Romane & Erzählungen
Himmel und Erde - Kapitel 2

0
"Himmel und Erde - Kapitel 2"
Veröffentlicht am 27. Mai 2011, 26 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich liebe Fantasy und schreibe gerne über fremde Welten. Aber mich interessieren auch viele andere Bereiche der Literatur, wie z. B. Kurzgeschichten, Gedichte oder Krimis und Thriller. Kurz gesagt: Ich liebe es einfach zu schreiben, egal worüber.
Himmel und Erde - Kapitel 2

Himmel und Erde - Kapitel 2

Beschreibung

Im zweiten Kapitel des Buchs werden weitere Charaktere vorgestellt, und die Handlung wird langsam aufgebaut. Viel Spaß!

Was die Gesandten ihm erzählt hatten, erschreckte ihn, aber zugleich konnte er sich überhaupt keinen Reim darauf machen. Schweigend setzte er seinen Weg fort – große Kreise um seinen Schreibtisch herum.

         Wie kann man das verstehen? Mittlerweile war die Sonne untergegangen, aber davon abgesehen hatte er keinen blassen Schimmer, wie spät es geworden war. Seufzend ließ er sich auf einen der vielen Sessel nieder, die überall im Raum verteilt herum standen. Das Laufen half ihm nicht weiter, dabei kam ihm auch nicht der rettende Gedankenblitz. Merii ließ den Kopf in seine Hände sin­ken und grübelte über diese völlig ausweglos scheinende Situation nach. Doch egal wie lange er nachdachte, er kam immer wieder zu demselben Schluss. Er musste es jemandem erzählen. Da blieb also nur einer, oder vielmehr eine, dem er es erzählen konnte. Kurz bevor er endlich den einzigen Entschluss gefasst hatte, der ihm seit einigen Stunden im Kopf herumschwirrte, flog eines der Fen­ster krachen auf und schlug gegen die Wand. Die Gardinen blähten sich auf und wehten in den Raum herein.

         Seltsam, ich dachte ich hätte es vorhin geschlossen… Mit einigen Hand­griffen hatte er die Gardinen zur Seite gezogen und das Fenster geschlossen. Als sich vor einiger Zeit der Himmel verdunkelt hatte, und ein Sandsturm heraufge­zogen war, hatte er entschieden besser alle Fenster zu schließen, auch wenn es immer noch glühend heiß gewesen war. Aber das war jeder Tag in dieser riesi­gen Wüste.

         Vor dem nun geschlossenen Fenster blieb er stehen und ließ seinen Blick über die Dächer der Stadt schweifen. Sein Arbeitszimmer befand sich im ober­sten Stockwerk, daher konnte er sogar das Meer hinter den hohen Stadtmauern ausmachen. Doch im Moment sah es eher wie ein riesiger Sumpf aus, grau und leblos, wie der größte Teil der Wüste. Das lag an dem Sandsturm, der wieder über die Stadt fegte und seine kleinen, roten Körner durch die Gassen pfeifen ließ. Dank der Mauern blieben sie aber vom Gröbsten verschont.

         Gerade als seine Gedanken wieder zu seinem Problem wanderten, hörte er, wie jemand die Tür öffnete und den Raum betrat. Da niemand angeklopft hatte, würde es wohl seine Frau sein. Nur einige Sekunden später legte jemand ihm eine Hand auf die Schulter und drehte ihn sanft zu sich herum.

         „Arbeitest du denn immer noch? Das ist bestimmt nicht gut. Du bist schon ganz blass.“ Mit sorgenvoll hochgezogenen Augenbrauen schaute sie ihn miss­trauisch an.

         „Gibt es da etwas, von dem ich wissen sollte?“ Ihre Augen versuchten seinen Blick einzufangen, allerdings hatte sie wenig Erfolg. Merii wich immer wieder aus.

         „Es ist nur ein kleines Problem aufgetreten. Nichts, was ich nicht in den Griff bekommen könnte.“ Wie er es hasste Geheimnisse vor Zadi haben zu müs­sen.

         Sie blickte verärgert zu Boden, natürlich merkte sie, dass er ihr etwas ver­heimlichte.

         „Wenn es also keine Krise ist, und wir morgen nicht in den Krieg ziehen müssen, kannst du dann jetzt bitte ins Bett kommen? Es ist schon beinahe Mit­ternacht.“ Verdutzt blickte Merii aus dem Fenster. War er schon so lange hier? Ihm kam es nur wie Minuten vor, nicht wie Stunden.

         „Du hast Recht. Wie immer.“ Er lächelte, aber Zadi hatte längst verstan­den, dass etwas passiert war. Sie ließ sich nicht täuschen. Das hatte sie noch nie.

 

 Maya eilte aus den Gärten, den Blick immer nach vorn gerichtet. Kaum hatte sie die letzten Beete und Blumen hinter sich gelassen begann sie zu rennen. Eigent­lich hatte sie nicht vorgehabt sich lange aufhalten zu lassen, aber wie immer hatten die Gärten und die Drachen sie in ihren Bann gezogen. Also musste sie jetzt rennen. Ihre Mutter wartete sicher schon auf sie, schließlich hatte sie heute Geburtstag. Wie üblich würde Maya zu spät kommen, irgendwie konnte sie nichts dagegen tun. Kurz vor dem Tor zu den besseren Wohngegenden kramte sie nach ihrer Plakette. Es war ihr Familienwappen und zeigte ein blaues Tuch vor einem weißen Kreis – dem Mond. Es war nichts Besonderes, aber immerhin hatten sie eines. Der Wachmann am Tor schien ihre Eile zu bemerken und mu­sterte ihre Plakette nur flüchtig. Danach ließ er sie passieren. Bis zu ihrem Haus war es nicht mehr weit, also ging sie nun langsamer und versuchte ihren Atem zur Ruhe zu bringen. Ihre Mutter sollte nicht direkt bemerken, dass sie den gan­zen Weg gerannt war. Ihr Blumenstrauß hatte die Hetzerei gut überstanden, er sah immer noch genauso frisch aus, wie sie ihn im Garten gebunden hatte. Sie nahm noch einmal tief Luft und klingelte dann an der Tür. Es dauerte keine zwei Sekunden, da stand ihr auch schon eine kleine, zierliche Elfe gegenüber, die blonden Haare zu einem lockeren Knoten zusammengebunden. Ihre Wangen waren leicht gerötet, und der Duft des Maya so vertrauten Parfüms lag in der Luft.

         „Da bist du ja endlich!“, meinte ihre Mutter mit einer hohen, klaren Stimme.

         „Tut mir leid, ich bin aufgehalten worden.“ Maya machte einen kleinen Schritt nach vorn und umarmte ihre Mutter.

         „Alles Gute zum Geburtstag, Mama“, sagte sie und reichte ihr den Blu­menstrauß. Ihre Mutter murmelte einige Worte zum Dank und führte sie durch das Haus.

         „Geh ruhig schon in den Garten, die anderen Gäste sind schon da.“ Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, verschwand sie durch die Küchentür und suchte eine Vase für die Blumen. Maya durchquerte das riesige Wohnzimmer und trat hinaus auf die Terrasse. Wie Elana, ihre Mutter, gesagt hatte, saßen hier schon etliche Verwandte und Freunde. Maya konnte die Frauen aus der Kaffeerunde ausmachen, ihren Vater und ihre jüngere Schwester und ihren Mann. Sie saßen um einen schweren Tisch aus Kirschholz, auf dem mindestens zehn verschie­dene Kuchen und Torten standen. Elana liebte es zu backen. Ohne darauf zu achten neben wen sie sich setzten würde, steuerte sie einen freien Stuhl auf der gegenüberliegenden Tischseite an. Erst als sie bereits saß, merkte sie, dass sie neben einer alten Frau saß, deren blonde Haare längst weiß geworden waren und durch die ihre Kopfhaut hindurchschimmerte, und neben ihrem Bruder.

         „Ähm … Hallo! Wie geht es dir?“, fragte Maya ihn. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen kein Wort mit ihm zu reden, aber jetzt ließ es sich nicht vermeiden. Sie spürte die Blicke ihres Vaters und ihrer Schwester auf sich ruhen, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen.

         „Tja, ich schätze ganz gut. Und dir?“ Hatte sie gerade richtig gehört? Keine Vorwürfe, Anschuldigungen oder Provokationen? Das war doch nicht ihr Bruder!

         „Ich denke mir geht es auch ganz gut. Was hast du denn in der letzten Zeit so getrieben?“ Ohne es wirklich zu wollen, begann sie gerade ein Gespräch mit ihrem Bruder, den sie, seit sie denken konnte, hasste und mied.

         „Naja, nicht wirklich viel … bis vor ungefähr drei Wochen.“ Was sollte das jetzt werden? Wollte er sie aus der Reserve locken? Besser sie spielte mit, nicht dass der Geburtstag ihrer Mutter in einer Katastrophe endete.

         „Was ist denn vor drei Wochen passiert?“ Sie versuchte ehrlich interes­siert zu klingen, allerdings war es ihr vollkommen gleichgültig, was er so getan hatte.

         „Ich weiß nicht … vielleicht ein anderes Mal …“, flüsterte Teroahn.

Mist. Jetzt war Maya doch neugierig.

         „Ach, komm schon! Ich werde es schon nicht verraten, wenn’s ein Ge­heimnis ist.“ Mit finsterer Miene blickte Teroahn auf. Da war er wieder, der griesgrämige, feindselige Bruder.

         „Bitte.“ Es war kein Flehen und kein Betteln. Einfach nur eine Bitte. Wenn er nicht antworten wollte, konnte sie wahrscheinlich eh nichts ändern.

         „Na gut. Aber lass uns lieber irgendwo anders darüber reden. Ich denke nicht, dass es jeden hier etwas angeht.“ Langsam stand er auf und entschuldigte sich und Maya für wenige Minuten. Sie saß immer noch, zu erstaunt um zu regi­strieren, dass sie eigentlich aufstehen müsste. Ihr Bruder blickte ihr kurz ins Ge­sicht, auffordernd und drängend. Kurz darauf bemerkte sie ihren Fehler und folgte Teroahn ins Haus. Er wartete schon in der Küche, die Mayas Mutter ge­rade verließ.

         „Ich wollte nicht, dass die ganzen anderen Gäste auch erfahren, was pas­siert ist. Du musst das aber nicht verstehen, wenn du nicht willst.“ Er seufzte bevor er fortfuhr.

         „Du musst wissen, dass es nicht einfach ist, dir das zu erzählen. Wir streiten uns seit ich denken kann, und ich weiß nicht mehr warum. Bevor du jetzt wieder böse wirst: Ich habe damit abgeschlossen. Ich will keinen Streit mehr mit dir. Versprichst du mir, dass du mir zuhörst, ohne eine abfällige Be­merkung zu machen?“ Er hatte während dieser Worte das Gesicht dem Boden zugewandt und die Stirn gerunzelt. Aber das einzige, was Maya wirklich schockierte, war die Tatsache, dass er nicht mehr wusste, warum sie sich immer in die Haare bekamen, sobald sie miteinander sprachen. Was, genau genommen, ziemlich lächerlich war, schließlich waren sie beide erwachsen.

         „Ich … ähm, werde es versuchen, aber versprechen kann ich nichts.“ Teroahn lächelte. Maya hatte es noch nie gesehen. Dieses Lächeln. Immer nur ein boshaftes, intrigantes Lächeln. Aber dieses war freundlich und zugänglich. So, wie man es erwartete, wenn ein großer Bruder seine kleine Schwester anlä­chelte.

         „Das reicht mir, glaube ich.“ Er seufzte noch einmal, blickte ihr aber jetzt ins Gesicht.

         „Also, vor drei Wochen und fünf Tagen, da ist etwas vollkommen Seltsa­mes mit mir passiert. Ich weiß nicht genau, wie ich es dir erklären soll. Aber es fühlte sich an, als verlöre ich die Kontrolle über meinen Körper. Das war ein­fach unbeschreiblich furchteinflößend, dauerte aber nur ein paar Sekunden. Da­nach schien alles wie immer zu sein. Dachte ich erst.“ Er wandte den Blick von Maya ab, um seine Gedanken zu sammeln. Aber er sah dabei sehr seltsam aus, als würde er mit jemandem reden.

         „Gut. Ich habe es ihm gerade gesagt. Es ist in Ordnung, glaube mir. Du brauchst keine Angst zu haben. Wirklich nicht. Ich weiß, wie das in deinen Au­gen aussehen muss, was gleich passieren wird, aber es ist in Ordnung.“ Die letzten Worte sprach er mit einer Eindringlichkeit, die Maya erschreckte. Aber gleichzeitig war sie verwirrt und überrascht. Verwirrt, weil sie nicht wusste, ob ihr Bruder verrückt geworden war, oder ob er es ernst meinte. Ãœberrascht, weil ihr Bruder in solchen Rätseln sprach, normalerweise war er direkt und ziemlich präzise.

         Sie entschied sich, ihm zu vertrauen, auch wenn es ihr schwer fiel. Irgen­detwas schien er bemerkt zu haben, denn er nickte. Auf einmal ging eine riesige Veränderung in ihm vor. Sein Gesichtsausdruck wurde härter und strenger, seine Körperhaltung gerader und steifer. Andererseits war die Veränderung so gering, dass jemand, der ihn nicht kannte, sie nicht bemerkt hätte.

         „Hallo Maya. Ich wollte dich gerne kennen lernen. Teroahn hat mir viel von dir erzählt.“ Sie wich einen Schritt zurück. Diese Stimme … Das war nicht Teroahns, diese war viel tiefer und kehliger. Aber was … Sie konnte sich keine Reim darauf machen. Bevor sie einen weiteren Gedanken fassen konnte, begann Teroahn, oder wer auch immer, wieder zu sprechen.

         „Ich bin Nigheel und ungefähr 1215 Jahre alt. Du brauchst keine Angst zu haben. Mit Teroahn ist alles in Ordnung. Ich bin sein Drachennoku.“ Maya wurde vor lauter Information beinahe übel. Teroahn und ein Drachennoku? Aber das bedeutete ja …

         „Ich bin seit ungefähr vier Wochen bei ihm. Die Zeit spielt bei mir keine so große Rolle. Du brauchst keine Angst zu haben.“ Das Gesicht wandte sich wieder von Maya weg, nach einigen Sekunden blickte ihr wieder Teroahn ins Gesicht.

         „Alles in Ordnung mit dir Maya? Du brauchst vor ihm wirklich keine Angst zu haben. Das habe ich doch gesagt. Hätte ich es doch besser nicht getan … war vollkommen klar, dass es so ausgehen würde.“ Seine Augen verengten sich und er runzelte die Stirn.

         „Ist alles gut? Du siehst ein bisschen grün aus.“ Besorgnis vertrieb die Anspannung von seinem Gesicht. Maya wollte nicken, aber ihr Körper schien ihr nicht mehr zu gehören. Nichts konnte sie noch tun, außer da stehen und ihren Bruder anstarren.

         „Alles gut? Maya? Rede mit mir!“ Langsam wurde er nervös, das konnte sie bemerken. Vielleicht sollte sie besser antworten? Sie wusste es nicht. Würde das denn helfen? Versuchen konnte sie es ja. Mühsam suchte sie ihre Zunge, versuchte eindringlich sie zu einer Bewegung zu animieren. Alles vergebens. Selbst ihre Lippen wollten sich nicht öffnen. Wie in Zeitlupe sah sie ihren Bru­der auf sich zukommen, die Arme ausstrecken und sie schütteln. Ihre Zähne klapperten leise aufeinander. Dieses Geräusch weckte sie auf.

         Drachennoku.

         „Ist gut. Ich … Mir geht’s gut.“ Ihr Bruder Entspannte sich augenblick­lich. Ein fragender Ausdruck trat auf sein Gesicht.

         „Warum?“ Es war eine kurze und eigentlich einfache Frage. Aber Maya konnte nicht antworten, noch nicht. Erst einmal hatte sie selbst hunderte Fragen an ihren Bruder, und sie wollte einen Beweis. Vielleicht war er ja auch nur durchgedreht und brauchte dringend ärztliche Hilfe.

         „Nein. Ich brauche Beweise. Zeig mir Nigheel.“ Ihr Bruder wechselte die Farbe. Auf einmal war er bleich, seine Augen geweitet.

         „Ich … was? Hier?“ Maya verdrehte die Augen. Sie kannte die Drachen aus den Gärten, die würden nie in so ein Haus passen, geschweige denn in diese Küche.

         „Draußen, auf der Straße, natürlich.“ Das schien ihn ein kleines bisschen zu beruhigen, dennoch zögerte er. Ohne auf ihren Bruder zu warten, ging sie nach vorne zur Haustür und trat auf die Straße. Durch ganz Marzeal verliefen die Hauptstraßen. Sie waren ungefähr fünfzehn Meter breit, und nur für die Dra­chen gebaut worden. Sie konnten sich also in der ganzen Stadt aufhalten, nur die Gassen stellten Hindernisse dar. Diese Straße war eine Hauptstraße. Also dürfte es kein Problem geben.

         „Maya, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“ Zweifelnd wartete er in der Tür. Wollte er jetzt etwa Angst zeigen? Das passte nicht zu ihm. Ãœber­haupt schien er sich grundlegend verändert zu haben.

         „Jetzt komm schon. Sei kein Weichei!“, drängte Maya. Kaum zu glauben, dass sie eben noch nicht einmal den Mund öffnen konnte. Plötzlich stand er ne­ben ihr und schien ganz entschlossen zu sein. Da Maya nicht im Weg stehen wollte, ging sie zurück zur Tür. Teroahn atmete tief ein, dann war er weg. Statt seiner stand ein riesiger, rubinroter Drache, mit knallgelben Augen und Sta­cheln, die den ganzen Rücken entlang liefen, vor ihr. Die riesigen Pranken waren keine zwei Meter von Maya entfernt, daher konnte sie jeden Dorn auf den Kral­len genau sehen. Ängstlich wich sie einen Schritt zurück. Warum musste ihr Bruder ausgerechnet ein Rubindrachennoku erwischen? Ein süßer, kleiner To­pasdrache wäre doch auch nicht verkehrt gewesen!

         Der Rubindrache senkte seinen Kopf, um Maya besser in die Augen sehen zu können. „Keine Angst, kleine Elfe. Ich sehe vielleicht ein bisschen furchtein­flößend aus, aber eigentlich bin ich ganz friedlich.“ Mit einem leisen Ächzen ließ er sich zu Boden sinken.

         „Glaub mir. Ich werde dir nichts tun.“ Die gelben Augen fixierten sie und die schmalen schwarzen Schlitze verengten sich ein bisschen.

         „Ah, ich sehe schon. Du bist gar nicht ängstlich vor mir! Du hast Angst, dass dein Bruder dir in dieser Gestalt etwas antun könnte!“ Auch wenn seine Schnauze riesig war, erkannte Maya das kleine Schmunzeln des Drachen Nig­heel. Er drehte den Kopf leicht nach rechts, und seine langen Schlappohren wippten leicht hin und her. Selbst an den Rändern seiner Ohren konnte man kleine Dornen erkennen! Naja, was heißt klein. Sie waren mindestens so groß wie Mayas Hand. Den ersten Schreck hatte sie überwunden, daher versuchte sie die Größe des Drachen abzuschätzen. Seine Höhe war einfach herauszufinden. Sie suchte sich das größte Gebäude in der Umgebung und verglich es mit dem liegenden Drachen. Selbst so war er mindestens zehn Meter hoch! Seine Länge konnte  sie nicht wirklich herausfinden, aber vielleicht konnte Nigheel es ihr ja erzählen.

         „Weißt du wie groß du bist?“, fragte sie ihn gerade heraus.

         „Hm, schwer zu sagen. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich müsste ungefähr 17 Meter hoch sein. Die Länge weiß ich nicht so genau. Den Schwanz kann ich dir schon gar nicht sagen. Wenn du mich fragst wächst der immer noch. Aber ohne Schwanz dürfte ich so um die 16 Meter lang sein, viel­leicht ein bisschen weniger.“ Nigheel schaute zufrieden seinen schlanken Körper entlang. Die roten Schuppen warfen das Sonnenlicht zurück, wodurch sie glit­zerten und schimmerten. Eigentlich war er ziemlich hübsch.

         „Darf ich?“, fragte Maya ihn, während sie eine Hand ausstreckte und langsam auf ihn zuging.

         „Natürlich, aber passe mit den Stacheln an meinen Ohren auf, die piksen ganz schön.“ Nigheel legte den Kopf vorsichtig auf seine Pranken und schloss die Augen, als Maya anfing seine roten Schuppen am Kopf zu streicheln. Sie fühlten sich ganz weich und warm an, überhaupt nicht so hart und kalt wie sie aussahen. Das Gefühl erinnerte sie ein kleines bisschen an das Gefühl von Seide auf ihrer Haut.

         Ein kehliger Laut kam aus den Tiefen von Nigheels Brust, der Maya einen Schritt zurück machen ließ. Aber es war nur ein genüßliches Brummen gewesen, wie Katzen es manchmal auch von sich geben. Also setzte sie die Streichelein­heit fort, bis Nigheel ein lautes Seufzen von sich gab.

         „Dein Bruder ist nervös. Er meint, dass sich einige der Gäste sicher schon wundern werden, wo wir drei bleiben. Also gut.“ Maya wich wieder zur Tür zu­rück und wartete, bis der Drache sich hingestellt hatte. Auf einmal war ihr Bru­der wieder da.

         „Lass uns reingehen. Sie warten bestimmt schon auf uns.“ Maya war noch viel zu überrascht um widersprechen zu können. Ihr Bruder und ein Rubindra­chennoku! Sie konnte es noch immer nicht fassen. Da musste sich ihr Bruder noch auf einige Fragen gefasst machen!

 

 Mühsam stieg Merii auf sein blau-schwarzes Chuwii, der vor den Eingangstoren auf ihn wartete. Eigentlich wollte er nicht gehen, aber ihm blieb keine andere Wahl. Seine Frau würde ohne ihn zurechtkommen, und seine Tochter war immer froh, wenn sie ein bisschen mehr Freiraum hatte.

         Es hatte ihn überrascht, wie schnell ein Antwortbrief gekommen war. Normalerweise dauerte es immer eine gewisse Zeit, meistens mehrere Wochen, bis er etwas von ihr hörte, aber diesmal waren noch keine fünf Tage vergangen. Sie hatte einen Boten, der über Land reiste, geschickt, nur um ihm den Brief zu übermitteln. Er musste wohl jeden Tag und jede Nacht durchgeritten sein, so wie sein Chuwii aussah. Aber über Land dauerte die Reise nicht so lang, wie mit dem Schiff. Daher wollte er ebenfalls nicht über den Seeweg reisen, auch wenn das wahrscheinlich sehr viel bequemer gewesen wäre.

         Ächzend hob einer seiner Diener den schweren Koffer auf einen weiteren Chuwii. Dieser hatte beinahe orangenes Fell und eine strahlend weiße Mähne. Außerdem war er kleiner und stämmiger als die übrigen – ein Lasttier. Außer dem Boten, der wieder mit zurück reisen würde, und einem Mitglied seiner Wa­che, würde keiner mitkommen. Es würde die Reise nur unnötig verzögern, und außerdem zu viel Aufsehen erregen.

         Der Bote ritt auf demselben Tier wie bei seiner Ankunft, ein grau-violet­ter Chuwii, dessen Mähne immer noch ganz zerzaust war. Der Bote selbst war groß, größer als die meisten Menschen, und hatte spitz zulaufende Ohren, orange-blonde Haare und die für königliche Botschafter übliche Kleidung. Graue Hosen, violettes Hemd, schwarze Weste mit dem Wappen der Königin und einen Mantel, der bis zu den Knien reichte, und dessen Saum mit lila und Gold bestickt war.

         Seine Wache hatte die übliche silberne Rüstung an, darunter ein schweres Kettenhemd und ein blaues Gewand. Auf einen Helm verzichtete er, und trug stattdessen eine Mütze, die vor der Sommerhitze schützen sollte. Er ritt auf ei­nem weiß-blauen Chuwii, ähnlich dem, den auch Merii ritt. Alle Chuwiis des Königshauses hatten zumindest eine blaue Mähne, die Farbe, die man als die der Menschen kannte.

         Langsam setzten sich die Tiere in Bewegung. Sie lenkten sie in Richtung Westtor, was sie an vielen Leuten vorbeiführte. Sie alle blickten ihnen neugierig in die Gesichter, aber natürlich hatten sie keine Ahnung, was der König vor­hatte. Irgendwie taten ihm all diese Leute leid. Er hätte nicht sagen können warum, aber er wusste, dass ihnen etwas Schlimmes bevorstand.

         Aber ich werde versuchen, es zu verhindern.

Auf dem Markt, direkt vor dem Westtor, war der Trubel am größten. Wie immer war es laut und hektisch, die Marktschreier priesen ihre Waren lauthals an, die Tiere, die verkauft wurden jaulten und schrien und die Kunden brüllten, um sich über diesen ganzen Lärm hinwegzusetzen. Teilweise waren die Menschenmas­sen so dicht, dass sie mit ihren Chuwiis stehen bleiben mussten, doch die mei­sten Leute interessierte es gar nicht. Sie versuchten mit ihrer Arbeit auf dem Markt irgendwie über die Runden zu kommen, eine Familie zu ernähren und die Steuern zu zahlen. Kein Wunder, dass sie dem König nicht gerade zu Dank ver­pflichtet waren, wenn er nichts an ihrer Lage ändern konnte.

         Doch genau das könnte sich vielleicht ändern, wenn er mit der Königin der Elfen gesprochen hatte. Vielleicht konnte er sogar aus der Wüste raus, einer Wüste, die jedes Jahr so viele Opfer forderte. Nicht nur durch die geringen Ern­ten und die Hitze. Auch die Krankheiten, die es hier zur Häufe gab und die durch die in der Wüste lebenden Tiere verbreitet wurden, forderten jedes Jahr viele Tote. Bis jetzt hatten sie noch kein Heilmittel gegen die meisten von ihnen gefunden, aber vielleicht würde das alles nicht mehr nötig sein.

         Ich werde es zumindest versuchen.

Denn das schuldete er diesem Volk, das ihn noch nicht einmal aus seiner Stadt hinaus ließ.

http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_53932-0.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_53932-1.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433603.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433604.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433605.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433606.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433607.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433608.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433609.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433610.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433611.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433612.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433613.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433614.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433615.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433616.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433617.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433618.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433619.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433620.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433621.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433622.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433623.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433624.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433625.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_433626.png
0

Hörbuch

Über den Autor

JustMe
Ich liebe Fantasy und schreibe gerne über fremde Welten. Aber mich interessieren auch viele andere Bereiche der Literatur, wie z. B. Kurzgeschichten, Gedichte oder Krimis und Thriller.
Kurz gesagt: Ich liebe es einfach zu schreiben, egal worüber.

Leser-Statistik
17

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

53932
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung