Humor & Satire
Gerd-Herbert - Der Quak-Geschichte zweiter Teil

Er ist immer noch da. Gerd-Herbert. Grün, glubschäugig und von dem unbezähmbaren Drang beseelt, mich mit nächtlichem Gequake um den Schlaf zu bringen. Hartnäckig widersetzt er sich jedem meiner Fangversuche und somit der Möglichkeit einer Umsiedlung aus dem Nahbereich meines Schlafzimmerfensters zu einem in ferner Feldmark gelegenen Tümpel, an dem er nach Froschherzenslust seiner Sangesfreude frönen dürfte. Wenn ich mich dem vermeintlich abwesend in der Sonne Dösenden von hinten mit dem Kescher nähere, tut er zunächst so, als sei er tief in fröschologische Gedanken versunken, nur um mir dann im letzten Moment zuzuzwinkern, mit einem Satz von seinem warmen Stein in das kühle Nass zu hüpfen und unter dem nächstbesten Seerosenblatt Schutz zu suchen. Ich glaube sogar, neulich ein freches kleines Grinsen in seinen Maulwinkeln entdeckt zu haben.

Gerd-Herbert ist aber nicht nur fix im Versteckspiel, er ist auch sehr lernfähig, wie ich im Laufe der letzten Nacht feststellen durfte. Binnen weniger Tage hat er nämlich die Palette seiner akustischen Ausdrucksmöglichkeiten eindrucksvoll erweitert. Bisher umfasste sein Sprachschatz hauptsächlich so tierische Laute wie das Gekeckere einer Schar Lachmöwen, das heisere Bellen eines Beagles mit Bronchialkatarrh und das im Vergleich dazu relativ schlichte „Hööörb“, das er sich Hugo und Hannelore abgelauscht hat, dem Eiderentenpaar, das neuerdings hin und wieder auf seinem Weg vom nördlich unseres Städtchens gelegenen Klärteich zum südlicheren Mittellandkanal eine kleine Zwischenstation auf unserem Gartenteich einlegt. Hugo und Hannelore werden eben auch nicht jünger. Jetzt aber hat Gerd-Herbert das Imitieren menschlicher Laute für sich entdeckt. Im Ernst. In Hoch- und Plattdeutsch.Fast hatte ich schon geglaubt, Herbert Quak sei samt Familie freiwillig ausgewandert, als er mich heute Morgen mit einem ganz deutlichen „Halb vier, halb vier“ von der Matratze schubste. Ungläubig blinzelte ich auf die Digitalanzeige meines Weckers. 3.35 Uhr. Na gut, Herberts innere Uhr scheint ein wenig nachzugehen, aber sonst fand ich seine Inszenierung schon recht bemerkenswert. Wenn er es schaffte, diesen Ruf leicht abgewandelt morgens um halb sieben erschallen zu lassen, könnte er sich direkt mein Wohlwollen erquaken. Den Vogel aber schoss er wenige Stunden später ab. In astreinem Friesisch begrüßte er mich nämlich zur Gartenarbeit mit einem mehrfachen „Moin moin“. Dass er dazu einen weißen Vollbart, eine blaue Skipper-Mütze und ein rotes Tuch um den Hals trug, ist wahrscheinlich eher meiner Fantasie zuzuschreiben. Gerd-Herberts Sympathiewerte stiegen schlagartig um mehrere Zehntelpunkte. Jetzt überlege ich, ob ich ihn während seiner mittäglichen meditativen Phasen per CD-Spieler beschallen lasse. Wenn er das dabei Gelernte solcherart umsetzen könnte, dass er mich ab 23.00 Uhr mit „Guten Abend, gute Nacht“ in den Schlaf quakte, ich glaube, dann könnten wir uns auf eine friedliche Koexistenz einigen.