Traumland
Ich will nicht... nein, ich mag das nicht... ich schließe die Augen.
Dann öffne ich sie wieder und … fliege!
Ich sehe auf den Boden und sehe Fremde, ich sehe in den Himmel, ein Engel reicht mir seine Hand. Ich greife sie und er fliegt mit mir davon, in mein Land, in meine Wirklichkeit, dorthin, wo ich sein kann, wie ich will und wer ich will. Wir fliegen immer höher, die Welt sieht aus wie eine Murmel und wir fliegen zum Mond. Zusammen mit dem Mann im Mond trinken wir einen Kakao. Mein Engel reicht mir seine Hand und wir starten wieder, ich fühle mich frei... und lebendig. So lebendig wie schon lange nicht mehr. Mein kleiner Körper gleitet durch die Lüfte und ich spiele fangen mit meinem Engel.
Mein Engel. Das hört sich so gut an. Mein Engel wird mir niemals weh tun und immer für mich da sein. Mein Feuerengel. Und mein Engel verändert sich, seine Flügel werden rot und die Haare auch, sie sehen aus wie Flammen.
Ich erschrecke kurz, aber es ist immer noch mein Engel. Mein Feuerengel wird immer für mich da sein, egal was noch passieren wird. Das weiß ich.
Mein Engel nimmt mich in den Arm und legt mir zwei Finger auf die Augenlider, schließt sie und flüstert dann, dass ich sie öffnen soll.
Ich liege im Bett, mein Onkel schließt gerade lächelnd die Tür.
Was war? Ich weiß nicht, ich war mit meinem Engel unterwegs.
Am nächsten Abend kommt mein Engel wieder, er sieht mich lächelnd an und spricht zu mir. Komm mit mir, ich bring dich hier weg, zurück in dein Traumland, wo alles anders ist, wo du keinen Schmerz fühlen wirst und du du selbst sein kannst. Und wir werden uns um dich kümmern.
Ich gehe, wie jeden Abend, mit meinem Engel. In meinem Traumland, bei meinem Engel, ist es viel schöner als hier.
Heute Nacht sind wir auf dem Grund eines See´s oder vielleicht auch eines Meeres, Fische sind um uns herum und sogar Meerjungfrauen, sie spielen mit mir und wir tollen im Wasser.
Mein Engel verwandelt mich für diese Nacht ebenfalls in eine Meerjungfrau und so spiele ich mit den anderen Meerkindern in den Unterwasserpflanzen verstecken.
Mein Engel ist so gut zu mir. Wo wäre ich wohl ohne ihn...
Doch auch diese Nacht ist vorbei und mein Engel legt seine Finger auf meine Lider und bringt mich so in mein Kinderzimmer zurück, wo mein Onkel die Türe schließt.
Was war? Ich weiß nicht, ich war mit meinem Engel unterwegs.
In der nächsten Nacht kommt mein Engel nicht. Und mein Onkel auch nicht.
Engel? Wo bist du?
Bitte, komm und hol mich ab, ich will mit dir auf die Reise gehen.
Engel, komm und bring mich in mein Traumland, wo ich ich selbst sein kann.
Doch ich begreife, mein Engel kommt heute nicht um mich abzuholen.
Hoffentlich kommt er morgen Nacht wieder. Ich vermisse ihn.
Und dann kommt mein Onkel sicher auch.
Aber will ich das?
Ich sage leise ja – aber alles in mir schreit nein.