar nicht einfach. Ich besaß nur ein Paar gute Schuhe und musste daher sorgfältig damit umgehen. Hatten die Zehen keinen Platz mehr, wurde einfach ein Loch in den Schuh geschnitten und so konnte ich sie noch einige Zeit verwenden.

Auch der Garten meiner Großmutter sah etwas anders aus, als mein Garten heute. Gepflegte Rasenflächen gab es damals nicht, sondern nur Obstbäume und Gemüsebeete. Das Wasser kam nicht aus der Leitung, sondern musste mühsam aus einem kleinen Brunnen in einer Kammer gepumpt werden, aber dafür war es immer frisch. Großmutter war sehr stolz darauf, dass der Brunnen im Haus war, denn so konnte sich niemand daran zu schaffen machen. Es geschah nämlich oft, dass das Wasser in einem allgemein zugänglichen Brunnen verunreinigt wurde. Viele Menschen wurden krank und starben, denn medizinische Hilfe war in den Nachkriegsjahren kaum zu bekommen.

Der Kleine muss wohl meine Vorliebe für das Wasser geerbt haben, kommt mir in den Sinn, denn auch ich habe sehr gerne am Wasser gespielt. Durch unser Dorf floss ein kleiner Bach und barfuss durch das Wasser zu laufen, dass war für mich das Schönste an warmen Sommertagen. Großmutter sah es aber nicht gerne, denn es lag oft Unrat im Wasser, wie

Glasscherben oder verrostete Nägel. Allzu leicht konnte man sich eine Blutvergiftung holen.

So, jetzt ist endgültig der letzte Stein im Biotop gelandet und der Kleine inzwischen pitschnass.

Wie schön, dass es ihn gibt, denke ich noch, während ich ihm frische Sachen überziehe.